C-2927/2007 - Abteilung III - Unfallversicherung (Übriges) - Unfallversicherung Vermögensrechtliche Streitigkei...
Karar Dilini Çevir:
C-2927/2007 - Abteilung III - Unfallversicherung (Übriges) - Unfallversicherung Vermögensrechtliche Streitigkei...
Abtei lung II I
C-2927/2007/frj/fas
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 3 . F e b r u a r 2 0 0 9
Richter Johannes Frölicher (Vorsitz),
Richterin Elena Avenati-Carpani,
Richter Francesco Parrino,
Gerichtsschreiberin Susanne Fankhauser.
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt SUVA,
Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft,
Laupenstrasse 27, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin,
Bundesamt für Gesundheit (BAG),
Schwarzenburgstrasse 165, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Unfallversicherung Vermögensrechtliche Streitigkeiten
zwischen Versicherern, Verfügung vom 15. März 2007.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-2927/2007
Sachverhalt:
A.
Mit Schreiben vom 27. September 2004 übermittelte die Allianz-Suisse
Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden Allianz) der Schweizeri-
schen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), die Unfallmeldung betref-
fend A._______. Dieser war am 3. September 2004 bei Dach-
deckerarbeiten verunfallt und anschliessend gestorben. Die Allianz
führte dazu aus, ihr Versicherungsnehmer, Herr B._______, führe
einen Landwirtschaftsbetrieb sowie ein Dachdeckerunternehmen. Für
eine Mitarbeiterin im Landwirtschaftsbetrieb bestehe ein Vertrag
gemäss Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung
(UVG, SR 832.20). Für die Aushilfen im Landwirtschaftsbetrieb sei
eine Kollektiv-Unfallversicherung abgeschlossen worden. Vor der
Anstellung des Verstorbenen hätten jeweils selbständige Landwirte im
Nebenamt auch Dachdecker-Arbeiten ausgeführt. Das Dachdecker-
unternehmen falle gemäss Art. 66 UVG in den Zuständigkeitsbereich
der SUVA (Akt. 1/2).
Die SUVA teilte der Allianz mit Schreiben vom 1. November 2004 mit,
ihre Abklärungen hätten ergeben, dass es sich beim Betrieb von
B._______ um einen gegliederten, gemischten Betrieb handle und der
Bereich Dachdecker- und Spenglerarbeiten gemäss Art. 66 Abs. 1
UVG in den Zuständigkeitsbereich der SUVA falle. Dieser Bereich sei
daher für die Zukunft bei der SUVA zu versichern. Aufgrund der im
Vertrag über die Kollektiv-Unfallversicherung unter dem Titel
„Besondere Bedingungen“ enthaltenen Bestimmung, sei nicht die
SUVA, sondern die Allianz im Fall A._______ selig leistungspflichtig.
Im Folgenden konnten sich die Allianz und die SUVA nicht darüber
einigen, welche Versicherung leistungspflichtig ist. Die SUVA teilte der
Witwe des Verstorbenen am 15. Dezember 2004 mit, sie erbringe
vorderhand – unter dem Vorbehalt ihrer Zuständigkeit – die gesetz-
lichen Versicherungsleistungen (SUVA-Akt. I/18).
Der Rechtsvertreter der Witwe ersuchte die Versicherer mit Schreiben
vom 12. September 2005, den negativen Kompetenzkonflikt durch eine
Verfügung gemäss Art. 78a UVG klären zu lassen und damit der
leistungsberechtigten Hinterbliebenen einen Prozess vor dem kanto-
nalen Sozialversicherungsgericht zu ersparen (SUVA-Akt. I/34).
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Mit Eingabe vom 18. Mai 2006 stellte die SUVA beim Bundesamt für
Gesundheit (BAG) einen Antrag auf Erlass einer Verfügung nach
Art. 78a UVG und – sinngemäss – es sei die Leistungspflicht der
Allianz festzustellen (Akt. 5/11).
B.
Das BAG trat mit Verfügung vom 15. März 2007 auf das Begehren der
SUVA nicht ein (Akt. 1/1). Zur Begründung führte es im Wesentlichen
aus, für den Betriebsteil Dachdeckerei bestehe kein UVG-Versiche-
rungsverhältnis mit der Allianz, sondern lediglich ein Kollektiv-Unfall-
versicherungsvertrag. Daher liege keine Streitigkeit gemäss Art. 78a
UVG zwischen der SUVA und der Allianz vor.
C.
Gegen diese Verfügung erhob die SUVA mit Datum vom 24. April 2007
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte, die
Verfügung des BAG sei – unter Kosten- und Entschädigungsfolge –
aufzuheben und es sei eine Verfügung nach Art. 78a UVG zu erlassen
und die Allianz zur Übernahme des Falles anzuhalten (Akt. 1).
D.
Nach Eingang des mit Zwischenverfügung vom 7. Mai 2007 auf
Fr. 2'000.- festgesetzten Kostenvorschusses (Akt. 2 und 3), reichte die
Vorinstanz am 6. Juli 2007 ihre Vernehmlassung ein und schloss
sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde (Akt. 5).
E.
Die Allianz beantragte in ihrer Stellungnahme vom 12. Juli 2007, auf
den Antrag auf Erlass einer Verfügung nach Art. 78a UVG sei nicht
einzutreten und im Übrigen sei die Beschwerde abzuweisen.
Eventualiter sei mittels Verfügung nach Art. 78a UVG die Zuständigkeit
der SUVA festzustellen.
F.
Mit Replik vom 14. August 2007 (Akt. 9) bzw. Stellungnahme vom
31. August 2007 (Akt. 11) hielten die SUVA und die Allianz an ihren
Anträgen fest. Das BAG verzichtete darauf, eine Duplik einzureichen.
G.
Auf die Vorbringen der Parteien und die eingereichten Akten wird,
soweit für die Entscheidfindung erforderlich, im Rahmen der nach-
folgenden Erwägungen eingegangen.
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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwer-
den gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR
172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als
Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Das
Bundesamt für Gesundheit ist eine Vorinstanz im Sinne von Art. 33
Bst. d VGG; eine Ausnahme gemäss Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das
Bundesverwaltungsgericht ist somit für die Behandlung der vorliegen-
den Beschwerde zuständig.
2.
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach
dem Verwaltungsverfahrensgesetz, soweit das Verwaltungsgerichts-
gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG, vgl. auch Art. 1 Abs. 2
Bst. c UVG).
2.1 Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht (vgl.
Art. 50 Abs. 1, Art. 52 VwVG). Die Beschwerdeführerin ist formell
beschwert, als Adressatin der Verfügung, mit welcher die Vorinstanz
auf ihr Begehren nicht eingetreten ist, besonders berührt und sie hat
ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der
von ihr angefochtenen Verfügung (vgl. Art. 48 Abs. 1 VwVG).
2.2 Angefochten ist ein Nichteintretensentscheid. Das Bundesverwal-
tungsgericht hat daher nur zu beurteilen, ob die Vorinstanz zu Recht
nicht auf das Begehren der Beschwerdeführerin eingetreten ist. Soweit
die SUVA beantragt, es sei eine Verfügung gemäss Art. 78a UVG zu
erlassen, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (vgl. BGE
131 V 164 E. 2.1, BGE 125 V 412 E. 1, BGE 117 V 121 E. 1).
3.
Gemäss Art. 78a UVG erlässt das Bundesamt für Gesundheit bei
geldwerten Streitigkeiten zwischen Versicherern eine Verfügung.
3.1 Die bundesamtliche Verfügungszuständigkeit nach Art. 78a UVG
kommt in all jenen geldwerten Streitigkeiten zum Tragen, in denen ein
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Unfallversicherer, der gegenüber dem anderen Unfallversicherer keine
Weisungsbefugnis besitzt, das BAG anruft, damit dieses über die
streitige Zuständigkeit entscheide (vgl. BGE 127 V 176 E. 4d; Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer] C-8/2006 vom 23. September
2008 E. 5.4.3). Dieser Rechtsweg steht namentlich dann offen, wenn
ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen zwei Versicherern über die
Leistungspflicht bezüglich eines Schadenereignisses vorliegt oder
wenn ein Versicherer von einem anderen Versicherer Rückerstattung
von gegenüber dem Versicherten erbrachten Leistungen verlangt
(Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG] U 255/01
vom 28. Mai 2003 E. 1.1, BGE 127 V 176 E. 4d). Der negative
Kompetenzkonflikt ist grundsätzlich auf dem Rechtsweg nach Art. 78a
UVG zu lösen, wenn in Bezug auf ein bestimmtes Schadensereignis
die Person des nach UVG leistungspflichtigen Versicherers umstritten
ist, nicht hingegen grundsätzlich Bestehen und Umfang der Leistungs-
pflicht (Urteil EVG U 255/01 vom 28. Mai 2003 E. 1.2, Urteil BVGer
vom 23. September 2008 C-8/2006 E. 5.4.3 mit Hinweisen).
3.2 Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass die
Leistungspflicht eines Unfallversicherers gegenüber der Witwe des
verstorbenen Versicherten besteht und dass es sich grundsätzlich um
eine geldwerte Streitigkeit im Sinne von Art. 78a UVG handelt. Die
Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin vertreten jedoch die Ansicht,
es stünden sich nicht zwei UVG-Versicherer sondern ein UVG-Ver-
sicherer (die SUVA) und ein Versicherer, welcher eine private Unfall-
versicherung durchführt, (die Allianz) gegenüber, weshalb das BAG
nicht zur Streitregelung angerufen werden könne.
3.3 Die Unfallversicherung wird je nach Versichertenkategorien durch
die SUVA oder durch andere zugelassene Versicherer und eine von
diesen betriebene Ersatzkasse durchgeführt (Art. 58 UVG).
3.3.1 Art. 66 Abs. 1 UVG bestimmt im Rahmen einer abschliessenden
und zwingenden Auflistung (Kranken- und Unfallversicherung, Recht-
sprechung und Verwaltungspraxis [RKUV] 1987 Nr. U 29 S. 427 E. 2b),
welche Betriebe von Gesetzes wegen bei der SUVA versichert sind.
Zum Zuständigkeitsbereich der SUVA gehören namentlich die Betriebe
des Bau- und Installationsgewerbes sowie des Leitungsbaus (Art. 66
Abs. 1 Bst. b UVG). Gemäss Art. 68 UVG werden Personen, für deren
Versicherung nicht die SUVA zuständig ist, durch Versicherer, welche
sich im Register des BAG eingetragen haben, nach dem UVG gegen
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Unfall versichert. Bei gemischten Betrieben fallen diejenigen Betriebs-
einheiten in den Tätigkeitsbereich der SUVA, welche die Voraussetzun-
gen von Art. 66 Abs. 1 UVG erfüllen. Als gemischter Betrieb gilt eine
Mehrzahl von Betriebseinheiten desselben Arbeitgebers, die unterei-
nander in keinem sachlichen Zusammenhang stehen (Art. 88 Abs. 2
der Verordnung über die Unfallversicherung vom 20. Dezember 1982
[UVV, SR 832.202]; BGE 113 V 327 E. 5c und 6a).
3.3.2 Der Betrieb von B._______ wurde von den Verfahrensbeteiligten
im Nachhinein übereinstimmend als gegliederter, gemischter Betrieb
qualifiziert – allerdings fehlt im Dossier eine entsprechende Verfügung
der SUVA. Einigkeit besteht auch darüber, dass der Betriebsteil „Dach-
deckerei“ gemäss Art. 66 Abs. 1 Bst. b UVG in den Zuständig-
keitsbereich der SUVA und der Betriebsteil Landwirtschaft in den
Kompetenzbereich der registrierten, zum Vollzug der obligatorischen
Unfallversicherung zugelassenen Versicherer im Sinne von Art. 68
UVG fällt. Die Frage der Unterstellung unter den Tätigkeitsbereich der
SUVA ist hier zwar nicht Gegenstand des Verfahrens und somit auch
nicht zu beurteilen. Zu betonen ist jedoch, dass die Frage, ob ein
gegliederter Betrieb als Hilfs- oder Nebenbetrieb im Sinne von Art. 88
Abs. 1 UVV oder als gemischter Betrieb im Sinne von Art. 88 Abs. 2
UVV zu qualifizieren ist, mit der Folge, dass entweder das
Attraktionsprinzip oder das Prinzip der Detraktion gilt (vgl. BGE 113 V
327), oft nicht einfach zu beantworten ist. Weil das UVG vom Grund-
satz ausgeht, dass ein gesamter Betrieb einheitlich zu versichern sei
(Grundsatz der Einheit der Versicherung), kann ein gemischter Betrieb
nur beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen angenommen wer-
den (BGE 113 V 327 E. 2c und E. 6).
3.4 B._______ hatte für den Betriebsteil Landwirtschaft (bzw. den
Haushalt) mit der Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft
(Berner, heute Allianz) einen Vertrag betreffend obligatorische
Unfallversicherung UVG (Police 11.527'646/2, Akt. 7/3) und einen
Vertrag betreffend Kollektiv-Unfallversicherung für die Betriebsart
„Landwirtschaft und Bedachungen“ (Police 10.735'466/02, Akt. 7/17)
abgeschlossen. In der Police der Kollektiv-Unfallversicherung werden
die versicherten Personen definiert als „alle im Landwirtschafts- und
Dachdeckerbetrieb tätigen, nicht UVG-versicherten Aushilfen“. Unter
dem Titel „Besondere Bedingungen“ werden unter anderem die
Begriffe „Berufsunfälle“ und „Arbeitsstätte“ (im landwirtschaftlichen
Bereich) umschrieben. Danach folgt:
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„Stellt es sich bei einem Unfall heraus, dass der Versicherte gemäss UVG
hätte versichert werden müssen, gewährt die 'Berner' vom Zeitpunkt an, ab
welchem auf dem Entgelt AHV-Beiträge erhoben werden, den gesetzlichen
Versicherungsschutz. Voraussetzung für die Gewährung dieses Versiche-
rungsschutzes ist, dass der Versicherungsnehmer ab diesem Zeitpunkt bei
der 'Berner' einen Versicherungsvertrag gemäss UVG abschliesst und die
entsprechende Tarifprämie bezahlt. Die 'Berner' erstattet die ab diesem
Zeitpunkt für den vorliegenden Vertrag allenfalls zuviel bezahlte Prämie
zurück.“
3.5 Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, soll die UVG-Police
lediglich für den Betriebsteil Landwirtschaft gelten, nicht aber für den
Betriebsteil Dachdeckerei. Richtig ist auch, dass es sich beim Vertrag
über die Kollektiv-Unfallversicherung grundsätzlich um einen UVG-
Ergänzungsvertrag handelt, welcher den Bestimmungen des Bundes-
gesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versiche-
rungsvertragsgesetz, VVG, SR 221.229.1) und nicht des UVG unter-
steht. Die Vorinstanz hat sich jedoch nicht mit der soeben zitierten
Klausel des Kollektiv-Vertrags auseinander gesetzt und insbesondere
nicht geprüft, ob im vorliegenden Verfahren ein allenfalls subsidiär
haftender UVG-Versicherer – und nicht ein Privatversicherer – am
Recht steht.
3.5.1 Der obligatorischen Unfallversicherung unterstehen gemäss
Art. 1a Abs. 1 UVG alle in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer,
einschliesslich der Heimarbeiter, Lehrlinge, Praktikanten, Volontäre
sowie der in Lehr- oder Invalidenwerkstätten tätigen Personen. Nach
Abs. 2 dieser Bestimmung kann der Bundesrat Ausnahmen von der
Versicherungspflicht vorsehen, namentlich für mitarbeitende Familien-
mitglieder, für unregelmässig Beschäftigte und Arbeitnehmer interna-
tionaler Organisationen und ausländischer Staaten (Art. 1a Abs. 2
UVG in der bis 31. Dezember 2007 gültigen Fassung).
Gemäss Art. 2 Abs. 2 UVV (in Kraft vom 1. Januar 1998 bis 31. De-
zember 2007) können Personen, die einen Nebenerwerb oder ein
Nebenamt ausüben, auf die Versicherung speziell für diese Tätigkeit
verzichten, sofern das Entgelt den in Art. 8bis der Verordnung vom
31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung
(AHVV, SR 831.101) erwähnten Betrag nicht übersteigt. Der Verzicht
muss beim zuständigen Versicherer im Voraus schriftlich und mit
Zustimmung des Arbeitgebers erfolgen.
3.5.2 Die in Art. 2 Abs. 2 UVV vorgesehene Möglichkeit, auf den
Unfallversicherungsschutz gemäss UVG zu verzichten, setzt eine
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Haupterwerbstätigkeit voraus. Teilzeitbeschäftigte oder Aushilfen, die
keinen Haupterwerb (als selbständig oder unselbständig Erwerbs-
tätige) ausüben, unterstanden bis Ende 2007 der obligatorischen
Unfallversicherung, unabhängig davon, ob sie die in Art. 8bis AHVV
vorgesehene Einkommensgrenze von Fr. 2'000.- erreichten (JEAN-
MAURICE FRÉSARD/MARGIT MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obliga-
toire, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale
Sicherheit, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2007, S. 842 f. N. 16, vgl.
auch ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht,
2. Aufl., Bern 1989 [im Folgenden: Maurer, UVG], S. 119 FN 200).
3.5.3 Aufgrund der gesetzlichen Regelung ergibt sich zunächst, dass
A._______ sel. ohne Zweifel obligatorisch gegen Berufsunfall versi-
chert war. Seit Februar 2004 war er arbeitslos und übte bei B._______
ab März 2004 eine Zwischenverdiensttätigkeit im Sinne von Art. 24
des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die obligatorische
Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslo-
senversicherungsgesetz, AVIG, SR 837.0) aus (SUVA-Akt. I/23).
Erzielt die versicherte Person einen Zwischenverdienst aus unselb-
ständiger Erwerbstätigkeit, so erbringt bei Berufsunfällen der Versi-
cherer des betreffenden Betriebs die Leistungen (Art. 6 Abs. 1 der
Verordnung vom 24. Januar 1996 über die Unfallversicherung von
arbeitslosen Personen [SR 837.171], vgl. auch BGE 133 V 161 E. 2).
3.5.4 Ob der Betriebsinhaber B._______ – wie die Allianz vorbringt
(Akt. 7 S. 5 f., Akt. 5/13 S. 5 f. und 8) – immer gewusst hat bzw. vom
Aussendienstmitarbeiter der Allianz ausdrücklich darauf hingewiesen
worden ist, dass der Betriebsteil Dachdeckerei der SUVA zu
unterstellen gewesen wäre, lässt sich aufgrund der Akten nicht
feststellen. Im Übrigen ist diese Frage, wie oben ausgeführt, auch
nicht ohne Weiteres klar, hängt sie doch im Wesentlichen davon ab,
dass der gegliederte Betrieb als gemischter Betrieb im Sinne von
Art. 88 Abs. 2 UVV zu qualifizieren ist. Entscheidend ist dabei nicht
nur, wie dies die Allianz darstellt, dass eine bestimmte Tätigkeit (wie
das Dachdecken) ausgeübt wird, sondern auch in welchem Ausmass
und wie der Betrieb strukturiert ist (vgl. BGE 113 V 327 E. 6 und
E. 10). Seit dem ersten Antrag für die Kollektiv-Unfallversicherung im
Jahr 1980 beantwortete der Betriebsinhaber die Frage, ob es sich um
einen SUVA-unterstellungspflichtigen Betrieb handle, mit „nein“ und
gab zur Begründung „nur Aushilfen“ an (Akt. 7/7, 10, 12, 14, 16). Unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass das UVG am 1. Januar 1984 in
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Kraft getreten ist und zuvor nur die Angestellten von SUVA-unter-
stellten Betrieben obligatorisch gegen Unfall versichert waren, scheint
sich die Antwort eher auf die Frage zu beziehen, ob die Aushilfen der
obligatorischen Versicherung unterstehen als auf die Unterstellung
unter die SUVA (vgl. auch die Ausführungen der Allianz in ihrer
Vernehmlassung an das BAG, Akt. 5/13 Ziff. 2.9). Der Kreis der
versicherten Personen wurde seit 1992 in der Police jeweils mit „alle
im Landwirtschafts- und Dachdeckerbetrieb tätigen, nicht UVG-versi-
cherten Aushilfen“ umschrieben, ohne den Begriff der „Aushilfen“ zu
definieren. Ebenfalls seit 1992 enthält die Police unter „Besondere
Bedingungen“ die Klausel, mit welcher sich die „Berner“ bzw. die
Allianz verpflichtet, bei einem Unfall rückwirkend eine UVG-Police
abzuschliessen und die Leistungen gemäss UVG zu erbringen. In der
Vernehmlassung an das BAG führte die Allianz dazu aus, in der Praxis
sei nicht immer abschätzbar, ob ein Betrieb später Mitarbeiter mit
AHV-pflichtigen Löhnen beschäftigen werde. Der administrative Auf-
wand, um solche Änderungen zu überwachen, wäre unverhältnismäs-
sig. Mit dieser Klausel könne die Allianz ihren Kunden Sicherheit vor
möglichen Versicherungslücken bieten bzw. den mühsamen Weg über
die Ersatzkasse ersparen (Akt. 5/13 Ziff. 2.20). Dass diese „Standard-
klausel für Kollektiv-Unfallverträge“ nur für den Betriebsteil Landwirt-
schaft gelten soll, ist aus der Police nicht ersichtlich; den Akten lässt
sich auch nicht entnehmen, dass die Berner bzw. Allianz detaillierte
Abklärungen im Betrieb oder bei der gemäss ihrer Ansicht für den
Bereich Dachdecker zuständigen SUVA vorgenommen hätte, welche
eine derartige Annahme zulassen würde. Vor diesem Hintergrund
konnte sich die Vorinstanz nicht auf die Feststellung beschränken,
dass betreffend Dachdeckerei kein UVG-Versicherungsverhältnis
zwischen der Allianz und dem Betrieb von B._______ vorliege.
Vielmehr hätte sie prüfen müssen, ob sich die Allianz dazu verpflichtet
hatte, ein solches UVG-Versicherungsverhältnis einzugehen.
3.6 Zu prüfen bleibt, ob die gesetzliche Regelung zur Begründung des
Versicherungsverhältnisses ausschliesst, dass sich die Allianz über-
haupt vertraglich hätte verpflichten können, rückwirkend einen UVG-
Versicherungsvertrag abzuschliessen, sofern der fragliche Betriebsteil
in den Zuständigkeitsbereich der SUVA fällt. Wie die Allianz schien
auch die Vorinstanz von dieser Annahme auszugehen.
3.6.1 Gemäss Art. 59 UVG wird das Versicherungsverhältnis bei der
SUVA in der obligatorischen Versicherung durch Gesetz, in der frei-
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willigen Versicherung durch Vereinbarung begründet. Der Arbeitgeber
hat der SUVA innert 14 Tagen die Eröffnung oder Einstellung eines
Betriebes zu melden, dessen Arbeitnehmer ihr unterstellt sind (Abs. 1).
Das Versicherungsverhältnis bei den andern Versicherern wird begrün-
det durch einen Vertrag zwischen dem Arbeitgeber oder dem Selb-
ständigerwerbenden und dem Versicherer oder durch Zugehörigkeit zu
einer Kasse aufgrund eines Arbeitsverhältnisses (Abs. 2).
3.6.2 Die Allianz beruft sich auf die Ausführungen von MAURER (UVG,
S. 63 und S. 132), wonach das Versicherungsverhältnis mit der SUVA
von Gesetzes wegen entstehe, selbst wenn der Arbeitgeber seiner
Meldepflicht nicht nachkomme. Deshalb müsse die SUVA ihre Versi-
cherungsleistungen auch dann entrichten, wenn ein Arbeitgeber ihrer
Kontrolle bisher entgangen sei. Es gehe deshalb – entgegen der
Ansicht der SUVA – nicht darum, dass ein Betrieb rückwirkend zu
unterstellen sei. Bei einer Unterstellung ex lege könne es definitions-
gemäss gar keine rückwirkenden Unterstellungen geben (Akt. 5/13
Ziff. 2.12).
3.6.3 Im Urteil EVG U 484/05 vom 9. Juni 2006 (veröffentlicht in RKUV
2006 Nr. U 587 S. 388) hatte das EVG zu entscheiden, welcher Ver-
sicherer leistungspflichtig ist, wenn der Arbeitgeber seine Angestellten
bei einem Versicherer gemäss Art. 68 UVG versichert hatte, einer
seiner Mitarbeiter aber für Bauarbeiten an einen anderen Betrieb
ausgeliehen wurde und im Rahmen dieser Tätigkeit tödlich verunfallte.
Das EVG hat erwogen, es sei nicht entscheidend, ob der betreffende
Betrieb oder zumindest derjenige Teil davon, in welchem der verun-
fallte Versicherte tätig war, im Unfallzeitpunkt oder schon früher nach
Art. 59 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Bst. b UVG der SUVA
hätte unterstellt werden müssen. Es existierten nicht wenige Betriebe,
die einer Privatversicherung angeschlossen sind, für welche sich aber
die Frage der SUVA-Unterstellung nach einiger Zeit stellen könne.
Gleiches gelte auch für die umgekehrte Konstellation. Zudem sei die
Unterstellungsfrage nicht immer leicht zu entscheiden. Es sei mithin
die Unterstellungspflicht nicht erst anlässlich eines konkreten Unfalls
aufzuwerfen. In diesem Sinne habe die SUVA nicht die Funktion einer
Ersatzkasse für alle Betriebe, die ihr zu Unrecht nicht unterstellt
worden seien. Im Übrigen seien die Privatversicherer nicht von der
Prüfung der Frage entbunden, ob die Betriebe, welche sie versichern,
nicht unter Art. 66 UVG fallen. Sie könnten nicht darauf vertrauen, die
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korrekte Unterstellung eines Betriebes könne später anlässlich eines
konkreten Unfalls immer noch überprüft werden. (E. 3.2.1).
Diese Grundsätze müssen auch gelten, wenn sich ein Privatversiche-
rer in einem Vertrag über eine Kollektiv-Unfallversicherung verpflich-
tete, rückwirkend einen UVG-Vertrag abzuschliessen. Würde man in
dieser Konstellation die Rechtsprechung gemäss RKUV 2006
Nr. U 587 nicht analog anwenden, könnten die Privatversicherer mit
missverständlich formulierten Klauseln, den Versicherungsnehmern
(Arbeitgeber) den Eindruck vermitteln, die Unfallrisiken würden
umfassend abgedeckt, im Versicherungsfall aber einwenden, das
Versicherungsverhältnis mit der SUVA bestehe (ex lege) ohnehin
bereits. Angesichts des Umstandes, dass die Unterstellungsfrage nicht
einfach zu beantworten ist, gilt es im Übrigen zu beachten, dass Ver-
sicherungsklauseln nicht retrospektiv – aufgrund der heutigen Erkennt-
nisse – auszulegen sind, sondern danach, was die Vertragsparteien
bei Vertragsabschluss darunter verstanden haben bzw. ein Versiche-
rungsnehmer verstehen durfte und ein mit der Durchführung der
obligatorischen Unfallversicherung betrauter Privatversicherer darunter
verstehen musste.
3.6.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass aufgrund der materiellen
Rechtslage nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Allianz
im Verfahren nach Art. 78a UVG als UVG-Versicherer zu qualifizieren
wäre.
3.7 Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, ist die Eintretens-
voraussetzung von Art. 78a UVG, dass sich zwei (oder mehrere)
Versicherer im Sinne des UVG gegenüberstehen müssen, eng mit der
materiellen Beurteilung verbunden. Es handelt sich mithin um eine
„doppelrelevante Tatsache“.
3.7.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der
Beurteilung der Zuständigkeit grundsätzlich auf den von der klagenden
Partei eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abzustellen.
Sofern Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit eine Tatsache darstellt,
der auch materiellrechtlich entscheidende Bedeutung zukommt –
sogenannte doppelrelevante Tatsache –, ist darüber ausnahmsweise
nicht im Rahmen der Eintretensfrage, sondern des Sachentscheides
(Begründetheit der Klage) zu befinden (BGE 122 III 249 E. 3b/bb, vgl.
auch BGE 134 III 27 E. 6.2.1). Diese Praxis wird im Wesentlichen mit
dem Schutz der beklagten Partei begründet, da die klagende Partei im
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Falle eines (blossen) Nichteintretensentscheides den Anspruch an-
dernorts wiederum geltend machen könnte (BGE 122 III 249 E. 3b/bb).
Nach der Rechtsprechung des EVG finden diese für den Zivilprozess
entwickelten Grundsätze auch im Bereich der Sozialversicherung
Anwendung – insbesondere bei Klageverfahren, aber auch im Rahmen
der nachträglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Urteil EVG K
185/00 vom 3. Februar 2003 E. 3.2 mit Hinweisen, Urteil EVG K 5/03
vom 15. April 2004, Urteil EVG B 24/00 vom 30. Oktober 2001 E. 3b).
3.7.2 Die Anwendung der Praxis, dass über doppelrelevante Tatsa-
chen nur einmal, und zwar im Rahmen der materiellen Beurteilung, zu
befinden ist, rechtfertigt sich auch im Verfügungsverfahren nach
Art. 78a UVG. Wesentlich ist, dass es bei diesen Verfahren nicht nur
um den Schutz der Gegenpartei geht, sondern auch verhindert werden
soll, dass negative Kompetenzkonflikte zwischen Versicherern „auf
dem Rücken von Versicherten“ ausgetragen werden (vgl. Urteil BVGer
C-8/2006 vom 23. September 2008 E. 5.4.1 mit Hinweisen). Daher hat
das BAG auf das Gesuch um Erlass einer Verfügung nach Art. 78a
UVG auch dann einzutreten, wenn ein Versicherer seine Parteistellung
als UVG-Versicherer bestreitet.
3.8 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das BAG zu Unrecht
nicht auf das Gesuch der SUVA, ein Verfahren nach Art. 78a UVG
durchzuführen, eingetreten ist. Der Nichteintretensentscheid ist daher
aufzuheben und die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen,
damit sie die Streitigkeit materiell beurteile. Die Beschwerde der SUVA
ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Hauptantrag der
Allianz ist dementsprechend abzuweisen und auf den Eventualantrag
ist nicht einzutreten.
4.
Zu befinden bleibt noch über die Verfahrenskosten und eine allfällige
Parteientschädigung.
4.1 Das Bundesverwaltungsgericht auferlegt gemäss Art. 63 Abs. 1
VwVG die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei.
Der von der Beschwerdeführerin geleistete Kostenvorschuss ist daher
zurück zu erstatten. Den Vorinstanzen werden keine Verfahrenskosten
auferlegt (Art. 63 Abs. 2 VwVG). Es wird davon abgesehen, der
unterlegenen Beschwerdegegnerin Verfahrenskosten aufzuerlegen
(vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 3 VwVG; in BGE 127 V 176 [Urteil U 329/99]
nicht publizierte E. 5a).
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4.2 Der obsiegenden Partei kann von Amtes wegen oder auf Begeh-
ren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhält-
nismässig hohe Kosten zugesprochen werden (Art. 64 Abs. 1 VwVG).
Die SUVA hat als mit einer öffentlichen Aufgabe betraute Organisation
keinen Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. Art. 7 Abs. 3 VGKE
sowie BGE 128 V 124 E. 5b).
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist.
Die Sache wird an das Bundesamt für Gesundheit zurückgewiesen,
damit es den Antrag der SUVA materiell beurteile.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Der Beschwerdeführerin wird der geleistete Kostenvorschuss von
Fr. 2000.- nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zurückerstattet.
3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
- die Beschwerdegegnerin (Gerichtsurkunde)
- die Vorinstanz (Gerichtsurkunde)
- zur Kenntnis an den Rechtsvertreter der Witwe
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Johannes Frölicher Susanne Fankhauser
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim
Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff.
und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR
173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und
hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und
die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die
Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in
Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).
Versand:
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