C-2694/2010 - Abteilung III - Invalidenversicherung (IV) - Rentenrevision, Verfügung vom 17. März 2010
Karar Dilini Çevir:
C-2694/2010 - Abteilung III - Invalidenversicherung (IV) - Rentenrevision, Verfügung vom 17. März 2010
Abtei lung II I
C-2694/2010
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 4 . S e p t e m b e r 2 0 1 0
Richterin Franziska Schneider (Vorsitz),
Richterin Madeleine Hirsig, Richter Stefan Mesmer,
Gerichtsschreiberin Sabine Uhlmann.
X._______,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Claudia Starkl,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA,
Vorinstanz.
Rentenrevision, Verfügung vom 17. März 2010.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-2694/2010
Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,
dass die Sozialversicherungsanstalt St. Gallen mit Verfügung vom
25. Oktober 2001 dem am _______ geborenen X._______
(nachfolgend: Beschwerdeführer), spanischer Staatsangehöriger, bei
einem ermittelten Invaliditätsgrad von 70% mit Wirkung ab
1. Dezember 1999 eine ganze Invalidenrente (bestätigt mit Beschluss
vom 28. Dezember 2006, act. 36) zugesprochen hat (act. 14),
dass die mittlerweile infolge Wegzugs ins Ausland zuständige IV-Stelle
für Versicherte im Ausland (nachfolgend: IV-Stelle) mit Schreiben vom
14. April 2009 ein Rentenrevisionsverfahren eröffnet und den medi-
zinischen Dienst der IV-Stelle zur Stellungnahme aufgefordert hat (act.
43),
dass nach Eingang der Stellungnahme der IV-Stellenärztin Dr.
S._______ vom 15. Dezember 2009, wonach eine Arbeitsfähigkeit in
einer leichten, geistig anspruchslosen Tätigkeit von 60%, resp. eine
Arbeitsunfähigkeit von 40% bestehe (act. 54), die IV-Stelle dem
Beschwerdeführer mit Vorbescheid vom 23. Dezember 2009 mitteilte,
die bisher bezahlte ganze Rente werde durch eine Viertelsrente
ersetzt (act. 55),
dass die IV-Stelle mit Verfügung vom 17. März 2010 die bis anhin
gewährte ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Mai 2010 durch eine
Viertelsrente ersetzt hat (act. 57),
dass der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin C. Starkl,
mit Eingabe vom 19. April 2010 Beschwerde einreichen und beantra-
gen liess, die Verfügung vom 17. März 2010 sei aufzuheben und ihm
sei weiterhin eine ganze Rente auszurichten,
dass der Beschwerdeführer ausserdem um Akteneinsicht und an-
schliessender Gelegenheit zur Einreichung einer ergänzenden Be-
gründung ersuchen liess,
dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung vom
24. Juni 2010 an seinen gestellten Anträgen festhielt, eventualiter sei
die Sache zur umfassenden medizinischen Abklärung an die Vor-
instanz zurückzuweisen,
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dass er in formeller Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs,
insbesondere der Begründungspflicht, geltend machte und ausführte,
in der angefochtenen Verfügung sei festgestellt worden, dass er wieder
in der Lage sei, eine seinem Gesundheitszustand angepasste Tätigkeit
auszuüben und dabei 50% des Erwerbseinkommens zu erzielen, dass
jedoch in der Verfügung weder darauf hingewiesen werde, von welcher
Arbeitsfähigkeit ausgegangen werde, noch ein Einkommensvergleich
vorgenommen worden sei, weshalb die Vorinstanz ihre Be-
gründungspflicht verletzt habe (BVGer act. 7),
dass der Beschwerdeführer ausserdem mit der Beschwerdeergänzung
verschiedene medizinische Unterlagen einreichen liess,
dass die Instruktionsrichterin mit Verfügung vom 29. Juni 2010 die Vor-
instanz zur Vernehmlassung, vorerst beschränkt auf die Rüge der Ver-
letzung des rechtlichen Gehörs mangels hinreichender Begründung
der angefochtenen Verfügung, aufgefordert hat (BVGer act. 8),
dass die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 17. August 2010
festgestellt hat, im Rahmen des Rentenrevisionsverfahrens seien
sowohl der Vorbescheid (act. 55) als auch die angefochtene Verfügung
nur theoretisch-abstrakt begründet worden, dass sie deshalb den An-
forderungen der aktuellen Rechtsprechung an begründete Entscheide
wohl nicht genügten,
dass aber zu prüfen sei, ob im vorliegenden Beschwerdeverfahren der
formelle Mangel geheilt werden könne und ob es aus prozessöko-
nomischen Gründen gerechtfertigt sei, die Beschwerde trotz des for-
mellen Mangels der Verfügung materiell zu prüfen,
dass die Vorinstanz jedoch auf die Stellung eines Antrages verzichtet
hat (BVGer act. 9),
dass das Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 31 des Bundes-
gesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Ver-
waltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32) in Verbindung mit Art. 69
Abs. 1 Bst. b des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invali-
denversicherung (IVG, SR 831.20) Beschwerden gegen Verfügungen
nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) beurteilt, sofern keine
Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt,
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dass der Beschwerdeführer im Sinn von Art. 48 Abs. 1 VwVG und Art.
49 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) beschwerde-
legitimiert ist,
dass die angefochtene Verfügung vom 17. März 2010 gemäss Rück-
schein der Schweizerischen Post dem Beschwerdeführer am 25. März
2010 zugegangen ist (act. 59) und somit die beim Bundesverwaltungs-
gericht am 20. April 2010 eingegangene Beschwerde (inkl. Be-
schwerdeergänzung) frist- und formgerecht eingereicht worden ist (Art.
50 Abs. 1 VwVG; vgl. auch Art. 60 ATSG und Art. 52 Abs. 1 VwVG),
dass mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gerügt
werden kann, die angefochtene Verfügung verletze Bundesrecht (ein-
schliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens), beruhe
auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechts-
erheblichen Sachverhalts oder sei unangemessen (Art. 49 VwVG),
dass der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs,
insbesondere wegen mangelhafter Begründung der angefochtenen
Verfügung, geltend macht,
dass im vorliegenden Fall die Vorinstanz in der angefochtenen Ver-
fügung vom 17. März 2010 die gesetzlichen Grundlagen (Art. 28 IVG,
Art. 16 und Art. 17 ATSG) genannt und zur Begründung ausgeführt
hat:
"Die IV-Stelle hat ihren Anspruch überprüft. Sie hat festgestellt, dass Sie
wieder in der Lage wären, eine Ihrem Gesundheitszustand angepasste Tätig -
keit auszuüben. Dabei könnten Sie mehr als 50% des Erwerbseinkommens
erzielen, das Sie heute erreichen würden, wenn Sie keinen Gesundheits-
schaden erlitten hätten.
Demzufolge wird die bisher bezahlte ganze Rente ab 01.05.2010 durch eine
Viertelsrente ersetzt. Sie beträgt monatlich CHF 380.00 für sie selbst."
dass gemäss Art. 35 Abs. 1 VwVG schriftliche Verfügungen grundsätz-
lich immer begründet werden müssen (Art. 29 Abs. 2 der Bundesver-
fassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
[BV, SR 101] und Art. 49 Abs. 3 ATSG, vgl. auch ULRICH HÄFELIN/WALTER
HALLER/HELEN KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl.,
Zürich/Basel/Genf 2008, Rz. 838),
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dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Begründungs-
pflicht verhindern soll, dass sich die Behörde von unsachlichen Mo-
tiven leiten lässt, und es dem Betroffenen ermöglichen, die Verfügung
gegebenenfalls sachgerecht anzufechten,
dass dies nur dann möglich ist, wenn sowohl er wie auch die Rechts -
mittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen
können, und in diesem Sinn wenigstens kurz die Überlegungen ge-
nannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf
welche sich ihre Verfügung stützt (BGE 126 I 97 E 2b, BGE 124 V 180
E. 1a),
dass die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung jedoch nicht dar-
gelegt hat, auf welche ärztlichen Unterlagen sie konkret Bezug ge-
nommen hat, sie ebenso keine Gründe angegeben hat, warum sie auf
die eine und nicht auf die andere medizinische These abgestellt hat,
und die Verfügung weder Hinweise, von welcher Tätigkeit die Vor-
instanz ausgeht, noch einen Einkommensvergleich enthält,
dass ausserdem die Vorinstanz der angefochtenen Verfügung auch
nicht die ärztlichen Berichte beigelegt hat, auf die sie sich bei ihrer
Beurteilung gestützt hat,
dass die Vorinstanz daher ihrer Begründungspflicht nicht nachge-
kommen ist, weshalb es dem Beschwerdeführer verunmöglicht wurde,
den Entscheid sachgerecht anzufechten,
dass die Vorinstanz somit das rechtliche Gehör verletzt hat,
dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs formeller Natur ist und im
Falle einer Anfechtung grundsätzlich zur Aufhebung der Verfügung
führt, ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Sache (PIERRE
TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI/MARKUS MÜLLER, Allgemeines Verwaltungs-
recht, 3. Aufl., Bern 2009, § 30 Rz. 41),
dass zwar eine Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. der Be-
gründungspflicht im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwal-
tungsgericht, welches über volle Kognition verfügt, ausnahmsweise ge-
heilt werden kann, wenn diese nicht schwer wiegt (BGE 133 V I 201 E.
2.3, BGE 126 V 130 E. 2b mit Hinweisen),
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dass vorliegend die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensgarantie
jedoch deshalb besonders schwer schwiegt, weil der Beschwerde-
führer mangels Kenntnis der nach Ansicht der Vorinstanz massge-
benden medizinischen Beurteilungen den Entscheid nicht nachvoll -
ziehen konnte und somit keine Gelegenheit erhalten hat, zu den
Feststellungen der Verwaltung Stellung zu nehmen,
dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Verwaltung das
Abklärungsverfahren nicht in ein Einsprache- resp. Beschwerdever-
fahren verschieben darf, da sonst der Zweck, die Gerichte zu entlas-
ten, unterlaufen würde (BGE 132 V 368 E. 5, Urteil BGer 9C_363/2009
vom 18. März 2010 E. 3.1 in fine),
dass bei einer Rückweisung an die Vorinstanz den Parteien alle
Rechte, insbesondere der doppelte Instanzenzug, gewahrt bleiben
(BGE 125 V 413 E. 2c, Urteil BGer 9C_272/2009 vom 16. September
2009 E. 4.1, Urteil BGer 8C_949/2008 vom 4. Mai 2009 E. 5.2),
dass es zudem nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts sein
kann, durch die Vorinstanz systematisch begangene Verfahrensmängel
im Beschwerdeverfahren zu heilen (vgl. Urteile BVGer C-6034/2009
vom 20. Januar 2010, C-6355/2009 vom 4. März 2010, C-18/2010 vom
21. April 2010 und C-4092/2010),
dass deshalb die Beschwerde gutzuheissen, die angefochtene Ver-
fügung aufzuheben und die Sache zum Erlass einer neuen Verfügung
an die Vorinstanz zurückzuweisen ist,
dass bei diesem Verfahrensausgang dem obsiegenden Beschwerde-
führer keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG
e contrario),
dass der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer Anspruch auf eine
Parteientschädigung hat (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m Art. 7 des
Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschä-
digungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]),
dass die Entschädigung der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers
mangels Einreichung einer Kostennote unter Berücksichtigung des ge-
botenen und aktenkundigen Anwaltsaufwandes auf pauschal
Fr. 1700.-- (inkl. Auslagen) festzusetzen und der Vorinstanz aufzuerle-
gen ist,
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dass vorliegend keine Mehrwertsteuer geschuldet ist (Art. 5 Bst. b des
Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer
[Mehrwertsteuergesetz, MWSTG, SR 641.20] in Verbindung mit Art. 14
Abs. 3 Bst. c MWSTG und Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE).
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung vom 17. März 2010
wird aufgehoben und die Sache wird zum Erlass einer neuen Ver-
fügung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Dem Beschwerdeführer wird eine Parteientschädigung von Fr. 1'700.--
zu Lasten der Vorinstanz zugesprochen.
4.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde; Beilage: Vernehmlassung
vom 17. August 2010)
- die Vorinstanz (Ref-Nr._______; Einschreiben)
- das Bundesamt für Sozialversicherungen
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Franziska Schneider Sabine Uhlmann
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim
Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden, sofern die
Voraussetzungen gemäss den Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundes-
gerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110) gegeben sind.
Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der
Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Ent-
scheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende
Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).
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