C-8544/2007 - Abteilung III - Einreise - Einreisesperre
Karar Dilini Çevir:
C-8544/2007 - Abteilung III - Einreise - Einreisesperre
Abtei lung II I
C-8544/2007
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 5 . O k t o b e r 2 0 0 9
Richterin Ruth Beutler (Vorsitz),
Richter Antonio Imoberdorf, Richter Bernard Vaudan,
Gerichtsschreiberin Barbara Haake.
A._______,
Beschwerdeführerin,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Einreisesperre.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-8544/2007
Sachverhalt:
A.
Die aus Rumänien stammende A._______, geboren am 20. März
1975, reiste anfangs Januar 2007 in die Schweiz ein. Hier hielt sie sich
mit mehreren zeitlichen Unterbrüchen bis anfangs Dezember 2007 auf,
wobei sie spätestens ab April 2007 in der Wohnung ihres Freundes
B._______in Einsiedeln lebte. Ihren Lebensunterhalt finanzierte
B._______ebenfalls. Am 2. Dezember 2007 kam es zu einem Streit der
Partner, der in Tätlichkeiten ausartete und dazu führte, dass
A._______ nach Mitternacht die Wohnung verliess. Sie wurde wenig
später von einer Patrouille der Kantonspolizei Schwyz in der Nähe des
Bahnhofs angetroffen, einer Personenkontrolle unterzogen und wegen
des Verdachts, gegen ausländerrechtliche Bestimmungen verstossen
zu haben, in Polizeihaft genommen. Bei der nachfolgenden Befragung
räumte sie ein, sich während des laufenden Jahres mehr als ins-
gesamt sechs Monate in der Schweiz aufgehalten zu haben; ihr sei
aber nicht bewusst gewesen, dass sie damit die erlaubte Anwesen-
heitsdauer überschritten habe.
B.
Mit Strafbefehl des Bezirksamts Einsiedeln vom 6. Dezember 2007
wurde A._______ wegen rechtswidrigen Verweilens in der Schweiz für
schuldig befunden und zu einer bedingten Geldstrafe von 20
Tagessätzen à Fr. 30.- und der Zahlung einer Geldbusse von Fr. 800.-
verurteilt. In der Begründung des Strafbefehls wird festgehalten, ihr
Verschulden wiege unter Berücksichtigung, dass sie offensichtlich
keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, nicht besonders schwer.
C.
Ebenfalls am 6. Dezember 2007 verhängte die Vorinstanz über
A._______ eine Einreisesperre für die Dauer von 3 Jahren und
begründete dies mit der groben Zuwiderhandlung gegen
fremdenpolizeiliche Vorschriften (illegaler Aufenthalt). Mit derselben
Verfügung wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende
Wirkung entzogen.
D.
Gegen die vorinstanzliche Verfügung vom 6. Dezember 2007 richtete
A._______ mit undatierter Eingabe eine Beschwerde an das
Bezirksamt Einsiedeln, welches diese Eingabe am 17. Dezember 2007
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zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete.
Sinngemäss beantragt sie die Aufhebung, gegebenenfalls eine Ver-
kürzung der verhängten Fernhaltemassnahme, und macht insbeson-
dere geltend, dass ihr im Strafbefehl lediglich ein leichtes Verschulden
vorgeworfen worden sei. Angesichts dessen rechtfertige sich keine
Einreisesperre für die Dauer von drei Jahren.
E.
Mit Vernehmlassung vom 2. Juli 2008 spricht sich die Vorinstanz für die
Abweisung der Beschwerde aus und betont, dass sie die verhängte
Massnahme angesichts der langen Dauer des rechtswidrigen Aufent-
halts für angemessen halte.
F.
Die Beschwerdeführerin hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben.
G.
Der weitere Akteninhalt wird, soweit rechterheblich, in den Erwägun-
gen Berücksichtigung finden.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Bundesgeset-
zes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als
Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Dazu
gehört auch das BFM, das mit der Anordnung einer Einreisesperre
eine Verfügung im erwähnten Sinne und daher ein zulässiges
Anfechtungsobjekt erlassen hat. Eine Ausnahme nach Art. 32 VGG
liegt nicht vor.
1.2 Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin der Verfügung zur Be-
schwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die frist- und form-
gerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten (Art. 50 - 52
VwVG).
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2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechts-
erheblichen Sachverhaltes sowie – wenn nicht eine kantonale Behörde
als Beschwerdeinstanz verfügt hat – die Unangemessenheit gerügt
werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das
Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG
an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Be-
schwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gut-
heissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sach- und
Rechtslage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. E. 1.2 des in BGE
129 II 215 teilweise publizierten Urteils 2A.451/2002 vom 28. März
2003).
3.
3.1 Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005
über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) am 1. Janu-
ar 2008 wurde das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer (ANAG, BS 1 121) abgelöst (vgl. Art.
125 AuG i.V.m. Ziffer I des Anhangs 2 zum AuG). Auf Verfahren, die
vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurden, bleibt das bisherige mate-
rielle Recht anwendbar (Art. 126 Abs. 1 AuG; BVGE 2008/1 E. 2). Die
angefochtene Verfügung erging vor dem Inkrafttreten des AuG. Für die
materielle Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist daher auf die
altrechtliche Regelung, insbesondere auf Art. 13 Abs. 1 ANAG und die
einschlägigen Bestimmungen der ebenfalls aufgehobenen Ver-
ordnungen (vgl. Art. 91 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über
Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]),
abzustellen.
3.2 Mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien am 1. Januar 2007
hat die EU ihre fünfte Erweiterungsrunde abgeschlossen. Wie bereits
bei den am 1. Mai 2004 beigetretenen Staaten machte auch die Aus-
dehnung des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweize-
rischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemein-
schaft und ihren Mitgliedsstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(FZA, SR 0.142.112.681) auf diese beiden Neumitglieder den Ab-
schluss eines Protokolls zum FZA (Protokoll II, SR 0.142.112.681.1)
erforderlich. Dieses Protokoll ist am 1. Juni 2009 in Kraft getreten,
nachdem das Schweizer Volk die Weiterführung des Abkommens nach
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2009 und dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien an der
Volksabstimmung vom 8. Februar 2009 angenommen hatte. Für die
Zeitspanne vor dem 1. Juni 2009 kann die Beschwerdeführerin
deshalb aus dem FZA keine Rechte für sich ableiten.
4.
4.1 Gemäss Art. 13 Abs. 1 ANAG kann die eidgenössische Behörde
über unerwünschte Ausländerinnen und Ausländer die Einreisesperre
verhängen. Dies kann sie ferner, jedoch für höchstens drei Jahre, ge-
genüber ausländischen Personen, die sich grobe oder mehrfache Zu-
widerhandlungen gegen fremdenpolizeiliche oder andere gesetzliche
Bestimmungen und gestützt darauf erlassene behördliche Verfügun-
gen haben zuschulden kommen lassen. Während der Einreisesperre
ist der Ausländerin bzw. dem Ausländer jeder Grenzübertritt ohne aus-
drückliche Ermächtigung der verfügenden Behörde untersagt.
4.2 Gestützt auf den Tatbestand von Art. 13 Abs. 1 Satz 2 ANAG kann
eine Fernhaltemassnahme angeordnet werden, wenn die ausländische
Person objektiv gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften verstossen hat.
Als grober Verstoss im Sinne dieser Norm ist eine Zuwiderhandlung
– unabhängig vom Verschulden des Ausländers – immer dann zu qua-
lifizieren, wenn sie zentrale, für das Funktionieren der fremdenpolizeili-
chen Ordnung wichtige Bereiche berührt (vgl. statt vieler Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts C-6231/2007 vom 7. November 2008 E.
5.2 mit Hinweisen). Nach ständiger Praxis werden dazu unter anderem
der illegale Aufenthalt sowie die Missachtung der Meldepflicht gezählt
(vgl. etwa Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-7543/2007 vom
18. März 2008 E. 5.2 mit Hinweisen).
5.
Eine ausländische Person ist zur Anwesenheit in der Schweiz be-
rechtigt, wenn sie eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung
besitzt oder keiner solchen bedarf (Art. 1a ANAG). Ohne behördliche
Bewilligung dürfen sich Ausländerinnen und Ausländer während der für
sie geltenden Anmeldefrist in der Schweiz aufhalten, sofern sie recht-
mässig eingereist sind (Art. 1 Abs. 1 der ehemaligen Vollziehungs-
verordnung vom 1. März 1949 zum ANAG [ANAV; AS 1949 I 228]). Bei
einem Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit beträgt die Anmeldefrist grund-
sätzlich drei Monate (Art. 2 Abs. 1 ANAG). Wiederholt einreisende, der
dreimonatigen Anmeldepflicht unterstehende Ausländer haben sich,
sofern ihre jeweiligen Aufenthalte drei Monate nicht übersteigen, auf
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jeden Fall anzumelden, sobald ihre tatsächliche Anwesenheit sechs
Monate innert zwölf Monaten übersteigt (Art. 2 Abs. 7 ANAV).
5.1 Aus den Akten ergibt sich, dass sich A._______ von Anfang
Januar 2007 bis Anfang Dezember 2007 in der Schweiz aufgehalten
hat, wobei dieser Aufenthalt wiederholt und insgesamt für rund zwölf
Wochen unterbrochen wurde (vgl. Zusammenstellung auf S. 4 des
Rapports der Kantonspolizei Schwyz vom 5. Dezember 2007). Eigenen
Aussagen zufolge verbrachte sie die Monate Januar und Februar 2007
in der Schweiz, fast den ganzen März 2007 im Ausland und hielt sich
danach jedenfalls in der Zeit vom 22. April bis Ende Juli 2007 – und
somit mehr als drei Monate hintereinander – ausschliesslich in der
Schweiz auf (vgl. S. 7 des Protokolls der polizeilichen Befragung vom
2. Dezember 2007). Demzufolge hätte sie spätestens am 20./21. Juli
2007 ihrer Meldepflicht nachkommen müssen. Ihr erneuter Aufenthalt
dauerte vom 18. September bis zu ihrer Ausreise anfangs Dezember
2007 und wurde lediglich im November für eine Woche unterbrochen.
Insgesamt gerechnet hat A._______ damit im Jahr 2007 rund acht
Monate in der Schweiz verbracht und die zulässige Anwesenheits-
dauer folglich um mindestens zwei Monate überschritten.
5.2 Für die Verhängung einer Einreisesperre ist kein vorsätzlicher Ver-
stoss gegen fremdenpolizeiliche Bestimmungen erforderlich. Es ge-
nügt, wenn der ausländischen Person eine Sorgfaltspflichtverletzung
zugerechnet werden kann. Unkenntnis oder Fehlinterpretation der Ein-
reise- oder Aufenthaltsvorschriften stellen normalerweise keinen hin-
reichenden Grund für ein Absehen von einer Fernhaltemassnahme
dar. Jeder Ausländerin und jedem Ausländer obliegt, sich über beste-
hende Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit fremdenpolizeili-
chen Vorschriften ins Bild zu setzen und sich im Falle von Unklarheiten
gegebenenfalls bei den zuständigen Stellen zu informieren (vgl. Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts C-4463/2008 vom 29. April 2009
E. 5.4 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin ist zudem mit Straf-
befehl des Bezirksamts Einsiedeln des rechtswidrigen Verweilens in
der Schweiz für schuldig befunden worden, was eine vorsätzliche Tat-
begehung voraussetzt (vgl. Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 und
Art. 12 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezem-
ber 1937 [StGB, SR 311.0]). Zwar knüpft eine Einreisesperre nicht an
die Erfüllung einer Strafnorm, sondern an das Vorliegen einer Polizei-
gefahr an. Ob eine solche besteht und wie sie zu gewichten ist, hat die
Behörde in eigener Kompetenz unter Zugrundelegung spezifisch aus-
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länderrechtlicher Kriterien zu beurteilen. Entsprechend ist sie in der
Regel nicht gehalten, den rechtskräftigen Abschluss eines Straf-
verfahrens abzuwarten. Liegt jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung
über die Einreisesperre bereits ein rechtskräftiges Strafurteil vor, so
soll die Behörde im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit
nicht ohne Not von den Feststellungen des Strafrichters in tatsäch-
licher Hinsicht abweichen (BGE 124 II 103 E. 1c und BGE 119 Ib 158
E. 3c).
5.3 Das Verhalten der Beschwerdeführerin beinhaltete zweifellos ei-
nen Verstoss gegen ausländerrechtliche Vorschriften mit zentraler Be-
deutung. Sie hat somit grobe Zuwiderhandlungen im Sinne der ge-
setzlichen Terminologie begangen und damit den Fernhaltegrund von
Art. 13 Abs. 1 Satz 2 ANAG gesetzt.
6.
6.1 Waren somit entsprechende Gründe zur Verhängung einer Fern-
haltemassnahme gegeben, so bleibt zu prüfen, ob die Einreisesperre
von ihrer Dauer her in richtiger Ausübung des Ermessens ergangen
ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit steht dabei im Vorder-
grund. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine wertende Abwägung vor-
zunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Massnahme
einerseits und den von der Massnahme beeinträchtigten privaten Inter-
essen des Betroffenen andererseits. Die Stellung der verletzten oder
gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen
Verhaltens und die persönlichen Verhältnisse des Verfügungsbelas-
teten bilden dabei den Ausgangspunkt der Überlegungen (vgl. ULRICH
HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht,
5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, Rz 613 ff.).
6.2 Das öffentliche Interesse an einer uneingeschränkten Einhaltung
der fremdenpolizeilichen Ordnung ist ganz allgemein hoch zu ver-
anschlagen, und es entspricht – unter dem Vorbehalt nachfolgender
Erwägungen – der gängigen Praxis, wenn bei einem langanhaltenden
bzw. fortgesetzten Verstoss gegen Aufenthaltsbestimmungen eine drei-
jährige Einreisesperre angeordnet wird. Der Einwand der Beschwerde-
führerin, diese Zeitspanne erscheine ihr angesichts des im Strafbefehl
attestierten leichten Verschuldens als zu lang, ist daher ohne Belang,
zumal die Massnahmen des Strafrechts und des Verwaltungsrechts
jeweils unterschiedliche Ziele verfolgen. Dass mit der angefochtenen
Massnahme gewichtige persönliche Interessen verletzt wurden, ist
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nicht ersichtlich: A._______ hat sich hierzu in ihrer Beschwerde-
eingabe nicht geäussert; auch ihre polizeiliche Einvernahme vom
2. Dezember 2007 lässt nicht auf besonders enge persönliche oder
familiäre Beziehungen in der Schweiz schliessen, sondern allenfalls
auf ein eher zwiespältiges Verhältnis zu ihrem früheren Lebenspartner
B._______. Die am 6. Dezember 2007 verfügte Einreisesperre ist
somit zu Recht ergangen.
7.
7.1 Die Bestimmungen des ANAG gelten für Staatsangehörige eines
Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft und ihre Familienan-
gehörigen sowie für entsandte Arbeitnehmer nur so weit, als das FZA
keine abweichende Bestimmung enthält oder dieses Gesetz eine vor-
teilhaftere Rechtsstellung vorsieht (Art. 1 Bst. a ANAG). Mit dem In-
krafttreten des Protokolls II zum FZA am 1. Juni 2009 sind die Bestim-
mungen des Abkommens für die neuen Mitgliedstaaten unter den in
diesem Protokoll festgelegten Bedingungen ebenso verbindlich wie für
die bisherigen Vertragsparteien des Abkommens (vgl. Art. 1 Abs. 2 des
Protokolls II). Als rumänische Staatsangehörige kann sich die Be-
schwerdeführerin nunmehr auf die ihr durch das Abkommen vermittel-
ten Freizügigkeitsrechte berufen, unter anderem auf das Recht zur vi-
sumsfreien Einreise (Art. 3 FZA i.V.m. Art. 1 Anhang I FZA). Allerdings
gelten die Freizügigkeitsrechte nicht vorbehaltlos, sondern – wie er-
wähnt – unter den im Protokoll II festgelegten Bedingungen. Diese be-
treffen namentlich Aufenthalte von mehr als vier Monaten und weniger
als einem Jahr bzw. von einem Jahr und mehr zwecks Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit, wobei Aufenthalte von weniger als vier Monaten kei-
nen Höchstzahlen unterliegen (Art. 10 Abs. 1b FZA). Soweit das Proto-
koll II keinen Vorbehalt statuiert, ist die Beschwerdeführerin in der Aus-
übung ihrer Freizügigkeitsrechte nicht eingeschränkt.
7.2 Die Zulässigkeit nationaler Massnahmen, die – wie die Einreise-
sperre gemäss Art. 13 Abs. 1 ANAG – die Ausübung von Freizügig-
keitsrechten behindern, knüpft das Freizügigkeitsabkommen an die
Voraussetzung, dass sie durch Gründe der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind (Ordre-Public-Vorbehalt,
vgl. Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA). Im Interesse einer einheitlichen
Anwendung und Auslegung dieses Ordre-Public-Vorbehaltes verweist
das Freizügigkeitsabkommen auf die Richtlinien 64/221/EWG, 72/194/
EWG und 75/35/EWG in ihrer Fassung zum Zeitpunkt der Unter-
zeichnung (Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA) und auf die einschlägige
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Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften
(nachfolgend EuGH) vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung (Art. 16
Abs. 2 FZA). In diesem Sinne schränkt das Freizügigkeitsabkommen
die ausländerrechtlichen Befugnisse nationaler Behörden bei der
Handhabung landesrechtlicher Massnahmen wie der Einreisesperre
ein.
7.3 Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung regelmässig betont, dass
Ausnahmen vom freien Personenverkehr restriktiv auszulegen sind.
Die Berufung einer nationalen Behörde auf den Begriff der öffentlichen
Ordnung setzt, wenn er Beschränkungen der Freizügigkeitsrechte
rechtfertigen soll, jedenfalls voraus, dass ausser der Störung der öf-
fentlichen Ordnung, wie sie jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tat-
sächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein
Grundinteresse der Gesellschaft berührt (BGE 131 II 352 E. 3.2 S. 357
f., 130 II 493 E. 3.2 S. 498 f., 130 II 176 E. 3.4.1 S. 182 ff., 129 II 215
E. 7.3 S. 222; Urteile des EuGH vom 19. Januar 1999 in der Rechtssa-
che C-348/96, Calfa, Slg. 1999, I-11, Randnr. 23 und 25, und vom
27. Oktober 1977 in der Rechtssache 30-77, Bouchereau, Slg. 1977,
1999, Randnr. 33-35). Strafrechtliche Verurteilungen für sich allein ver-
mögen nicht ohne weiteres eine Massnahme zu rechtfertigen, welche
die Ausübung von Freizügigkeitsrechten beschränkt (Art. 3 Abs. 2 der
Richtlinie 64/221/EWG). Solche Verurteilungen dürfen nur insoweit be-
rücksichtigt werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein per-
sönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefähr-
dung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es ist allerdings möglich, dass
allein schon das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen
Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt (BGE 131 II 352 E. 3.2 S.
357 f., 130 II 493 E. 3.2 S. 498 f., 130 II 176 E. 3.4.1 S. 182 ff.; erwähn-
te Urteile des EuGH in Sachen Bouchereau, Randnr. 27.29, und Calfa,
Randnr. 24). Letzteres kann beispielsweise angenommen werden,
wenn die begangene Straftat auf ein erhebliches Gewaltpotential
hinweist und hierfür eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt wurde.
7.4 Vor diesem Hintergrund stellt das Verhalten der Beschwerde-
führerin, welches zum Strafbefehl vom 6. Dezember 2007 führte, zwar
kein Bagatelldelikt, aber dennoch ein verhältnismässig geringfügiges
Vergehen dar, das nicht auf eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen
Ordnung im Sinne des Freizügigkeitsabkommens schliessen lässt.
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8.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Beschwerde teilweise gutzu-
heissen und die Dauer der verhängten Fernhaltemassnahme auf den
Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls II zum FZA zu beschränken
ist. Die Einreisesperre ist somit in Anpassung an die neue Rechtslage
per 31. Mai 2009 als beendet zu erklären. Somit unterliegt die Be-
schwerdeführerin im heutigen Zeitpunkt keiner Fernhaltemassnahme
mehr.
9.
In Anwendung von Art. 63 Abs. 1 VwVG sind der Beschwerdeführerin
die Verfahrenskosten von Fr. 600.- aufzuerlegen. Eine anteilsmässige
Reduktion der Verfahrenskosten im Verhältnis zum Obsiegen erscheint
nicht gerechtfertigt, da die inzwischen geänderte Rechtslage (Inkraft-
treten des Protokolls II) zur Herabsetzung der Dauer der Einreise-
sperre führt. Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten, da der
Beschwerdeführerin keine verhältnismässig hohen Kosten entstanden
sind (Art. 64 Abs. 1 VwVG und Art. 7 Abs. 4 des Reglements vom 21.
Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundes-
verwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320]).
Dispositiv nächste Seite
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2.
Die Dauer der am 6. Dezember 2007 verfügten Einreisesperre wird bis
zum 31. Mai 2009 begrenzt.
3.
Die Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 600.- werden der Beschwerde-
führerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher
Höhe verrechnet.
4.
Eine Parteientschädigung wird nicht ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
- die Vorinstanz
- das Migrationsamt des Kantons Schwyz
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Ruth Beutler Barbara Haake
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-recht-
lichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die
Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begeh-
ren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unter-
schrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel
sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, bei-
zulegen (vgl. Art. 42 BGG).
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