C-5790/2007 - Abteilung III - Einreise - Verweigerung eines Visums zu Besuchszwecken
Karar Dilini Çevir:
C-5790/2007 - Abteilung III - Einreise - Verweigerung eines Visums zu Besuchszwecken
Abtei lung II I
C-5790/2007
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 9 . N o v e m b e r 2 0 0 8
Richter Andreas Trommer (Vorsitz),
Richterin Elena Avenati-Carpani,
Richter Bernard Vaudan,
Gerichtsschreiberin Denise Kaufmann.
S._______,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Verweigerung eines Visums zu Besuchszwecken.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-5790/2007
Sachverhalt:
A.
Die aus Kamerun stammende, 1947 geborene N._______ (im Folgen-
den: Gesuchstellerin) beantragte bei der Schweizerischen Botschaft in
Yaoundé am 12. Juni 2007 ein Visum für einen einmonatigen Besuchs-
aufenthalt bei ihrer (namentlich nicht genannten) Tochter und dem En-
kelkind.
Bereits zuvor, nämlich am 9. Mai 2007, war S._______ (im Folgenden:
Gastgeber bzw. Beschwerdeführer) mit einer Einladung an die Schwei-
zerische Vertretung gelangt. In dem per Fax übermittelten Dokument
wird auf dem Briefpapier seiner Arbeitgeberin (der U._______) und mit
deren Adresse bestätigt, dass er dort angestellt sei und die Gesuch-
stellerin in der Zeit vom 7. Mai bis zum 30. Juni 2007 als Gast erwarte.
Die Schweizer Vertretung lehnte es ab, in eigener Kompetenz ein Vi-
sum zu erteilen, und leitete das Gesuch zur Prüfung und zum Ent-
scheid an die Vorinstanz weiter.
B.
Zur Stellungnahme eingeladen, hielt die Fremdenpolizei der Stadt
Bern an die Adresse der Vorinstanz dafür, dass das Gesuch abzuleh-
nen sei, weil die Wiederausreise nach einem Besuchsaufenthalt nicht
als gesichert erscheine. Vom Gastgeber sei nicht einmal die Privatad-
resse bekannt, was die Prüfung der konkreten Verhältnisse erschwert
habe.
C. Die Vorinstanz verweigerte in einer Verfügung vom 31. Juli 2007 die
nachgesuchte Einreisebewilligung. Dies im Wesentlichen mit der Be-
gründung, die anstandslose und fristgerechte Wiederausreise nach ei-
nem Besuchsaufenthalt könne nicht als gesichert betrachtet werden.
Die Gesuchstellerin lebe in einer Region, aus der als Folge der dort
herrschenden wirtschaftlichen und soziokulturellen Verhältnisse ein
anhaltend starker Zuwanderungsdruck festzustellen sei. Bei ihr selbst
seien weder berufliche noch gesellschaftliche Verpflichtungen, aber
auch keine familiären Verantwortlichkeiten auszumachen, die trotz die-
ser Verhältnisse besondere Gewähr für eine Wiederausreise bieten
könnten.
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D.
Mit Beschwerde vom 30. August 2007 (Datum des Poststempels) be-
antragt der Gastgeber beim Bundesverwaltungsgericht implizit die Auf-
hebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Erteilung der Einreise-
bewilligung. Zur Begründung bringt er sinngemäss vor, die Vorinstanz
gehe zu Unrecht davon aus, dass die Wiederausreise der Gesuchstel-
lerin nicht gesichert wäre. Er habe sie persönlich zu einem siebenwö-
chigen Besuchsaufenthalt eingeladen und es gehe darum, dass sie
ihre beiden hier lebenden Töchter und die Enkelkinder treffen könne.
E.
Die Vorinstanz hält in ihrer Vernehmlassung vom 30. Oktober 2007 an
der angefochtenen Verfügung fest und schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. Aufgrund der bisherigen spärlichen Angaben könne nicht
einmal eruiert werden, um wen es sich bei den hier lebenden Familien-
angehörigen handle und in welchem Verhältnis der Beschwerdeführer
zu diesen bzw. zur Gesuchstellerin stehe.
F.
In einer Replik vom 4. Dezember 2007 hält der Beschwerdeführer sei-
nerseits an seinem Rechtsbegehren und an dessen Begründung fest.
Er nennt erstmals die Personalien zweier in der Schweiz lebender
Töchter der Gesuchstellerin (je mit einem Kind) und erklärt, bei einer
dieser Töchter handle es sich um seine Freundin. Er beabsichtige, die-
se nach Abschluss seiner Ehescheidung zu heiraten. In einigen Jahren
sei dann eine Übersiedlung in den Kamerun geplant.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Verfügungen des BFM betreffend Verweigerung der Einreisebewil-
ligung unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht
(Art. 31, Art. 32 sowie Art. 33 Bst. d des Verwaltungsgerichtsgesetzes
vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).
1.2 Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundes-
verwaltungsgericht nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968
über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das Ver-
waltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt. In der vorliegend zu
beurteilenden Streitsache ist das Urteil des Bundesverwaltungsge-
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richts endgültig (Art. 1 Abs. 2 VGG i.V.m. Art. 83 Bst. c Ziff. 1 des Bun-
desgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.3 Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Be-
schwerde legitimiert; auf die frist- und formgerecht eingereichte Be-
schwerde ist einzutreten (Art. 50 ff. VwVG).
2.
Am 1. Januar 2008 traten das neue Bundesgesetz vom 16. Dezember
2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) sowie
die dazugehörigen Ausführungsverordnungen in Kraft (u.a. die Verord-
nung vom 24. Oktober 2007 über das Einreise- und Visumverfahren
[VEV, SR 142.204]). Gemäss Art. 126 Abs. 1 AuG bleibt auf Gesuche,
die vor dem Inkraftreten des AuG eingereicht worden sind, das bisheri-
ge Recht anwendbar. Die Beurteilung erfolgt somit noch nach dem al-
ten Recht. Einschlägig sind das Bundesgesetz vom 26. März 1931
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, BS 1 121,
zum vollständigen Quellennachweis vgl. Ziff. I des Anhangs zum AuG)
und die Verordnung vom 14. Januar 1998 über die Einreise und An-
meldung von Ausländerinnen und Ausländern (VEA, AS 1998 194,
zum vollständigen Quellennachweis vgl. Art. 39 VEV).
3.
3.1 Die Schweizerische Rechtsordnung gewährt grundsätzlich keinen
Anspruch auf Bewilligung der Einreise. Der Entscheid darüber ist von
der Bewilligungsbehörde in pflichtgemässer Ausübung ihres Ermes-
sens zu fällen (Art. 4 und Art. 16 Abs. 1 ANAG, Art. 9 Abs. 1 VEA,
PETER UEBERSAX, Einreise und Anwesenheit, in: PETER UEBERSAX / PETER
MÜNCH / THOMAS GEISER / MARTIN ARNOLD (Hrsg.), Ausländerrecht, Auslän-
derinnen und Ausländer im öffentlichen Recht, Privatrecht, Steuerrecht
und Sozialrecht der Schweiz, Basel/Genf/München 2002, S. 143; URS
BOLZ, Rechtsschutz im Ausländer- und Asylrecht, Basel und Frankfurt
a.M. 1990, S. 29 mit weiteren Hinweisen; PHILIP GRANT, La protection de
la vie familiale et de la vie privée en droit des étrangers, Basel usw.
2000, S. 24).
3.2 Ausländerinnen und Ausländer benötigen zur Einreise in die
Schweiz einen Pass und ein Visum, sofern sie nicht aufgrund beson-
derer Regelung von diesem Erfordernis ausgenommen sind (Art. 1 bis
5 VEA). Um ein Visum zu erhalten, müssen Ausländerinnen und Aus-
länder die in Artikel 1 Absatz 2 VEA aufgeführten Voraussetzungen er-
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füllen. Sie haben unter anderem Gewähr für eine fristgerechte Wieder-
ausreise zu bieten (Art. 1 Abs. 2 Bst. c VEA).
4.
4.1 Die Gesuchstellerin benötigt aufgrund ihrer Nationalität zur Einrei-
se in die Schweiz nebst dem Pass ein Visum. Die Vorinstanz verwei-
gerte die Erteilung eines solchen Visums mit der Begründung, die an-
standslose und fristgerechte Wiederausreise erscheine nicht als hinrei-
chend gesichert.
4.2 Wenn es zu beurteilen gilt, ob das Kriterium der gesicherten Wie-
derausreise erfüllt ist, muss ein zukünftiges Verhalten beurteilt werden.
Dazu lassen sich in der Regel keine Feststellungen, sondern lediglich
Prognosen treffen. Dabei rechtfertigt es sich durchaus, Einreisegesu-
chen von Bürgerinnen und Bürgern aus Staaten oder Regionen mit po-
litisch respektive wirtschaftlich vergleichsweise ungünstigen Verhältnis-
sen zum vornherein mit Zurückhaltung zu begegnen, da die persönli-
che Interessenlage in solchen Fällen häufig nicht mit dem Ziel und
Zweck einer zeitlich befristeten Einreisebewilligung in Einklang steht.
4.3 In Kamerun sind breite Bevölkerungsschichten von vergleichswei-
se schwierigen ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen be-
troffen. Innerhalb der Staaten der zentralafrikanischen Regionalorgani-
sation CEMAC ist Kamerun zwar das wirtschaftlich stärkste Land.
Dennoch leben etwa 40% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze
(Quelle: , Länder- und Reiseinforma-
tionen > Kamerun > Wirtschaft [Stand: April 2008], besucht am 6. No-
vember 2008).
Hinzu kommt, dass Frauen in Kamerun zusätzlichen spezifischen Be-
nachteiligungen ausgesetzt sind. Dank der engagierten Arbeit von
Frauengruppen entsteht zwar ein wachsender Widerstand gegen alt-
hergebrachte Traditionen und Gebräuche wie der staatlich nach wie
vor gestatteten Polygamie, der zulässigen Züchtigung der Ehefrau
durch den Ehegatten, dem Brautpreis sowie der Mädchenbeschnei-
dung. Noch deutet aber nichts darauf hin, dass sich die soziale Situati-
on der Frauen in diesen Bereichen nachhaltig verbessern wird.
Entsprechend hoch ist der Anteil jener, die versuchen, nach Europa
oder in andere Länder zu gelangen, in denen sie sich unter günstige-
ren Lebensbedingungen eine bessere Existenz sichern möchten. Der
Trend zeigt sich erfahrungsgemäss dort besonders stark, wo durch die
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Anwesenheit von Verwandten oder Bekannten bereits ein minimales
soziales Beziehungsnetz im Ausland besteht. Im Falle der Schweiz
führt dies angesichts der restriktiven fremdenpolizeilichen Zu-
lassungsregelung nicht selten zur Umgehung ausländerrechtlicher
Bestimmungen.
5.
5.1 Bei der Risikoanalyse sind allerdings nicht nur solch allgemeine
Umstände und Erfahrungen, sondern auch sämtliche Gesichtspunkte
des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen. Obliegt einer Gesuch-
stellerin oder einem Gesuchsteller im Heimatland beispielsweise eine
besondere berufliche, gesellschaftliche oder familiäre Verantwortung,
kann dieser Umstand durchaus die Prognose für eine anstandslose
Wiederausreise begünstigen. Umgekehrt muss bei Antragstellerinnen
und Antragstellern, die in ihrer Heimat keine besonderen Verpflichtun-
gen haben, das Risiko für ein fremdenpolizeilich nicht regelkonformes
Verhalten (nach bewilligter Einreise zu einem Besuchsaufenthalt) hoch
eingeschätzt werden.
5.2 Bei der Gesuchstellerin handelt es sich um eine 61-jährige Frau.
Über ihre familiären Verhältnisse ist nur gerade bekannt, dass zwei
Töchter in der Schweiz leben. Als Zivilstand gab sie in ihrem persönli-
chen Einreisegesuch „ledig“ an; darüber hinaus bestehen zu den per-
sönlichen und familiären Verhältnissen vor Ort keine weiteren Erkennt-
nisse. Bei der Gesuchstellerin sind somit keine persönlichen oder fami-
liären Bindungen oder gar Verpflichtungen festzustellen, welche die
Prognose einer fristgerechten und anstandslosen Wiederausreise be-
günstigen könnten. Demgenüber besteht ein starker Bezug zur
Schweiz, leben hier doch – wie erwähnt – zwei Töchter und zwei En-
kelkinder. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Ge-
suchstellerin – einmal in der Schweiz – versucht sein könnte, länger
als vorgegeben bei ihren Familienangehörigen zu bleiben bzw. hier ein
Bleiberecht zu erwirken.
5.3 Die Gesuchstellerin geht gemäss eigenen Angaben in ihrem per-
sönlichen Einreisegesuch keiner Erwerbstätigkeit nach. Wie sie ihren
Lebensunterhalt bestreitet und in welchen wirtschaftlichen Verhältnis-
sen sie lebt, ist nicht bekannt. Somit sind bei der Gesuchstellerin we-
der in beruflicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht Verhältnisse erkenn-
bar, die verlässlich von einer Emigration abhalten könnten.
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5.4 Tritt hinzu, dass Unklarheit herrscht über die Dauer des beantrag-
ten Besuchsaufenthalts. Während die Gesuchstellerin einen Aufenthalt
von einem Monat beantragte, sprach der Beschwerdeführer sowohl in
seiner schriftlichen Einladung wie auch in der Beschwerde von sieben
Wochen. Diese Abweichung zeugt zumindest nicht von einer verlässli-
chen Planung und Absprache unter den Beteiligten.
5.5 Schliesslich konnten durch die Vorgehensweise von Gast und
Gastgeber weder die persönlichen Verhältnisse der in der Schweiz le-
benden Töchter (denen der Besuch abgestattet werden soll) noch die-
jenigen des als Gastgeber bzw. Garant auftretenden Beschwerdefüh-
rers im Bewilligungsverfahren einer näheren Überprüfung unterzogen
werden.
5.6 Vor dem aufgezeigten persönlichen und allgemeinen Hintergrund
durfte die Vorinstanz demnach davon ausgehen, dass keine hinrei-
chende Gewähr für eine fristgerechte und anstandslose Wiederausrei-
se der Gesuchstellerin nach einem Besuchsaufenthalt besteht.
6.
Aus vorstehenden Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung
im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde
ist daher abzuweisen.
7.
Entsprechend dem Verfahrensausgang wird der unterliegende Be-
schwerdeführer kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG, Art. 1, 2 und 3
Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Ent-
schädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [SR 173.320.2]).
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von
Fr. 600.- verrechnet.
3.
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