C-7715/2015 - Abteilung III - Schengen-Visum - Visum zu Besuchszwecken
Karar Dilini Çevir:
C-7715/2015 - Abteilung III - Schengen-Visum - Visum zu Besuchszwecken
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung III
C-7715/2015



Ur t e i l vom 2 8 . Ap r i l 2 0 1 6
Besetzung
Richterin Marianne Teuscher (Vorsitz),
Richter Yannick Antoniazza-Hafner,
Richter Andreas Trommer,
Gerichtsschreiber Daniel Brand.



Parteien
B._______,
Beschwerdeführerin,



gegen


Staatssekretariat für Migration SEM,
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.




Gegenstand
Visum zu Besuchszwecken in Bezug auf
A._______.



C-7715/2015
Seite 2
Sachverhalt:
A.
Am 15. August 2015 beantragte die aus den Philippinen stammende
A._______ (geb. 1993, im Folgenden: Gesuchstellerin/Eingeladene) bei
der Schweizerischen Botschaft in Manila ein Schengen-Visum für die
Dauer von 90 Tagen. Als Zweck der beabsichtigten Reise gab sie an, ihre
in der Stadt Biel wohnhafte Grosstante B._______ (geb. 1947; im Folgen-
den: Gastgeberin bzw. Beschwerdeführerin) besuchen zu wollen. Bereits
zuvor hatte die Gastgeberin ein entsprechendes Einladungsschreiben an
die Schweizer Botschaft gerichtet und auf die am 4. September 2015 statt-
findende Hochzeit ihrer jüngeren Tochter hingewiesen, zu der auch die Ge-
suchstellerin eingeladen sei.
B.
Mit Formularentscheid vom 19. August 2015 lehnte es die Schweizer Ver-
tretung in Manila ab, das gewünschte Visum auszustellen. Sie begründete
ihre Haltung mit der ihrer Auffassung nach fehlenden Gewähr für die frist-
gerechte Wiederausreise der Eingeladenen aus dem Schengen-Raum
nach Ablauf des Visums.
Gegen diesen Entscheid erhob die Gastgeberin mit Eingabe vom 20. Au-
gust 2015 beim Staatssekretariat für Migration (SEM) Einsprache. Gleich-
zeitig wandte sie sich wiederholt per E-Mail an die Schweizer Vertretung in
Manila und ersuchte unter Hinweis auf die Dringlichkeit der Angelegenheit
um rasche Ausstellung eines Schengen-Visums an ihre Grossnichte.
In der Folge fand ein reger Informationsaustausch per E-Mail zwischen der
Gastgeberin und der Schweizer Vertretung statt.
C.
Nachdem die Migrationsbehörde der Stadt Biel bei der Gastgeberin ergän-
zende Auskünfte eingeholt und an das SEM weitergeleitet hatte, wies die
Vorinstanz die Einsprache mit Verfügung vom 30. Oktober 2015 ab. Dabei
teilte sie die Einschätzung der schweizerischen Auslandvertretung, wo-
nach die anstandslose und fristgerechte Wiederausreise der Gesuchstel-
lerin nach einem Besuchsaufenthalt nicht als hinreichend gesichert be-
trachtet werden könne. Trotz der grundsätzlich positiven wirtschaftlichen
Entwicklung auf den Philippinen seien nach wie vor breite Bevölkerungs-
schichten von kargen wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen
betroffen. Im Weiteren seien aus den persönlichen, familiären und wirt-
schaftlichen Verhältnissen der Eingeladenen keine Umstände ersichtlich,
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die besondere Gewähr für die Wiederausreise nach einem Besuchsaufent-
halt bieten könnten, handle es sich doch bei ihr um eine 22-jährige, ledige
und kinderlose Person, welche einen eigenen Online Shop betreibe.
D.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 28. November 2015 beantragt die Beschwer-
deführerin beim Bundesverwaltungsgericht sinngemäss die Aufhebung der
vorinstanzlichen Verfügung und die Erteilung des gewünschten Besucher-
visums an die Gesuchstellerin. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen
vor, ihre Grossnichte habe ihre Informatik-Ausbildung abgeschlossen und
sei anschliessend während 14 Monaten beim gleichen Arbeitgeber tätig
gewesen, bevor sie eine neue Arbeitsstelle angetreten habe. Zurzeit übe
sie eine Internet-Tätigkeit als Englischlehrerin für chinesische Schüler aus,
wofür sie stundenweise bezahlt werde. Abschliessend weist die Beschwer-
deführerin unter Beilage zahlreicher Visa-Kopien sowie weiterer Unterla-
gen darauf hin, dass sie seit bald dreissig Jahren immer wieder philippini-
sche Familienangehörige, Verwandte und Freunde zu sich in die Schweiz
eingeladen hätte, die allesamt fristgerecht und anstandslos in ihr Heimat-
land zurückgekehrt seien.
E.
Mit Eingabe vom 18. Dezember 2015 reichte die Beschwerdeführerin un-
aufgefordert weitere Beweismittel zu den Akten und wies gleichzeitig da-
rauf hin, dass sie vom 16. Januar 2016 bis 22. Mai 2016 auf den Philippinen
weilen werde.
F.
In ihrer Vernehmlassung vom 15. Januar 2016 spricht sich die Vor-
instanz für die Abweisung der Beschwerde aus und hält ergänzend fest,
die Frage, ob die verwandtschaftliche Beziehung zwischen der Gesuch-
stellerin und ihrer Grosstante in der Schweiz unter den Schutz von Art. 8
EMRK bzw. Art. 13 BV falle, könne in casu offen gelassen werden. Da die
Beschwerdeführerin regelmässig auf die Philippinen reise, sei die Schweiz
ohnehin nicht verpflichtet, der Gesuchstellerin die Einreise aufgrund der
genannten Garantie zu erlauben. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Fa-
milienlebens liege erst dann vor, wenn sich die Betroffenen in keinem an-
deren Staat treffen könnten und der persönliche Kontakt deshalb nur in der
Schweiz möglich wäre.
G.
In ihrer Replik vom 24. Februar 2016 hält die Beschwerdeführerin, unter
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Beilage weiterer Beweismittel (aktuelle Lohnabrechnungen der Gesuch-
stellerin), an ihrem Antrag und dessen Begründung vollumfänglich fest und
betont erneut, dass ihre Grossnichte die Schweiz nach ihrem Besuchsauf-
enthalt fristgerecht und anstandslos wieder verlassen werde. Diese habe
am 23. November 2015 eine neue Arbeitsstelle als Website-Designerin und
"Updater" in einer Firma angetreten, wo sie rund 50% mehr Lohn als bei
ihrem früheren Arbeitgeber erhalte.
H.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägun-
gen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht unter
Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen Beschwerden gegen
Verfügungen nach Art. 5 VwVG, welche von einer in Art. 33 VGG aufge-
führten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen u.a. Verfügungen des
SEM, mit denen die Erteilung eines Schengen-Visums zu Besuchszwe-
cken verweigert wird. In dieser Materie entscheidet das Bundesverwal-
tungsgericht endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).
1.2 Sofern das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, richtet
sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG
(Art. 37 VGG).
1.3 Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Be-
schwerde berechtigt. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Be-
schwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).
2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Er-
messens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheb-
lichen Sachverhaltes und – sofern nicht eine kantonale Behörde als Be-
schwerdeinstanz verfügt hat – die Unangemessenheit gerügt werden
(Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerde-
verfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62
Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann
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die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen
gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage
zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).
3.
Der angefochtenen Verfügung liegt das Gesuch einer philippinischen
Staatsangehörigen um Erteilung eines Visums für einen 90-tägigen Aufent-
halt in der Schweiz zugrunde. Da sich die Gesuchstellerin nicht auf die
EU/EFTA-Personenfreizügigkeitsabkommen berufen kann und die beab-
sichtigte Aufenthaltsdauer drei Monate nicht überschreitet, fällt die vorlie-
gende Streitsache in den persönlichen und sachlichen Anwendungsbe-
reich der Schengen-Assoziierungsabkommen, mit denen die Schweiz den
Schengen-Besitzstand und die dazugehörigen gemeinschaftsrechtlichen
Rechtsakte übernommen hat. Das Ausländergesetz (AuG, SR 142.20) und
seine Ausführungsbestimmungen gelangen nur soweit zur Anwendung, als
die Schengen-Assoziierungsabkommen keine abweichenden Bestimmun-
gen enthalten (Art. 2 Abs. 2 - 5 AuG).
4.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums präsentieren sich im
Anwendungsbereich der vorerwähnten Rechtsgrundlagen wie folgt:
4.1 Das schweizerische Ausländerrecht kennt – entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin – weder ein allgemeines Recht auf Einreise noch ge-
währt es einen besonderen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Die
Schweiz ist daher – wie andere Staaten auch – grundsätzlich nicht ver-
pflichtet, ausländischen Personen die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich
völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich dabei um einen autono-
men Entscheid (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen
und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3774; BGE 135 II 1 E. 1.1).
Das Schengen-Recht schränkt die nationalstaatlichen Befugnisse insoweit
ein, als es einheitliche Voraussetzungen für Einreise und Visum aufstellt
und die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Einreise bzw. das Visum zu verwei-
gern, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Einen Anspruch auf Ein-
reise bzw. Visum vermittelt jedoch auch das Schengen-Recht nicht (vgl.
BVGE 2014/1 E. 4.1.5).
4.2 Drittstaatsangehörige dürfen über die Aussengrenzen des Schengen-
Raums für einen Aufenthalt von höchstens 90 Tagen innerhalb eines Zeit-
raums von 180 Tagen einreisen, wenn sie im Besitz gültiger Reisedoku-
mente sind, die zum Grenzübertritt berechtigen. Ferner benötigen sie ein
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Visum, falls ein solches nach Massgabe der Verordnung (EG) Nr. 539/2001
des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, de-
ren Staatsangehörige beim Überschreiten der Aussengrenzen im Besitz ei-
nes Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsan-
gehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, erforderlich ist. Kein Visum
benötigen Drittstaatsangehörige, die Inhaber eines gültigen Aufenthaltsti-
tels sind oder über ein gültiges Visum für den längerfristigen Aufenthalt ver-
fügen (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. a AuG, Art. 2 Abs. 1 der Verordnung vom
22. Oktober 2008 über die Einreise und die Visumerteilung [VEV, SR
142.204] i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Bst. a und b der Verordnung [EG] Nr. 562/2006
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über ei-
nen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Perso-
nen [nachfolgend: Schengener Grenzkodex, SGK, ABl. L 105/1 vom
13.04.2006], Art. 4 VEV).
4.3 Im Weiteren müssen Drittstaatsangehörige den Zweck und die Um-
stände ihres beabsichtigten Aufenthalts belegen und hierfür über ausrei-
chende finanzielle Mittel verfügen (Art. 5 Abs. 1 Bst. b AuG, Art. 2 Abs. 1
VEV, Art. 5 Abs. 1 Bst. c und Abs. 3 SGK sowie Art. 14 Abs. 1 Bst. a-c der
Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Ra-
tes vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [nachfol-
gend: Visakodex]). Namentlich haben sie in diesem Zusammenhang zu
belegen, dass sie den Schengen-Raum vor Ablauf des bewilligungsfreien
Aufenthaltes verlassen, bzw. ausreichende Gewähr für eine fristgerechte
Wiederausreise zu bieten (Art. 14 Abs. 1 Bst. d und Art. 21 Abs. 1 Visako-
dex sowie Art. 5 Abs. 2 AuG; vgl. dazu EGLI/MEYER, in: Stämpflis Hand-
kommentar zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer,
2010, Art. 5 N. 33). Des Weiteren dürfen Drittstaatsangehörige nicht im
Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausge-
schrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere
Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehun-
gen eines Mitgliedstaats darstellen (Art. 5 Abs. 1 Bst. c AuG, Art. 5 Abs. 1
Bst. d und e SGK).
4.4 Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 1
Bst. e SGK ist auch dann anzunehmen, wenn die drittstaatsangehörige
Person nicht bereit ist, das Hoheitsgebiet des Schengen-Raums fristge-
recht wieder zu verlassen (vgl. dazu EGLI/MEYER, a.a.O., Art. 5 N. 33; fer-
ner Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts 1 C. 1.10 vom 11. Ja-
nuar 2011 Rz. 29). Die Behörden haben daher zu prüfen und gesuchstel-
lende Personen dementsprechend zu belegen, dass die Gefahr einer
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rechtswidrigen Einwanderung oder einer nicht fristgerechten Ausreise nicht
besteht resp. dass die gesuchstellende Person für die gesicherte Wieder-
ausreise Gewähr bietet (vgl. Art. 14 Abs. 1 Bst. d und Art. 21 Abs. 1 Visako-
dex; Art. 5 Abs. 2 AuG; BVGE 2009/27 E. 5 mit Hervorhebung des Zusam-
menhangs mit dem Einreiseerfordernis des belegten Aufenthaltszwecks
nach Art. 5 Abs. 1 Bst. c SGK). Ein Visum darf nur erteilt werden, wenn
keine begründeten Zweifel an der Absicht des Gesuchstellers bzw. der Ge-
suchstellerin bestehen, den Schengen-Raum vor Ablauf des beantragten
Visums zu verlassen (vgl. BVGE 2014/1 E. 4.4 m.H.).
4.5 Sind die vorerwähnten Einreisevoraussetzungen (Visum ausgenom-
men) nicht erfüllt, darf ein für den gesamten Schengen-Raum geltendes
"einheitliches Visum" (Art. 2 Ziff. 3 Visakodex) nicht erteilt werden (Art. 32
Visakodex, Art. 12 VEV). Hält es jedoch ein Mitgliedstaat aus humanitären
Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internati-
onaler Verpflichtungen für erforderlich, so ist er berechtigt, der drittstaats-
angehörigen Person, welche die ordentlichen Einreisevoraussetzungen
nicht erfüllt, ausnahmsweise ein "Visum mit räumlich beschränkter Gültig-
keit" zu erteilen (Art. 2 Ziff. 4 Visakodex). Dieses Visum ist grundsätzlich
nur für das Hoheitsgebiet des ausstellenden Staates gültig (Art. 32 i.V.m.
Art. 25 Abs. 1 Bst. a Visakodex; unter denselben Voraussetzungen kann
einer drittstaatsangehörigen Person die Einreise an den Aussengrenzen
gestattet werden, vgl. Art. 5 Abs. 4 Bst. c SGK).
5.
5.1 Die Vorinstanz verweigerte die Erteilung des beantragten Schengen-
Visums mit der Begründung, die anstandslose und fristgerechte Wieder-
ausreise erscheine nicht als hinreichend gesichert.
5.2 Wie oben erwähnt, unterliegt die Gesuchstellerin als philippinische
Staatsangehörige der Visumspflicht (vgl. Anhang I zur Verordnung [EG]
Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001). Bei der Prüfung der Einrei-
sevoraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 SGK stehen die Fragen nach dem
Zweck des geplanten Aufenthalts und nach der gesicherten Wiederaus-
reise im Vordergrund. Dazu lassen sich in der Regel keine gesicherten
Feststellungen, sondern nur Prognosen treffen. Dabei sind alle Umstände
des konkreten Einzelfalles zu würdigen.
5.3 Trotz des starken Wirtschaftswachstums ist es der philippinischen Re-
gierung nicht gelungen, die Armut im Lande spürbar zu reduzieren. Nach
Angaben der Weltbank stagniert sie bei rund 25%, und dies gegen den
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Trend der Südostasien-Region, in der die Armut allgemein rückläufig ist.
Ein wesentlicher Grund ist das hohe Bevölkerungswachstum von etwa 2%
(ca. zwei Millionen Menschen pro Jahr). Die Armut ist auf den Philippinen
regional unterschiedlich verteilt, insbesondere in ländlichen Gebieten ist
sie wesentlich höher als in den Städten. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäf-
tigung bleiben drängende Probleme. Die Arbeitslosenquote auf den Philip-
pinen ist nach offiziellen Angaben zwar relativ moderat und lag in den letz-
ten Jahren recht stabil bei ca. 7%. Dem nur leichten bis stagnierenden
Rückgang der Arbeitslosigkeit steht hingegen ein starker Anstieg der Un-
terbeschäftigung gegenüber (ca. 23%). Außerdem verlassen über eine Mil-
lion Menschen jährlich das Land, um im Ausland Arbeit zu suchen – mit
zunehmender Tendenz. Die Entsendung von Gastarbeitern ins Ausland
hilft zwar einerseits, den heimischen Arbeitsmarkt zu entlasten und Devi-
sen zu erwirtschaften. Sie führt andererseits aber zu einer immer ausge-
prägteren Konzentration unterqualifizierter Arbeitnehmer im Inland, die sich
in einem Mangel an Facharbeitern im Lande niederschlägt (Quelle: Deut-
sches Auswärtiges Amt, > Aussen- und Euro-
papolitik > Länderinformationen > Philippinen > Wirtschaft, Stand: Septem-
ber 2015, Seite besucht im April 2016).
Vor diesem aufgezeigten wirtschaftlichen Hintergrund besteht, wie oben
ausgeführt, vielfach der Wunsch zur Auswanderung, welcher sich beson-
ders stark bei jüngeren und ungebundenen Personen manifestiert. Ein im
Ausland bereits bestehendes, minimales soziales Beziehungsnetz aus
Verwandten oder Freunden ist zudem ein wichtiges Element, das den Ent-
scheid auszuwandern, erleichtern kann. Angesichts der restriktiven Zulas-
sungsregelung werden dabei nicht selten ausländerrechtliche Bestimmun-
gen umgangen, indem – einmal eingereist – versucht wird, den Aufenthalt
auf eine ganz andere rechtliche oder faktische Basis zu stellen und sich so
der Pflicht zur Wiederausreise zu entziehen. Solche Umstände und Erfah-
rungen sind beim Entscheid über die Erteilung eines Visums mit zu berück-
sichtigen.
5.4 Bei der Risikoanalyse sind allerdings nicht nur solch allgemeine Um-
stände und Erfahrungen, sondern auch, wie erwähnt, sämtliche Gesichts-
punkte des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen. Obliegt einer ge-
suchstellenden Person im Heimatland beispielsweise eine besondere be-
rufliche, gesellschaftliche oder familiäre Verantwortung, kann dieser Um-
stand durchaus die Prognose für eine anstandslose Wiederausreise be-
günstigen (vgl. Urteil des BVGer C-694/2015 vom 20. August 2015 E. 5.4
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m.H.). Andererseits muss bei Personen, die in ihrer Heimat keine beson-
deren Verpflichtungen haben, das Risiko für ein ausländerrechtlich nicht
regelkonformes Verhalten (nach bewilligter Einreise zu einem Besuchsauf-
enthalt) als hoch eingeschätzt werden.
6.
6.1 Die bald 23-jährige, unverheiratete Gesuchstellerin lebt gemäss den
Visumsakten in ihrem Heimatland in gemeinsamem Haushalt mit ihren El-
tern und Geschwistern. Irgendwelche Verantwortlichkeiten der Eingelade-
nen gegenüber ihren Familienangehörigen werden von der Beschwerde-
führerin nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für das Bestehen eines be-
sonderen Betreuungsbedarfs von Angehörigen, der nur durch die Gesuch-
stellerin selbst abgedeckt werden könnte, sind denn auch aus den Akten
nicht ersichtlich. Es kann demnach nicht davon ausgegangen werden, im
persönlichen oder familiären Umfeld der Eingeladenen seien Verpflichtun-
gen oder gar Abhängigkeiten vorhanden, die besondere Gewähr für eine
Rückkehr ins Heimatland bieten könnten. Tritt hinzu, dass in Situationen
angespannter wirtschaftlicher und/oder politischer Verhältnisse selbst zu-
rückbleibende nahe Angehörige regelmässig nicht verlässlich davon abhal-
ten können, den Entscheid für eine Emigration zu fällen; sei dies etwa in
der Hoffnung, die Zurückgebliebenen aus dem Ausland wirtschaftlich effi-
zienter unterstützen zu können.
6.2 Die wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sich die Eingeladene befin-
det, lassen ebenfalls nicht auf eine günstige Prognose bezüglich einer ge-
sicherten Wiederausreise schliessen. In ihrer Stellungnahme an die Vor-
instanz vom 26. August 2015 hielt die Schweizer Vertretung in Manila fest,
die Gesuchstellerin sei momentan arbeitslos, verfüge über keine eigenen
Finanzen und habe ihr Studium wegen des geplanten Aufenthaltes in der
Schweiz aufgegeben. In ihrer Rechtsmitteleingabe vom 28. November
2015 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass ihre Grossnichte nach
abgeschlossener Informatik-Ausbildung während 14 Monaten beim glei-
chen Arbeitgeber tätig gewesen sei, bevor sie eine neue Arbeitsstelle an-
getreten habe und jetzt eine Internet-Tätigkeit als Englischlehrerin für chi-
nesische Schüler ausübe, wofür sie stundenweise bezahlt werde. Replik-
weise macht die Beschwerdeführerin nunmehr geltend, die Eingeladene
habe am 23. November 2015 eine neue Arbeitsstelle als Website-Designe-
rin und "Updater" in einer Firma angetreten, wo sie rund 50% mehr Lohn
als bei ihrem früheren Arbeitgeber (gemäss den eingereichten Lohnab-
rechnungen umgerechnet rund Fr. 320.-) erhalte.
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Allein schon aufgrund der Tatsache, dass die Eingeladene offenbar trotz
ihrer erst kürzlich angetretenen neuen Arbeitsstelle nach wie vor die maxi-
mal zulässige Aufenthaltsdauer von 90 Tagen voll ausschöpfen möchte,
kann – jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – kaum von einer beruflichen Ver-
ankerung oder auch nur von vorteilhaften wirtschaftlichen Verhältnissen
ausgegangen werden, die nachhaltig von einer Emigration abzuhalten ver-
möchten, zumal die Beschwerdeführerin betont, ohne die finanzielle Unter-
stützung von ihr und einer weiteren Verwandten hätten weder die Gesuch-
stellerin noch ihre Geschwister das College im Heimatland besuchen kön-
nen. Vor diesem Hintergrund müssen die Beteuerungen auf Beschwerde-
ebene, wonach genügend Garantien für eine fristgerechte Wiederausreise
vorhanden seien, als nicht ausschlaggebend bezeichnet werden. Dies
umso weniger, als die von der Schweizer Vertretung sowie der Vorinstanz
geäusserten Zweifel am Aufenthaltszweck von der Beschwerdeführerin im
Verlaufe des Verfahrens nicht ausgeräumt werden konnten und als durch-
aus begründet erscheinen.
6.3 Unter den gegebenen Umständen durfte die Vorinstanz demnach will-
kürfrei davon ausgehen, die Wiederausreise der Eingeladenen sei im
Sinne der massgeblichen Bestimmungen nicht gesichert. An der Richtigkeit
dieser Einschätzung ändert auch die Tatsache nichts, dass die bereits seit
1979 in der Schweiz eingebürgerte Beschwerdeführerin, die gemäss den
eingereichten Unterlagen fraglos über einen guten Leumund verfügt, die in
Art. 7 Abs. 1 VEV geregelte Verpflichtungserklärung abgegeben und damit
ihr Vertrauen in ein rechtskonformes Verhalten ihres Gastes zum Ausdruck
gebracht hat. Bei der Risikobeurteilung ist aber in erster Linie das mögliche
Verhalten des Gastes selbst von Bedeutung. Gastgeber können mit recht-
lich verbindlicher Wirkung zwar für gewisse finanzielle Risiken im Zusam-
menhang mit dem Besuchsaufenthalt, nicht aber für ein bestimmtes Tun
oder Unterlassen ihres Gastes einstehen (vgl. in diesem Zusammenhang
auch BVGE 2009/27 E. 9). Aus dem gleichen Grund kann auch nicht ent-
scheidend sein, dass die Gastgeberin zwischen 1984 und 2011 ver-
schiedenste nähere und entferntere Verwandte und Bekannte aus den Phi-
lippinen zu sich in die Schweiz eingeladen hat, welche jeweils fristgerecht
wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, lässt doch auch dieser Um-
stand keine Rückschlüsse auf ein zukünftiges Verhalten der Gesuchstelle-
rin selbst zu (vgl. Urteil des BVGer C-6602/2013 vom 14. Mai 2014 E. 7).
Zudem ist jedes Einreisegesuch nach Massgabe seiner spezifischen Ge-
gebenheiten einzelfallweise zu beurteilen (vgl. Urteile des BVGer C-
6790/2013 vom 13. Mai 2015 E. 6.4 m.H. sowie C-441/2015 vom 12. Mai
2015 E. 6.4.3).
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Seite 11
7.
Unter Hinweis auf ihre unbestrittenermassen enge Beziehung zu ihrer
Grossnichte macht die Beschwerdeführerin schliesslich eine Verletzung
von Art. 8 EMRK geltend. Soweit sie sich auf das von der genannten Be-
stimmung geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens beruft, ist zu
erwähnen, dass dieses in erster Linie die Kernfamilie schützt, d.h. die Ge-
meinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern. Die bundes-
gerichtliche Rechtsprechung anerkennt hingegen auch Ansprüche unter
Erwachsenen, wenn zwischen nahen Familienangehörigen – beispiels-
weise aufgrund von Krankheit oder Invalidität – ein besonderes Abhängig-
keitsverhältnis besteht (vgl. bspw. Urteile des BGer 2C_418/2015 vom 21.
Dezember 2015 E. 4.6.2 und des BVGer C-1902/2012 vom 18. Februar
2014 E. 5.3.1 je m.w.H.). In vorliegendem Verfahren wird hingegen nicht
dargetan und ist auch nicht aus den Akten ersichtlich, inwiefern ein solches
besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Gastgeberin und ihrer
Grossnichte bestehen soll. Ohnehin gilt es zu beachten, dass Art. 8 EMRK
praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt verschafft
(BGE 138 I 246 E. 3.2.1 S. 250 m.H.). Die Konventionsgarantie schützt das
Familienleben als solches und nicht die freie Wahl des für den Aufbau und
die Führung des Familienlebens günstigsten Ortes. Ein Eingriff in den
Schutzbereich des Familienlebens liegt daher in aller Regel nicht vor, wenn
von den Beteiligten ohne Weiteres erwartet werden kann, das Familienle-
ben ausserhalb der Schweiz zu pflegen. Eine Interessenabwägung nach
Art. 8 Abs. 2 EMRK erübrigt sich unter diesen Umständen. Anders verhält
es sich, wenn den Beteiligten nicht oder nicht ohne Weiteres die Kontakt-
pflege im Ausland zuzumuten ist (BVGE 2011/48 E. 6.3.1 m.H.). Vorliegend
kann der persönliche Kontakt zwischen der Gesuchstellerin und ihrer
Grosstante auch anderweitig gepflegt werden, befindet sich doch Letztere
gemäss eigenen Angaben seit Mitte Januar 2016 bis Ende Mai 2016 ohne-
hin bei ihren Verwandten auf den Philippinen, denen sie alljährlich einen
Besuch abstattet. Bei dieser Sachlage kann vorliegend aus Art. 8 EMRK
kein Anspruch auf Erteilung eines Visums abgeleitet werden. Es bestehen
demzufolge auch keine Gründe, die es erlauben würden, der Gesuchstel-
lerin ein humanitäres Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit auszu-
stellen (vgl. E. 4.5 hievor sowie zum Ganzen Urteil des BVGer
C-6239/2015 vom 4. März 2016 E. 9).
8.
Aus vorstehenden Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung im
Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist da-
her abzuweisen.
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Seite 12
9.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Be-
schwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des
Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin aufer-
legt. Sie sind durch den am 29. Dezember 2015 geleisteten Kostenvor-
schuss gleicher Höhe gedeckt.
3.
Dieses Urteil geht an:
– die Beschwerdeführerin (Einschreiben; Beilage: USB memory-stick)
– die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. […] zurück)
– die Migrationsbehörde der Stadt Biel


Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:



Marianne Teuscher Daniel Brand



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