C-563/2006 - Abteilung III - Zustimmung zur Aufenthaltsbewilligung - Verweigerung der Zustimmung (und Wegweisung)
Karar Dilini Çevir:
C-563/2006 - Abteilung III - Zustimmung zur Aufenthaltsbewilligung - Verweigerung der Zustimmung (und Wegweisung)
Abtei lung II I
C-563/2006
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 8 . N o v e m b e r 2 0 0 7
Richter Andreas Trommer (Vorsitz),
Richterin Ruth Beutler, Richter Bernard Vaudan,
Gerichtsschreiber Julius Longauer.
A._______,
vertreten durch Herrn lic. iur. Johan Göttl,
Beschwerdeführerin,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Verweigerung der Zustimmung und Wegweisung.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-563/2006
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerin (geb. 1984) ist türkische Staatsangehörige. Im
Oktober 2002 reiste sie in die Schweiz, nachdem sie fünf Monate zu-
vor einen niedergelassenen Landsmann geheiratet hatte. Gestützt auf
die Bestimmungen über den Familiennachzug erhielt die Beschwerde-
führerin im Kanton Basel-Landschaft eine Aufenthaltsbewilligung, die
letztmals mit Wirkung bis 15. Oktober 2006 verlängert wurde. Die ehe-
liche Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und ih-
rem Ehemann wurde im Juli 2003 faktisch aufgegeben. Am 28. Okto-
ber 2003 folgte die gerichtliche Trennung der Ehe. Zur Zeit ist das
Scheidungsverfahren hängig.
B.
Am 16. August 2006 unterbreitete die Migrationsbehörde des Kantons
Basel-Landschaft der Vorinstanz ihr Gesuch um Zustimmung zur wei-
teren Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der
ehelichen Gemeinschaft.
C.
Die Vorinstanz teilte der Beschwerdeführerin am 15. September 2006
mit, dass erwogen werde, die Zustimmung zur Verlängerung der kanto-
nalen Aufenthaltsbewilligung zu verweigern, und gab ihr Gelegenheit
zur Stellungnahme. Mit einem undatierten Schreiben, das am 10. Ok-
tober 2006 bei der Vorinstanz einging, machte die Beschwerdeführerin
vom Recht auf Stellungnahme Gebrauch.
D.
Mit Verfügung vom 2. November 2006 verweigerte die Vorinstanz die
Zustimmung zur Verlängerung der kantonalen Aufenthaltsbewilligung
und wies die Beschwerdeführerin unter Ansetzung einer Ausreisefrist
bis zum 4. Februar 2007 aus der Schweiz weg. Zur Begründung führte
sie im Wesentlichen aus, der ursprüngliche, privilegierte Zulassungs-
grund sei weggefallen, und eine besondere Härte, die unter diesen
Umständen eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtfertigen
würde, liege nicht vor.
E.
Die Beschwerdeführerin gelangte mit Eingaben vom 20. November so-
wie 2. und 6. Dezember 2006 an das Eidgenössische Justiz- und Poli-
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zeidepartement (EJPD) und beantragte die Aufhebung der vorgenann-
ten Verfügung und die Erteilung der Zustimmung zur Verlängerung der
kantonalen Aufenthaltsbewilligung.
F.
Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 12. Dezember
2006 auf Abweisung der Beschwerde.
G.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Er-
wägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Verfügungen des BFM betr. Zustimmung zur Verlängerung einer
Aufenthaltsbewilligung und betr. Wegweisung aus der Schweiz unter-
liegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 20 Abs.
1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Nieder-
lassung der Ausländer [ANAG, SR 142.20] i.V.m. Art. 31 ff. des Verwal-
tungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).
1.2 Beim EJPD (als einer der Vorgängerorganisationen des Bundes-
verwaltungsgerichts) zum Zeitunkt des Inkrafttretens des Verwaltungs-
gerichtsgesetzes noch hängige Beschwerdeverfahren in dieser Materie
werden vom Bundesverwaltungsgericht übernommen. Die Beurteilung
erfolgt nach Massgabe des neuen Verfahrensrechts (Art. 53 Abs. 2
VGG). Dieses verweist in Artikel 37 VGG auf das Bundesgesetz vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR
172.021), soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz keine abweichenden
Bestimmungen aufstellt (vgl. auch Art. 2 Abs. 4 VwVG).
1.3 Als formelle und materielle Adressatin der Verfügung ist die Be-
schwerdeführerin zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert. Auf die
frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist deshalb einzutreten
(Art. 48 ff. VwVG).
2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechts-
erheblichen Sachverhaltes und  soweit nicht eine kantonale Behörde
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als Beschwerdeinstanz verfügt hat  die Unangemessenheit gerügt
werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Be-
schwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist ge-
mäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht ge-
bunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend
gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist
grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Ent-
scheides (vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Ur-
teils 2A.451/2002 vom 28. März 2003).
3.
3.1 Die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen fällt
grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone. Vorbehalten bleibt die
Zustimmung des BFM, wenn das Ausländerrecht eine solche für not-
wendig erklärt (Art. 18 ANAG). Gemäss Artikel 1 Absatz 1 der Verord-
nung vom 20. April 1983 über das Zustimmungsverfahren im Auslän-
derrecht (nachfolgend: Zustimmungsverordnung, SR 142.202) ist die
Zustimmung erforderlich, wenn bestimmte Gruppen von Ausländern im
Interesse der Koordination der Praxis auf Weisungsebene der Zustim-
mungspflicht unterstellt werden (Bst. a), wenn der Ausländer keine gül-
tigen und anerkannten heimatlichen Ausweispapiere besitzt und in der
Schweiz weder als Flüchtling noch als Staatenloser anerkannt ist (Bst.
b) oder wenn das BFM die Unterbreitung zur Zustimmung im Einzelfall
verlangt (Bst. c). Über die Erteilung oder Verweigerung der Zustim-
mung entscheidet das BFM im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften
und der Verträge mit dem Ausland nach pflichtgemässem Ermessen
(Art. 4 ANAG). Eine Bindung an die kantonale Beurteilung besteht
nicht. Das Gesagte gilt selbst dann, wenn auf kantonaler Ebene ein
Gericht auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung er-
kannt hat (vgl. grundlegend BGE 127 II 49 E. 3 S. 51 ff; ferner Ent-
scheid des EJPD vom 15. April 2005 E. 12 in: Verwaltungspraxis der
Bundesbehörden [VPB] 69.76).
3.2 Die vorliegende Streitsache betrifft die Verlängerung der Aufent-
haltsbewilligung einer türkischen Staatsangehörigen, nachdem der ur-
sprüngliche Zulassungsgrund  die eheliche Gemeinschaft mit einem
in der Schweiz niedergelassenen Landsmann  aufgegeben wurde.
Die Zustimmungsbedürftigkeit der Verlängerung ergibt sich deshalb
aus Art. 1 Abs. 1 Bst. a Zustimmungsverordnung in Verbindung mit den
Weisungen und Erläuterungen des BFM über Einreise, Aufenthalt und
Arbeitsmarkt (nachfolgend: ANAG-Weisungen), welche in Ziff. 132.4
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Bst. f vorsehen, dass die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ei-
nes Ausländers oder einer Ausländerin nach der Auflösung der eheli-
chen Gemeinschaft mit einem ausländischen Ehegatten oder nach
dessen Tod dem BFM zur Zustimmung zu unterbreiten ist, wenn die
Ausländerin oder der Ausländer nicht aus einem Mitgliedstaat der EG
oder der EFTA stammt. Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich die Be-
schwerdeführerin auf einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufent-
haltsbewilligung und damit zugleich auf Zustimmung zu deren Verlän-
gerung berufen kann. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre zu prüfen, ob
die Verweigerung der Zustimmung in fehlerhafter Ausfüllung des Er-
messens ergangen oder unangemessen ist, soweit das geltende
Recht Ermessensspielräume vorsieht (Art. 4 ANAG).
4.
Ein auf Gesetzes- oder Staatsvertragsrecht beruhender Rechtsan-
spruch auf Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
besteht im vorliegenden Fall nicht:
4.1 Das eheliche Zusammenleben zwischen der Beschwerdeführerin
und ihrem Ehemann wurde knapp 10 Monate nach dem Zuzug der Be-
schwerdeführerin in die Schweiz aufgehoben, d.h. lange bevor ihr ge-
stützt auf Art. 17 Abs. 2 Satz 2 ANAG ein von der Ehe unabhängiger
Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung erwachsen
konnte (vgl. BGE 130 II 49 E. 3.2 S. 53 ff.). Zwischen der Beschwerde-
führerin und ihrem Noch-Ehemann besteht offensichtlich auch keine
intakte und tatsächlich gelebte Beziehung. Eine Berufung auf die Ga-
rantie des Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention vom
4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfrei-
heiten (EMRK, SR 0.101) und des materiell deckungsgleichen Art. 13
Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
vom 18. April 1999 (BV, SR 101) ist deshalb ausgeschlossen (vgl. BGE
127 II 60 E. 1d/aa S. 64 f. mit Hinweisen; zur Gleichwertigkeit von Art.
8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV vgl. BGE 126 II 377 E. 7 S. 394).
4.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich ein
Rechtsanspruch auf Zustimmung der Verlängerung der Aufenthaltsbe-
willigung auch nicht  mittelbar aus dem Grundsatz von Treu und Glau-
ben, der in Art. 9 BV verankert ist. Zwar trifft es zu, dass die kantonale
Migrationsbehörde die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin
nach ihrer Trennung vom Ehemann insgesamt drei Mal unter Verlet-
zung der einschlägigen ANAG-Weisungen eigenmächtig verlängerte.
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Allerdings ist die Aufenthaltsbewilligung stets befristet (Art. 5 Abs. 1
ANAG). Für sich allein vermag deshalb die blosse Erteilung der Auf-
enthaltsbewilligung kein schutzwürdiges Interesse an ihrer Erneuerung
zu begründen (vgl. BGE 126 II 377 E. 3b S. 387 f.; Urteile des Bundes-
gerichts 2A.446/2002 vom 17. April 2003 E. 1.6 und 2A.381/2001 vom
14. September 2001 E. 2c/bb).
5.
Der Begriff der  pflichtgemässen Ermessensausübung impliziert die
Beachtung rechtlicher Schranken bei der Ausfüllung der Ermessens-
spielräume. Vorliegend steht der Grundsatz der Verhältnismässigkeit
von Verwaltungsakten im Vordergrund. Unter diesem Gesichtspunkt
der Verhältnismässigkeit ist eine wertende Abwägung vorzunehmen
zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verweigerung der Zustim-
mung einerseits und den durch die Verweigerung beeinträchtigten pri-
vaten Interessen des Betroffenen andererseits (vgl. statt vieler ULRICH
HÄFELIN / GEORG MÜLLER / FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht,
5. Aufl., Zürich und St. Gallen 2006, S.127 f.).
5.1 Die Schweiz verfolgt zur Verwirklichung der in Art. 1 der Verord-
nung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Auslän-
der (Begrenzungsverordnung, BVO, SR 823.21) formulierten Ziele eine
restriktive Einwanderungspolitik gegenüber erwerbstätigen ausländi-
schen Personen aus dem Nicht-EU/EFTA-Raum (in der Folge: Dritt-
staatsangehörige). Diese Politik findet ihren Ausdruck insbesondere in
den strengen regulatorischen Zulassungsbeschränkungen der Begren-
zungsverordnung, denen erwerbstätige Drittstaatsangehörige nament-
lich in Gestalt hoher Anforderungen an die berufliche Qualifikation (Art.
8 BVO) und der Höchstzahlen (Art. 12 BVO) unterworfen sind. Das er-
hebliche Gewicht des öffentlichen Interesses an der Durchsetzung des
restriktiven Einwanderungspolitik gegenüber Drittstaatsangehörigen
zeigt sich daran, dass humanitäre Gründe in diesem rechtlichen Zu-
sammenhang erst Bedeutung erlangen, wenn die Betroffenheit des
Einzelnen die Grenze zum schwerwiegenden persönlichen Härtefall im
Sinne von Art. 13 Bst. f BVO überschreitet. Nach der Auflösung der
Ehe, die sie von restriktiven qualitativen und quantitativen Zulassungs-
voraussetzungen der Begrenzungsverordnung ausnehmen, muss die
ausländische Person dieses öffentliche Interesse grundsätzlich wieder
gegen sich gelten lassen (auch wenn sie nach Massgabe von Art. 12
Abs. 2 BVO den Höchstzahlen der Begrenzungsverordnung nach wie
vor nicht untersteht). Es ist deshalb ein vergleichsweise strenger
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Massstab angebracht, wenn es zu beurteilen gilt, ob nach Wegfall des
Privilegierungsgrundes private Interessen bestehen, denen gegenüber
das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der restriktiven Migra-
tionspolitik zurückzustehen hat. Dementsprechend geht das Bundes-
verwaltungsgericht mit der Vorinstanz davon aus, dass die Verlänge-
rung der Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der Ehe in erster Linie
ein Instrument zur Vermeidung von Härtefällen darstellt (vgl. Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts C-1872/2007 vom 20. September 2007 E.
4.1; ferner Ziff. 654 ANAG-Weisungen).
5.2 Bei der Prüfung der Frage, ob die auf dem Spiele stehenden priva-
ten Interessen eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtferti-
gen, ist zu untersuchen, inwieweit es der ausländischen Person in per-
sönlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zugemutet werden
kann, den Aufenthalt in der Schweiz aufzugeben, in ihre Heimat zu-
rückzukehren und dort zu leben. Zu diesem Zweck ist ihre zukünftige
Situation im Ausland den persönlichen Verhältnissen in der Schweiz
gegenüberzustellen. Darüber ist nach Massgabe der gesamten Um-
stände des Einzelfalles zu befinden. Dazu gehören allgemeine, von
der Ehe unabhängige Elemente, wie die Dauer des Aufenthaltes in der
Schweiz, der Grad der sozialen und wirtschaftlichen Integration in die
hiesigen Verhältnisse, das Alter und der gesundheitliche Zustand, so-
weit Kinder vorhanden sind, deren Alter und schulische Integration,
aber auch die Unterkunft und die Reintegrationsmöglichkeiten in der
Heimat, ferner ehespezifische Elemente, wie die Dauer der Ehe und
die Umstände, die zu deren Auflösung geführt haben. Steht fest, dass
der ausländischen Person eine Weiterführung der ehelichen Bezie-
hung nicht länger zugemutet werden konnte, namentlich weil sie Opfer
von Misshandlungen geworden war, so ist dies besonders zu berück-
sichtigen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-1872/2007 vom
20. September 2007 E. 4.2; ferner Ziff. 654 ANAG-Weisungen).
5.3 Die notwendige Schwere der Betroffenheit in den persönlichen
Verhältnissen ist mit Blick auf die Regelung des Art. 17 Abs. 2 ANAG
zu beurteilen, der ausländischen Ehegatten nach fünf Jahren Ehe auf
schweizerischem Territorium einen vom weiteren Bestand der Ehe un-
abhängigen Anspruch auf Aufenthalt vermittelt. Vor dem Erreichen die-
ser zeitlichen Grenze kommt es entscheidend darauf an, welche Be-
deutung den ehespezifischen Elementen im konkreten Einzelfall zu-
kommt, das heisst der Dauer der ehelichen Gemeinschaft auf schwei-
zerischem Territorium, der Existenz gemeinsamer Kinder, den Umstän-
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den der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft und  im letzteren Zu-
sammenhang  allfälligen Gewalterfahrungen in der Ehe. Je mehr die-
se Elemente ins Gewicht fallen, um so eher wird man von einer hinrei-
chend schweren Betroffenheit ausgehen können. Umgekehrt rechtfer-
tigt sich ein um so strengerer Massstab, als sich die Härtesituation
nicht gerade aus den oben genannten ehespezifischen Elementen
ableiten lässt (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-1872/2007
vom 20. September 2007 E. 4.3; vgl. dazu auch Urteil des Bun-
desgerichts 2A.212/2004 vom 10. Dezember 2004 E. 4.4; ferner Ent-
scheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 15.
April 2005, E. 15.2, in: VPB 69.76, im Zusammenhang mit der Auflö-
sung der Ehe durch Tod des schweizerischen Ehegatten; vgl. ferner de
lege ferenda die abgestufte Regelung in Art. 50 des am 1. Januar 2008
in Kraft tretenden Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Aus-
länder [AS 2007 5437]).
6.
6.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf eheliche Gewalterfahrung,
aus der sie unter Berufung auf die ANAG-Weisungen weitreichende
Folgen für die Beurteilung ihrer Angelegenheit ableitet. Soweit sie sich
jedoch zur erlittenen ehelichen Gewalt überhaupt äussert, sind ihre
Vorbringen auffällig vage gehalten. Im Wesentlichen beschränken sie
sich auf pauschale Wertungen, die sich über weite Strecken mit der
Aktenlage nicht vereinbaren lassen und die offenkundig Vorurteile be-
dienen. Auf der Grundlage der kantonalen Akten ergibt sich das fol-
gende Bild:
6.1.1 Am 20. Juli 2003 zog die Beschwerdeführerin mit Hilfe ihrer Tan-
te aus der ehelichen Wohnung in Pratteln aus, weil sie den Ehemann
verlassen wollte. Geplant war, dass die Beschwerdeführerin zunächst
bei ihrer Tante einzieht. Vor deren Wohnung in Basel kam es auf der
Strasse zu einem Streit zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem
Ehemann, der sie dort erwartete. In dessen Verlauf nahm der Ehe-
mann das Gepäck der Beschwerdeführerin an sich, verstaute es in sei-
nem Fahrzeug und fuhr weg. Gegenüber der beigezogenen Polizei
warf die Beschwerdeführerin ihrem Ehemann zunächst vor, sie sei
während ihres gesamten Aufenthaltes in der Schweiz gegen ihren Wil-
len in der ehelichen Wohnung zurückgehalten worden und habe ihr
Domizil während dieser Zeit nur zwei Mal in Begleitung des Eheman-
nes verlassen dürfen. Später allerdings schränkte sie ihre Vorhal-
tungen ein. Sie warf dem Ehemann nunmehr vor, er habe sie mehr-
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mals für eine bis acht Stunden Dauer in der Wohnung eingeschlossen.
Weiter habe er ihr Vorschriften über die Ausgangszeiten und den
Freundeskreis gemacht. Dass sie körperlich misshandelt worden wäre,
machte die Beschwerdeführerin nie geltend. Sie erwähnte lediglich,
dass der Ehemann sie während eines Streites am Arm gepackt habe,
um seinen Anweisungen Nachdruck zu verleihen. Sodann war von ei-
ner Drohung die Rede, die der Ehemann während des Streites vom
20. Juli 2003 geäussert haben soll. Gestützt auf die Aussagen der Be-
schwerdeführerin wurde gegen den Ehemann Strafanzeige und Straf-
antrag gestellt. Allerdings wurden die Vorwürfe in den nachfolgenden
Ermittlungen im Wesentlichen entkräftet. Unter anderem stellte sich
heraus, dass die in einem Mehrfamilienhaus liegende eheliche Woh-
nung über eine intakte Telefonverbindung und einen von innen nicht
abschliessbaren Balkon verfügte. Die Beschwerdeführerin hätte somit
 im Falle einer  Einschliessung gegen ihren Willen  jederzeit auf
sich aufmerksam machen können. Ihre eigene Verwandtschaft in der
Schweiz, die sich beim Auszug aus der ehelichen Wohnung als hilf-
reich erwies, hätte sich zu diesem Zweck geradezu angeboten. Das ist
jedoch nicht geschehen. Auch konnten Nachbarn in den Monaten vor
dem Auszug der Beschwerdeführerin über keine besonderen Be-
obachtungen, Streitigkeiten und ähnliches berichten. Mit Strafbefehl
des Bezirksstatthalteramts Liestal vom 26. Mai 2004 wurde deshalb
der Ehemann zwar wegen der Sachentziehung zum Nachteil der Be-
schwerdeführerin schuldig gesprochen. Die restlichen Verfahren wur-
den aber mit Beschluss der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft glei-
chen Datums mangels Erfüllung eines Straftatbestandes eingestellt.
6.1.2 Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die Be-
schwerdeführerin dem Bild einer vom traditionell denkenden Ehemann
weggesperrten und durch eheliche Gewalt eingeschüchterten türki-
schen  Importbraut nicht entspricht, als die sie sich selbst in der
Rechtsmittelschrift bezeichnet. Dagegen spricht schon, dass sie in der
Türkei eine solide Ausbildung genoss. Sie ist im Besitz eines am 29.
März 2002 verliehenen türkischen Diploms, das den erfolgreichen Ab-
schluss der Ausbildung als Hotel- und Tourismusangestellte beschei-
nigt und das gemäss Schreiben des Bundesamtes für Berufsbildung
und Technologie vom 7. März 2006 unter Berücksichtigung der Berufs-
erfahrung dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis als Hotelfachange-
stellte gleichwertig ist, und sie rühmt sich guter, bereits in der Türkei
erworbener Englischkenntnisse. Der Rapport der Kantonspolizei Ba-
sel-Stadt vom 20. Juli 2003 hielt es ferner für feststellungswürdig, dass
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die Beschwerdeführerin nach der Polizeiintervention vom gleichen Da-
tum einen sicheren und gefassten Eindruck mache, und in der Strafan-
zeige der Polizei Basel-Landschaft vom 8. August 2003 wird einiger-
massen erstaunt davon Vermerk genommen, dass die Beschwerdefüh-
rerin mehrfach weit grösseres Interesse daran bekundet habe, auf den
Verbleib von Vermögenswerten einzugehen, als den Ablauf der ihr ge-
genüber begangenen Straftaten zu schildern. Zudem wird die Be-
schwerdeführerin dahingehend zitiert, dass ihr die Strafanzeige die
Möglichkeit geben werde, ohne ihren Mann in der Schweiz zu leben.
Kurze Zeit später, Mitte Oktober 2003, nahm die Beschwerdeführerin
den Besuch von Deutschkursen auf, die sie konsequent und mit Erfolg
bis in die jüngste Vergangenheit besuchte, und nicht erst im Herbst
2004, wie der am 7. August 2006 erstellte Bericht ihrer Psychologin,
Frau lic. phil. B._______, nahe legt und als Zeichen der durch ihre
Behandlung eingetretenen Besserung des psychischen Allge-
meinzustands wertet. In der Rechtsmittelschrift schliesslich wird nur
nebenbei auf das angeblich erlittene Unrecht durch eheliche Gewalt
eingegangen. Wesentlich breiteren Raum räumt die Beschwerdefüh-
rerin dem Versuch ein, ihren Ehemann wegen angeblichen Betrügerei-
en anzuschwärzen, der  obschon eingebürgert   ohne mit der
Wimper zu zucken auch getürkte Sachen mache, und zu
beanstanden, dass seine  Sippe immer noch im Besitz der
Brautgeschenke sei.
6.1.3 Unter den gegebenen Umständen kann von ehelicher Gewalt
nicht ausgegangen werden. Daran vermag nichts zu ändern, dass die
behandelnde Psychologin der Beschwerdeführerin, lic. phil.
B._______, in dem bereits erwähnten und in einem weiteren, unda-
tierten Bericht, der offensichtlich von Anfang 2004 stammt, die ein-
schlägigen Behauptungen der Beschwerdeführerin unkritisch als Tat-
sachen darstellt.
6.2 Andere ehespezifische Elemente, die geeignet wären, die Anfor-
derungen an die private Interessenlage entscheidend herabzusetzen,
sind nicht ersichtlich. Denn das Zusammenleben der Beschwerdefüh-
rerin mit ihrem Ehemann dauerte nur gerade neun Monate und ge-
meinsame Kinder sind nicht vorhanden. Es rechtfertigt sich deshalb
ein strenger Massstab, wenn es zu beurteilen gilt, ob es der Be-
schwerdeführerin zugemutet werden kann, ihren Aufenthalt in der
Schweiz aufzugeben und anderswo, namentlich in ihrer Heimat zu le-
ben. Nur nebenbei sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen,
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dass die sehr kurze Dauer des ehelichen Zusammenlebens einen
strengen Beurteilungsmassstab wohl auch dann rechtfertigen würde,
wenn die Beschwerdeführerin tatsächlich Opfer ehelicher Gewalt ge-
worden wäre.
6.2.1 Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass sich die Be-
schwerdeführerin seit fünf Jahren in der Schweiz aufhält. Sie hat wäh-
rend dieser Zeit durchaus anerkennenswerte Integrationsleistungen
erbracht, indem sie mit viel Energie und Beharrlichkeit die deutsche
Sprache erlernte, einer Erwerbstätigkeit nachgeht und nie Sozialleis-
tungen in Anspruch nahm. Als ausserordentlich kann ihre Integration
dennoch nicht bezeichnet werden.
6.2.2 Auf der anderen Seite deutet nichts auf Umstände hin, welche
die persönlichen und beruflichen Perspektiven der Beschwerdeführerin
nach einer Rückkehr in die Türkei ernsthaft beeinträchtigen könnten.
Sie verbrachte dort den weitaus grössten Teil ihres Lebens, sodass sie
mit den dortigen Verhältnissen bestens vertraut sein dürfte. Dass sie
ihre Kontakte zur Türkei gerade wegen des vermeintlich sicheren Auf-
enthaltsstatus in der Schweiz  weitgehend abgebrochen hätte, wie sie
im Rahmen des Beschwerdeverfahrens behauptet, ist offenkundig un-
glaubwürdig und wird denn auch nicht weiter erläutert. Im Übrigen
äusserte sich die Beschwerdeführerin nie in konkreter und überprüfba-
rer Weise zu ihren persönlichen familiären und sozialen Verhältnissen
in der Türkei. Stattdessen beschränkt sie sich darauf, unsubstantiierte
und wiederum auf Vorurteile appellierende Folgerungen von der  so-
ziokulturellen Stellung der geschiedenen bzw. getrennten Frau im All-
gemeinen auf ihre persönliche Lage im Besonderen zu ziehen. So hät-
ten ihr die Eltern bereits zu erkennen gegeben, dass sie sie im Falle
einer Rückkehr nicht unterstützen würden. Dass ihr dieselben Eltern in
der Türkei eine Berufsausbildung ermöglichten und auf diese Weise
die Grundlage für eine selbständige wirtschaftliche Existenz schufen,
dazu schweigt sie sich wohlweislich aus. Gerade mit dieser Berufsaus-
bildung zu einer Hotel- und Tourismusangestellten und mit ihren neu-
erworbenen Deutschkenntnissen hat die Beschwerdeführerin über-
durchschnittliche Aussichten, in dem für die Türkei volkswirtschaftlich
wichtigen Tourismussektor ihr Auskommen zu finden. Von nutzlos ge-
wordenen Integrationsleistungen kann in diesem Zusammenhang kei-
ne Rede sein.
Seite 11
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6.2.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich schliesslich auf den bereits
erwähnten psychologischen Bericht, ausgestellt am 7. August 2006
durch lic. phil. B._______, und macht eine  mit Sicherheit drohende,
 massive Verschlechterung ihres Gesundheitszustands geltend, sollte
die erfolgreich eingeleitete Behandlung abgebrochen werden. Der
Einwand geht schon deshalb an der Sache vorbei, weil der Bericht aus
Anlass des Abschlusses der psychotherapeutischen Behandlung
erstellt wurde, ohne dass dem Bundesverwaltungsgericht eine spätere
Wiederaufnahme angezeigt worden wäre. Aus dem Bericht geht im
Übrigen hervor, dass der Behandlungsabschluss, den die
behandelnde Psychologin als verfrüht betrachtet, von  der Therapeu-
tin vorgegeben war, womit offenkundig die im Rahmen der delegierten
Psychotherapie verantwortliche Ärztin gemeint ist. Deren Begleit-
schreiben, auf das der Bericht verweist, wurde nicht eingereicht. Da-
von abgesehen ist nicht ersichtlich, inwiefern die diagnostizierte rezidi-
vierende depressive Störung mit leichter Episode (ICD-10 F33.0) ei-
nen weiteren Aufenthalt in der Schweiz unabdingbar machen würde
oder in der Türkei mit existentiellen Folgen für die Beschwerdeführerin
nicht behandelt werden könnte. Anzufügen bleibt, dass der Bericht in-
haltlich ohnehin nicht überzeugt, weil er wichtige Elemente der Anam-
nese, wie das heimatliche familiäre und soziale Umfeld der Beschwer-
deführerin, ausklammert und die Symptomatik unkritisch auf deren
Schilderung der ehelichen Verhältnisse zurückführt. Die Strafakten
standen der behandelnden Psychologin offensichtlich nicht zur Verfü-
gung.
6.3 Eine wertende Gewichtung der sich gegenüberstehenden Interes-
sen führt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass unter den
gegebenen Umständen das private Interesse der Beschwerdeführerin
an der weiteren fremdenpolizeilichen Regelung ihres Aufenthalts in der
Schweiz gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung
der restriktiven Migrationspolitik gegenüber Personen aus dem Nicht-
EFTA/EU-Raum zurückzustehen hat. Die Verweigerung der Zustim-
mung durch die Vorinstanz ist deshalb als verhältnismässige und an-
gemessene Massnahme zu bestätigen.
7.
Aus der Rechtmässigkeit der Zustimmungsverweigerung folgt ohne
weiteres die Rechtmässigkeit der Wegweisung aus der Schweiz (vgl.
Art. 12 Abs. 3 ANAG), und es bliebe zu prüfen, ob dem Wegweisungs-
vollzug Hindernisse im Sinne von Art. 14a ANAG entgegenstehen. Da
Seite 12
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solche Vollzugshindernisse weder geltend gemacht werden noch sich
aus den Akten ergaben, ist die angefochtene Verfügung auch unter
diesem Gesichtspunkt zu Recht ergangen.
8.
Abschliessend ist festzuhalten, dass die angefochtene Verfügung im
Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist
deshalb abzuweisen.
9.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die unterliegende
Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Verfah-
renskosten sind auf Fr. 600.-- festzusetzen (Art. 1, Art. 2 und Art. 3
Bst. b des Reglements vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [SR 173.320.2]).
10.
Das vorliegende Urteil ist endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 2 und 4 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Dispositiv S. 14
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C-563/2006
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von
Fr. 600.- verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin
- die Vorinstanz
- das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Andreas Trommer Julius Longauer
Versand:
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