D-2246/2010 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 11. Mär...
Karar Dilini Çevir:
D-2246/2010 - Abteilung IV - Asyl und Wegweisung - Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 11. Mär...
Abtei lung IV
D-2246/2010
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 1 . M a i 2 0 1 0
Einzelrichter Martin Zoller,
mit Zustimmung von Richter Fulvio Haefeli;
Gerichtsschreiberin Susanne Burgherr.
A._______, geboren (...),
Syrien,
vertreten durch B._______,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 11. März 2010 / N (...).
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
D-2246/2010
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer – ein syrischer Staatsangehöriger kurdischer
Ethnie aus C._______ – suchte am 13. Mai 2008 in der Schweiz um
Asyl nach.
A.a Der Beschwerdeführer machte im Rahmen der Erstbefragung im
Empfangs- und Verfahrenszentrum D._______ vom 20. Mai 2008 und
der Anhörung nach Art. 29 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
(AsylG, SR 142.31) durch das BFM vom 6. Juni 2008 im Wesentlichen
geltend, er habe in C._______ ein (...-)atelier geführt. Am 20. März
2008, dem Tag der Vorfeiern zum Newroz-Fest, hätten sich zwei junge
Männer – Kunden seines Ateliers – in seinem Laden versteckt. Als ihn
drei bewaffnete Soldaten nach deren Verbleib gefragt hätten, habe er
verneint, diese gesehen zu haben. Als ein Soldat die Gesuchten im
Laden entdeckt habe, sei es zwischen ihm (dem Beschwerdeführer)
und den Soldaten zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung ge-
kommen. Ihm sei jedoch die Flucht gelungen und er habe sich bei
einer (Verwandten) in einem anderen Quartier versteckt. Da ihn sein
(Verwandter) noch in derselben Nacht informiert habe, dass er von
Patrouillen zwei Mal gesucht worden sei, sei er nicht mehr nach Hause
zurückgekehrt. Am 11. April 2008 sei er mit Hilfe eines Schleppers
illegal – er habe nie einen Pass besessen – nach E._______ gelangt.
Von dort aus sei er durch ihm unbekannte Länder in die Schweiz
gereist. In der ersten Zeit sei er drei Mal pro Woche zu Hause gesucht
worden. Mittlerweile werde nicht mehr so intensiv nach ihm gesucht. In
Syrien sei er nicht politisch aktiv gewesen, sondern habe nur
gelegentlich für die kurdischen Parteien gespendet. Er habe zuvor
auch keine Probleme mit den Behörden gehabt und sei noch nie
verhaftet worden. Aufgrund seiner Ethnie sei er jedoch im Militärdienst
an schlechten Orten stationiert worden. Kurden würden in Syrien
generell nicht respektiert.
A.b Eine vom BFM in Auftrag gegebene Botschaftsabklärung vom
30. März 2009 ergab, dass der Beschwerdeführer Inhaber eines im
Jahr (...) ausgestellten syrischen Passes sei und am (Datum) über den
Flughafen F._______ in Richtung G._______ ausgereist sei. Zudem
werde er von den heimatlichen Migrationsbehörden und dem
Innenministerium wegen gefälschter Dokumente gesucht.
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A.c Am 19. November 2009 reichte der Beschwerdeführer Beweis-
mittel für ein exilpolitisches Engagement in der Schweiz ein.
A.d Im Rahmen einer ergänzenden Anhörung durch das BFM vom
11. Januar 2010 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er
sympathisiere als Kurde mit allen kurdischen Parteien, insbesondere
mit der Kurdischen Demokratischen Partei der Einheit (Yekiti), die in
der Schweiz regelmässig Kundgebungen vor der syrischen Vertretung
durchführe. Er habe am (Datum) und (Datum) an solchen
Kundgebungen teilgenommen und auch je einmal vor dem Konsulat
der (...) in Zürich und vor dem Gebäude des BFM demonstriert. Es
spiele für ihn keine Rolle, ob man Mitglied oder nur Sympathisant einer
Partei sei; wichtig sei, dass man sich für die Sache der Kurden
einsetze. Seine Familie sei in Syrien mehrmals mit seinem
exilpolitischen Engagement konfrontiert und aufgefordert worden, ihm
auszurichten, er solle dies lassen. Sein Vater sei deswegen vor etwa
vier Monaten zwei Mal mitgenommen worden. Ernsthaft gefährdet sei
seine Familie aber bisher nicht. Er bestreite die Ergebnisse der
Botschaftsabklärung. Er habe nie einen Pass besessen und sei ohne
einen solchen illegal nach E._______ ausgereist; in G._______ sei er
nie gewesen. Die syrischen Behörden würden zu Kurden keine
korrekten Informationen erteilen. Er wisse auch nichts von einer
hängigen Strafuntersuchung; er habe nie Dokumente gefälscht.
A.e Bezüglich der weiteren Aussagen beziehungsweise der Einzel-
heiten des rechtserheblichen Sachverhalts wird auf die Protokolle bei
den Akten verwiesen (vgl. A1, A6 und A20).
B.
B.a Mit Verfügung vom 11. März 2010 – eröffnet am 13. März 2010 –
stellte das BFM fest, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlings-
eigenschaft nicht erfülle. Es lehnte das Asylgesuch ab und ordnete die
Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz sowie den
Wegweisungsvollzug an.
B.b Zur Begründung führte das BFM im Wesentlichen aus, die Vor-
bringen des Beschwerdeführers hielten weder den Anforderungen an
die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG noch denjenigen an die
Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG stand. Hinsichtlich der
Auseinandersetzung mit Soldaten am 20. März 2008 habe er sich
widersprüchlich geäussert. Zudem erweise sich seine Darstellung,
wegen der diesbezüglichen behördlichen Suche ohne Papiere illegal
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ausgereist zu sein, angesichts des Resultats der Botschaftsabklärung
als konstruiert. Die allgemeine schwierige Lage der kurdischen
Bevölkerungsminderheit in Syrien stelle keine asylbeachtliche
Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG dar. Auch die geltend gemachten
exilpolitischen Aktivitäten seien nicht derart, dass damit subjektive
Nachfluchtgründe im Sinne von Art. 54 AsylG begründet werden
könnten. Zwar sei davon auszugehen, dass die syrischen Behörden
die Aktivitäten regimekritischer Exilorganisationen beobachteten. Sie
dürften jedoch nur Interesse an Personen haben, deren Aktivitäten
über massentypische exilpolitische Proteste hinausgingen und mit
Funktionen betraut seien, die sie als gefährliche Regimegegner
erscheinen lassen würden. Der Beschwerdeführer habe ein
vergleichsweise niedriges exilpolitisches Profil, das bei einer Rückkehr
nach Syrien nicht zu einer konkreten Gefährdung führen würde. Diese
Einschätzung stehe in Einklang mit dem Resultat der
Botschaftsabklärung, wonach er lediglich wegen eines
Urkundendelikts gesucht werde. Der Beschwerdeführer erfülle damit
die Flüchtlingseigenschaft nicht, weshalb das Asylgesuch abzuweisen
und die Wegweisung anzuordnen sei. Der Wegweisungsvollzug sei
zulässig, zumutbar und möglich. Das Verfahren wegen eines
Urkundendelikts führe nicht zur Unzulässigkeit des
Wegweisungsvollzugs, da es sich nicht um ein politisches Vergehen
handle, das eine Überstellung an den Geheimdienst und eine nach
Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) verbotene
Behandlung zur Folge hätte.
C.
C.a Mit Eingabe vom 6. April 2010 erhob der Beschwerdeführer beim
Bundesverwaltungsgericht Beschwerde, worin um Aufhebung der vor-
instanzlichen Verfügung und um Feststellung der Flüchtlingseigen-
schaft und Gewährung des Asyls, eventualiter um Feststellung der
Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs und Gewährung der vor-
läufigen Aufnahme ersucht wurde. In formeller Hinsicht wurde zudem
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65
Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Ver-
waltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) und um Verzicht auf die Er-
hebung eines Kostenvorschusses ersucht, wobei diesbezüglich eine
Fürsorgeabhängigkeitsbestätigung vom 24. März 2010 eingereicht
wurde.
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C.b Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, in seiner
Kultur sei es nicht unüblich, einem Verfolgten spontan Unterschlupf zu
gewähren. Er habe die Szene unterschiedlich geschildert, da es sich
dabei nicht um eine Handlungsabfolge mit klar separierbaren Vor-
gängen (Eintreten der sich auf der Flucht befindenden Kunden, Fragen
um Erlaubnis, Verstecken), sondern um parallel ablaufende
Handlungsstränge gehandelt habe. Auch hinsichtlich des Verstecks
(hinter dem Tisch beziehungsweise in der Umkleidekabine) habe er
sich nicht widersprüchlich, sondern lediglich ungenügend präzise ge-
äussert. Die Informationen, die die Schweizerische Botschaft erhalten
habe, seien sicherlich von den syrischen Geheimdiensten manipuliert
worden. Den Vorwurf der Urkundenfälschung weise er vehement von
sich. Er habe nie eine solche begangen und sei auch nie über ein
diesbezügliches Verfahren in Kenntnis gesetzt worden. Er habe schon
in Syrien mit den kurdischen Parteien sympathisiert, aus Angst jedoch
nicht durch ein aktives Engagement, sondern nur durch Geldspenden.
In der Schweiz beteilige er sich nun aktiv an Kundgebungen und
Treffen der Yekiti. Bei der Kundgebung vor dem syrischen Konsulat in
H._______ am (Datum) sei er von Konsulatsmitarbeitern fotografiert
worden. Diese Bilder seien sicherlich bei den syrischen
Geheimdiensten gelandet. So sei sein Vater auch zwei Mal verhört
worden. Er reiche weitere Fotos, die sich auf der Internetseite der
Schweizer Sektion der Yekiti befänden, und ein Schreiben bezüglich
der erwähnten Kundgebung in H._______ zu den Akten. Diese Belege
zeigten, dass er nicht bloss ein niedriges exilpolitisches Profil auf-
weise. Die Situation der Kurden in Syrien sei desolat. Die Sicherheits-
kräfte hätten weitreichende Vollmachten, die zu unzähligen willkür-
lichen Inhaftierungen führten. Aufgrund seiner Ethnie und seiner ab-
lehnenden Haltung gegenüber dem Regime befinde er sich im Visier
der syrischen Sicherheitskräfte. Bei einer Rückkehr hätte er mit
grosser Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, festgenommen und
misshandelt zu werden, weshalb er die Flüchtlingseigenschaft erfülle.
Zudem würde ein Wegweisungsvollzug gegen Art. 5 Abs. 1 AsylG,
Art. 33 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 3 EMRK verstossen, da er
aufgrund seines exilpolitischen Engagements an Leib, Leben und
Freiheit gefährdet wäre.
D.
D.a Mit Zwischenverfügung vom 14. April 2010 stellte der
Instruktionsrichter fest, dass der Beschwerdeführer den Ausgang des
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Verfahrens in der Schweiz abwarten könne. Gleichzeitig wies er die
Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss
Art. 65 Abs. 1 VwVG und um Verzicht auf die Erhebung eines Kosten-
vorschusses ab. Er erhob einen Kostenvorschuss von Fr. 600.-, zahl-
bar bis zum 29. April 2010, mit dem Hinweis, dass ansonsten auf die
Beschwerde nicht eingetreten werde.
D.b Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine erste
Prüfung der Akten habe ergeben, dass die Beschwerde als aussichtlos
zu qualifizieren sei. Namentlich dürften die Schlussfolgerungen des
BFM, die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verfolgungssituation,
wonach er aufgrund einer Auseinandersetzung mit Soldaten gesucht
werde, sei nicht glaubhaft, die allgemeinen Benachteiligungen der
Kurden stellten keine asylrechtlich relevante Verfolgung im Sinne von
Art. 3 AsylG dar und die subjektiven Nachfluchtgründe hielten den An-
forderungen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht
stand, zu bestätigen sein. Die Ausführungen in der Beschwerde er-
schienen nicht geeignet, die von der Vorinstanz aufgezeigten Mängel
zu beheben beziehungsweise eine asylrechtlich relevante Verfolgung
im Sinne von Art. 3 AsylG darzulegen. Die Verneinung der Flücht-
lingseigenschaft und die Abweisung des Asylgesuchs dürften damit zu
bestätigen sein. Auch die Wegweisung und deren Vollzug erschienen
in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen.
E.
Mit Eingabe vom 20. April 2010 reichte der Beschwerdeführer ein
Schreiben der Schweizer Sektion der Yekiti vom 6. April 2010 ein
(„Bestätigung für Sympathisanten“).
F.
Der Kostenvorschuss wurde am 21. April 2010 geleistet.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungs-
gericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM
gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vor-
instanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet be-
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treffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das
Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der
vorliegenden Beschwerde und entscheidet im Bereich des Asyls end-
gültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichts-
gesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht (Art. 108
Abs. 1 AsylG, Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 52 VwVG). Der Beschwerde-
führer ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und
hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungs-
weise Änderung. Der Beschwerdeführer ist daher zur Einreichung der
Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 VwVG).
Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
3.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichter-
licher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters be-
ziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e
AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um
eine solche, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu
begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG). Gestützt auf Art. 111a Abs. 1
AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
4.
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen
grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person an-
erkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zu-
letzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen
Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete
Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte
Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder
Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen
Druck bewirken (Art. 3 AsylG).
4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nach-
weisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft ge-
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macht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere
Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in
sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder
massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt
werden (Art. 7 AsylG).
4.3 Für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist nicht nur der
Zeitpunkt der Ausreise aus dem Heimatland, sondern auch die
Situation im Zeitpunkt des Asylentscheids massgebend (vgl. Ent-
scheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurs-
kommission [EMARK] 2005 Nr. 18). Wer sich darauf beruft, dass durch
sein Verhalten nach der Ausreise eine Gefährdungssituation ge-
schaffen worden sei, macht subjektive Nachfluchtgründe geltend, die –
sofern sie nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden
können – zwar die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG
begründen, jedoch gemäss Art. 54 AsylG zum Ausschluss des Asyls
führen.
5.
5.1 Aufgrund der Akten erweisen sich die vorinstanzlichen Er-
wägungen als zutreffend. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann
daher vorab auf die nicht zu beanstandenden Ausführungen des BFM
in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden. Der Rechtsmittel-
eingabe sind keine stichhaltigen Entgegnungen zu entnehmen, die die
Argumentation des BFM in Zweifel zu ziehen vermöchten. Dem Be-
schwerdeführer wurde bereits mit Zwischenverfügung vom 14. April
2010 dargelegt, weshalb seine Vorbringen in der Beschwerde – da
aussichtslos – keine Änderung in der Frage der Flüchtlingseigenschaft
(und Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs) zu bewirken ver-
mögen. Eine Änderung der Sachlage hinsichtlich der Begehren ist
zwischenzeitlich nicht eingetreten, so dass ebenfalls auf die Aus-
führungen in der besagten Zwischenverfügung verwiesen werden
kann.
5.2 Der Einschätzung des BFM, an den vom Beschwerdeführer
geltend gemachten Ausreisegründen, wonach er aufgrund einer Aus-
einandersetzung mit Soldaten gesucht werde, bestünden ernsthafte
Zweifel, ist beizupflichten. Eine Überprüfung der Akten ergibt, dass die
Vorbringen kein stimmiges Bild vermitteln. Das BFM hat aus zu-
treffenden Gründen die Vorbringen des Beschwerdeführers als den
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Anforderungen an die Glaubhaftigkeit nicht genügend qualifiziert. Dass
er nie einen Pass besessen habe und wegen der angeblichen
behördlichen Suche illegal zu Fuss nach E.______ ausgereist sei,
kann aufgrund der Ergebnisse der Botschaftsabklärung, gemäss
welcher er über einen gültigen Pass verfügt habe und am (Datum) per
Flugzeug nach G._______ ausgereist sei, nicht geglaubt werden. Mit
der blossen Entgegnung, bezüglich Kurden seien generell keine
korrekten Informationen erhältlich, vermag der Beschwerdeführer die
Abklärungsergebnisse, insbesondere die Existenz eines gültigen
Passes, nicht zu entkräften. Überdies vermag auch die Stellungnahme
in der Beschwerdeschrift zu den vom BFM aufgezeigten
Widersprüchen in der Schilderung der Ereignisse vom 20. März 2008,
wonach sich diese mit der unterschiedlichen Kultur, dem schnellen
Ablauf des Geschehens und zu unpräzisen, aber nicht falschen
Angaben erklären liessen, nicht zu überzeugen. Auch mit dem Hinweis
auf die allgemein schwierige Lage der kurdischen
Bevölkerungsminderheit in Syrien vermag der Beschwerdeführer den
Anforderungen an eine asylbeachtlich begründete, individuelle
Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG nicht zu genügen.
Der Beschwerdeführer konnte mithin für den Zeitpunkt der Ausreise
aus Syrien keine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Das BFM hat das Asylgesuch in
diesem Kontext zu Recht abgewiesen.
5.3 Hinsichtlich des geltend gemachten exilpolitischen Engagements
ist der Einschätzung des BFM, wonach dieses nicht derart sei, als
dass damit subjektive Nachfluchtgründe im Sinne von Art. 54 AsylG
begründet werden könnten, ebenfalls beizupflichten.
Den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts zufolge trifft es
zwar zu, dass sich die syrischen Behörden für die exilpolitischen
Aktivitäten ihrer Staatsangehörigen interessieren. Es ist jedoch davon
auszugehen, dass sich die syrischen Geheimdienste auf die Erfassung
von Personen konzentrieren, die über die massentypischen und
niedrigprofilierten Erscheinungsformen exilpolitischer Proteste hinaus
Funktionen wahrgenommen und/oder Aktivitäten entwickelt haben, die
die Person aus der Masse der mit dem Regime Unzufriedenen
herausheben und als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner er-
scheinen lassen. Massgebend ist dabei nicht primär das Hervortreten
im Sinne einer optischen Erkennbarkeit und Individualisierbarkeit,
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sondern eine öffentliche Exponierung, die aufgrund der Persönlichkeit
des Asylsuchenden, der Form des Auftritts und des Inhalts der in der
Öffentlichkeit abgegebenen Erklärungen den Eindruck erweckt, dass
der Asylsuchende zu einer Gefahr für den Bestand des syrischen
Regimes wird.
Ein solcher Exponierungsgrad kann dem Beschwerdeführer nicht
beigemessen werden. Die eingereichten Beweismittel vermitteln nicht
den Eindruck, er habe sich in hervorgehobener Position für die
Belange der Exil-Syrer beziehungsweise der syrischen Kurden
engagiert. Aufgrund der Aktenlage ist nicht davon auszugehen, sein
Engagement sei über die blosse Sympathisierung mit der Yekiti (vgl.
das Schreiben der Schweizer Sektion der Yekiti vom 6. April 2010, das
keine Mitgliedschaftsbestätigung darstellt, sondern lediglich die
Sympathisierung mit der Yekiti attestiert) und die Teilnahme an ein
paar wenigen Kundgebungen hinausgegangen. Konkrete und
glaubhafte Hinweise, dass er deswegen tatsächlich das Interesse der
syrischen Behörden auf sich gezogen hat respektive als
regimefeindliches Element namentlich identifiziert und registriert
wurde, liegen nicht vor. Auf den eingereichten Fotos ist er zwar
erkennbar, er wird jedoch in den aktenkundigen Aufrufen und
Petitionen nicht namentlich genannt. Eine Identifizierung durch den
syrischen Geheimdienst erscheint daher nicht wahrscheinlich, zumal
sich der Beschwerdeführer im Rahmen der ergänzenden Anhörung
vom 11. Januar 2010 widersprüchlich zu der angeblichen behördlichen
Konfrontation seiner Familie mit seinem exilpolitischen Engagement
und der damit verbundenen Gefährdung geäussert hat, indem er zwar
einerseits angab, sein Vater sei deswegen zwei Mal mitgenommen und
unter Druck gesetzt worden (vgl. A20 S. 2), andererseits aber
ausführte, seine Familie sei bis jetzt nicht ernsthaft gefährdet (vgl. A20
S. 3) und er müsse mit seinen politischen Tätigkeiten hier nicht
aufhören, nur weil seine Familie in Syrien aufgesucht worden sei (vgl.
A20 S. 3). Aber selbst für den Fall des Bekanntwerdens der
exilpolitischen Tätigkeit ist angesichts der Tatsache, dass der
Beschwerdeführer nicht als besonders engagierter und exponierter
Regimegegner qualifiziert werden kann, nicht davon auszugehen, er
müsste bei einer Rückkehr mit flüchtlingsrechtlich relevanter
Verfolgung durch die syrischen Behörden rechnen.
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Demnach ist die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers auch
mangels subjektiver Nachfluchtgründe gemäss Art. 54 AsylG zu ver-
neinen.
6.
Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein,
so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und
ordnet den Vollzug an (Art. 44 Abs. 1 AsylG). Da der Beschwerde-
führer weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung
noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen verfügt, wurde
die Wegweisung zu Recht angeordnet (vgl. EMARK 2001 Nr. 21).
7.
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme
von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundes-
gesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Aus-
länder [AuG, SR 142.20]).
7.1 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Ver-
pflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des
Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat ent-
gegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
7.1.1 Keine Person darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land
gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus
einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie
Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden
(Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 FK). Dieses flücht-
lingsrechtliche Rückschiebungsverbot schützt nur Personen, die die
Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG respektive Art. 1A FK
erfüllen.
Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich
erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann
das in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen
Rückschiebungsverbots vorliegend nicht zur Anwendung gelangen.
Der Vollzug der Wegweisung nach Syrien ist demnach unter dem
Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
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7.1.2 Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101),
Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und
andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf
niemand in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder
eine andere Art unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Be-
handlung droht.
Weder aus den Aussagen des Beschwerdeführer noch aus den Akten
ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Aus-
schaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Be-
handlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Ge-
richtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-
Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Ge-
fahr („real risk“) nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Falle
einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen
würde (vgl. EMARK 2001 Nr. 16 S. 122, mit weiteren Hinweisen). Dies
ist vorliegend nicht der Fall. Das offenbar gegen den Beschwerde-
führer hängige Verfahren betrifft nicht ein politisches, sondern ein
gemeinrechtliches Delikt (Urkundenfälschung), so dass nicht anzu-
nehmen ist, ihm würde deswegen eine nach Art. 3 EMRK oder Art. 1
FoK verbotene Strafe oder Behandlung drohen. Auch die allgemeine
Menschenrechtssituation in Syrien lässt den Wegweisungsvollzug
nicht als unzulässig erscheinen.
7.1.3 Der Vollzug der Wegweisung ist damit sowohl im Sinne der asyl-
als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
7.2 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen
und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunfts-
staat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner
Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine
konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83
Abs. 7 AuG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren (vgl. Botschaft
zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom
8. März 2002, BBl 2002 3818).
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7.2.1 Die allgemeine Lage in Syrien ist weder von Bürgerkrieg noch
von allgemeiner Gewalt gezeichnet, so dass der Vollzug der Weg-
weisung dorthin grundsätzlich zumutbar erscheint.
7.2.2 In den Akten finden sich auch keine konkreten Anhaltspunkte
dafür, dass der Beschwerdeführer aus individuellen Gründen
wirtschaftlicher, sozialer oder gesundheitlicher Natur in eine existenz-
bedrohende Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer ist (...)
und soweit aktenkundig gesund. Er hat bis zu seiner Ausreise in
C._______ gelebt und ist somit mit den dortigen Verhältnissen bestens
vertraut. Zudem verfügt er mit (Aufzählung Verwandte) in C._______
und einer (Verwandten) in F._______ über ein verwandtschaftliches
Beziehungsnetz im Heimatland (vgl. A1 S. 1 ff.). Gemäss eigenen
Angaben ist er von Beruf (...) und hat seit dem Jahr 2001 ein eigenes
Atelier geführt, das ihm ein monatliches Einkommen von (...) sicherte
(vgl. A1 S. 2). Es ist somit nicht davon auszugehen, er würde bei einer
Rückkehr in eine seine Existenz vernichtende Situation geraten, die
als konkrete Gefährdung im Sinne der zu beachtenden Bestimmungen
zu werten wäre (Art. 83 Abs. 4 AuG).
7.2.3 Der Vollzug der Wegweisung erweist sich daher sowohl in
genereller als auch in individueller Hinsicht als zumutbar.
7.3 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, bei der Be-
schaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken (Art. 8 Abs. 4 AsylG),
weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen
ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).
7.4 Insgesamt ist der durch die Vorinstanz verfügte Wegweisungsvoll-
zug zu bestätigen. Das BFM hat diesen zu Recht als zulässig, zumut-
bar und möglich erachtet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme
des Beschwerdeführers fällt damit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4
AuG).
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig
und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die
Beschwerde ist somit abzuweisen.
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Be-
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schwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG). Sie sind
auf insgesamt Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) und mit dem in
gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen.
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Sie sind durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvor-
schuss gedeckt und werden mit diesem verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (Einschreiben; Bei-
lagen: beim Bundesverwaltungsgericht eingereichte Fotos retour
[9 Stück]; über die Herausgabe der bei der Vorinstanz eingereichten
Beweismittel entscheidet diese auf entsprechende Anfrage)
- das BFM, Abteilung Aufenthalt, mit den Akten Ref.-Nr. N (...) (per
Kurier; in Kopie)
- (...) (in Kopie)
Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:
Martin Zoller Susanne Burgherr
Versand:
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