D-1261/2015 - Abteilung IV - Asyl (ohne Wegweisung) - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 23. Jan...
Karar Dilini Çevir:
D-1261/2015 - Abteilung IV - Asyl (ohne Wegweisung) - Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 23. Jan...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung IV
D-1261/2015



Ur t e i l vom 2 2 . Ok to be r 2 0 1 5
Besetzung
Richter Thomas Wespi (Vorsitz),
Richterin Contessina Theis, Richter Martin Zoller,
Gerichtsschreiber Stefan Weber.

Parteien

A._______, geboren am (...),
Türkei,
vertreten durch lic. iur. Fethiye Yalcin,
Beschwerdeführerin,


gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM;
zuvor Bundesamt für Migration, BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 23. Januar 2015 / N (...).



D-1261/2015
Seite 2
Sachverhalt:
A.
A.a Die Beschwerdeführerin, eine aus B._______ stammende türkische
Staatsangehörige kurdischer Ethnie mit letztem offiziellem Wohnsitz in
C._______, verliess ihre Heimat im Jahre (...) in Richtung D._______ und
lebte ab dem Jahre (...) in E._______. Am 6. August 2011 reiste sie in Be-
gleitung ihrer Tochter auf dem Luftweg aus D._______ aus und gelangte
über F._______ am 12. August 2011 illegal in die Schweiz. Am 16. August
2011 stellte sie für sich und ihre Tochter im Empfangs- und Verfahrensze-
ntrum (EVZ) G._______ ein Asylgesuch, wo am 30. August 2011 die Be-
fragung zur Person (BzP) stattfand. Mit Entscheid des BFM vom 14. Sep-
tember 2011 wurden sie für die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton
H._______ zugewiesen. Am 19. April 2013 fand die Anhörung durch das
BFM zu den Asylgründen statt.
A.b Der Ehemann der Beschwerdeführerin seinerseits reichte am 19. April
2012 sein Asylgesuch im EVZ I._______ ein, wo am 30. April 2012 die BzP
stattfand. Die Anhörung des BFM wurde am 27. März 2013 durchgeführt.
A.c Zur Begründung ihres Asylgesuchs brachte die Beschwerdeführerin
bei der BzP im Wesentlichen vor, sie habe sich im (...) – im Alter von vier-
zehn Jahren – der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) angeschlossen. Es
habe sich um einen emotionalen Akt gehandelt. Ihr hauptsächliches Motiv
für den Anschluss sei die allgemeine Repression gegen die Kurden gewe-
sen. Zudem sei ihre Mutter damals wegen der kurdischen Herkunft im Spi-
tal nicht behandelt worden, was zu einer Invalidität geführt habe. Im (...)
habe sie sich von der PKK getrennt und fortan in E._______ gelebt, wo sie
im folgenden Jahr ihren Mann kennengelernt habe, der früher ebenfalls bei
der PKK gewesen sei. Vor zirka (...), also im (...), habe die PKK einen ers-
ten und vor etwa (...) einen zweiten Aufruf an sie und ihren Ehemann ge-
richtet, in die Organisation zurückzukehren. Diese habe vor allem gewollt,
dass sich ihr Mann wieder der PKK anschliesse. Auf der anderen Seite
seien sie von den nordirakischen Behörden unter Druck gesetzt worden,
welche insbesondere ihren Mann als Peshmerga habe verpflichten wollen.
Sie seien aber zu einer solchen Söldnertätigkeit nicht bereit gewesen. Von
beiden Seiten unter Druck gesetzt, hätten sie ein schweres Leben gehabt,
zumal sie auch keine Ausweise – ausser einem Flüchtlingsausweis des
Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UN-
HCR) – besessen hätten. Sie hätten Angst vor der PKK gehabt, da diese
D-1261/2015
Seite 3
Abtrünnige, welche nicht bereit seien, in die Organisation zurückzukehren,
umbringe.
A.d Anlässlich der Anhörung brachte sie ergänzend vor, sie habe sich bis
zu ihrem Rückzug von der PKK im Norden, d.h. auf der türkischen Seite,
aufgehalten. Dann habe sie sich im Jahre (...) auf die irakische Seite im
Süden begeben, wo die Bedingungen für die Guerillas wesentlich besser
gewesen seien. Im Norden seien viele Bekannte und Freunde gestorben
und sie habe gesehen, dass dort irgendwie ein System aufgebaut worden
sei, in dem jeder seine eigenen Leute bevorzugt habe. Als sie dieses Un-
recht habe kritisieren wollen, sei sie beschuldigt worden, Leute aus ihrer
Gegend zu bevorzugen. Dies sei der eine Grund gewesen, weshalb sie
sich von der PKK getrennt habe. Der andere Grund sei der Umstand ge-
wesen, dass die Organisation im Jahre (...) eine Untersuchung gegen sie
eingeleitet habe und sie (Nennung Dauer) alleine in einem Versteck habe
verbringen müssen. So sei sie beschuldigt worden, (Nennung Beschuldi-
gung). In der Folge sei für sie klar gewesen, dass sie die Organisation ver-
lassen würde. Sie sei dann im Lager J._______ für den Unterricht von Kin-
dern eingeteilt worden, von wo sie in eine benachbarte Ortschaft habe ge-
hen dürfen, um dort beispielsweise einzukaufen. Da sie mit ihrer Familie in
Kontakt gestanden habe, habe ihr Onkel ein Auto dorthin geschickt, mit
welchem sie dann den Ort und damit auch die PKK habe verlassen können.
Sie fühle sich zwar sicher in der Schweiz, habe aber trotzdem noch immer
Angst, von der PKK verfolgt zu werden. Sie habe innerhalb der Organisa-
tion keine grosse Aufgabe innegehabt: Sie sei eine einfache Kämpferin res-
pektive ein einfaches Mitglied derselben gewesen. Da sie noch jung gewe-
sen sei, als sie sich der PKK angeschlossen habe, sei sie an keinen Kampf-
handlungen beteiligt gewesen und habe keine Waffen gegen Leute ver-
wendet. Sodann seien Ende des Jahres (...) die Sicherheitsbehörden bei
ihrer Familie erschienen, um sie zu verhaften. Diese hätten angegeben,
den Auftrag von der Staatsanwaltschaft erhalten zu haben. Diesbezüglich
sei es üblich, dass die Sicherheitsbehörden der Türkei den Grund für eine
Verhaftung nicht kommunizieren würden. Den gegen sie ausgestellten
Haftbefehl habe ihre Familie nicht erhältlich machen können. Zudem werde
diese stark unter Druck gesetzt und man habe ihren Vater drei oder vier
Monate nach ihrem Weggang verhaftet. Zudem würden die Sicherheitsbe-
hörden nach ihr fragen und ihre Familienangehörigen würden aufgefordert
mitzuteilen, wo sie sich aufhalte. Auf die weiteren Ausführungen wird, so-
weit wesentlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
D-1261/2015
Seite 4
A.e Die Beschwerdeführerin reichte keine Identitätsdokumente ein. Dazu
führte sie an, nie einen Reisepass besessen und im Jahre (...) ihre Identi-
tätskarte der PKK abgegeben zu haben. Anlässlich der Anhörung und im
weiteren Verlaufe des vorinstanzlichen Verfahrens reichte sie (Auflistung
Beweismittel) ein.
A.f Am 30. Mai 2013 liess die Vorinstanz über die Schweizer Vertretung in
Ankara Abklärungen vor Ort durchführen. Am 26. Juli 2013 ging das Abklä-
rungsergebnis der Botschaft vom 23. Juli 2013 beim BFM ein. Darin wurde
im Wesentlichen festgehalten, die Beschwerdeführerin habe ein politisches
Datenblatt, sie werde in der Türkei seit dem (...) mittels Haftbefehl gesucht.
Die Untersuchung unter der Nummer (...) werde durch die Staatsanwalt-
schaft K._______ geführt. Der Beschwerdeführerin werde die Mitglied-
schaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation vorgeworfen. Wei-
tere Anklagepunkte – auch in strafrechtlicher Hinsicht – würden keine be-
stehen.
A.g Am 16. September 2013 wurde beim BFM (Nennung Beweismittel)
eingereicht.
B.
Mit Verfügung vom 23. Januar 2015 – eröffnet am 27. Januar 2015 – stellte
das SEM die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art 3 Abs. 1 und 2 AsylG (SR
142.31) für die Beschwerdeführerin – wie auch für den Ehemann der Be-
schwerdeführerin –, nicht aber für deren Tochter fest. Jedoch wurde die
Tochter gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG in die Flüchtlingseigenschaft der El-
tern einbezogen. Es erachtete die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann
gestützt auf Art. 53 AsylG als asylunwürdig, lehnte die Asylgesuche ab und
ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an. Zugleich nahm es die Be-
schwerdeführerin, ihren Ehemann und die gemeinsame Tochter wegen Un-
zulässigkeit des Vollzugs der Wegweisung vorläufig in der Schweiz auf. Die
Ablehnung des Asylgesuchs bei gleichzeitiger Anerkennung als Flüchtling
begründete das Bundesamt hinsichtlich der Beschwerdeführerin damit, es
lägen hinlänglich konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass sie während ihres
langjährigen Einsatzes für die PKK für "verwerfliche Handlungen" im Sinne
des Asylgesetzes individuell verantwortlich sei beziehungsweise sich eines
Verbrechens schuldig gemacht habe, weshalb sie asylunwürdig sei.

C.
D-1261/2015
Seite 5
Mit an das Bundesverwaltungsgericht gerichteter Eingabe vom 26. Februar
2014 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Entscheid Beschwerde
und beantragte, es sei die Beschwerde gutzuheissen und der angefoch-
tene Entscheid sei teilweise – soweit die Dispositivziffern 4 bis 9 betreffend
– aufzuheben und das SEM anzuweisen, ihr in der Schweiz Asyl zu ge-
währen. In prozessualer Hinsicht sei auf die Erhebung eines Kostenvor-
schusses zu verzichten und die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Auf die Begründung wird, soweit entscheidwesentlich, in den Erwägungen
eingegangen.
D.
Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 12. März 2015 wurde der Be-
schwerdeführerin mitgeteilt, dass sie den Ausgang des Verfahrens in der
Schweiz abwarten dürfe. Sie wurde aufgefordert, das eingereichte fremd-
sprachige Beweismittel (handgeschriebenes Dokument) bis zum 27. März
2015 in eine Amtssprache übersetzen zu lassen. Im Unterlassungsfall
werde aufgrund der übrigen Akten entschieden. Sodann wurde festgehal-
ten, dass über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechts-
pflege sowie über einen allfälligen Verzicht auf die Erhebung eines Kosten-
vorschusses nach Ablauf der angesetzten Frist befunden werde.
E.
Mit Eingabe vom 26. März 2015 wurde die Übersetzung des Beweismittels
ins Recht gelegt.
F.
Mit Verfügung vom 7. April 2015 wurden die Gesuche um Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG, um Er-
lass des Kostenvorschusses und um amtliche Rechtsverbeiständung ge-
mäss Art. 110a AsylG gutgeheissen und lic. iur. Fethiye Yalcin zur amtli-
chen Rechtsbeiständin bestellt. Das SEM wurde in Anwendung von Art. 57
VwVG zur Einreichung einer Stellungnahme eingeladen.
G.
In ihrer Vernehmlassung vom 15. April 2015 hielt die Vorinstanz fest, die
Beschwerdeschrift in Bezug auf die Beschwerdeführerin enthalte keine
neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, die eine Änderung ihres
Standpunktes rechtfertigen könnten.
D-1261/2015
Seite 6
H.
Am 20. April 2015 wurde der Beschwerdeführerin die vorinstanzliche Ver-
nehmlassung zur Kenntnisnahme zugestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den
Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesver-
waltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne
von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher
zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entschei-
det auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslie-
ferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Per-
son Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche
Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb
das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Die Beschwer-
deführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die
angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges In-
teresse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur
Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG;
Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzu-
treten.
1.3 Der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass die Verfügung des
SEM vom 23. Januar 2015 betreffend den Ehemann der Beschwerdefüh-
rerin sowie betreffend Tochter (...) unangefochten in Rechtskraft erwach-
sen ist.
1.4 Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rü-
gen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des
Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
2.
2.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grund-
sätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
D-1261/2015
Seite 7
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationali-
tät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer
politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder be-
gründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3
Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung
des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen
unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen
Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
2.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen
oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ge-
geben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen
Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsa-
chen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte
Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
3.
3.1 Die Vorinstanz hielt zur Begründung des ablehnenden Asylentscheides
im Wesentlichen fest, aufgrund der Aktenlage erfülle die Beschwerdefüh-
rerin die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG. Es sei
indessen das allfällige Vorliegen von Asylausschlussgründen im Sinne von
Art. 53 AsylG zu prüfen. Unter den in Art. 53 AsylG enthaltenen Begriff der
"verwerflichen Handlungen" fielen gemäss konstanter Praxis der schwei-
zerischen Asylbehörden Delikte, die durch das schweizerische Strafge-
setzbuch (StGB, SR 311.0) mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht
seien und daher als Verbrechen (politischer oder gemeinrechtlicher Natur)
gelten würden. Bezüglich des Beweismasses sei nicht zwingend eine
rechtskräftige Verurteilung vorausgesetzt. Bei Straftaten, die im Ausland
begangen worden seien, sei kein strikter Nachweis erforderlich. Es genüge
die aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigte Annahme respektive
die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sich die betroffene Person ei-
ner Straftat im obigen Sinne schuldig gemacht habe. Die Anwendung von
Art. 53 müsse im Hinblick auf das begangene Delikt, die Umstände und die
seither vergangene Zeit verhältnismässig sein. Gemäss Praxis rechtfertige
sich ein Asylausschluss alleine aufgrund einer Mitgliedschaft bei einer als
extremistisch aufzufassenden Organisation (so bspw. der PKK) nicht (vgl.
BVGE 2011/10; Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen
Asylrekurskommission [EMARK] 2002/9). Vielmehr sei der individuelle Tat-
beitrag zu ermitteln. Rechtfertigungs- und Schuldmilderungsgründe seien
ebenfalls zu werten. Die Praxis folge sodann der in der Lehre vertretenen
D-1261/2015
Seite 8
Auffassung, dass bei der Beurteilung der Asylunwürdigkeit auch der Grund-
satz der Verhältnismässigkeit zu beachten sei. Dabei sei vorab in Betracht
zu ziehen, wie lange die Tat bereits zurückliege, wobei auf die Verjährungs-
bestimmungen des Strafrechts verwiesen werde. Ebenso hätten das Alter
des Flüchtlings im Zeitpunkt der Tatbegehung sowie eine allfällige Verän-
derung der Lebensverhältnisse nach der Tat Einfluss auf die diesbezügli-
che Entscheidfindung.
Für die Beurteilung des Verhaltens der Beschwerdeführerin seien unter
dem Blickwinkel der Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG ihre Akti-
vitäten für die PKK im Sinne eines individuellen Tatbeitrags massgeblich.
Die Beschwerdeführerin habe sich im Alter von vierzehn Jahren der PKK
angeschlossen und die Organisation während (...) Jahren zunächst in der
Türkei als "Guerilla oder einfache Kämpferin" – wie sie sich selbst bezeich-
net habe – und danach im Nordirak als Lehrerin unterstützt. Sie sei an kei-
nen Kampfhandlungen beteiligt gewesen, weil sie noch zu jung gewesen
sei. Dies könne nur im Zeitpunkt ihres Anschlusses an die PKK gelten, zu-
mal sie angegeben habe, dass es Operationen gegeben habe, bei denen
sie angegriffen worden seien. Das habe sie gesehen und miterlebt. Daher
könne davon ausgegangen werden, dass sie bei kämpferischen Handlun-
gen beteiligt gewesen sei, zumal sie bis im Jahre (...) als junge Frau (Nen-
nung Alter) noch in der Türkei bei der PKK stationiert gewesen sei. Die
Kampfeinsätze der PKK würden sich nicht nur gegen die türkische Armee
richten, sondern auch die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehen. Der
über Jahrzehnte dauernde Einsatz für die PKK und der immer noch nach
so vielen Jahren gültige Haftbefehl gegen die Beschwerdeführerin würden
den Eindruck erwecken, dass sie ihre Rolle bei der PKK herunterzuspielen
versuche. Vor diesem Hintergrund sei vielmehr davon auszugehen, dass
sie eine höhere Position innerhalb der PKK innegehabt habe und an Aktio-
nen beteiligt gewesen sein müsse, die für den türkischen Staat heute noch
von Bedeutung seien. Selbst wenn sie, wie vorgebracht, nie an Kampfeins-
ätzen teilgenommen beziehungsweise nie eine Waffe gegen Leute verwen-
det hätte, habe sie mit ihrer langjährigen Unterstützung der PKK in der Tür-
kei und ihrer Lehr- und wohl auch Propagandatätigkeit einen qualifizierten
individuellen Beitrag zum bewaffneten Kampf der PKK geleistet. Es stehe
ausser Zweifel, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Tätigkeiten bei der
PKK terroristische Aktionen unterstützt habe. Des Weiteren seien Recht-
fertigungs- und Schuldminderungsgründe zu prüfen. Vorliegend könne der
Beschwerdeführerin ihr jugendliches Alter beim Anschluss an die PKK nicht
zu Gute gehalten werden. So würden sich aus der Aktenlage und ihren
D-1261/2015
Seite 9
Ausführungen zum Entschluss, der PKK beizutreten, keine Zwangslage o-
der nachvollziehbaren Rechtfertigungsgründe ergeben. Es sei nicht nach-
vollziehbar, dass sie sich aufgrund der Invalidität der Mutter der PKK an-
geschlossen habe, sei sie doch die älteste Tochter und hätte schon alleine
aufgrund des kulturellen Hintergrunds für die Mutter sorgen müssen. Das
vorgebrachte Hauptmotiv, die Repression gegen die Kurden, sei pauscha-
lisierender Art und es sei vielmehr davon auszugehen, dass sie sich bereits
früh mit der PKK auseinandergesetzt habe und so von der Sache der PKK
überzeugt gewesen sei, weshalb nur ein Beitritt zu dieser Organisation in
Frage gekommen sei. Diese Einschätzung werde durch die Ausführungen
zu den die Beschwerdeführerin störenden Differenzen zwischen den PKK-
Mitgliedern in der Türkei und denjenigen im Irak gestützt. Auch die Verhaf-
tung ihres Vaters könne nicht als Anstoss für ihren Beitritt gesehen werden,
zumal die Festnahme später geschehen sei. Aufgrund der zeitlichen Nähe
könne aber daraus abgeleitet werden, dass die PKK innerhalb ihrer Familie
Unterstützung gefunden habe. Sodann seien die Ausführungen zum Aus-
tritt aus der PKK nicht nachvollziehbar. Erfahrungsgemäss sei ein solcher
Austritt nicht ohne weiteres so leicht möglich, wie er von der Beschwerde-
führerin beschrieben worden sei. Ihre diesbezüglichen Ausführungen seien
zwiespältig ausgefallen: Einerseits habe sie in der BzP angeführt, es sei
sehr schwierig für eine Frau, sich von der PKK zu trennen. Andererseits
würden ihre Ausführungen zum Weggang von der PKK anlässlich der An-
hörung nicht den Eindruck erwecken, dass sie dabei Schwierigkeiten er-
fahren habe. Ebenso sei der andere Grund, wonach die PKK im Jahre (...)
ein Verfahren gegen sie eingeleitet habe, nicht nachvollziehbar, zumal sie
danach noch mehrere Jahre bei der PKK geblieben sei. Weshalb sie sich
gerade im Jahre (...) von der Organisation losgesagt habe, bleibe ebenfalls
unklar. Sodann würden ihre Ausführungen zu ihrem Aufenthalt in
E._______ darauf hindeuten, dass sie ihre Rolle bei der PKK beschönigen
wolle. Ein Aufenthalt im Nordirak, so wie er beschrieben worden sei, wider-
spreche den allgemeinen Erkenntnissen. Somit würden ihre Motive zum
Austritt aus der PKK nicht ausreichen, um die Verhältnismässigkeit der
Asylunwürdigkeit zu verneinen. Auch ihre familiäre Situation spreche nicht
zu ihren Gunsten, sei sie doch erst im Jahre (...) Mutter eines Kindes ge-
worden, mithin mehrere Jahre nach ihrem Austritt aus der PKK und kurz
vor der Einreise in die Schweiz. Hinzu komme, dass aufgrund des beste-
henden Haftbefehls davon ausgegangen werden müsse, dass ihr Tatbei-
trag für die PKK noch nicht verjährt sei. Schliesslich sei aus den Aussagen
der Beschwerdeführerin kein Reueempfinden darüber zu entnehmen, dass
sie den bewaffneten Kampf derart lange unterstützt habe. Es lägen dem-
nach hinlänglich konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen "verwerflicher
D-1261/2015
Seite 10
Handlungen" vor. Die Beschwerdeführerin sei daher von der Asylgewäh-
rung auszuschliessen.
3.2 Dieser Argumentation hielt die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsmit-
teleingabe im Wesentlichen entgegen, ihre kleine Tochter sei während der
BzP und der Anhörung anwesend gewesen, weshalb sich diese schwierig
gestaltet hätten. Anlässlich der BzP habe sie ihre Ausführungen in einer
relativ kurzen Zeit und unter Stress, aber ohne Widerspruch vorgebracht
und die Fragen vollständig beantwortet. Als sie über ihre Tätigkeit in der
PKK befragt worden sei, habe sie es ganz spontan erklärt. Dem Protokoll
der Anhörung seien keine Hinweise zu entnehmen, dass sie ihre Position
oder ihre Aktivitäten in der PKK herunterzuspielen versucht habe. Die vor-
instanzliche Würdigung, wonach sie mit ihren Tätigkeiten bei der PKK ter-
roristische Aktionen unterstützt habe, erweise sich als pauschal. Aus den
Akten würden sich keine Hinweise ergeben, dass sie innerhalb der Orga-
nisation eine hohe und verantwortliche Stellung innegehabt oder sich an
Aktionen beteiligt habe, die für den türkischen Staat heute noch von Be-
deutung seien. Es bestehe kein Grund, von einem qualifizierten individuel-
len Tatbeitrag ihrer Person zu sprechen. Der Grund, warum sie über Jahr-
zehnte in der PKK geblieben sei, sei in ihrer Lebensgeschichte und den
schwierigen Umständen im Gebiet zu erblicken. Bereits im Kindesalter
habe sie den staatlichen Druck auf die Kurden erlebt und sie stamme aus
einer politisch aktiven Familie. Da sie sich früh der Organisation ange-
schlossen habe und das Leben ausserhalb der PKK im Irak für sie fremd
gewesen sei, sei es ihr nicht einfach gefallen, die PKK zu verlassen. So sei
die Frauenarmee eine Art Schutzraum für sie gewesen, da sie als Frau
Angst vor Vergewaltigung und Zwangsheirat gehabt habe. In Berücksichti-
gung ihrer familiären Beziehungen, der Art ihrer Erziehung, ihres bisheri-
gen Lebens und ihrer Weltanschauungen habe von ihr niemand erwarten
dürfen, dass sie von einem Reuegesetz in der Türkei Gebrauch gemacht
hätte. In ihrer Anhörung habe sie klar gemacht, dass sie sich von der PKK
distanziert habe. Sie habe nie aktiv an Kampfeinsätzen teilgenommen. We-
der aus ihren Vorbringen noch aus ihrer handschriftlich verfassten Lebens-
geschichte liessen sich verwerfliche Handlungen ersehen.
4.
4.1 Gemäss Art. 53 AsylG bedingt die Asylunwürdigkeit – unter anderem –
die Begehung einer verwerflichen Handlung, wobei darunter diejenigen
Delikte zu subsumieren sind, welche gemäss allgemeinem Teil des schwei-
zerischen Strafgesetzbuches als "Verbrechen" (vgl. Art. 10 Abs. 2 StGB;
abstrakte Höchststrafe von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe) gelten,
D-1261/2015
Seite 11
wobei es irrelevant ist, ob die verwerfliche Handlung als rein gemeinrecht-
liches oder aber als politisches Delikt einzustufen ist (vgl. BVGE 2011/29
E. 9.2.2 S. 564, 2011/10 E. 6 S. 131, jeweils mit weiteren Hinweisen).
Hinsichtlich des anzuwendenden Beweismasses ist bei Straftaten, die im
Ausland begangen wurden, kein strikter Nachweis erforderlich. Es genügt
die aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigte Annahme, das heisst
die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sich die betroffene Person ei-
ner Straftat im erwähnten Sinne schuldig gemacht hat. Dabei ist von einer
pauschalen Betrachtungsweise Abstand zu nehmen und der individuelle
Tatbeitrag − zu welchem die Schwere der Tat und der persönliche Anteil
am Tatentscheid wie auch das Motiv des Täters und allfällige Rechtferti-
gungs- oder Schuldminderungsgründe zu zählen sind − zu ermitteln. Ein
entsprechender Tatbeitrag, der zum Ausschluss von der Asylgewährung
führt, kann zum einen in unmittelbarer Täterschaft erfolgt sein. Zum ande-
ren ist auch nach einer Tatbeteiligung und einer mittelbaren Täterschaft zu
fragen, die sich aus einer Verantwortung für Handlungen Dritter aufgrund
einer entsprechenden Befehlsgewalt ergeben kann (vgl. diesbezüglich das
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-4291/2012 vom 26. Juli 2013
E. 5.3 mit weiteren Hinweisen).
Liegt eine entsprechende Delinquenz vor, ist ausserdem zu prüfen, ob die
Rechtsfolge des Asylausschlusses auch eine verhältnismässige Mass-
nahme darstellt. Dabei ist vorab in Betracht zu ziehen, wie lange die Tat
bereits zurückliegt, wobei auf die Verjährungsbestimmungen des Straf-
rechts verwiesen wird. Ebenso haben das Alter im Zeitpunkt der Tatbege-
hung sowie eine allfällige Veränderung der Lebensverhältnisse nach der
Tat Einfluss auf die diesbezügliche Entscheidfindung (vgl. BVGE 2011/10
E. 6 S. 132, 2011/29 E. 9.2.3 f. S. 565, mit weiteren Hinweisen).
4.2 Aus der entsprechenden Praxis ergibt sich zunächst, dass die alleinige
Tatsache einer Mitgliedschaft bei einer als extremistisch aufzufassenden
Organisation – hier interessierend die PKK – nicht zur Folgerung der
Asylunwürdigkeit zu führen vermag (vgl. BVGE 2011/29 E. 9.2.4, 2011/10
E. 6.1; EMARK 1998 Nr. 12 E. 5, 2002 Nr. 9 E. 7c). Vielmehr ist zum einen
zu prüfen, welchen eigenen Tatbeitrag die betreffende Person selbst ge-
leistet hat. Zum anderen ist nach dem spezifischen Charakter der Organi-
sation zu fragen.
D-1261/2015
Seite 12
Am Beispiel der erwähnten türkisch-kurdischen PKK wurde in EMARK
2002 Nr. 9 E. 7c. verdeutlicht, dass der PKK weder die blosse Charakteri-
sierung als terroristische Organisation (wodurch bereits die blosse Mit-
gliedschaft einer verwerflichen Handlung im Sinne des Art. 53 AsylG
gleichkäme) noch eine solche als reine Bürgerkriegspartei (deren Kombat-
tanten bezüglich ihrer Handlungen nicht nach den Regeln des Strafrechts,
sondern nach denjenigen des völkerrechtlichen Kriegsrechts zu beurteilen
wären; vgl. auch EMARK 2006 Nr. 29 E. 7.5) gerecht werde. Zweifellos sei
die PKK für eine Vielzahl von terroristischen Aktionen inner- und aus-
serhalb der Türkei verantwortlich. Ebenso stehe aber auch fest, dass deren
politische Motivation und Kriegsführung derjenigen einer (Bürger-)Kriegs-
partei entsprächen. Während des jahrelangen Kampfes der PKK habe sich
je nach Zeit, Ort, Angriffsziel, Methode, den beteiligten Personen etc. der
politische, kriegerische oder terroristische Aspekt in den Vordergrund ge-
schoben. Die pauschale Qualifizierung aller Taten der PKK als Kriegshand-
lungen mit der Konsequenz, dass diese den Kombattanten nicht als Asyl-
ausschlussgrund entgegengehalten werden könnten, erscheine ange-
sichts der unterschiedlichen Phasen des Kampfes und der dabei verwen-
deten Vielfalt der Mittel nicht als sachgerecht. Aber auch ein Asylaus-
schluss allein aufgrund der Mitgliedschaft bei der PKK – indem die PKK als
kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB betrachtet würde, wo-
mit jedes ihrer Mitglieder allein durch seine Zugehörigkeit strafbar wäre –
rechtfertige sich nicht. Es bleibe der individuelle Tatbeitrag zu ermitteln, zu
welchem nicht nur die Schwere der Tat und der persönliche Anteil am Tat-
entscheid, sondern ebenso das Motiv des Täters und allfällige Rechtferti-
gungs- oder Schuldminderungsgründe zu zählen seien.
4.3 Nach Würdigung der Akten kommt das Bundesverwaltungsgericht vor-
liegend zum Schluss, dass die Vorinstanz die Asylunwürdigkeit der Be-
schwerdeführerin zu Recht festgestellt hat. Den Akten ist zu entnehmen,
dass sie der PKK im Jahre (...) im Alter von vierzehn Jahren freiwillig beitrat
und diese als "einfache Kämpferin" respektive als "einfaches Mitglied" zu-
nächst in der Türkei und ab dem Jahre (...) im Nordirak als Lehrerin unter-
stützt habe. Zwar führte die Beschwerdeführerin in diesem Zusammen-
hang an, sie sei an keinen Kampfhandlungen beteiligt gewesen, weil sie
noch zu jung gewesen sei. Diesbezüglich erwog das BFM zu Recht, dass
diese Aussage lediglich für den Zeitpunkt ihres Anschlusses an die PKK –
und wohl auch für die erste Zeit danach – gelten könne, zumal sie auch an
Operationen beteiligt war, bei welchen sie und andere Mitglieder der Orga-
nisation angegriffen worden seien (vgl. act. A41/13 S. 7; A48/14 S. 6). So-
dann ist mit dem BFM einig zu gehen, dass die Beschwerdeführerin mit
D-1261/2015
Seite 13
ihren Ausführungen versucht, ihre tatsächliche Stellung innerhalb der PKK
zu verharmlosen, dies insbesondere deshalb, weil sie sich seit dem Jahre
(...) während (...) Jahren in verschiedenen Funktionen für die PKK einsetzte
(siehe dazu die nachfolgenden Erwägungen) und seit dem (...) bis heute
von den türkischen Behörden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen
Organisation mit Haftbefehl gesucht wird. Unbesehen der diesbezüglichen
Ausführungen des BFM im angefochtenen Entscheid, die vorliegend voll-
umfänglich zu bestätigen sind, ist Folgendes festzustellen: Die Beschwer-
deführerin reichte mit ihrer Rechtsmitteleingabe ein handschriftliches
Schreiben ein, in welchem sie ihre damaligen Erlebnisse festhielt. Darin
bringt sie unter anderem zunächst vor, sie habe bereits kurz nach ihrem
Beitritt immer wieder den Wunsch geäussert, an Aktionen der PKK teilneh-
men zu können, auch wenn dies meistens abgelehnt worden sei. Zudem
durchlief sie eigenen Angaben zufolge verschiedene ideologische und
praktische Ausbildungen. Sodann habe sie gezielt eine Sache bislang nicht
erwähnt, nämlich dass sie eine Waffe in der Organisation besessen und im
Rahmen der praktischen Ausbildungen geübt habe, aus der Ferne auf ein
Ziel zu schiessen. Zudem sei sie im Rahmen eines Krieges gegen die
L._______ in D._______, der im Jahre (...) begonnen habe, mit der verant-
wortlichen Leitung einer Frauengruppe zwischen fünf und zehn Personen
betraut gewesen, die das Gebiet hinter der Angriffslinie habe schützen
müssen. Entgegen ihrer Auffassung war die Beschwerdeführerin dadurch
sehr wohl aktiv im erwähnten Krieg beteiligt und kann im Rahmen ihrer
Führungsaufgabe durchaus als Mitbeteiligte an strategischen Entscheidun-
gen bezüglich des von ihr zu überwachenden respektive zu schützenden
Gebietes betrachtet werden. Aufgrund dieser Umstände ist zu schliessen,
dass sie die gewaltbereite Organisation der PKK über einen vergleichs-
weise langen Zeitraum in nicht zu unterschätzendem Ausmass sowohl ide-
ologisch, logistisch als auch militant unterstützt hat. Zudem ist nach Auffas-
sung des Gerichts davon auszugehen, dass sie sich durchaus mit den Zie-
len und der Vorgehensweise der PKK identifizierte und sich vom bewaffne-
ten Kampf nie klar distanzierte. So führte sie anlässlich der Anhörung aus,
dass das kurdische Volk einen legitimen Kampf gegen die türkische Regie-
rung führe, und stellte in Abrede, dass ihr Engagement bei der PKK ein
Delikt darstelle (vgl. act. A41/13 S. 7 unten). Auch in ihrem erwähnten
Schreiben, worin sie die Gründe für ihre Abkehr von der Organisation schil-
dert, wird weniger die Verwendung der Waffen, sondern vielmehr die un-
terschiedliche Behandlung respektive der ungleiche Einsatz von im Norden
(Türkei) und im Süden (Irak) stationierten Kämpfern innerhalb der PKK kri-
tisiert. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bestehen demnach
insgesamt gesehen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die
D-1261/2015
Seite 14
Beschwerdeführerin zugunsten der PKK bis ins Jahr (...) verwerfliche
Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG begangen hat.
Sodann stellt der von der Vorinstanz angeordnete Asylausschluss auch
eine verhältnismässige Massnahme dar. Entscheidend fällt vorliegend ins
Gewicht, dass die Beschwerdeführerin von der PKK eine Waffe erhielt und
eine entsprechende Ausbildung durchlief. So übte sie mit dieser Waffe, auf
weit entfernte Ziele zu schiessen. Im späteren Verlauf ihrer Tätigkeit für die
PKK wurde ihr im Jahre (...) die Führung einer Gruppe von fünf bis zehn
Frauen übertragen, wobei sie im Rahmen des Krieges gegen die
L._______ während mindestens zwei Jahren verantwortlich dafür zeich-
nete, jeweils das Gebiet hinter der angreifenden Gruppe zu schützen. Zu-
dem nahm sie mit ihrer Einheit an Einsätzen teil, bei denen die Einheit teil-
weise angegriffen worden sei und sich verteidigt habe. Die Beschwerde-
führerin bezeichnete sich als einfaches Mitglied beziehungsweise als ein-
fache "Kämpferin" der PKK, bei welcher sie während (...) Jahren aktiv war.
Weiter ist anzuführen, dass die Ausführungen zu ihrem Austritt aus der
PKK im Jahre (...) unstimmig ausfielen und sie sich von den Zielen und
namentlich dem militärischen Arm der PKK bis zum heutigen Zeitpunkt
nicht ausdrücklich distanzierte. Zudem bestehen aktuell gegen die Be-
schwerdeführerin ein seit dem (...) ausgestellter Haftbefehl sowie ein Da-
tenblatt, was nicht der Fall wäre, wenn sie lediglich einen untergeordneten
respektive eher unbedeutenden Tatbeitrag für die PKK geleistet und sich
von besagter Organisation schon vor Jahren abgewendet hätte. Im Gegen-
satz dazu vermag denn auch der im erwähnten Zusammenhang stehende
und zugunsten der Beschwerdeführerin sprechende Umstand, dass sie
sich ihren Angaben zufolge vor (...) Jahren von der PKK losgesagt habe,
nicht zu einer anderen Einschätzung zu führen. Ebenso sind die schwierige
Lebensgeschichte sowie der Umstand, dass sie seit dem Jahre (...) Mutter
eines Kindes geworden ist, angesichts obiger Ausführungen zu ihrer lang-
jährigen aktiven Tätigkeit und Funktion innerhalb der PKK nicht geeignet,
die Verhältnismässigkeit des Asylausschlusses insgesamt in Frage zu stel-
len, zumal das Kind denn auch erst (...) Jahre nach der geltend gemachten
Abkehr von der PKK zur Welt kam. Bei dieser Sachlage ist die Beschwer-
deführerin wegen Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG von der
Asylgewährung auszuschliessen.
4.4 Das BFM hat demnach das Asylgesuch der Beschwerdeführerin – trotz
Bejahung ihrer Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG – zu Recht
abgelehnt.
D-1261/2015
Seite 15
5.
5.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein,
so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet
den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Fa-
milie (Art. 44 AsylG).
5.2 Da die Beschwerdeführerin weder über eine ausländerrechtliche Auf-
enthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen
besitzt, hat das SEM die gestützt auf Art. 44 Abs. 1 AsylG angeordnete
Wegweisung zu Recht verfügt (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; BVGE 2011/24
E. 10.1; BVGE 2009/50 E. 9; EMARK 2001 Nr. 21).
5.3 Mit dem vorliegenden Urteil erwächst die vom SEM mit Verfügung vom
23. Januar 2015 verfügte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie
die angeordnete vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführerin als Flücht-
ling in Rechtskraft.
6.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist
(Art. 106 Abs. 1 AsylG, Art. 49 VwVG), weshalb die Beschwerde abzuwei-
sen ist.
7.
7.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten der Beschwer-
deführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da indessen mit Verfügung
des Instruktionsrichters vom 7. April 2015 unter anderem das Gesuch um
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs.
1 VwVG gutgeheissen wurde und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen,
dass sich ihre finanzielle Lage seither entscheidrelevant verändert hätte,
ist auf die Auferlegung von Verfahrenskosten zu verzichten.
7.2 Mit Verfügung vom 7. April 2015 wurde ausserdem das Gesuch um
amtliche Verbeiständung gutgeheissen (Art. 110a Abs. 1 VwVG) und der
Beschwerdeführerin ihre Rechtsvertreterin als Rechtsbeistand bestellt.
Demnach ist dieser ein amtliches Honorar für ihre notwendigen Aufwen-
dungen im Beschwerdeverfahren auszurichten. Die Rechtsvertreterin
reichte keine Kostennote zu den Akten. Auf die Nachforderung einer sol-
chen wird indessen verzichtet (vgl. Art. 14 Abs. 2 VGKE), weil im vorliegen-
den Verfahren der Aufwand des Schriftenwechsels zuverlässig abge-
D-1261/2015
Seite 16
schätzt werden kann. Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemes-
sungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE), ist das der Rechtsvertreterin für das Be-
schwerdeverfahren zulasten der Gerichtskasse auszurichtende Honorar
auf insgesamt Fr. 1100.– (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festzuset-
zen.


(Dispositiv nächste Seite)

D-1261/2015
Seite 17
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
3.
Der amtlichen Rechtsbeiständin wird zulasten der Gerichtskasse ein Ho-
norar von Fr. 1100.– zugesprochen.
4.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale
Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Thomas Wespi Stefan Weber


Versand: