C-848/2006 - Abteilung III - Einreise - Verweigerung der Einreisebewilligung
Karar Dilini Çevir:
C-848/2006 - Abteilung III - Einreise - Verweigerung der Einreisebewilligung

Abtei lung III
C-848/2006
{T 0/2}
Urteil vom 23. Juli 2007
Mitwirkung: Richter Antonio Imoberdorf (Kammerpräsident);
Richterin Elena Avenati-Carpani; Richter Andreas Trommer;
Gerichtsschreiberin Sturm.
Y._______,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz,
betreffend
Verweigerung der Einreisebewilligung in Bezug auf A._______, B._______
und C._______, Gambia.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
2Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
dass Y._______ (nachfolgend: Beschwerdeführer) mit Schreiben vom
28. Mai 2006 die Schweizerische Botschaft in Dakar ersuchte, seinen beiden in
Gambia wohnhaften Kindern zum Besuchsaufenthalt in der Schweiz die Einreise
zu bewilligen, und dass er ebenfalls um die Erteilung eines Visums für
A._______ als Begleitperson ersuchte,
dass in der Folge der am [...] 1969 geborene, gambische Staatsangehörige
A._______ (nachfolgend: Gesuchsteller) am 7. Juni 2006 bei der Schweize-
rischen Botschaft in Dakar ein persönliches Einreisegesuch für einen einmona-
tigen Besuchsaufenthalt beim im Kanton Bern wohnhaften Beschwerdeführer
einreichte,
dass gleichentags ebenfalls die Tochter des Beschwerdeführers, C._______
(geboren [...] 1993), sowie dessen Sohn, B._______ (geboren [...] 1995), beide
gambische Staatsangehörige, bei der Schweizerischen Botschaft in Dakar ein
Visumsgesuch einreichten,
dass die Auslandvertretung die beantragten Visa vorerst formlos verweigerte
und die Gesuche anschliessend der Vorinstanz zum formellen Entscheid über-
mittelte,
dass die Vorinstanz - nach entsprechenden kantonalen Abklärungen - die Ein-
reisegesuche mit Verfügung vom 10. August 2006 mit der Begründung abwies,
die fristgerechte Wiederausreise könne angesichts der wirtschaftlichen und
soziokulturellen Umstände im Herkunftsland, aber auch unter Berücksichtigung
der persönlichen Verhältnisse nicht als hinreichend gesichert betrachtet werden,
dass zudem ein dreimonatiger Auslandsaufenthalt mit der Tätigkeit des Gesuch-
stellers als Geschäftsmann in Gambia nicht vereinbar sei, und dass das Visum
auch verweigert werden könne, wenn begründete Zweifel am Aufenthaltszweck
bestehen würden,
dass der Gastgeber mit Eingabe vom 9. September 2006 an das Eidge-
nössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) sinngemäss die Aufhebung
der vorinstanzlichen Verfügung und die Erteilung der Besuchervisa beantragt, im
Wesentlichen mit der Begründung, er sichere die anstandslose und fristgerechte
Wiederausreise der drei Personen zu, die zudem bereit seien, nach ihrer Rück-
kehr die Pässe im Konsulat (recte: Botschaft) in Dakar vorzuweisen,
dass die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 16. November 2006 die Ab-
weisung der Beschwerde beantragt und mit Hinweis auf einen möglichen Fa-
miliennachzug ergänzend ausführt, der Aufenthaltszweck sei in Frage zu stellen,
und dass diese Einschätzung sowohl von der Auslandvertretung in Dakar als
auch von der zuständigen Migrationsbehörde des Kantons geteilt werde und
sich daran auch nichts ändere, sollte der Besuchsaufenthalt lediglich 30 Tage
dauern,
dass Verfügungen des Bundesamtes für Migration (BFM) betreffend Einreisever-
weigerung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen
3(Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer [ANAG, SR 142.20], Art. 31 ff. des Verwaltungsge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]),
dass das Bundesverwaltungsgericht in dieser Materie endgültig entscheidet
(Art. 1 Abs. 2 VGG i.V.m. Art. 83 Bst. c Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]),
dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verwaltungsgerichtsgesetzes beim
EJPD hängige Rechtsmittelverfahren vom Bundesverwaltungsgericht - sofern es
zuständig ist - übernommen werden und die Beurteilung nach neuem Verfah-
rensrecht erfolgt (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG),
dass sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem Bundes-
gesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021) richtet, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes be-
stimmt (vgl. Art. 37 VGG),
dass der Beschwerdeführer als Gastgeber und Vater gemäss Art. 20 Abs. 2
ANAG i.V.m. Art. 48 VwVG zur Beschwerde legitimiert ist, und dass auf die frist-
und formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 49 - 52 VwVG),
dass mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 49 VwVG
die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtser-
heblichen Sachverhaltes sowie die Unangemessenheit gerügt werden kann,
dass das Bundesverwaltungsgericht das Bundesrecht von Amtes wegen anwen-
det und an die Begründung der Begehren nicht gebunden ist (Art. 62
Abs. 4 VwVG),
dass die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entscheides massgebend ist
(vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Urteils des Bundesge-
richts 2A.451/2002 vom 28. März 2003),
dass Ausländer/innen zur Einreise in die Schweiz ein Pass und ein Visum benö-
tigen, sofern keine Ausnahmeregelung besteht, und dass das BFM zuständig ist,
über das Einreisegesuch zu befinden (vgl. Art. 1 - 5 und Art. 18 der Verordnung
vom 14. Januar 1998 über die Einreise und Anmeldung von Ausländerinnen und
Ausländern [VEA, 142.21]),
dass sich der Gesuchsteller sowie die beiden Kinder des Beschwerdeführers auf
keine Ausnahmeregelung berufen können und aufgrund ihrer Nationalität den
Visumsbestimmungen unterliegen (vgl. Art. 1 - 5 VEA),
dass das schweizerische Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Einreise
noch auf Erteilung eines Visums gewährt und daher den Behörden bei der Beur-
teilung von Einreisebewilligungen ein Ermessenspielraum zukommt (vgl. PETER
UEBERSAX, Einreise und Aufenthalt, in: Peter Uebersax/Peter Münch/Thomas
Geiser/Martin Arnold, Ausländerrecht, Ausländerinnen und Ausländer im öffent-
lichen Recht, Privatrecht, Steuerrecht und Sozialrecht der Schweiz, Basel/Genf/
München 2002, S. 143),
4dass das Visum verweigert wird, wenn die Einreisevoraussetzungen nach
Art. 1 VEA nicht erfüllt sind (vgl. Art. 14 Abs. 1 VEA), wozu unter anderem ge-
hört, dass die Ausländerin oder der Ausländer für eine fristgerechte Wiederaus-
reise Gewähr bieten muss (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. c VEA),
dass gemäss Art. 14 Abs. 2 Bst. c VEA die Einreise ausserdem verweigert wird,
wenn begründete Zweifel am Aufenthaltszweck bestehen,
dass zur Prüfung des Kriteriums der fristgerechten Wiederausreise ein künftiges
Verhalten zu beurteilen ist, und dass sich dazu in der Regel keine gesicherten
Feststellungen, sondern lediglich Voraussagen machen lassen,
dass sich zur Prognose der fristgerechten Wiederausreise Anhaltspunkte aus
der allgemeinen Lage im Herkunftsland ergeben können,
dass die Wirtschaftslage in Gambia zwar eine gewisse Stabilität aufweist, sie je-
doch auf einem tiefen Niveau verharrt, dass aufgrund des hohen Bevölkerungs-
zuwachses das Wirtschaftswachstum kaum zur Verbesserung der Lebensbe-
dingungen beiträgt, und dass rund 75% der Bevölkerung von der Landwirtschaft
abhängig sind (vgl. Länder- und Reiseinformationen auf der Website des Aus-
wärtigen Amtes, Länder- und Reiseinformationen > Gambia > Wirtschaft,
>, besucht am 3. Juli 2007 sowie Background Note
auf der Website des U.S. Department of State > Countries > Background Notes
> The Gambia,
dass angesichts der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage und unter Be-
rücksichtigung, dass die Bereitschaft, das Heimatland zu verlassen, erfahrungs-
gemäss dort begünstigt wird, wo bereits Verwandte oder Bekannte im Ausland
leben, das Risiko einer nicht fristgerechten Wiederausreise als relativ hoch ein-
zuschätzen ist,
dass jedoch nicht nur aufgrund der Situation im Herkunftsstaat auf eine nicht ge-
sicherte Wiederausreise geschlossen werden kann, sondern sämtliche Gesichts-
punkte des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen sind,
dass der 38-jährige Gesuchsteller in Banjul lebt, verheiratet und nach eigenen
Angaben Vater von vier Kindern ist,
dass sich aus seinem Visumsantrag sowie den dazu beigelegten Registeraus-
zügen ergibt, dass der Gesuchsteller unter dem Namen „S._______“ ein
Geschäft für den Gebrauchtwarenhandel führt,
dass das Alter des Gesuchstellers und seine familiären Verpflichtungen zwar
durchaus für eine gewisse Verwurzelung im Heimatland sprechen, dass diese
jedoch angesichts der schwierigen Wirtschaftslage im Herkunftsland noch keine
Garantie für die anstandslose und fristgerechte Wiederausreise bieten, weil der
Wunsch nach einer Emigration häufig auch mit der Hoffnung und Erwartung ver-
bunden ist, nahe Angehörige später nachzuziehen oder sie aus dem Ausland
effizienter unterstützen zu können,
dass in solchen Konstellationen den wirtschaftlichen Verhältnissen der gesuch-
stellenden Person massgebenden Bedeutung zukommt,
5dass der Gesuchsteller zwar keine Angaben zu seinen Einkünften macht, son-
dern lediglich ausführt, sein Geschäft sei erfolgreich, dass er indessen auch er-
klärte, der Gastgeber werde die Kosten für den geplanten Aufenthalt überneh-
men,
dass zudem die Wirtschaftsbedingungen in Gambia schwierig sind und sich die
Einkommen im Vergleich mit der Schweiz generell auf einem deutlich tieferen
Niveau halten (vgl. Länderbericht des Internationalen Währungsfonds, Gambia
Country Report No. 07/126 vom März 2007, S. 82, online auf der Website des
Internationalen Währungsfonds > Country Info > Gambia, ),
dass vor diesem Hintergrund die fristgerechte Ausreise nach erfolgtem Besuchs-
aufenthalt nicht als hinreichend gesichert erachtet werden kann,
dass hinsichtlich der 14-jährigen Tochter und des 12-jährigen Sohnes des Be-
schwerdeführers aus den Akten hervorgeht, dass sie an der Adresse des Ge-
suchstellers in Banjul leben, dass indessen sowohl unklar ist, in wessen Obhut
sie sich befinden, als auch die verwandschaftliche Beziehung zum Gesuchsteller
zweifelhaft erscheint, der in seinem Schreiben vom 14. Juni 2006 den Be-
schwerdeführer als Neffen und dessen Kinder als Enkelin und Enkel bezeich-
nete,
dass beide Kinder ein Schreiben der G._______ School vom 18. Mai 2006 ihrem
Einreisegesuch beilegten, in welchem zwar ausgeführt wird, die beiden Kinder
seien als Schülerin bzw. Schüler registriert und besuchten den Unterricht
regelmässig, dass diese Angaben jedoch fraglich erscheinen, wurde die
Bestätigung einerseits ausgestellt, damit die beiden Kinder ihren Vater in
Swaziland (sic !) besuchen könnten, und dass zum anderen beide Kinder im
Jahr 2003 unter der gleichen Zulassungsnummer registriert sein sollen, die
Tochter sich nun jedoch in der fünften und der Sohn hingegen in der vierten
Klasse befinden würden,
dass somit die persönlichen Verhältnisse der beiden minderjährigen Kinder
keine ausreichende Gewähr für eine fristgerechte Wiederausreise bieten,
dass die Verweigerung der Einreise der beiden Kinder ausserdem den Schutz-
bereich des Familienlebens nicht tangiert, denn Art. 13 der Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) und
Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
vom 4. November 1950 (EMRK, SR 0.101) garantieren grundsätzlich kein Recht
auf Einreise oder auf ein Familienleben an einem bestimmten Ort (vgl. BGE 130
II 281 E. 3.1 [mit Hinweisen]; ferner STEPHAN BREITENMOSER, in: Bernhard
Ehrenzeller/Philippe Mastronardi/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender, Die
schweizerische Bundesverfassung, Zürich/Basel/Genf 2002, Kommentar zu Art.
13 BV, N. 25; ARTHUR HAEFLIGER/FRANK SCHÜRMANN, Die Europäische Menschen-
rechtskonvention und die Schweiz, Die Bedeutung der Konvention für die
schweizerische Rechtspraxis, 2. Aufl., Bern 1999, S. 261),
dass daher ein Eingriff in den Schutzbereich des Familienlebens erst vorliegt,
wenn dem Beschwerdeführer bzw. seinen beiden Kindern Reisen ins Ausland
6generell oder zumindest noch während längerer Zeit verwehrt wären,
dass der Beschwerdeführer über eine Niederlassungsbewilligung verfügt und
keine Gründe ersichtlich sind, weshalb der persönliche Kontakt zwischen ihm
und seiner Tochter bzw. seinem Sohn nicht im Heimatland oder einem Drittstaat
erfolgen könnte,
dass an diesem Ergebnis die Zusicherung des Beschwerdeführers, der Gesuch-
steller sowie die beiden Kinder würden die Schweiz nach erfolgtem Besuchs-
aufenthalt fristgerecht verlassen, nichts zu ändern vermag,
dass eine solche Zusicherung rechtlich nicht durchsetzbar ist, weil der Be-
schwerdeführer nicht verpflichtet werden kann, seine Gäste zum Verlassen der
Schweiz anzuhalten, und dass daher ausschliesslich die Verhältnisse der ge-
suchstellenden Personen Gewähr für eine fristgerechte und anstandslose Wie-
derausreise bieten müssen (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgericht
C-1000/2006 E. 4.5 vom 4. Juni 2007 sowie C-778/2006 E. 5 vom 9. Mai 2007),
dass aus diesen Gründen die Vorinstanz zu Recht das öffentliche Interesse so-
wie die Beachtung der geltenden Einreisebestimmungen entsprechend hoch ge-
wichtete und dem Gesuchsteller sowie den beiden Kindern des Beschwerde-
führers die Einreise verweigerte,
dass bei diesem Resultat die Frage des Aufenthaltszwecks offen gelassen wer-
den kann,
dass die angefochtene Verfügung somit im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu be-
anstanden ist,
dass die Beschwerde folglich abzuweisen ist und die Verfahrenskosten dem Be-
schwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 und Art. 2
sowie Art. 3 des Reglements vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und Ent-
schädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
*******
(Dispositiv S. 7)
7Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer aufer-
legt. Sie sind durch den am 14. September 2006 geleisteten Kostenvor-
schuss gedeckt.
3. Dieses Urteil wird eröffnet:
- dem Beschwerdeführer (eingeschrieben)
- der Vorinstanz (eingeschrieben, Akten Ref-Nr. [...] und [...]
retour)
Der Kammerpräsident: Die Gerichtsschreiberin:
A. Imoberdorf E. Sturm
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