C-5509/2008 - Abteilung III - Invaliditätsbemessung - Invalidenversicherung, Verfügung vom 30. Juli 2008
Karar Dilini Çevir:
C-5509/2008 - Abteilung III - Invaliditätsbemessung - Invalidenversicherung, Verfügung vom 30. Juli 2008
Abtei lung II I
C-5509/2008/mes/str
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 . S e p t e m b e r 2 0 1 0
Richter Stefan Mesmer (Vorsitz),
Richter Johannes Frölicher,
Richterin Madeleine Hirsig,
Gerichtsschreiber Roger Stalder.
X._______,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA,
avenue Edmond-Vaucher 18, Postfach 3100,
1211 Genf 2,
Vorinstanz.
Invalidenversicherung, Verfügung vom 30. Juli 2008.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-5509/2008
Sachverhalt:
A.
Der 1962 geborene, in seiner Heimat Österreich wohnhafte X._______
(im Folgenden: Versicherter oder Beschwerdeführer) leistete gemäss
Auszug aus dem individuellen Konto vom 18. April 2006 zwischen
1982 und 2005 Beiträge an die schweizerische Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV; Vorakten [ im
Folgenden: act.] 5 und 8). Zuletzt war er vom 3. Juli 2001 bis Ende
Februar 2006 in seiner Eigenschaft als Grenzgänger bei der Einzel -
unternehmung B._______ (im Folgenden: Arbeitgeberin) in B._______
als Kunststoffverarbeiter angestellt (act. 10).
B.
Wegen eines am 15. Juni 2005 erlittenen Verkehrsunfalls wurde der
Versicherte arbeitsunfähig. Am 30. März 2006 meldete er sich zum
Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung (IV) in Form von
beruflichen Massnahmen an, wobei sich das Datum des Eingangs des
Gesuches bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen ( im Folgenden: IV-
Stelle SG) nicht ermitteln lässt (vgl. immerhin den Hinweis "Per-
sonalien geprüft am 11. April 2006" auf dem Anmeldeformular). Als
Behinderungen erwähnte der Beschwerdeführer gesundheitliche Be-
einträchtigungen des Unterschenkels und des linken Knies (act. 1).
Nach Einholung mehrerer medizinischer Dokumente (act. 11, 17 und
23) beauftragte die IV-Stelle SG am 6. Februar 2007 das C._______
(im Folgenden: C._______) mit einer bidisziplinären Begutachtung
(act. 26); die entsprechenden Gutachten datieren vom 17. resp. 25. Juli
2007 (act. 28 und 29). Nachdem diese Expertisen dem Regionalen
Ärztlichen Dienst (RAD) zur Stellungnahme unterbreitet worden waren
und Dr. med. D._______, Facharzt für Innere Medizin, Physikalische
Medizin/Rehabilitation sowie Rheumatologie, am 19. September 2007
eine Stellungnahme abgegeben hatte (act. 31), wurde gleichentags
der Eingliederungsberatung ein Abklärungsauftrag erteilt (act. 32). In
der Folge trat der Versicherte am 7. Februar 2008 eine neue Stelle als
Mitarbeiter/Staplerfahrer an, worauf die Eingliederungsberatung am
11. März 2008 in ihrem Schlussbericht den Fallabschluss beantragte
(act. 41 bis 43); die entsprechende Mitteilung wurde am 29. Mai 2008
erstellt (act. 48).
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C-5509/2008
C.
Mit Vorbescheid vom 29. Mai 2008 wurde dem Versicherten eine vom
1. Juni 2006 bis zum 31. Dezember 2006 befristete ganze IV-Rente in
Aussicht gestellt (act. 49 und 50). Nachdem dieser hiergegen am
10. Juni 2008 seine Einwendungen vorgebracht (act. 52) und der RAD-
Arzt Dr. med. E._______, Facharzt für Allgemeinmedizin, am 15. Juli
2008 keinen medizinischen Grund für eine Abweichung vom beab-
sichtigten Verfügungsinhalt gesehen hatte (act. 53), erliess die IV-
Stelle für Versicherte im Ausland (im Folgenden: Vorinstanz) am
30. Juli 2008 eine dem Vorbescheid vom 29. Mai 2008 entsprechende
Verfügung (act. 56).
D.
Die hiergegen vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom 23. August
2008 beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen erhobene
Beschwerde wurde mit Schreiben vom 27. August 2008 zuständig-
keitshalber dem Bundesverwaltungsgericht zur weiteren Behandlung
überwiesen (Akten im Beschwerdeverfahren [im Folgenden: B-act.] 1).
Der Beschwerdeführer beantragte unter anderem, es sei sein An-
spruch auf eine ganze IV-Rente bis September 2007 sowie auf eine
Viertelsrente bis Januar 2008 festzustellen; darüber hinaus sei der
Invaliditätsgrad (im Folgenden auch: IV-Grad) zu bestimmen. Weiter
machte er einen Verzugszins von 5 % auf dem effektiv geschuldeten
Rentenbetrag geltend und behielt sich die Stellung eines Gesuchs um
unentgeltliche Rechtsverbeiständung vor.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht
nachvollziehbar, weshalb bereits ab dem 1. Januar 2007 wieder volle
Arbeitsfähigkeit vorliegen soll. Die retrospektive Festlegung der
Arbeitsfähigkeit sei in keiner Weise rechtmässig. Die Gutachten des
C._______ gäben keinen Aufschluss über den massiv schlechteren
Gesundheitszustand zu Beginn des Jahres 2007, weshalb bis zum
30. September 2007 von einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % auszu-
gehen sei. Im einen Teilgutachten des C._______ werde festgehalten,
dass Dr. med. F._______ eine Arbeitsfähigkeit bei adaptierter Tätigkeit
von 80 % nur unter Ausblendung der Einschränkungen seitens des
orthopädischen Fachgebiets festgestellt habe. Um eine verlässliche
medizinisch-theoretische Aussage zu erhalten, müsse das
orthopädische Fachgebiet in quantitativer und qualitativer Hinsicht
eingeschlossen werden. Nach eindeutigen orthopädischen Befunden
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wäre zu erwarten, dass die Würdigung im Hauptgutachten eine deut-
lich höhere Arbeitsunfähigkeit ergebe. Dr. med. G._______ hingegen
belasse die Arbeitsfähigkeit aus bidisziplinärer Sicht bei 80 %, was in
Anbetracht der klar objektivierten orthopädischen Diagnosen nicht
nachvollziehbar sei. Im Widerspruch dazu stelle er selber eine Ein-
schränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit fest. Auch sei die
Schmerzsituation nicht angemessen berücksichtigt worden. Der
Arbeitsunfähigkeitsgrad sei auch ab dem 1. Oktober 2007 auf
mindestens 40 % festzulegen. Den Gutachtern hätten keine aktuellen
externen medizinischen Unterlagen zur Verfügung gestanden. Die be-
handelnde Fachpsychologin habe die Arbeitsfähigkeit im Mai 2007 auf
maximal 40 bis 50 % geschätzt. Das Gutachten sei nicht vollständig
und komme bezüglich der zumutbaren Arbeitsfähigkeit zu nachweislich
falschen Schlussfolgerungen. Es sei keine abrupte Verbesserung des
Gesundheitszustands eingetreten, weshalb die Voraussetzungen für
die Einleitung einer Revision frühestens per 1. Oktober 2007 erfüllt
seien. Die IV-Stelle SG wäre ab September 2007 verpflichtet gewesen,
ihn vor Festlegung des IV-Grades entweder beruflich abklären zu
lassen oder konkrete berufliche Massnahmen einzuleiten.
E.
In ihrer Vernehmlassung vom 24. Oktober 2008 beantragte die Vor-
instanz die Abweisung der Beschwerde (B-act. 3).
Zur Begründung verwies sie auf die Stellungnahme der IV-Stelle SG
vom 20. Oktober 2008. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, im
Gutachten werde eine Arbeitsunfähigkeit ab 15. Juni 2005 bis auf
weiteres bestätigt. Die vom Beschwerdeführer genannte Arbeitsun-
fähigkeit beziehe sich auf die angestammte Tätigkeit, welche für die
Ermittlung der Erwerbsunfähigkeit nicht von Bedeutung sei. Die
Arbeitsfähigkeit in einer dem Leiden angepassten Tätigkeit betrage
seit dem 1. Januar 2007 nachweislich 80 %. Der RAD habe nach-
vollziehbar dargelegt, warum seines Erachtens seit Januar 2007 ein
stabiler postoperativer Zustand und somit auch eine markante Ver-
besserung vorgelegen habe. Die Festlegung der Arbeitsfähigkeit sei
somit auch nicht unrechtmässig rückwirkend erfolgt, sondern sei mit
den vorliegenden Unterlagen sowie dem Wissen über allgemeine
postoperative Verläufe belegt. Zudem hätten die Gutachter Kenntnis
von sämtlichen der IV zur Verfügung stehenden medizinischen Akten
gehabt. Dr. med. F._______ habe zurecht die orthopädischen Ein-
schränkungen ausgeblendet, habe er doch als Psychiater in seinem
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Gutachten nur zu den psychiatrischen Einschränkungen Stellung
nehmen dürfen. Der Orthopäde habe seinerseits in seinem Gutachten
nicht zu psychiatrischen Fragen Stellung zu nehmen gehabt. An-
lässlich einer Konsensbesprechung hätten die Fachärzte die gesamt-
haft vorliegende Arbeitsfähigkeit festgelegt. Auch der eingereichte Be-
richt von Frau H._______ ändere daran nichts. Nachdem die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (im Folgenden: Suva) für
die beruflichen Massnahmen zuständig gewesen sei, habe sich eine
zusätzliche Aktivität seitens der IV erübrigt. Ausserdem sei die beruf -
liche Wiedereingliederung mit der neuen Anstellung erfolgreich durch-
geführt worden. Der ermittelte IV-Grad von 16 % sei korrekt. Hinzu
komme, dass auch die Suva lediglich eine Erwerbsunfähigkeit von 5
bis 11 % habe feststellen können. In Berücksichtigung der erfolg-
reichen Wiedereingliederung sei diese Versicherung jedoch bereit
gewesen, eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf der Basis einer
Erwerbseinbusse von 12 % zu entrichten (Suva-Verfügung vom 30.
Mai 2008).
F.
Mit Zwischenverfügung vom 29. Oktober 2008 wurde der Be-
schwerdeführer unter Hinweis auf die Säumnisfolgen aufgefordert,
einen Kostenvorschuss von Fr. 400.- zu leisten (B-act. 4); diese Ver-
fügung konnte dem Beschwerdeführer nicht zugestellt werden (B-
act. 5).
G.
Im Anschluss an ein Telefonat vom 1. Dezember 2008 (B-act. 6) und
nachdem der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 1. Dezember 2008
um Erteilung des Rechts auf unentgeltliche Rechtspflege ersucht hatte
(B-act. 7), wurde er wiederum unter Hinweis auf die Säumnisfolgen mit
Zwischenverfügung vom 4. Dezember 2008 – mit welcher die Ziffern 3
und 4 des Dispositivs der Zwischenverfügung vom 29. Oktober 2008
aufgehoben wurde – aufgefordert, das Formular "Gesuch um unent-
geltliche Rechtspflege" ausgefüllt und mit den nötigen ergänzenden
Beweismitteln versehen dem Bundesverwaltungsgericht einzureichen
(B-act. 8); die entsprechenden Dokumente gingen am 6. Januar 2008
ein (B-act. 9).
H.
Mit prozessleitender Verfügung vom 29. Januar 2009 schloss der
Instruktionsrichter den Schriftenwechsel (B-act. 10).
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I.
Auf den weiteren Inhalt der Akten sowie der Rechtsschriften der
Parteien ist – soweit erforderlich – in den nachfolgenden Erwägungen
einzugehen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der Beschwerdeführer wohnt seit seiner Geburt in Österreich und
arbeitet als Grenzgänger in der Schweiz. Wie die Zuständigkeitsregel
von Art. 40 Abs. 2 der Verordnung vom 17. Januar 1961 über die
Invalidenversicherung (IVV, SR 831.201) vorsieht, hat die IV-Stelle SG,
in deren Tätigkeitsgebiet der Versicherte in seiner Eigenschaft als
Grenzgänger bei der früheren Arbeitgeberin eine Erwerbstätigkeit
ausgeübt hat, in korrekter Weise die Anmeldung für Leistungen der IV
entgegengenommen und geprüft, während die Vorinstanz die ange-
fochtene Verfügung vom 30. Juli 2008 (act. 56) erlassen hat.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR
172.021). Zu den anfechtbaren Verfügungen – auch betreffend Leis-
tungsansprüche von Grenzgängerinnen und Grenzgängern – gehören
jene der IVSTA, welche eine Vorinstanz des Bundesverwaltungs-
gerichts darstellt (Art. 33 Bst. d VGG; vgl. auch Art. 69 Abs. 1 Bst. b
des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenver-
sicherung [IVG, SR 831.20] sowie Art. 40 Abs. 2, 3. Satz und Art. 40
Abs. 3 IVV). Eine Ausnahme, was das Sachgebiet angeht, ist in casu
nicht gegeben (Art. 32 VGG).
1.2 Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht (vgl. Art.
60 ATSG und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Als Adressat der angefochtenen
Verfügung vom 30. Juli 2008 ist der Beschwerdeführer berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung
(vgl. Art. 59 ATSG). Zusammenfassend ergibt sich, dass sämtliche
Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, weshalb auf die Beschwerde
einzutreten ist.
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1.3 Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich
nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (vgl.
Art. 37 VGG). Gemäss Art. 3 Bst. dbis VwVG bleiben in sozialversiche-
rungsrechtlichen Verfahren die besonderen Bestimmungen des
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungs-
rechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG, SR 830.1) vorbehalten. Gemäss
Art. 2 ATSG sind die Bestimmungen dieses Gesetzes auf die bundes-
gesetzlich geregelten Sozialversicherungen anwendbar, wenn und
soweit die einzelnen Sozialversicherungsgesetze es vorsehen. Nach
Art. 1 IVG sind die Bestimmungen des ATSG auf die Invalidenver-
sicherung anwendbar (Art. 1a bis 70 IVG), soweit das IVG nicht aus-
drücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht. Dabei finden nach den
allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln in formellrechtlicher Hin-
sicht mangels anderslautender Übergangsbestimmungen grundsätz-
lich diejenigen Rechtssätze Anwendung, welche im Zeitpunkt der
Beschwerdebeurteilung Geltung haben (BGE 130 V 1 E. 3.2).
1.4 Anfechtungsobjekt bildet die Verfügung der Vorinstanz vom 30. Juli
2008, mit welcher dem Versicherten mit Wirkung ab 1. Juni 2006 bis
31. Dezember 2006 bei einem IV-Grad von 100 % eine befristete
ganze IV-Rente zugesprochen worden war. Streitig und zu prüfen ist
der Rentenanspruch des Beschwerdeführers und in diesem Zu-
sammenhang, ob der Sachverhalt insbesondere in medizinischer Hin-
sicht rechtsgenüglich abgeklärt und gewürdigt worden war.
Durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer sowohl die Abstufung
als auch die Befristung der Rente angefochten hat, wird der Ver-
fahrensgegenstand und damit die richterliche Überprüfungsbefugnis
nicht in dem Sinne eingeschränkt, dass die unbestritten gebliebenen
Rentenbezugszeiten von der richterlichen Prüfung ausgenommen
blieben (BGE 125 V 413; AHI 2001 S. 278 E. 1a).
1.5 Das Bundesverwaltungsgericht prüft die Verletzung von Bundes-
recht einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Er-
messens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechts-
erheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).
2.
Im Folgenden sind vorab die im vorliegenden Verfahren anwendbaren
Normen und Rechtsgrundsätze darzustellen.
Seite 7
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2.1 Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger mit
Wohnsitz in Österreich, so dass vorliegend das am 1. Juni 2002 in
Kraft getretene Abkommen zwischen der Schweizerischen Eid-
genossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeits-
abkommen, im Folgenden: FZA, SR 0.142.112.681) anwendbar ist
(Art. 80a IVG in der Fassung gemäss Ziff. I 4 des Bundesgesetzes vom
14. Dezember 2001 betreffend die Bestimmungen über die Personen-
freizügigkeit im Abkommen zur Änderung des Übereinkommens zur
Errichtung der EFTA, in Kraft seit 1. Juni 2002). Das Freizügigkeits-
abkommen setzt die verschiedenen bis dahin geltenden bilateralen
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und
den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union insoweit aus,
als darin derselbe Sachbereich geregelt wird (Art. 20 FZA). Gemäss
Art. 8 Bst. a FZA werden die Systeme der sozialen Sicherheit ko-
ordiniert, um insbesondere die Gleichbehandlung aller Mitglieder der
Vertragsstaaten zu gewährleisten. Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung
(EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 (SR 0.831.
109.268.1) haben die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates
wohnen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und
Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie
die Staatsangehörigen dieses Staates selbst, soweit besondere Be-
stimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Dabei ist im
Rahmen des FZA und der Verordnung auch die Schweiz als "Mit -
gliedstaat" zu betrachten (Art. 1 Abs. 2 von Anhang II des FZA).
Demnach richtet sich die Bestimmung der Invalidität und die Be-
rechnung der Rentenhöhe auch nach dem Inkrafttreten des FZA nach
schweizerischem Recht (BGE 130 V 253 E. 2.4).
2.2 Am 1. Januar 2008 sind im Rahmen der 5. IV-Revision Ände-
rungen des IVG und anderer Erlasse wie des ATSG in Kraft getreten.
Weil in zeitlicher Hinsicht – vorbehältlich besonderer übergangsrecht-
licher Regelungen – grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgeb-
lich sind, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu
Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 132 V 220
Erw. 3.1.1, 131 V 11 Erw. 1), ist der Leistungsanspruch für die Zeit bis
zum 31. Dezember 2007 aufgrund der bisherigen und ab diesem
Zeitpunkt nach den neuen Normen zu prüfen (pro rata temporis; BGE
130 V 445).
Seite 8
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Die 5. IV-Revision brachte für die Invaliditätsbemessung keine sub-
stanziellen Änderungen gegenüber der bis zum 31. Dezember 2007
gültig gewesenen Rechtslage, so dass die zur altrechtlichen Regelung
ergangene Rechtsprechung weiterhin massgebend ist (vgl. Urteil des
Bundesgerichts [im Folgenden: BGer] 8C_373/2008 vom 28. August
2008 Erw. 2.1). Neu normiert wurde dagegen der Zeitpunkt des
Rentenbeginns, der – sofern die entsprechenden Anspruchsvoraus-
setzungen gegeben sind – gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG (in der Fassung
der 5. IV-Revision) frühestens sechs Monate nach Geltendmachung
des Leistungsanspruchs nach Art. 29 Abs. 1 ATSG entsteht. Trat der
Versicherungsfall allerdings vor dem 1. Januar 2008 ein und wurde die
Anmeldung bis spätestens am 31. Dezember 2008 eingereicht, so gilt
das alte Recht (so auch das Rundschreiben Nr. 253 des Bundesamtes
für Sozialversicherungen vom 12. Dezember 2007 [5. IV-Revision und
Intertemporalrecht]).
Im vorliegenden Verfahren finden demnach grundsätzlich jene Vor-
schriften Anwendung, die bei Eintritt des Versicherungsfalles,
spätestens jedoch bei Erlass der Verfügung vom 30. Juli 2008 in Kraft
standen; weiter aber auch solche Vorschriften, die zu jenem Zeitpunkt
bereits ausser Kraft getreten waren, die aber für die Beurteilung eines
allenfalls früher entstandenen Rentenanspruchs von Belang sind (das
IVG ab dem 1. Januar 2004 in der Fassung vom 21. März 2003 [AS
2003 3837; 4. IV-Revision] und ab dem 1. Januar 2008 in der Fassung
vom 6. Oktober 2006 [AS 2007 5129; 5. IV-Revision]; die IVV in den
entsprechenden Fassungen der 4. und 5. IV-Revision [AS 2003 3859
und 2007 5155]). Hinsichtlich des Zeitpunkt des Rentenbeginns gilt
das alte Recht, da vorliegend der Versicherungsfall vor dem 1. Januar
2008 eingetreten ist und sich der Beschwerdeführer vor dem 31. De-
zember 2008 angemeldet hat.
2.3 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dau-
ernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG),
die Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein kann
(Art. 4 Abs. 1 IVG). Invalidität ist somit der durch einen Gesundheits-
schaden verursachte und nach zumutbarer Behandlung oder Ein-
gliederung verbleibende länger dauernde (volle oder teilweise) Verlust
der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden aus-
geglichenen Arbeitsmarkt resp. der Möglichkeit, sich im bisherigen
Aufgabenbereich zu betätigen. Der Invaliditätsbegriff enthält damit
zwei Elemente (vgl. UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl., Zürich
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2009, Art. 8 Rz. 7): Ein medizinisches (Gesundheitsschaden mit Aus-
wirkungen auf die Arbeitsfähigkeit) und ein wirtschaftliches im
weiteren Sinn (dauerhafte oder länger dauernde Einschränkung der
Erwerbsfähigkeit oder der Tätigkeit im Aufgabenbereich).
Arbeitsunfähigkeit ist die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen,
geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte, volle oder teilweise
Unfähigkeit, im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Ar-
beit zu leisten. Bei langer Dauer wird auch die zumutbare Tätigkeit in
einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt (Art. 6
ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körper-
lichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach
zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder
teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kom-
menden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 ATSG).
2.4 Neben den geistigen und körperlichen Gesundheitsschäden kön-
nen auch psychische Gesundheitsschäden eine Invalidität bewirken
(Art. 8 i.V.m. Art. 7 ATSG). Nicht als Folgen eines psychischen Ge-
sundheitsschadens und damit invalidenversicherungsrechtlich nicht als
relevant gelten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit, welche die ver-
sicherte Person bei Aufbietung allen guten Willens, die verbleibende
Leistungsfähigkeit zu verwerten, abwenden könnte; das Mass des For-
derbaren wird dabei weitgehend objektiv bestimmt (BGE 131 V 49
E. 1.2 mit Hinweisen, 130 V 352 E. 2.2.1; SVR 2007 IV Nr. 47 S. 154
E. 2.4). Entscheidend ist, ob und inwiefern es der versicherten Person
trotz ihres Leidens sozialpraktisch zumutbar ist, die Restarbeitsfähig-
keit auf dem ihr nach ihren Fähigkeiten offen stehenden aus-
geglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, und ob dies für die Gesell-
schaft tragbar ist. Dies ist nach einem weitgehend objektivierten
Massstab zu prüfen (BGE 127 V 294 E. 4c in fine, 102 V 165; AHI
2001 S. 228 E. 2b).
Grundlage für die Bemessung der Invalidität bildet die trotz gesund-
heitlicher Beeinträchtigung noch bestehende Arbeitsfähigkeit im ver-
sicherten Tätigkeitsbereich. Die Annahme eines psychischen Gesund-
heitsschadens im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG sowie Art. 3 Abs. 1 und
Art. 6 ATSG im Besonderen setzt grundsätzlich eine lege artis auf die
Vorgaben eines anerkannten Klassifikationssystems abgestützte psy-
chiatrische Diagnose voraus (vgl. BGE 130 V 396). Eine solche Dia-
gnose ist eine rechtlich notwendige, aber nicht hinreichende Be-
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dingung für einen invalidisierenden Gesundheitsschaden (BGE 132 V
65 E. 3.4). Entscheidend ist, ob und inwiefern, allenfalls bei geeigneter
therapeutischer Behandlung, von der versicherte Person willens-
mässig erwartet werden kann, trotz des Leidens zu arbeiten (BGE 127
V 294 E. 5a). Diese Frage beurteilt sich nach einem weitgehend
objektivierten Massstab (BGE 127 V 294 E. 4b/cc; vgl. auch Art. 7 Abs.
2 ATSG in der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung).
Die Therapierbarkeit oder Behandelbarkeit einer psychischen Störung
sagt – für sich allein betrachtet – nichts über deren invalidisierenden
Charakter aus. Für die Entstehung des Anspruchs auf eine Invaliden-
rente im Besonderen ist immer und einzig vorausgesetzt, dass wäh-
rend eines Jahres (ohne wesentlichen Unterbruch) eine mindestens
40%ige Arbeitsunfähigkeit (vgl. Art. 6 ATSG) nach Art. 29 Abs. 1 lit. b
IVG (seit 1. Januar 2008: Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG) bestanden hat und
eine anspruchsbegründende Erwerbsunfähigkeit (vgl. Art. 7 ATSG)
gemäss Art. 16 ATSG oder Art. 8 Abs. 3 ATSG i.V.m. Art. 28 Abs. 2bis
und 2ter IVG (seit 1. Januar 2008: Art. 28a Abs. 2 und 3 IVG) weiterhin
besteht (BGE 127 V 298 Erw. 4c).
2.5 Gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG (in der von 2004 bis Ende 2007 gültig
gewesenen Fassung) besteht der Anspruch auf eine ganze Rente,
wenn die versicherte Person mindestens 70 %, derjenige auf eine
Dreiviertelsrente, wenn sie mindestens 60 % invalid ist. Bei einem In-
validitätsgrad von mindestens 50 % besteht Anspruch auf eine halbe
Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % ein solcher
auf eine Viertelsrente. Hieran hat die 5. IV-Revision nichts geändert
(Art. 28 Abs. 2 IVG in der ab 2008 geltenden Fassung). Laut Art. 28
Abs. 1ter IVG (in der von 2004 bis Ende 2007 gültig gewesenen Fas-
sung) bzw. Art. 29 Abs. 4 IVG (in der ab 2008 geltenden Fassung) wer-
den Renten, die einem Invaliditätsgrad von weniger als 50 % ent-
sprechen, jedoch nur an Versicherte ausgerichtet, die ihren Wohnsitz
und gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben, so-
weit nicht völkerrechtliche Vereinbarungen eine abweichende Rege-
lung vorsehen. Eine solche Ausnahme gilt seit dem 1. Juni 2002 für die
Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EU und der Schweiz, so-
fern sie in einem Mitgliedstaat der EU Wohnsitz haben (BGE 130 V
253 E. 2.3 und 3.1). Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts (EVG; seit 1. Januar 2007: BGer) stellt diese
Regelung nicht eine blosse Auszahlungsvorschrift, sondern eine be-
sondere Anspruchsvoraussetzung dar (BGE 121 V 275 E. 6c).
Seite 11
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2.6 Nach Art. 48 IVG (mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 aufgehoben
[5. IV-Revision; AS 2007 5129]) erlischt der Anspruch auf Nachzahlung
mit dem Ablauf von fünf Jahren seit Ende des Monats, für welchen die
Leistung geschuldet war (Abs. 1). Meldet sich jedoch ein Versicherter
mehr als zwölf Monate nach Entstehen des Anspruchs zum Leis-
tungsbezug, so werden die Leistungen lediglich für die zwölf der
Anmeldung vorangehenden Monate ausgerichtet – abgesehen von
einer Ausnahme, die vorliegend ohne Belang ist.
Vorliegend ist demnach zu prüfen, ob und in welchem Umfang der
Beschwerdeführer seit dem 30. März 2005, d.h. zwölf Monate vor der
Anmeldung zum Leistungsbezug (das Eingangsdatum des Gesuches
ergibt sich aus den Akten nicht und kann daher nicht berücksichtigt
werden, vgl. Bst. B. hiervor), Anspruch auf Leistungen der IV hatte
oder ob ein solcher Anspruch danach bis zum Erlass der angefoch-
tenen Verfügung (30. Juli 2008) entstanden bzw. wieder weggefallen
ist.
2.7 Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung
(und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die
ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu
stellen haben. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesund-
heitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem
Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person ar-
beitsunfähig ist. Im Weiteren sind die ärztlichen Auskünfte eine wichti -
ge Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen
der versicherten Person noch zugemutet werden können (BGE 125 V
256 E. 4, BGE 115 V 133 E. 2; AHI-Praxis 2002 S. 62 E. 4b/cc).
Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob
der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Un-
tersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in
Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der
Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beur-
teilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schluss-
folgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den
Beweiswert ist somit grundsätzlich weder die Herkunft eines Beweis-
mittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag ge-
gebenen Stellungnahme als Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 351
E. 3a).
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C-5509/2008
Berichten und Gutachten versicherungsinterner Ärzte kommt Beweis-
wert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar be-
gründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen
ihre Zuverlässigkeit besteht. Die Tatsache allein, dass der befragte
Arzt in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht,
lässt nicht schon auf mangelnde Objektivität und auf Befangenheit
schliessen. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das
Misstrauen in die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als be-
gründet erscheinen lassen (BGE 125 V 351 E. 3b/ee mit Hinweisen).
Auf Stellungnahmen der RAD oder der ärztlichen Dienste kann für den
Fall, dass ihnen materiell Gutachtensqualität zukommen soll, nur ab-
gestellt werden, wenn sie den allgemeinen beweisrechtlichen An-
forderungen an einen ärztlichen Bericht genügen (Urteil des EVG
I 694/05 vom 15. Dezember 2006 E. 2). Die RAD-Ärzte müssen
sodann über die im Einzelfall gefragten persönlichen und fachlichen
Qualifikationen verfügen (Urteile des BGer I 142/07 vom 20. November
2007 E. 3.2.3 und I 362/06 vom 10. April 2007 E. 3.2.1), spielt doch die
fachliche Qualifikation des Experten für die richterliche Würdigung
einer Expertise eine erhebliche Rolle. Bezüglich der medizinischen
Stichhaltigkeit eines Gutachtens müssen sich Verwaltung und Gerichte
auf die Fachkenntnisse des Experten verlassen können. Deshalb ist
für die Eignung eines Arztes als Gutachter in einer bestimmten
medizinischen Disziplin ein entsprechender spezialärztlicher Titel des
berichtenden oder zumindest des den Bericht visierenden Arztes
vorausgesetzt (Urteil des EVG I 178/00 vom 3. August 2000 E. 4a).
Nicht zwingend erforderlich ist, dass die versicherte Person untersucht
wird. Nach Art. 49 Abs. 2 IVV führt der RAD für die Beurteilung der
medizinischen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs nur "bei Be-
darf" selber ärztliche Untersuchungen durch. In den übrigen Fällen
stützt er seine Beurteilung auf die vorhandenen ärztlichen Unterlagen
ab. Das Absehen von eigenen Untersuchungen ist somit nicht an sich
ein Grund, um einen RAD-Bericht in Frage zu stellen. Dies gilt ins-
besondere, wenn es im Wesentlichen um die Beurteilung eines fest -
stehenden medizinischen Sachverhalts geht und die direkte ärztliche
Befassung mit der versicherten Person in den Hintergrund rückt
(vgl. Urteile des BGer 9C_323/2009 vom 14. Juli 2009 E. 4.3.1 sowie
I 1094/06 vom 14. November 2007 E. 3.1.1, beide mit Hinweisen).
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3.
Die IVSTA stützte sich im Rahmen des Erlasses der angefochtenen
Verfügung vom 30. Juli 2008 insbesondere auf das bidisziplinäre
C._______-Gutachten der Dres. med. G._______ und F._______ vom
17. bzw. 25. Juli 2007 (act. 28 und 29), welches vom RAD-Arzt Dr.
med. D._______ (Facharzt für Innere Medizin, Physikalische Medizin/
Rehabilitation sowie Rheumatologie) einer Prüfung unterzogen worden
ist (act. 31). Diese medizinischen Dokumente sind nachfolgend zu-
sammengefasst wiederzugeben und zu würdigen.
3.1 Dr. med. G._______, Facharzt für Orthopädie, stellte in seinem
Gutachten vom 17. Juli 2007 folgende Diagnosen mit Auswirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit: einen Status nach mehrfacher Osteosynthese
einer Condylenfraktur lateral sowie des medialen Tibiakopfs und der
proximalen Fibula links mit leichter medialer Instabilität und
Varusalignement der linken unteren Extremität und Beinverkürzung.
Weiter diagnostizierte Dr. med. G._______ eine Präadipositas, eine
Anpassungsstörung sowie eine beinbetonte Polyneuropathie und
führte aus, der Versicherte sei ab dem 15. Juni 2005 bis auf weiteres
zu 100 % arbeitsunfähig gewesen. Körperlich schwere Tätigkeiten in
kalter und feuchter Umgebung, die vorwiegend stehend und gehend
ausgeübt werden müssten und mit häufigem Heben von Gegenstän-
den über 15 kg sowie häufigem Knien verbunden seien, und bei denen
regelmässig auf unebenem Boden gegangen werden müsse, seien
auch im Begutachtungszeitpunkt nicht mehr vollumfänglich zumutbar.
Die Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Kunststoff-
schäumer betrage bei voller Stundenpräsenz zirka 40 % – aus
psychiatrischer Sicht zirka 70 %. Körperlich leichte Tätigkeiten in
temperierten Räumen, die abwechslungsweise sitzend und stehend
durchgeführt werden könnten, ohne dass dabei regelmässig Gegen-
stände über 25 kg gehoben oder getragen werden müssten und keine
knienden Positionen eingenommen und auf unebenem Boden ge-
gangen werden müsste, seien bei voller Stundenpräsenz zu zirka
80 % zumutbar. Aus bidisziplinärer Sicht betrage die Arbeitsfähigkeit in
der angestammten Tätigkeit gesamthaft bei voller Stundenpräsenz
40 % und in einer leidensangepassten Verweisungstätigkeit 80 %. Die
lumbalen Schmerzen sollten mit einer deutlichen Gewichtsreduktion
sowie einer Tonisierung der paravertebralen Muskulatur zunächst
mittels Physiotherapie und anschliessend in einer medizinischen
Trainingstherapie behandelt werden. Die Therapie der Kniegelenks-
schmerzen links bestehe primär in einer Reduktion des Gewichts zur
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C-5509/2008
verminderten Belastung des medialen Kompartiments des linken
Kniegelenks, der Verabreichung nichtsteroidaler Antirheumatika sowie
einer Spritzenbehandlung. Bei Persistenz der Beschwerden und ent-
sprechendem Leidensdruck sei eventuell die Achsenkorrektur zur
Reduktion der Belastung des medialen Kompartiments indiziert. Durch
solche medizinischen Massnahmen könne eventuell eine leichte Stei-
gerung der Arbeitsfähigkeit erzielt werden.
Der Neurologe und Psychiater Dr. med. F._______ diagnostizierte in
seinem Gutachten vom 25. Juli 2007 eine Anpassungsstörung (ICD-10:
F43.2), eine beinbetonte Polyneuropathie (ICD-10: G63.8) sowie eine
sensomotorische Peronaeusläsion links (ICD-10: G57.3) und be-
richtete weiter, nach der Anamnese habe vor etwa 18 Monaten ein in
der Rückschau als etwa "mittelgradig" ausgeprägt anzusehendes de-
pressives Syndrom bestanden. Dieses Beschwerdebild sei in zeit-
lichem Zusammenhang mit einer psychiatrisch-medikamentösen
Therapie und Psychotherapie offenbar abgeklungen. Unter bewusster,
medizinisch-theoretischer Ausblendung der orthopädischen
Einschränkungen – insbesondere bezüglich des linken Kniegelenks –
betrage die Arbeitsfähigkeit aus neurologisch-psychiatrischer Sicht in
der angestammten Tätigkeit 70 % (normales Vollpensum, reduzierte
Leistung) und in einer angepassten Verweisungstätigkeit (kein
Zeitdruck, keine Mehrfachbelastung, regelmässige Pausen) 80%.
Dr. med. D._______ führte in seiner Stellungnahme vom 19.
September 2007 für den RAD vorab aus, die Qualität des
bidisziplinären C._______-Gutachtens sei genügend, so dass darauf
abgestellt werden könne. Weiter listete er die von den Gutachtern
abgegebene Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf und erwähnte, diese
würden sich nicht über den Zeitpunkt des Beginns der
Arbeits(un)fähigkeit äussern. Zu erwähnen sei, dass die Fraktur aus
Sicht des Orthopäden aktuell konsolidiert erscheine. Leider habe
dieser kaum Ausführungen zum Verlauf der Fraktur, insbesondere
nach der letzten Operation im Juni 2006, gemacht. Aufgrund des
Frakturtyps und der letzten Operation mit Unterfütterung mit autologer
Spongiosa müsse davon ausgegangen werden, dass ein stabiler
Gesundheitszustand frühestens ein halbes Jahr postoperativ
eingetreten sei, das heisse ab Januar 2007. Der Beginn der
Arbeitsfähigkeit von 40 % in der angestammten Tätigkeit und 80 % in
einer leidensadaptierten Verweisungstätigkeit sei demnach der Januar
2007 (vorher keine Arbeitsfähigkeit von Mai 2005 bis Dezember 2006).
Seite 15
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3.2 Vorab ist festzustellen, dass die vorstehend zusammengefasst
wiedergegebenen Gutachten der Dres. med. G._______ und
F._______ die an den vollen Beweiswert eines ärztlichen Gutachtens
gestellten Kriterien erfüllen. Insbesondere sind sie für die streitigen
Belange umfassend, beruhen auf allseitigen Untersuchungen,
berücksichtigen auch die geklagten Beschwerden und wurden in
Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben. Sie sind zudem in der
Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung
der medizinischen Situation einleuchtend und in den
Schlussfolgerungen begründet, so dass darauf abgestellt werden
kann. Demnach lässt sich der gesundheitliche Zustand des
Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren schlüssig und
zuverlässig beurteilen (vgl. zum Ganzen E. 2.6 hiervor) und den
Expertisen kommt volle Beweiskraft zu (vgl. BGE 125 V 353 Erw.
3b/bb). Weitere medizinische Abklärungen sind nicht geboten
(antizipierte Beweiswürdigung; vgl. SVR 2001 IV Nr. 10 Erw. 4b mit
Hinweisen).
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine retrospektive Be-
urteilung der Arbeitsunfähigkeit schwierig ist. Entsprechende Begut-
achtungen müssen daher erhöhten Ansprüchen genügen, was beim
schlüssigen und überzeugenden bidisziplinären Gutachten der Dres.
med. G._______ und F._______ zweifelsfrei der Fall ist. Der
Argumentation des Versicherten, wonach die retrospektive Festlegung
der Arbeitsfähigkeit unrechtmässig sei, kann unter diesen Umständen
nicht gefolgt werden.
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist zudem nicht zu bean-
standen, dass Dr. med. F._______ die Einschränkungen des
Beschwerdeführers auf orthopädischem Gebiet ausgeblendet und nur
diejenigen auf seinem Fachgebiet beurteilt hat. Dies entsprach seinem
Gutachtensauftrag als Experte auf den Fachgebieten der Neurologie
und Psychiatrie. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
wurden die in orthopädischer Hinsicht vorliegenden Gesundheits-
beeinträchtigungen sehr wohl berücksichtigt – und zwar im Rahmen
der gutachterlichen Konsensbesprechung.
Zuzustimmen ist der Vorinstanz auch darin ist, dass beim Zusam-
mentreffen verschiedener somatischer und psychisch-psychiatrischer
Gesundheitsbeeinträchtigungen eine blosse Addition der aus jeweils
fachärztlicher Sicht geschätzten Arbeitsunfähigkeitsgrade nicht zuläs-
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sig ist (vgl. SVR 2000 IV Nr. 1 S. 2 Erw. 2 i.f.; Urteil des EVG I 368/01
vom 11. November 2002 mit Hinweisen). Erforderlich ist vielmehr eine
Gesamtbeurteilung.
Bezüglich der Ausführungen des Beschwerdeführers im Zusammen-
hang mit seiner Schmerzsituation ist darauf hinzuweisen, dass die
subjektiven Schmerzangaben der versicherten Person allein für die
Begründung einer (teilweisen) Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichen;
vielmehr muss im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Leis-
tungsprüfung verlangt werden, dass Schmerzangaben durch damit
korrelierende, objektiv schlüssig feststellbare Befunde hinreichend
erklärbar sind, andernfalls sich eine rechtsgleiche Beurteilung der
Rentenansprüche nicht gewährleisten liesse (Urteil des EVG I 382/00
vom 9. Oktober 2001, Erw. 2b). Die Dres. med. G._______ und
F._______ haben ihre Befunde einlässlich erläutert und in
nachvollziehbarer Weise dargelegt, in welchem Ausmass und unter
welchen Bedingungen dem Beschwerdeführer die bisherige resp. eine
leidensadaptierte Verweisungstätigkeit noch zumutbar ist. Die
Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Arbeits- und
Leistungsunfähigkeit vermögen am Ergebnis des Gutachtens nichts zu
ändern. In diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführer auf die
ihm obliegende Schadenminderungspflicht (Art. 21 Abs. 4 ATSG)
hinzuweisen, denn das Schmerzgeschehen kann aus ärztlicher Sicht
durch entsprechende Massnahmen (Gewichtsreduktion,
Therapiemassnahmen, Medikation) positiv beeinflusst werden, so dass
die Arbeits- und Leistungsfähigkeit gesteigert oder doch zumindest
erhalten werden kann.
3.3 Dr. med. D._______ weist zu Recht darauf hin, dass sich die
C._______-Gutachter nicht über den Beginn der von ihnen attestierten
Arbeitsfähigkeit von 40 % in der angestammten und 80 % in einer
leidensangepassten Verweisungstätigkeit geäussert haben. Da Dr.
med. D._______ selbst festhält, dass eine Stabilisierung des
Gesundheitszustandes frühestens ein halbes Jahr im Anschluss an die
im Juni 2006 erfolgte Operation eingetreten sein könne, kann jedoch
nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die von den
Gutachtern attestierte Arbeitsfähigkeit tatsächlich schon im Januar
2007 bestanden hat, wie dies die Vorinstanz geltend macht. Der
Gutachter Dr. med. G._______ qualifizierte die (operierte) Fraktur erst
im Zeitpunkt der Begutachtung als konsolidiert, so dass davon
auszugehen ist, dass die gutachterlich festgestellte Arbeits- und
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Leistungsfähigkeit erst ab Juli 2007 erreicht worden ist. Dies steht
nicht im Widerspruch zu der Beurteilung durch Dr. med. D._______,
konnte er doch den genauen Zeitpunkt der Konsolidierung nicht
nennen. Seine Beurteilung beinhaltet durchaus auch die Möglichkeit
eines länger als bis Januar 2007 dauernden Heilungs- und Konsoli-
dierungsprozesses. Hinzu kommt schliesslich, dass der Rückschluss
von Dr. med. D._______ von abstrakten resp. allgemeinen postopera-
tiven Verläufen auf den vorliegenden konkreten Fall nicht voll zu über-
zeugen vermag.
3.4 Dem Bericht von Frau H._______ (Fachpsychologin für Psycho-
therapie FSP/Klinische Neuropsychologin GNP) vom 5. Mai 2007
(act. 52) kann allein schon deshalb keine (volle) Beweiskraft zukom-
men, weil das Stellen einer Diagnose in psychisch-psychiatrischer
Hinsicht und die Beurteilung der daraus resultierenden Arbeits- und
Leistungsfähigkeit in die Kompetenz eines Arztes oder einer Ärztin mit
entsprechender fachlicher Qualifikation fällt; deren Aufgabe ist es, den
Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in
welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten eine versicherte
Person arbeitsunfähig ist (vgl. BGE 125 V 251 E. 4, 115 V 133 E. 2;
AHI-Praxis 2002 S. 62 E. 4b/cc). Ergänzend ist darauf hinzuweisen,
dass Frau H._______ in Übereinstimmung mit Dr. med. F._______
ebenfalls die Diagnose einer Anpassungsstörung gestellt hat und sich
ihre Beurteilung einer 40 bis 50%igen Arbeitsfähigkeit bloss auf die
angestammte Tätigkeit des Versicherten und nicht auf eine zumutbare
leidensangepasste Verweisungstätigkeit bezogen hat. Dass zudem der
Beschwerdeführer allein aufgrund einer Anpassungsstörung in einer
leidensadaptierten Verweisungstätigkeit in seiner Arbeitsfähigkeit in so
hohem Ausmass eingeschränkt sein soll, ist mit Blick auf die
schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Dr. med.
F._______ nicht nachvollziehbar, zumal eine Diagnose für sich allein
noch keinen Schluss auf die gesundheitlich bedingte Einschränkung in
der Arbeitsfähigkeit zulässt (vgl. BGE 132 V 65 E. 3.4) und ohnehin
Anpassungsstörungen wie andere psychische Störungen grundsätz-
lich als mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar gelten (vgl.
BGE 130 V 396 E. 6.2.3).
3.5 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist als Zwischenergebnis
festzustellen, dass der Beschwerdeführer erst ab Juli 2007 in der
angestammten Tätigkeit zu 40 % und in einer leidensadaptierten Ver-
weistätigkeit zu 80 % arbeitsfähig ist.
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4.
4.1 Im Zusammenhang mit der Bemessung der Invalidität kann ange-
sichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer bis im Juni 2006
– dem frühest möglichen Ablauf der einjährigen Wartezeit gemäss
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der bis 31. Dezember 2007 gültig ge-
wesenen Fassung; Art. 28 Abs. 1 Bst. b IVG in der ab 1. Januar 2008
geltenden Fassung) – sowohl in der zuletzt ausgeübten als auch in
einer adäquaten Verweisungstätigkeit eine volle Arbeits- resp.
Leistungsunfähigkeit aufgewiesen hatte, von der Durchführung eines
bezifferten Einkommensvergleichs abgesehen werden, denn bereits
ein Prozentvergleich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Juni 2006
einen Invaliditätsgrad aufgewiesen hat, der den Anspruch auf ganze
Rente begründete (vgl. hierzu bspw. Entscheid des EVG I 816/05 vom
7. Juni 2006, E. 4.3 mit Hinweisen).
Da gemäss den vorstehenden Erwägungen (vgl. insb. E. 3.3 hiervor)
ab Juli 2007 von einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit auszugehen
ist, ist nachfolgend weiter zu prüfen, wie hoch die Invalidität ab Juli
2007 gewesen ist und ob der Versicherte auch über Juli 2007 hinaus
noch einen Anspruch auf eine IV-Rente hat.
4.2 Für die Ermittlung des Einkommens, welches die versicherte
Person ohne Invalidität erzielen könnte (Valideneinkommen), ist ent-
scheidend, was sie im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns
nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als
Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt
erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensent-
wicklung angepassten Verdienst angeknüpft (BGE 134 V 322 E. 4.1,
129 V 222 E. 4.3.1; RKUV 2006 U 568 S. 66 E. 2).
Da die Kündigung aus gesundheitlichen Gründen ausgesprochen
wurde und davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerde-
führer ohne erlittenen Unfall auch heute noch als Kunststoffverarbeiter
tätig wäre, ist vorliegend von dem bei der ehemaligen Arbeitgeberin
erzielten Verdienst auszugehen. Gemäss Fragebogen für den Arbeit -
geber hätte der Beschwerdeführer bei voller Gesundheit im Jahre
2006 Fr. 4'400.- monatlich resp. Fr. 57'200.- pro Jahr verdient (act. 10).
Unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung von 2006 auf
2007 resultiert daraus ein hypothetisches Valideneinkommen von
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Fr. 57'994.- pro Jahr (Wert Abschnitt D [verarbeitendes Gewerbe;
Industrie] Männer 2006: 115.2, Wert Männer 2007: 116.8; vgl. die
Webseite BfS > Themen > Arbeit,Erwerb > Löhne,Erwerbseinkommen
> detaillierte Daten > schweizerischer Lohnindex insgesamt, Tabelle
1.1.93). Davon ist auszugehen.
4.3 Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumut-
barerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) ist
primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in
welcher die versicherte Person konkret steht (BGE 129 V 472 E. 4.2.1,
126 V 75 E. 3b aa). Im Rahmen der Invaliditätsbemessung darf bei der
Bestimmung des trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung zumut-
barerweise erzielbaren Einkommens nicht von realitätsfremden Ein-
satzmöglichkeiten ausgegangen werden. Von der versicherten Person
können nur Vorkehren verlangt werden, die unter Berücksichtigung der
gesamten objektiven und subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalles
zumutbar sind (BGE 113 V 22 E. 4a; ZAK 1989 S. 321 E. 4a).
Hat die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens
keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätig-
keit aufgenommen, so können nach der Rechtsprechung Tabellen-
löhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen
Lohnstrukturerhebungen (LSE) herangezogen werden (BGE 129 V 472
E. 4.2.1, 126 V 75 E. 3b bb; RKUV 1999 U 343 S. 412 E. 4b aa). Für
die Bestimmung des Invalideneinkommens anhand von Tabellenlöhnen
bei Versicherten, die nach Eintritt des Gesundheitsschadens lediglich
noch leichte und intellektuell nicht anspruchsvolle Arbeiten verrichten
können, ist in der Regel vom durchschnittlichen monatlichen Brutto-
lohn für Männer oder Frauen bei einfachen und repetitiven Tätigkeiten
(Anforderungsniveau 4 des Arbeitsplatzes) auszugehen. Dabei sind in
erster Linie die Lohnverhältnisse im privaten Sektor massgebend (SVR
2002 UV Nr. 15 E. 3c cc). Da den Tabellenlöhnen generell eine
Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zu Grunde liegt, ist eine Um-
rechnung auf eine betriebsübliche durchschnittliche Wochenarbeitszeit
erforderlich (BGE 126 V 75 E. 3b bb).
Es gilt zu berücksichtigen, dass gesundheitlich beeinträchtigte
Personen, die selbst bei leichten Hilfsarbeitstätigkeiten behindert sind,
im Vergleich zu voll leistungsfähigen und entsprechend einsetzbaren
Arbeitnehmern lohnmässig benachteiligt sind und deshalb in der Regel
mit unterdurchschnittlichen Lohnansätzen rechnen müssen. Diesem
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Umstand ist mit einem Abzug vom Tabellenlohn Rechnung zu tragen
(BGE 124 V 321 E. 3b bb; SVR 2007 IV Nr. 11 S. 41 E. 3.2; RKUV
2003 U 494 S. 390 E. 4.2.3). Die Frage, ob und in welchem Ausmass
Tabellenlöhne herabzusetzen sind, hängt von sämtlichen persönlichen
und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalles ab (leidens-
bedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthalts-
kategorie und Beschäftigungsgrad). Der Einfluss sämtlicher Merkmale
auf das Invalideneinkommen ist nach pflichtgemässem Ermessen
gesamthaft zu schätzen, wobei der Abzug auf insgesamt höchstens
25 % zu begrenzen ist (BGE 129 V 472 E. 4.2.3, 126 V 75 E. 5b bb
und cc; AHI 2002 S. 69 ff. E. 4b).
Übt die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbs-
tätigkeit aus, bei der – kumulativ – besonders stabile Arbeitsverhält -
nisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende
Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint
zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und
nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst
als Invalidenlohn (BGE 129 V 472 E. 4.2.1, 126 V 75 E. 3b aa; RKUV
2003 U 494 S. 385 E. 4.2.1).
4.4 Da der Beschwerdeführer seine neue Stelle erst im Februar 2008
angetreten hatte (act. 41) und vorliegend im Zusammenhang mit der
Bemessung der Invalidität die Verhältnisse im Jahr 2007 (Ver-
besserung der Erwerbsfähigkeit) massgeblich sind (vgl. E. 4.1 hiervor),
ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das hypo-
thetische Invalideneinkommen anhand der LSE bemessen hat. Wie
bereits dargelegt, ist jedoch von den Verhältnissen im Jahre 2007
auszugehen resp. sind die Tabellenlöhne der LSE 2006 heranzu-
ziehen.
Mit Blick auf das Zumutbarkeitsprofil der Dres. med. G._______ und
F._______ ist auf den Zentralwert für Männer in Hilfsarbeitertätigkeiten
abzustellen, für die keine Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt
sind. Gemäss LSE 2006, Tabelle TA1, belief sich dieser Zentralwert für
die mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten beschäftigen Männer im
privaten Sektor (Anforderungsniveau 4) auf monatlich brutto Fr. 4'732.-
bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und inkl. 13.
Monatslohn (Webseite BfS > Themen > Arbeit,Erwerb > Publikationen
> LSE 2006, Schweizerische Lohnstrukturerhebung. Die Löhne 2006
im Überblick, Tabelle TA1, Total). Unter Umrechnung dieses
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Einkommens auf die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41.7
Stunden im Jahr 2007 (Webseite BfS > Themen > Arbeit,Erwerb >
Erwerbstätigkeit und Arbeitszeit > detaillierte Daten > Statistik der
betriebsüblichen Arbeitszeit > Betriebsübliche Arbeitszeit nach
Wirtschaftsabteilungen, in Stunden pro Woche 1990-2008, Abschnitt
A-O [Total], Ziff. 01-93) und unter Berücksichtigung der Nominal-
lohnentwicklung von 2006 auf 2007 (Totalwert Männer 2006: 115.5,
Totalwert Männer 2007: 117.4; Webseite BfS > Themen > Arbeit,
Erwerb > Löhne,Erwerbseinkommen > detaillierte Daten > schweize-
rischer Lohnindex insgesamt, Tabelle 1.1.93, Total) resultiert demnach
als Zwischenergebnis ein hypothetisches Invalideneinkommen von
Fr. 60'171.-. Da der Beschwerdeführer ab Juli 2007 in einer leidens-
angepassten Tätigkeit zu 80 % arbeits- und leistungsfähig fähig ist,
reduziert sich dieses auf Fr. 48'137.-.
Unter Berücksichtigung des – von der Vorinstanz vorgenommenen und
mit Blick auf die gesamten Akten in der Höhe nicht zu beanstanden-
den – behinderungsbedingten Abzugs von 10 % (vgl. hierzu BGE 126
V 75 E. 6 S. 81) resultiert schliesslich ein jährliches hypothetisches
Invalideneinkommen in der Höhe von Fr. 43'323.-.
4.5 Aus der Gegenüberstellung eines hypothetischen Validenein-
kommens von jährlich Fr. 57'994.- und eines hypothetischen Invaliden-
einkommens von Fr. 43'323.- resultiert bei einer Erwerbseinbusse von
Fr. 14'671.- ein IV-Grad von 25 %, was keinen Anspruch auf eine
Rente mehr ergibt. Nichts anderes ergibt sich ab dem Zeitpunkt, in
welchem der Beschwerdeführer seine neue Vollzeitstelle bei der
I._______ AG als Lagermitarbeiter/Staplerfahrer mit einem Jahres-
einkommen von Fr. 47'346.- (zuzüglich Zuschläge und Schichtzulagen)
angetreten hatte (act. 41 bis 47 sowie B-act. 7 und 9, vgl. auch E. 6
hiernach). Diesfalls stünde dem hypothetischen Valideneinkommen
von jährlich Fr. 58'938.- (Fr. 57'200.- : 115.2 [Wert 2006] x 118.7 [Wert
2008]; vgl. E. 4.2 hiervor) aufgrund der stabilen Verhältnisse und des
der Arbeitsleistung angemessenen Lohnes (vgl. E. 4.3 hiervor) ohne
Berücksichtigung von Zuschlägen und Zulagen ein
Invalideneinkommen von 47'346.- (act. 46 und 47) gegenüber, was bei
einer Erwerbseinbusse von 11'592.- zu einem IV-Grad von 20 %
führte, bei Berücksichtigung des laut Lohnausweisen tatsächlich er-
zielten Einkommens (B-act. 7 und 9) gar zu einem wesentlich tieferen
IV-Grad.
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4.6 Da bei rückwirkender Zusprechung einer abgestuften oder be-
fristeten IV-Rente die für die Rentenrevision geltenden Bestimmungen
analog anzuwenden sind (BGE 109 V 125; AHI 1998 S. 121 E. 1b), ist
die ab 1. Juni 2006 zugesprochene ganze IV-Rente zufolge des ab Juli
2007 verbesserten resp. konsolidierten Gesundheitszustandes und der
damit verbundenen Verbesserung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit
in Anwendung von Art. 88a Abs. 1 Satz 2 IVV erst per 1. November
2007 aufzuheben.
4.7 Die Vorinstanz hat in der angefochtenen Verfügung vom 30. Juli
2008 auch über die (bisher einbehaltene) Nachzahlung der Renten-
betreffnisse für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Dezember 2006
befunden. Dabei hat sie – wie der Beschwerdeführer rügt – keine Ver-
zugszinsen gewährt.
Art. 26 Abs. 2 ATSG sieht vor, dass die Sozialversicherungen für ihre
Leistungen – abgesehen von hier unbeachtlichen Ausnahmen (Art. 26
Abs. 3 und 4 ATSG) – nach Ablauf von 24 Monaten nach der Ent-
stehung des Anspruchs, frühestens aber 12 Monate nach dessen
Geltendmachung verzugszinspflichtig werden, sofern die versicherte
Person ihrer Mitwirkungspflicht vollumfänglich nachgekommen ist. Den
Akten ist nicht zu entnehmen, warum die Vorinstanz auf dem Renten-
betreffnis des Monats Juni 2006, auf welches der Beschwerdeführer
bei Erlass der Verfügung bereits mehr als 24 Monate Anspruch hatte,
keine Verzugszinsen gewährt hat. Insbesondere kann den Akten nicht
entnommen werden, ob diese Zinsen allenfalls wegen einer Verletzung
der Mitwirkungspflicht verweigert worden sind oder vorgesehen war,
über die Zinsen erst bei Freigabe der einbehaltenen Nachzahlung zu
befinden.
Angesichts des Umstandes, dass es ohnehin Sache der Vorinstanz
sein wird, die Rentenbetreffnisse für die Monate Januar bis Oktober
2007 zu berechnen und den Nachzahlungsbetrag neu festzulegen, ist
diese auch anzuweisen, nach Prüfung der Voraussetzungen von
Art. 26 Abs. 2 bis 4 die allfälligen Verzugszinsen zu bestimmen.
4.8 Hinsichtlich der Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz hätte
vor der Rentenprüfung berufliche Massnahmen durchführen sollen, ist
den Akten einerseits zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nach
Ablauf der einjährigen Wartezeit aufgrund seines Gesundheits-
zustandes noch nicht eingliederungsfähig war und demnach ein vor-
übergehender Rentenanspruch nicht zu beanstanden war bzw. ist (vgl.
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BGE 121 V 190 E. 4; SVR 2001 IV Nr. 24 S. 74 E. 4c). Andererseits
wurde der Beschwerdeführer nach seinem Unfall und anschliessenden
Rehabilitationsmassnahmen im Rahmen der beruflichen Eingliederung
von der Suva betreut und diese erbrachte die gesetzlichen Ver-
sicherungsleistungen (act. 42). Da bereits im September 2007 die von
der Suva in die Wege geleiteten beruflichen Wiedereingliederungs-
massnahmen sehr weit fortgeschritten waren, ist – entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers – nicht zu beanstanden, dass die
IV-Stelle SG auf berufliche Massnahmen der IV verzichtet hatte, zumal
der Beschwerdeführer rund vier Monate später seine neue Tätigkeit
bei der I._______ AG aufgenommen hat. In diesem Zusammenhang ist
schliesslich daran zu erinnern, dass die Selbsteingliederung als Aus-
druck der allgemeinen Schadenminderungspflicht nicht nur dem
Renten-, sondern auch dem gesetzlichen Eingliederungsanspruch
vorgeht (Art. 21 Abs. 4 ATSG; vgl. hierzu auch BGE 113 V 22 E. 4a mit
Hinweisen).
5.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist zusammenfassend fest-
zustellen, dass sich die angefochtene Verfügung vom 30. Juli 2008
insoweit als fehlerhaft erweist, als der Beschwerdeführer nicht bloss
bis zum 31. Dezember 2006, sondern bis zum 31. Oktober 2007
Anspruch auf eine ganze IV-Rente hat. Zudem ist auf den Renten-
betreffnissen ein Verzugszins zu leisten, wenn die gesetzlichen Vor-
aussetzungen erfüllt sind. Insoweit ist die Beschwerde vom 23. August
2008 teilweise gutzuheissen und die Sache zur Rentenberechnung
und zur Festlegung des Nachzahlungsbetrags (allenfalls inklusive Ver-
zugszinsen) an die Vorinstanz zurückzuweisen.
6.
Zu befinden bleibt noch über die Verfahrenskosten und eine allfällige
Parteientschädigung. Dabei ist auch das Gesuch des Beschwerde-
führers vom 1. Dezember 2008 um unentgeltliche Rechtspflege zu
prüfen.
6.1 In seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hat der Be-
schwerdeführer sinngemäss um Kostenbefreiung und Beiordnung
eines unentgeltlichen Rechtsbeistands ersucht. Voraussetzung für die
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist in erster Linie, dass
der Gesuchsteller nicht über die zur Prozessführung erforderlichen
Mittel verfügt (Bedürftigkeit; Art. 65 Abs. 1 VwVG).
Seite 24
C-5509/2008
6.1.1 Die Bedürftigkeit wird angenommen, wenn eine Person mit
ihrem Einkommen und allenfalls Vermögen nicht in der Lage ist, den
sog. zivilprozessualen Zwangsbedarf zu decken, also die für ihren
Lebensunterhalt zwingend erforderlichen Mittel aufzubringen. Ein
allfälliger Überschuss muss so hoch sein, dass die Prozess- und
allenfalls Anwaltskosten innert einem bis zwei Jahre finanziert werden
können (vgl. MARCEL MAILLARD, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.],
Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren,
Zürich 2009, N. 10 zu Art. 65).
6.1.2 Der Beschwerdeführer gibt im Fragebogen "Gesuch um unent-
geltliche Rechtspflege" (B-act. 9) an, monatlich über einen Grundlohn
von Fr. 3'642.- zuzüglich Schichtzulagen von ca. Fr. 180.- bis 250.- zu
verfügen, zudem über eine Rente der Suva von Fr. 400.35 abzüglich
Quellensteuer. Sein Bruttolohn betrage insgesamt Fr. 4'042.-. Die
vorgelegten Unterlagen ergeben allerdings ein etwas anderes Bild:
Gemäss den Lohnausweisen für die Monate Oktober und November
2008 (Beilagen zu B-act. 7 und 9) und dem Arbeitsvertrag vom
4. Februar 2008 (act. 41) beträgt der Grundlohn zwar tatsächlich
Fr. 3'642.-; dieser wird aber 13 mal ausgerichtet, so dass sich der
durchschnittliche monatliche Grundlohn auf Fr. 3'945.- beläuft. Aus-
gewiesen sind zudem ein Sonn-/Feiertagszuschlag und ein Sonder-
zuschlag von je gegen Fr. 225.-, die offenbar regelmässig monatlich
ausgerichtet werden. Die in den beiden belegten Monaten ausbe-
zahlten Schichtzulagen betragen je ca. Fr. 450.-, so dass zumindest
fraglich ist, ob durchschnittlich nur Schichtzulagen von maximal
Fr. 250.- ausgerichtet werden. Selbst wenn hievon ausgegangen wür-
de, so beliefe sich das monatliche Bruttoeinkommen auf ca. Fr. 4'640.-.
Hievon sind allerdings die Beiträge an die Pensionskasse von monat -
lich Fr. 197.- und die übrigen Sozialversicherungsbeiträge von 8,3 %
des Bruttoeinkommens, ausmachend ca. Fr. 385.-, abzuziehen.
Ebenfalls abzuziehen ist die Quellensteuer, die ca. 10 % des
Bruttolohns, also monatlich ca. Fr. 464.- beträgt. Das vorliegend
relevante Nettoeinkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit
beläuft sich damit auf ca. Fr. 3'594.-. Dieser Betrag erhöht sich um die
Rente der Suva von monatlich ca. Fr. 445.-, von der offenbar ebenfalls
die Quellensteuer abgezogen wird, so dass nur ca. Fr. 400.-
ausbezahlt werden. Das monatlich verfügbare Einkommen des
Beschwerdeführers beträgt damit ca. Fr. 3'994.-.
Seite 25
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6.1.3 Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit sind die Richtlinien für die
Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbe-
darf) nach Art. 93 SchKG der Konferenz der Betreibungs- und Kon-
kursbeamten der Schweiz vom 1. Juli 2009 (im Folgenden: Richtlinien)
zu berücksichtigen. Diese sehen vor, dass sich der Zwangsbedarf zum
einen aus dem Grundbedarf, der insbesondere die Auslagen für
Nahrung, Kleidung und Wäsche, Körper- und Gesundheitspflege,
Wohnungseinrichtung und Kulturelles umfasst, zum andern aus
Zuschlägen für bestimmte zusätzliche, individuell unterschiedliche
Zwangsauslagen zusammensetzt.
Der Grundbedarf für eine alleinstehende Person beträgt Fr. 1'200.- pro
Monat (Ziff. I.1 Richtlinien). Bei der Beurteilung von Gesuchen um
unentgeltliche Rechtspflege ist der Betrag gemäss ständiger Praxis
der Bundesverwaltungsgerichts um 20 % zu erhöhen, beträgt also
Fr. 1'440.-. Wohnt ein Gesuchsteller allerdings im Ausland und fallen
auch seine vom Grundbedarf umfassten Auslagen im Ausland an, so
ist dieser der Kaufkraft im betreffenden Land anzupassen. Nach den
Preisindices der OECD betragen die Lebenshaltungskosten in Öster-
reich 73 % der Kosten in der Schweiz (per 2010, vgl. www. swiss
/laender/lebenskosten/preisindices/index). Der Grundbe-
darf des alleinstehenden Beschwerdeführers, der in Österreich wohn-
haft ist und dort – trotz seiner Berufstätigkeit in der Schweiz – sein
Lebenszentrum hat, beträgt damit ca. Fr. 1'051.-.
6.1.4 Der Beschwerdeführer beziffert seine zusätzlichen Zwangsaus-
lagen im Fragebogen "Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege" auf
insgesamt € 1'956.80 pro Monat, bei einem Umrechnungskurs von
1:1,5 ausmachend ca. Fr. 2'935.-. Die Aufstellung des Beschwerde-
führers kann allerdings nicht unbesehen übernommen werden.
Entgegen seinen Angaben beläuft sich der monatliche Mietzins ge-
mäss der vorgelegten Abrechnung des Vermieters nicht auf € 636.46
sondern nur auf € 577.66, wobei gewisse Nebenkosten (BK/HK)
inbegriffen sind (Beilage 4 zu act. 9). Als weitere Wohnnebenkosten
sind nur Stromkosten von € 37.- belegt (Beilage 3 zu act. 9), so dass
die gesamten Wohnkosten ca. € 615.-, umgerechnet ca. Fr. 922.-, be-
tragen.
Die Krankenkassenprämien belaufen sich auf € 212.90 pro Monat und
nicht auf € 268.72 (Beilage 10 zu act. 9), die Haushaltsversiche-
rungsprämien unter Berücksichtigung der jährlichen Prämienrückver-
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gütung auf monatlich € 19.49 und nicht € 21.73 (Beilage 10 zu act. 9).
Nicht zu berücksichtigen sind freiwillige Versicherungen (vgl. BGE 134
III 323) wie die Gesundheitsvorsorgeversicherung und die Motorfahr-
zeugversicherung, die – soweit anrechenbar – in den berufsbedingten
Fahrkosten enthalten ist, sowie die zusätzliche private Unfallver-
sicherung, ist der Beschwerdeführer doch als Arbeitnehmer bei der
Suva obligatorisch gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle versichert.
Die zu berücksichtigenden monatlichen Versicherungskosten inkl.
Krankenkasse belaufen sich damit auf ca. € 288.-, umgerechnet ca.
Fr. 432.-.
Angesichts der ausgerichteten Zuschläge zum Grundlohn, den
Schichtzulagen und der körperlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen
ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer darauf angewiesen
ist, seinen Arbeitsplatz mit dem Auto zu erreichen und sich zudem
auswärts zu verpflegen. Die diesbezüglich geltend gemachten, in
keiner Weise belegten Auslagen von € 200.- resp. € 300.- erscheinen
allerdings als zu hoch.
Ausgehend von den üblicherweise pro Monat durchschnittlich zu
leistenden ca. 23 Arbeitstagen, dem vom Beschwerdeführer ange-
gebenen Arbeitsweg von zweimal 13 km pro Tag, dem verwendeten
Fahrzeugtyp (Daihatsu Cuore; vgl. Beilage 6 zu act. 9) und den Ver-
sicherungskosten erachtet das Bundesverwaltungsgericht Fahrkosten
von Fr. 200.- als anrechenbar. Als Auslagen für die berufserforderliche
auswärtige Verpflegung können nur die Mehrkosten gegenüber den
üblichen Verpflegungskosten berücksichtigt werden, sind die Nah-
rungskosten doch bereits im sog. Grundbedarf enthalten (vgl. Ziff. I
Richtlinien). Pro Mahlzeit können Fr. 9.- bis Fr. 11.- berücksichtigt
werden (vgl. Ziff. II 4 Bst. b Richtlinien), bei einer auswärtigen Mahlzeit
pro Tag und 23 Arbeitstagen pro Monat mithin maximal Fr. 253.-.
Auslagen für die Amortisation von Schulden sind nur insoweit
anrechenbar, als eine rechtliche Abzahlungsverpflichtung besteht und
die Raten auch tatsächlich geleistet werden (vgl. Ziff. II 7 Richtlinien).
Der Beschwerdeführer hat durch Vorlage eines Bankauszuges zwar
nachgewiesen, dass er Ende 2008 eine Bankschuld von € 4'826.38
hatte – dass er zu deren ratenweisen Rückzahlung aber verpflichtet
wäre oder auch nur freiwillig regelmässige Rückzahlungen leistete, ist
in keiner Weise belegt. Die geltend gemachten Kosten der Schulden-
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amortisation von monatlich € 460.- können daher nicht berücksichtigt
werden.
Obwohl vom Beschwerdeführer nicht beantragt sind dagegen die
österreichischen Steuerbetreffnisse in der Höhe von monatlich €
125.-, umgerechnet ca. Fr. 188.-, anzurechnen. Die Schweizer
Quellensteuer wurde bereits vom Einkommen in Abzug gebracht.
Weitere relevante Auslagen sind nicht ersichtlich und werden nicht gel-
tend gemacht. Insgesamt belaufen sich die monatlichen Zwangsaus-
gaben des Beschwerdeführers auf ca. Fr. 1'995.- (Wohnkosten ca.
Fr. 922.-, Versicherungskosten ca. Fr. 432.-, Fahrkosten Fr. 200.-, Ver-
pflegungskosten Fr. 253.-, Steuern Fr. 188.-). Unter Berücksichtigung
des kaufkraftbereinigten Grundbedarfs von ca. Fr. 1'051.- beträgt der
Zwangsbedarf des Beschwerdeführers damit ca. Fr. 3'046.- pro Monat.
6.1.5 Dem Einkommen des Beschwerdeführers von ca. Fr. 3'994.-
steht ein Zwangsbedarf von ca. Fr. 3'046.- gegenüber, so dass ein
monatlicher Überschuss ca. Fr. 948.- resultiert. Der Beschwerdeführer
ist damit ohne Zweifel in der Lage, für die Kosten des Verfahrens
aufzukommen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege unter
Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters ist aus diesem
Grunde vollumfänglich abzuweisen.
6.2 Die Verfahrenskosten werden im vorliegenden Verfahren unter Be-
rücksichtigung des Umfanges und der Schwierigkeit der Streitsache,
Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien auf Fr. 400.-
festgesetzt (Art. 63 Abs. 4bis VwVG in Verbindung mit Art. 1, Art. 2
Abs. 1 und Art. 4 des Reglements über die Kosten und Entschädi-
gungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2).
Angesichts des weitgehenden Obsiegens sind die dem Beschwerde-
führer aufzuerlegenden Verfahrenskosten um drei Viertel zu reduzieren
(Art. 63 Abs. 1 VwVG). Er hat demnach Verfahrenskosten in der Höhe
von Fr. 100.- zu leisten. Bei der Vorinstanz sind gemäss Art. 63 Abs. 2
VwVG keine Kosten zu erheben.
6.3 Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer sind keine
unverhältnismässig hohen Kosten entstanden, weshalb ihm keine Par-
teientschädigung zuzusprechen ist. Als Bundesbehörde hat die Vorins-
tanz ebenfalls keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl.
Art. 64 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 und 4 des Regle-
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ments vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde vom 23. August 2008 wird teilweise gutgeheissen und
die Verfügung vom 30. Juli 2008 wird aufgehoben.
2.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom
1. Juni 2006 bis zum 31. Oktober 2007 Anspruch auf eine ganze Rente
der Invalidenversicherung hat.
3.
Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese den
Renten- und Nachzahlungsbetrag (allenfalls inklusive Verzugszinsen)
berechne und anschliessend neu verfüge.
4.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgelt-
lichen Rechtspflege wird abgewiesen.
5.
Die Verfahrenskosten werden auf Fr. 400.- festgesetzt. Sie werden zu
einem Viertel, ausmachend Fr. 100.-, dem Beschwerdeführer auferlegt.
Dieser Betrag ist innert 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des
vorliegenden Urteils der Gerichtskasse zu überweisen.
6.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
7.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Einschreiben mit Rückschein)
- die Vorinstanz (Ref-Nr. ________________3939.57)
- das Bundesamt für Sozialversicherungen
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Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Stefan Mesmer Roger Stalder
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim
Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden, soweit die
Voraussetzungen gemäss den Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundes-
gerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110) gegeben sind.
Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der
Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene
Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerde-
führende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).
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