C-4036/2009 - Abteilung III - Invalidenversicherung (IV) - Invalidenrente; Verfügung der IVSTA vom 17. März 2...
Karar Dilini Çevir:
C-4036/2009 - Abteilung III - Invalidenversicherung (IV) - Invalidenrente; Verfügung der IVSTA vom 17. März 2...
Abtei lung II I
C-4036/2009
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 4 . N o v e m b e r 2 0 1 0
Richter Beat Weber (Vorsitz), Richterin Elena Avenati-
Carpani, Richter Vito Valenti,
Gerichtsschreiber Daniel Golta.
A._______, (wohnhaft in Kroatien)
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA,
Vorinstanz.
Invalidenrente; Verfügung der IVSTA vom 17. März 2009.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-4036/2009
Sachverhalt:
A.
A._______ (im Folgenden: Versicherte oder Beschwerdeführerin) ist
kroatische Staatsangehörige, gibt an auch schweizerische
Staatsangehörige zu sein, und wurde 1952 geboren. Sie besuchte in
Kroatien die Volksschule, erlernte keinen Beruf und arbeitete dort
nicht. In den Jahren 1972 und 1973 sowie von April 1985 bis
September 2001 arbeitete sie in der Schweiz, zuletzt als Arbeiterin in
einer Textilfabrik. Während dieser Zeit entrichtete sie Beiträge an die
Schweizerische Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung
(AHV/IV). Im August 2002 kehrte sie nach Kroatien zurück. Seit
September 2001 hat sie nicht mehr gearbeitet. Sie machte im vor-
instanzlichen Verfahren geltend, seit 1986 an Polyarthritis zu leiden
und deswegen nicht mehr arbeitsfähig zu sein (vgl. Akten der IV-Stelle
für Versicherte im Ausland [im Folgenden: IVSTA bzw. Vorinstanz] IV/8,
10 f. sowie Akten des Beschwerdeverfahrens act. 20).
B.
B.a Mit Schreiben vom 10. Januar 2008 informierte die (öster-
reichische) Pensionsversicherungsanstalt [...] (im Folgenden:
Pensionsversicherungsanstalt), die IVSTA über ein von der
Versicherten am 20. November 2007 gestelltes Rentenbegehren
(IV/2).
B.b Am 14. Februar 2008 bestätigte die IVSTA der Versicherten den
Eingang ihrer Anmeldung zum Bezug von Leistungen der
schweizerischen Invalidenversicherung (IV/3).
B.c In der Folge wurden zahlreiche Dokumente zu den Akten ge-
nommen, darunter insbesondere eine Mehrzahl medizinischer Unter-
lagen, ein Fragebogen für den Versicherten (IV/8), ein Fragebogen für
den Arbeitgeber (IV/9), ein Anmeldeformular zum Bezug von IV-
Leistungen für Erwachsene (IV/10), ein IK-Auszug (IV/11) und ein
Fragebogen für die im Haushalt tätigen Versicherten (IV/14).
B.d In seinen Stellungnahmen vom 16. Dezember 2008 und 7.
November 2008 (recte: 7. Januar 2009) attestierte der Regionale Ärzt-
liche Dienst Rhone (im Folgenden: RAD) der Beschwerdeführerin ab
Mai 2008 - unter Berücksichtigung bestimmter funktioneller Ein-
schränkungen eine Arbeitsunfähigkeit von 50% als Arbeiterin in einer
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Textilfabrik, unter Berücksichtigung derselben funktionellen
Einschränkungen eine vollständige Arbeitsfähigkeit in einer
angepassten Verweisungstätigkeit und für die Tätigkeit im Haushalt
eine Leistungsfähigkeit von 95% (IV/66, 68 f.).
B.e Mit Vorbescheid vom 12. Januar 2009 stellte die IVSTA der Ver-
sicherten die Abweisung ihres Leistungsbegehrens in Aussicht (IV/70).
B.f Am 17. März 2009 verfügte die IVSTA die Abweisung des
Leistungsbegehrens (IV/71).
C.
C.a Gegen diese Verfügung erhob die Beschwerdeführerin mit Ein-
gabe vom 8. April 2009, welche von der IVSTA weitergeleitet wurde,
Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (act. 1, 2). Sie be-
antragte die Überprüfung der Verfügung und sinngemäss die Zu-
sprache einer Invalidenrente.
C.b Mit Vernehmlassung vom 31. August 2009 beantragte die IVSTA
die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung der an-
gefochtenen Verfügung (act. 4).
C.c Mit Zwischenverfügung vom 4. September 2009 forderte das
Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin auf, einen Kosten-
vorschuss von Fr. 300.- zu leisten (act. 5). Zugleich räumte es ihr Frist
zum Einreichen einer Replik ein.
C.d Am 20. August 2009 sandte der kroatische Versicherungsträger
der IVSTA zahlreiche medizinische Dokumente zu (act. 10.1-10.22).
Die IVSTA wies in ihrer Überweisung darauf hin, die medizinischen
Dokumente seien bereits aktenkundig (act. 10).
C.e Am 28. September 2009 ersuchte die Beschwerdeführerin um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, bat um schnellstmög-
liche Bearbeitung und Rückmeldung und reichte mehrere medizinische
Unterlagen zu den Akten (act. 8, 8.1-8.9).
C.f Mit Verfügung vom 7. Oktober 2009 sistierte das Bundesver-
waltungsgericht die Frist zur Leistung des Kostenvorschusses und
setzte der Beschwerdeführerin Frist an, um Unterlagen für die Prüfung
ihres Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege einzureichen (act. 9).
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C.g Am 7. Oktober 2009 leitete die IVSTA die vom kroatischen Ver-
sicherungsträger erhaltenen Unterlagen (vgl. oben Bst. C.d) an das
Bundesverwaltungsgericht weiter (vgl. IV/10).
C.h Mit Duplik vom 18. November 2009 hielt die IVSTA an ihren An-
trägen fest (act. 18).
C.i Mit Eingabe vom 3. Dezember 2009 ergänzte die Beschwerde-
führerin ihr Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
und reichte zahlreiche Belege, darunter auch zwei medizinische Doku-
mente, ein (act. 20, 20.1-20.17). Sie führte aus, dass sie seit August
2002 in Kroatien lebe und auf Grund ihrer schweren Erkrankungen
nicht erwerbstätig sein könne.
C.j Am 26. Januar 2010 wies das Bundesverwaltungsgericht das Ge-
such um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab, hob die
Sistierung der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses auf und
forderte die Beschwerdeführerin auf, einen Kostenvorschuss von
Fr. 300.- zu leisten (act. 22). Zugleich wurde der Schriftenwechsel ab-
geschlossen.
C.k Am 26. Februar 2010 leistete die Beschwerdeführerin den ihr
auferlegten Kostenvorschuss (vgl. act. 24).
C.l In ihrem Schreiben vom 8. März 2010 beschrieb die Tochter der
Beschwerdeführerin deren finanzielle Not, reichte weitere Dokumente
ein und erklärte, dass der Beschwerdeführerin eine Arbeitsaufnahme
aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes nicht möglich sei (act. 25,
25.1 f.).
D.
Auf die weiteren Vorbringen der Parteien und die eingereichten Akten
wird, soweit erforderlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen
eingegangen.
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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) in Verbindung mit Art. 33 Bst. d VGG und Art.
69 Abs. 1 Bst. b des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die In-
validenversicherung (IVG, SR 831.20) sowie Art. 5 des Bundes-
gesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
(VwVG, SR 172.021) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden von Personen im Ausland gegen Verfügungen der IVSTA.
Eine Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor.
1.2 Nach Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes be-
stimmt. Indes findet das VwVG aufgrund von Art. 3 Bst. d bis VwVG
keine Anwendung in Sozialversicherungssachen, soweit das Bundes-
gesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialver-
sicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) anwendbar ist.
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teil-
genommen; sie ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an deren Anfechtung (Art. 59 ATSG). Sie
ist daher zur Beschwerde legitimiert.
2.2 Da die Beschwerde im Übrigen frist- und formgerecht eingereicht
und der Kostenvorschuss fristgerecht geleistet wurde, ist auf die Be-
schwerde einzutreten (60 ATSG, Art. 52 VwVG und Art. 63 Abs. 4
VwVG).
3.
3.1 Da die Beschwerdeführerin Staatsangehörige Kroatiens ist und in
Kroatien lebt (vgl. IV/1, 10; act. 1, 14.1), finden die Bestimmungen des
Abkommens vom 9. April 1996 zwischen der Schweizerischen Eid-
genossenschaft und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit (SR
0.831.109.291.1; im Folgenden: Abkommen) Anwendung. Demnach
bestimmt sich die Frage, ob und gegebenenfalls ab wann Anspruch
auf Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung besteht, für
die Beschwerdeführerin als Staatsangehörige Kroatiens allein auf-
grund der schweizerischen Rechtsvorschriften (vgl. Art. 2 bis 4 des
Abkommens). Ob die Beschwerdeführerin ausserdem schweizerische
Staatsangehörige ist, wie sie selbst angibt (vgl. IV/10), kann offen
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bleiben. Denn auch in diesem Fall käme schweizerisches Recht zur
Anwendung.
3.2 In materiellrechtlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen
führenden Tatbestandes Geltung haben, wobei nach ständiger Praxis
auf den im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungs-
aktes eingetretenen Sachverhalt abgestellt wird (BGE 130 V 329, BGE
129 V 1 E. 1.2 mit Hinweisen). Ein allfälliger Leistungsanspruch ist für
die Zeit vor einem Rechtswechsel aufgrund der bisherigen und ab
diesem Zeitpunkt nach den in Kraft stehenden Normen zu prüfen (pro
rata temporis; vgl. BGE 130 V 445). Daher sind hier die ab 1. Januar
2003 geltenden Bestimmungen des ATSG anwendbar. Bei den
materiellen Bestimmungen des IVG und der Verordnung über die In-
validenversicherung vom 17. Januar 1961 (IVV, SR 831.201) ist daher
auf die Fassung gemäss den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen
Änderungen (4. IV-Revision; AS 2003 3837) abzustellen. Soweit ein
Rentenanspruch ab dem 1. Januar 2008 zu prüfen ist, sind weiter die
mit der 5. IV-Revision zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen
Gesetzes- und Verordnungsänderungen zu beachten (AS 2007 5129
und AS 2007 5155).
4.
4.1 Die Beschwerdeführenden können im Rahmen des Beschwerde-
verfahrens die Verletzung von Bundesrecht unter Einschluss des
Missbrauchs oder der Überschreitung des Ermessens, die unrichtige
oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
sowie die Unangemessenheit des Entscheids rügen (Art. 49 VwVG).
4.2 Im Sozialversicherungsprozess hat das Gericht seinen Entscheid,
sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Be-
weisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse
Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweis-
anforderungen nicht. Das Gericht hat vielmehr jener Sachverhaltsdar-
stellung zu folgen, die es von allen möglichen Geschehensabläufen als
die wahrscheinlichste würdigt (BGE 126 V 353 E. 5b, 125 V 193 E. 2,
je mit Hinweisen).
4.3 Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung
(und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die
ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu
stellen haben. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es dabei, den
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Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in
welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte
Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind die ärztlichen Auskünfte
eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche
Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE
125 V 256 E. 4 mit Hinweisen). Die - arbeitsmedizinische - Aufgabe der
Ärzte und Ärztinnen besteht darin, sich dazu zu äussern, inwiefern die
versicherte Person in ihren körperlichen oder geistigen Funktionen
leidensbedingt eingeschränkt ist.
5.
5.1 Im vorliegenden Verfahren ist streitig und vom Bundesverwaltungs-
gericht zu prüfen, ob die IVSTA zu Recht einen Rentenanspruch der
Beschwerdeführerin verneint hat.
5.2 Die Beschwerdeführerin leistete gemäss dem Auszug aus ihrem
individuellen Konto in den Jahren 1972 und 1973 sowie 1985 bis 2001
während 192 Monaten Beiträge an die AHV/IV (vgl. IV/11). Die
Voraussetzung der Mindestbeitragsdauer - ein Jahr bei Eintritt einer
allfälligen Invalidität bis zum 31. Dezember 2007 (vgl. Art. 36 Abs. 1
IVG in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) bzw. drei Jahre
bei Eintritt einer allfälligen Invalidität ab dem 1. Januar 2008 (vgl. Art.
36 Abs. 1 IVG in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung) - ist
vorliegend erfüllt. Es bleibt daher zu prüfen, ob die
Beschwerdeführerin in rentenrelevantem Ausmass invalid ist.
5.3 Bei der Beurteilung eines Falles stellt das Sozialversicherungs-
gericht grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Verfügung (hier die angefochtene Verfügung vom 17. März
2009) eingetretenen Sachverhalt ab (BGE 131 V 243 E. 2.1).
5.4 Gemäss dem 2001 bereits geltenden und per 31. Dezember 2007
aufgehobenen Art. 48 Abs. 2 IVG werden, wenn sich ein Versicherter
mehr als zwölf Monate nach dem Entstehen des Anspruchs auf eine
Invalidenrente anmeldet, Leistungen nur für die zwölf der Anmeldung
vorangegangenen Monate ausgerichtet (erster Satz). Weiter gehende
Nachzahlungen werden nur erbracht, wenn der Versicherte den an-
spruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die An-
meldung innert zwölf Monaten seit Kenntnisnahme vornimmt (zweiter
Satz). Da die Anmeldung des Leistungsanspruchs vor dem 1. Januar
2008 erfolgt ist (vgl. oben Bst. B.a bzw. unten E. 5.5) kommt betreffend
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die Wartefrist der erwähnte Art. 48 Abs. 2 IVG zur Anwendung (und
nicht Art. 29 Abs. 1 IVG in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung).
5.5 Auf Grund der vorliegenden Akten ergibt sich der 20. November
2007 als frühester Zeitpunkt für die Anmeldung zum Bezug von
Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung. Dieses Datum
wurde von der (österreichischen) Pensionsversicherungsanstalt in
ihrem Schreiben vom 10. Januar 2008 aufgeführt, mit welchem sie der
IVSTA das entsprechende Gesuch sinngemäss zur Bearbeitung
weiterleitete (vgl. IV/2). Auch die Parteien scheinen von einer An-
meldung vom 20. November 2007 ausgegangen zu sein. Unter diesen
Umständen ist die Anmeldung zum Leistungsbezug als am 20.
November 2007 erfolgt zu betrachten (vgl. im Übrigen auch IV/57 f.,
62). Daher ist zu prüfen, ob bereits am 20. November 2006 (ein Jahr
vor Anmeldung) ein Rentenanspruch bestand oder ob ein solcher
danach bis zum 17. März 2009 (Erlass der angefochtenen Verfügung)
entstanden ist.
5.6 Der Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität beurteilt sich nach Art. 29
Abs. 1 IVG (in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) bzw.
Art. 28 Abs. 1 IVG (in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Der
Rentenanspruch entsteht frühestens in dem Zeitpunkt, in dem der
Versicherte mindestens zu 40% bleibend erwerbsunfähig geworden ist
(Dauerinvalidität, Art. 7 ATSG) oder während eines Jahres ohne
wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40% arbeits-
unfähig war (lang dauernde Krankheit bzw. labiler Gesundheits-
zustand, Art. 6 ATSG, vgl. BGE 121 V 264 E. 5 und 6). Für Versicherte
im Ausland gelten teilweise hiervon abweichende Bestimmungen (vgl.
unten E. 5.9).
5.7 Die folgenden gesetzlichen Grundlagen und von der Recht-
sprechung entwickelten Grundsätze sind für die Beurteilung der
Streitsache massgebend:
Arbeitsunfähigkeit ist die durch eine Beeinträchtigung der körper-
lichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte, volle oder
teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zu-
mutbare Arbeit zu leisten. Bei langer Dauer wird auch die zumutbare
Tätigkeit in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt
(Art. 6 ATSG).
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Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen,
geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumut-
barer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teil-
weise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht
kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Für
die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind aus-
schliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu be-
rücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie
aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (Art. 7 Abs. 2 ATSG,
eingefügt per 1. Januar 2008).
Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde
ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG).
5.8 Gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG (ab 1. Januar 2008: Art. 28 Abs. 2 IVG)
besteht bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 70% Anspruch auf
eine ganze Rente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 60% An-
spruch auf eine Dreiviertelsrente, bei einem Invaliditätsgrad von
mindestens 50% Anspruch auf eine halbe Rente, bei einem Invalidi -
tätsgrad von mindestens 40% Anspruch auf eine Viertelsrente.
5.9 Gemäss Art. 28 Abs. 1ter IVG (in der vom 1. Januar 2003 bis 31.
Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) beziehungsweise
Art. 29 Abs. 4 IVG (in der seit 1. Januar 2008 gültigen Fassung)
werden Renten, die einem Invaliditätsgrad von weniger als 50% ent-
sprechen, nur an Versicherte ausgerichtet, die ihren Wohnsitz und
gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben. Nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 1 ter IVG ent-
steht bei Versicherten im Ausland der Rentenanspruch nach Art. 29
Abs. 1 lit. b und Art. 28 Abs. 1 IVG (jeweils in der bis 31. Dezember
2007 geltenden Fassung) nur dann, wenn sie während eines Jahres
ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 50%
arbeitsunfähig gewesen sind und der Invaliditätsgrad nach Ablauf der
Wartezeit mindestens 50% beträgt, da Art. 28 Abs. 1ter IVG nicht eine
blosse Auszahlungsvorschrift, sondern eine besondere Anspruchs-
voraussetzung darstellt (vgl. BGE 121 V 264 E. 5 und 6). An dieser
Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 1 ter IVG (in der vom 1. Januar 2003 bis
31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) ist auch nach dem
Inkrafttreten der wesensgleichen Bestimmung in Art. 29 Abs. 4 IVG
(gültig ab 1. Januar 2008) festzuhalten. Vorbehalten bleibt eine ab-
weichende staatsvertragliche Regelung (vgl. BGE 130 V 253). Eine
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solche liegt vorliegend allerdings nicht vor. Vielmehr sieht Art. 5 Abs. 2
des Abkommens ausdrücklich vor, dass ordentliche (schweizerische)
Invalidenrenten für Versicherte, die weniger als zur Hälfte invalid sind,
kroatischen Staatsangehörigen nur gewährt werden, solange sie ihren
Wohnsitz in der Schweiz haben.
6.
6.1 Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäss die Ausrichtung
einer ganzen Invalidenrente, da sie gesundheitlich so stark beein-
trächtigt sei, dass sie nicht mehr erwerbstätig sein könne.
6.2 In den Akten finden sich zahlreiche medizinische Unterlagen.
Unter diesen sind vier von zentraler Bedeutung:
- die beiden Arztberichte von Dr. B._______ (Spezialistin für
Arbeitsmedizin) vom 6. Juni 2008 (basierend auf einer Unter-
suchung vom 27. Mai 2008, im Folgenden: 1. Bericht) und vom
16. September 2008 (basierend auf einer an diesem Tag durch-
geführten Untersuchung, im Folgenden: 2. Bericht) (vgl. IV/57 f.,
62),
- die beiden RAD-Stellungnahmen vom 16. Dezember 2008 und
7.11.2008 (recte und im Folgenden: 7. Januar 2009) (vgl. IV/66,
68 f.).
Lediglich die beiden Berichte von Dr. B._______ beinhalten eine
ausführlichere, auch auf eigenen Untersuchungen beruhende Gesamt-
beurteilung des Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit der
Beschwerdeführerin. Neben ihnen enthalten lediglich die beiden RAD-
Stellungnahmen zusammen eine Gesamtbetrachtung des Gesund-
heitszustandes und äussern sich diese zur Frage der Arbeitsfähigkeit.
6.3 In ihren beiden Berichten erstellte Dr. B._______ die folgenden
Diagnosen:
- bilaterale Gonarthrose auf der linken Seite (ICD-10 M17.9),
- postoperative Kontraktur des linken Knies (1986, 1987),
- Bluthochdruck (ICD-10 I10.0),
- Status nach partieller Schilddrüsenresektion bei atypischem Adenom
(1999) (ICD-10 D34),
Seite 10
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- unter Therapie normale Schilddrüsenfunktion,
- Hyperlipoproteinämie (Blutfetterhöhung),
- ängstlich-depressive Störung (ICD-10 F41.2).
In ihrem 1. Bericht beurteilte Dr. B._______ die Beschwerdeführerin
für die (frühere) Tätigkeit als Arbeiterin in einer Textilfabrik als
arbeitsunfähig. Dasselbe gelte für andere körperlich schwere Tätig-
keiten, d.h. das Heben und Tragen von Gewichten, die Einnahme von
für die Wirbelsäule ungewöhnlichen Positionen, stationäre Arbeit in
hockender Stellung. Die Beschwerdeführerin präsentiere eine Vermin-
derung der Erwerbsfähigkeit von über 50%. Die Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit sei am 20. November 2007 eingetreten.
In ihrem 2. Bericht schloss Dr. B._______ auf eine teilweise Arbeitsun-
fähigkeit der Beschwerdeführerin, ohne diese genauer zu quanti-
fizieren. In funktioneller Hinsicht könne die Beschwerdeführerin nur
noch leichte Tätigkeiten ausüben und zwar nur abwechselnd im
Gehen, Stehen, Sitzen; sie dürfe nicht Klettern oder Steigen. Eine an -
gepasste Arbeit könne sie verrichten. Die Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit sei am 20. November 2007 eingetreten.
Zur Frage der Leistungsfähigkeit im Haushalt äusserte sich Dr.
B._______ nicht.
6.4 In seiner 1. Stellungnahme attestierte der RAD (Dr. C._______,
Fachrichtung unbekannt) der Beschwerdeführerin:
- als Hauptdiagnose: eine bilaterale Gonarthrose (links stärker als
rechts),
- als weitere Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit: eine
Polyarthralgie seit über 20 Jahren und einen ängstlich-depressiven Zu-
stand,
- als Diagnosen ohne Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit: Bluthoch-
druck, aktiver Tabakmissbrauch, substituierte Hypothyreose (Unter-
funktion der Schilddrüse) und Status nach partieller Schilddrüsenent-
fernung im Jahr 1999.
Er beurteilte die Beschwerdeführerin ab Mai 2008 (Datum der Unter-
suchung durch Dr. B._______) in der bisherigen Tätigkeit als Arbeiterin
in einer Textilfabrik zu 50% arbeitsfähig. In einer angepassten Ver-
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weisungstätigkeit sei sie zu 100% arbeitsfähig. In funktioneller Hinsicht
seien schwere Arbeiten ausgeschlossen. Lediglich leichte, sitzende
Tätigkeiten seien möglich; das Tragen von Gewichten sei gelegentlich
für maximal 10 kg möglich; Gehen sei nur beschränkt möglich.
Ausgeschlossen seien Arbeiten in der Hocke oder unter Be-
anspruchung der Knie. In seiner 2. Stellungnahme ergänzte der RAD,
dass die Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Haushalt 5% be-
trage.
6.5
6.5.1 Die von Dr. B._______ und dem RAD attestierten
Beschwerdebilder wurden - mit teilweise etwas abweichender
Terminologie und Gewichtung - grösstenteils bereits in früheren
medizinischen Unterlagen erwähnt. Dabei handelt es sich um wenig
aussagekräftige Kurzatteste oder Untersuchungsresultate betreffend
einzelne Beschwerdebilder. In diesen medizinischen Unterlagen
wurden zwar auch Beschwerden diagnostiziert, welche sich nicht unter
die von Dr. B._______ und dem RAD attestierten Beschwerdebilder
subsumieren lassen. Ihnen wurde allerdings keine Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin zuerkannt. Eine solche wird
diesbezüglich von der Beschwerdeführerin auch nicht substanziiert
geltend gemacht. Zu diesen Beschwerden gehören namentlich eine
Hypercholesterinämie sowie ein gastroenterokolitisches Syndrom
(Entzündung der Schleimhaut des Magens) in Remission
(diagnostiziert am 17. Januar 2006, vgl. IV/31), eine nicht
ansteckende, nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis
(entzündliche Erkrankung des Magen-Darm-Trakts und Entzündung
des Dickdarms, ICD-10 K52.9; diagnostiziert am 21. Februar 2006, vgl.
IV/32), ein Status nach Lobektomie (Entfernung eines
Lungenlappens), ohne Hinweise auf diesbezügliche Beschwerden (vgl.
IV/38, 40, 47, 57, 62) und eine schwere depressive Episode ohne
psychotische Symptome (ICD-10 F32.2; von einer Allgemeinärztin
diagnostiziert am 18. April 2008, vgl. IV/50).
6.5.2 Die von der Beschwerdeführerin mit Eingabe 28. September
2009 eingereichten medizinischen Unterlagen (act. 8.1-8.9) datieren
vom 28. Mai bis 28. September 2009. Die mit Eingabe vom 3.
Dezember 2009 eingereichten Arztberichte (act. 20.16 f.) datieren vom
6. Oktober und 8. Dezember 2009. Alle diese Dokumente wurden
somit nach Erlass der angefochtenen Verfügung am 17. März 2009,
und fallen daher ausserhalb des hier massgebenden Zeitraums und
Seite 12
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sind für die vorliegende Beurteilung nicht zu berücksichtigen (vgl. oben
E. 5.5).
6.5.3 Die vom kosovarischen Versicherungsträger mit Schreiben vom
20. August 2009 zugestellten medizinischen Unterlagen (act. 10.2-
10.22) sind bereits in den Vorakten enthalten.
6.6 Die von Dr. B._______ und dem RAD attestierten
Beschwerdebilder stimmen - mit teilweise etwas abweichender
Terminologie und Gewichtung - in weiten Teilen überein (vgl. oben E.
6.3 und 6.4). Dr. B._______ und der RAD gehen auch insofern einig,
dass für die frühere Tätigkeit als Arbeiterin in einer Textilfabrik
(mindestens) eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit
besteht. Ausserdem gehen beide davon aus, dass das Ausüben einer
adaptierten Verweisungstätigkeit - unter Berücksichtigung gewisser
funktioneller Einschränkungen - vollschichtig möglich ist. Das Gericht
sieht deshalb keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzuweichen.
6.7 Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Beurteilungen von Dr.
B._______ und dem RAD besteht hingegen in Bezug auf den Beginn
der attestierten Arbeitsunfähigkeit. Der RAD ging seinerseits von
einem Beginn der (erwiesenen) Einschränkung der Arbeitsfähigkeit im
Mai 2008 aus. Dieser Zeitpunkt überzeugt insofern, als erstmals am 6.
Juni 2008 im Arztbericht von Dr. B._______ eine Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit attestiert wurde. Dr. B._______ setzte den Beginn der
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ihrerseits auf den 20. November
2007 fest, und damit auf den Tag der Antragstellung zum Rentenbezug
(vgl. oben Bst. B.a und E. 5.5). Weshalb die Einschränkungen der
Arbeitsfähigkeit genau an diesem Datum ihren Anfang genommen
haben sollen, begründete Dr. B._______ nicht, und ist auch aus den
Akten nicht ersichtlich. Der Beginn der - nicht grundsätzlich, sondern
nur im zeitlichen Umfang umstrittenen - Arbeitsunfähigkeit kann daher
erst ab Mai 2008 als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bewiesen
gelten (vgl. oben E. 4.2). Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt eine
nachweisbare Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50% bestanden
haben sollte, was an dieser Stelle offen bleiben kann, konnte das
sogenannte Wartejahr frühestens im Mai 2008 zu laufen beginnen. Da
die IVSTA die angefochtene Verfügung am 17. März 2009 erlassen hat,
war zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzung des abgelaufenen Warte-
jahres, während welchem eine durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit von
mindestens 50% vorliegen muss, nicht erfüllt (vgl. E. 5.9). Die
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angefochtene Verfügung ist deshalb zu bestätigen und die
Beschwerde vom 8. April 2009 abzuweisen.
6.8 Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist nicht zu prüfen ist, ob die
IVSTA für die Bemessung des Invaliditätsgrades zu Recht davon aus-
gegangen ist, dass die Beschwerdeführerin im Gesundheitsfall (gänz-
lich) im Haushalt tätig wäre (vgl. diesbezüglich immerhin IV/1, 20,
25.1, 59).
7.
7.1 Die Verfahrenskosten sind bei Streitigkeiten um die Bewilligung
oder die Verweigerung von IV-Leistungen nach dem Verfahrensauf-
wand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von 200 - 1000
Franken festzulegen (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Für das vorliegende Ver-
fahren sind die Verfahrenskosten auf Fr. 300.- festzusetzen, der Be-
schwerdeführerin als unterlegene Partei aufzuerlegen und mit dem
von ihr geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen.
7.2 Der obsiegenden Partei kann von Amtes wegen oder auf Be-
gehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und ver-
hältnismässig hohe Kosten zugesprochen werden (Art. 64 Abs. 1
VwVG). Als Bundesbehörde hat die IV-Stelle jedoch keinen Anspruch
auf Parteientschädigung (Art. 7 Abs. 3 des Reglements vom 21.
Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundes-
verwaltungsgericht [VGKE] SR 173.320.2), weshalb keine Parteient-
schädigung auszurichten ist.
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 300.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von
Fr. 300.- verrechnet.
3.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin (Einschreiben mit Rückschein)
- die Vorinstanz (Ref-Nr. [...])
- das Bundesamt für Sozialversicherungen
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Beat Weber Daniel Golta
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim
Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff.
und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR
173.110]). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit
Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der an-
gefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die be-
schwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42
BGG).
Versand:
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