D-1760/2011 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
Karar Dilini Çevir:
D-1760/2011 - Abteilung IV - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) - Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dubl...
Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung IV
D-1760/2011
Urteil vom 24. März 2011
Besetzung Einzelrichter Hans Schürch,
mit Zustimmung von Richterin Gabriela Freihofer;
Gerichtsschreiber Christoph Basler.
Parteien A._______, geboren am (…),
Staat unbekannt,
(…),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin);
Verfügung vom 11. März 2011 / N (…).
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Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,
dass der Beschwerdeführer Zimbabwe eigenen Angaben zufolge im
Dezember 2007 verliess und sich nach Südafrika begab, wo er sich
anschliessend bis im Dezember 2008 aufhielt,
dass er nach Brasilien weiterreiste, wo er bis im September 2009 lebte,
als er nach Mexiko flog, wo er als Flüchtling anerkannt worden sei,
dass er Mexiko verlassen habe, weil Farbige dort diskriminiert würden
und es im ganzen Land viel Gewalt gebe,
dass er im September 2010 in die Niederlande flog, wo er ein Asylgesuch
gestellt habe, welches abgelehnt worden sei,
dass sein Anwalt die Beschwerdefrist verpasst habe, weshalb das Gericht
den Rekurs abgelehnt habe, beziehungsweise sein Anwalt gar keinen
Rekurs eingereicht habe,
dass er in den Niederlanden inhaftiert worden sei, mit Hilfe eines anderen
Anwalts aber die Entlassung erreicht habe,
dass er von den Niederlanden aus in die Schweiz reiste, wo er am
4. Februar 2011 um Asyl nachsuchte,
dass das BFM dem Beschwerdeführer im B._______ am 16. Februar
2011 das rechtliche Gehör zu einer allfälligen Überstellung in die
Niederlande gewährte,
dass er sich mit einer Rückkehr in die Niederlande einverstanden
erklärte, falls das Obergericht seinen Fall behandeln werde,
dass das BFM die zuständigen niederländischen Behörden am 24.
Februar 2011 gestützt auf Art. 16 Abs. 1 Bst. e Dublin-II-VO (Verordnung
Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von
Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die
Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat
gestellten Asylantrags zuständig ist) um Wiederaufnahme des
Beschwerdeführers ersuchte,
dass die niederländischen Behörden der Übernahme des
Beschwerdeführers am 8. März 2011 zustimmten,
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dass das BFM mit Verfügung vom 11. März 2011 – eröffnet am 15. März
2011 – in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Bst. d des Asylgesetzes vom
26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch nicht eintrat, die
Wegweisung aus der Schweiz in die Niederlande verfügte, den
Beschwerdeführer aufforderte, die Schweiz spätestens am Tag nach
Ablauf der Rechtsmittelfrist zu verlassen, den Kanton C._______ mit dem
Vollzug der Wegweisung beauftragte, feststellte, eine allfällige
Beschwerde gegen die vorliegende Verfügung habe keine aufschiebende
Wirkung, und dem Beschwerdeführer die editionspflichtigen Akten
gemäss Aktenverzeichnis aushändigte,
dass das BFM zur Begründung im Wesentlichen anführte, ein Abgleich
der Fingerabdrücke mit der Zentraleinheit Eurodac habe ergeben, dass
der Beschwerdeführer am 7. Oktober 2010 in den Niederlanden ein
Asylgesuch eingereicht habe,
dass die Niederlande das Ersuchen des BFM um Übernahme des
Beschwerdeführers gutgeheissen hätten, womit gemäss dem Abkommen
vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur
Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem
Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (Dublin-
Assoziierungsabkommen, SR 0.142.392.689) die Zuständigkeit zur
Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens bei den
Niederlanden liege,
dass der Beschwerdeführer im Rahmen des rechtlichen Gehörs
geäussert habe, aus seiner Sicht spreche nichts gegen eine
Zuständigkeit der niederländischen Behörden, sofern diese seinen Fall
beim Obergericht weiterverfolgen würden,
dass es sich bei den Niederlanden um einen gut funktionierenden
Rechtsstaat handle und nicht bekannt sei, dass die Rekursinstanz dort
nicht funktioniere,
dass die Überstellung in die Niederlande – vorbehältlich einer allfälligen
Unterbrechung oder Verlängerung – bis spätestens am 8. September
2011 zu erfolgen habe,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 22. März 2011 gegen
diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und
dabei beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und auf
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sein Asylgesuch sei einzutreten, eventuell sei die Wegweisungsverfügung
aufzuheben, und es sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren,
dass für den Inhalt der Beschwerde auf die Akten zu verweisen und,
soweit entscheidwesentlich, nachfolgend darauf einzugehen ist,
dass die vorinstanzlichen Akten am 24. März 2011 beim
Bundesverwaltungsgericht eintrafen (Art. 109 Abs. 2 AsylG),
und zieht in Erwägung,
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls endgültig
über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG,
SR 172.021]) des BFM entscheidet (Art. 105 AsylG i. V. m. Art. 31 – 33
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32];
Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
[BGG, SR 173.110]),
dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz
teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt
ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise
Änderung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist
(Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde
einzutreten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG sowie Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37
VGG und Art. 52 VwVG),
dass im vorliegenden Beschwerdeverfahren einzig zu prüfen ist, ob das
BFM gestützt auf Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG auf das Asylgesuch des
Beschwerdeführers zu Recht nicht eingetreten ist und infolgedessen die
Wegweisung aus der Schweiz zu Recht verfügt hat,
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und
die Unangemessenheit gerügt werden können (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterlicher
Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise
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einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es
sich vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine solche handelt,
weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist
(Art. 111a Abs. 2 AsylG),
dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen
Schriftenwechsel verzichtet wurde,
dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn
Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die
Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich
zuständig ist (Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG),
dass die niederländischen Behörden am 8. März 2011 gestützt auf Art. 16
Abs. 1 Bst. e Dublin-II-VO in Beantwortung einer Anfrage des BFM vom
24. Februar 2011 der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers
zustimmten,
dass der Beschwerdeführer somit ohne Weiteres in den Dublin-Staat
(Niederlande) ausreisen kann und der allfällige Vollzug der Wegweisung
in die Niederlande möglich ist,
dass vorliegend keine Gründe ersichtlich sind, die einen Selbsteintritt des
BFM gemäss Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO nahegelegt hätten, da die
Niederlande unter anderem Signatarstaat des Abkommens vom 28. Juli
1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30), der
Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) und des Übereinkommens vom
10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) sind und
keine konkreten Hinweise dafür bestehen, die Niederlande würden sich
nicht an die daraus resultierenden Verpflichtungen halten,
dass es vorliegend einzig um die Feststellung der Zuständigkeit für die
Behandlung des Asylverfahrens geht, weshalb eine Anfrage an die
mexikanischen Behörden, ob dem Beschwerdeführer dort die
Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (vgl. Beschwerde S. 3), nicht
dienlich erscheint,
dass der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, das BFM verletze
internationales Recht, indem es seine Flüchtlingseigenschaft nicht
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anerkenne, unzutreffend ist, da die Frage der Flüchtlingseigenschaft nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist,
dass die vom Beschwerdeführer geäusserte Furcht, er werde bei einer
Rückkehr Behandlungen ausgesetzt werden, die gegen Art. 3 EMRK
verstiessen, unbegründet erscheint, da die Niederlande die EMRK
unterzeichnet haben und diese grundsätzlich beachten,
dass das BFM demnach in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG
zu Recht auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten
ist,
dass das Nichteintreten auf ein Asylgesuch in der Regel die Wegweisung
aus der Schweiz zur Folge hat (Art. 44 Abs. 1 AsylG), vorliegend der
Kanton keine Aufenthaltsbewilligung erteilt hat und zudem kein Anspruch
auf Erteilung einer solchen besteht (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen
der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2001 Nr. 21),
weshalb die verfügte Wegweisung im Einklang mit den gesetzlichen
Bestimmungen steht und demnach vom Bundesamt zu Recht angeordnet
wurde,
dass das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen
Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern regelt,
wenn der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder
nicht möglich ist (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG, SR 142.20]),
dass in Verfahren nach Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG die Frage nach der
Zulässigkeit und Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs (Art. 83 Abs. 2
und 3 AuG) regelmässig Voraussetzung (und nicht erst Regelfolge) des
Nichteintretensentscheides ist (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
D-645/2010 vom 1. März 2010 E. 8.1),
dass demnach auf die Frage einer drohenden Verletzung des Non-
Refoulements-Gebots beziehungsweise der Möglichkeit des Vollzugs der
Wegweisung an dieser Stelle nicht mehr einzugehen ist,
dass sich die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in
Verfahren nach Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG nicht unter dem Aspekt von
Art. 83 Abs. 1 und 4 AuG stellt, sondern ebenfalls vor der Prüfung des
Nichteintretens im Rahmen des Selbsteintrittsrechts (vgl. Urteil D-
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645/2010 vom 1. März 2010 E. 8.2), welches wie vorstehend ausgeführt,
nicht zur Anwendung gelangt,
dass das BFM demnach den Vollzug der Wegweisung in die Niederlande
zu Recht angeordnet hat,
dass es dem Beschwerdeführer demnach nicht gelungen ist darzutun,
inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt, den
rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt oder
unangemessen ist (Art. 106 AsylG), weshalb die Beschwerde abzuweisen
ist,
dass das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde angesichts des vorliegenden direkten Entscheids in der
Hauptsache gegenstandslos geworden ist,
dass das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde
abzuweisen ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 600.--
(Art. 1 – 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1
VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird
abgewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu
Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die
zuständige kantonale Behörde.
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Hans Schürch Christoph Basler
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