C-2276/2007 - Abteilung III - Ausdehnung der kantonalen Wegweisung - Ausdehnung der kantonalen Wegweisung
Karar Dilini Çevir:
C-2276/2007 - Abteilung III - Ausdehnung der kantonalen Wegweisung - Ausdehnung der kantonalen Wegweisung
Abtei lung II I
C-2276/2007
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 4 . N o v e m b e r 2 0 0 7
Richter Andreas Trommer (Vorsitz),
Richter Blaise Vuille,
Richter Antonio Imoberdorf (Kammerpräsident),
Gerichtsschreiber Julius Longauer.
1. A._______ und ihre Tochter
2. B._______,
beide vertreten durch Herr Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,
Beschwerdeführerinnen,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Ausdehnung der kantonalen Wegweisung.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-2276/2007
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführerin 1 (geb. 1981) ist serbische Staatsangehörige
aus dem Kosovo. Am 20. Dezember 2002 heiratete sie in Serbien ihren
Landsmann C._______ (geb. 1979), der im Jahre 1997 im Rahmen
des Familiennachzugs in die Schweiz gelangt war und im Besitz einer
Jahresaufenthaltsbewilligung im Kanton Schaffhausen ist. Im Juli 2003
reiste die Beschwerdeführerin 1 in die Schweiz und erhielt im Kanton
Schaffhausen eine Jahresaufenthaltsbewilligung zum Verbleib beim
Ehemann. Die Jahresaufenthaltsbewilligung wurde letztmals mit
Wirkung bis 27. Juli 2006 verlängert. Aus der Ehe der Beschwerdefüh-
rerin 1 ist am 26. Juni 2006 die Tochter B._______ (Beschwerdefüh-
rerin 2) hervorgegangen.
B.
Mit Verfügung vom 17. Februar 2006 widerrief das Ausländeramt des
Kantons Schaffhausen die am 27. Juli 2006 ablaufende Jahresaufent-
haltsbewilligung und wies die Beschwerdeführerin 1 an, den Kanton
bis 31. März 2006 zu verlassen. Das Amt sah es als erwiesen an, dass
die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an die Beschwerdeführerin 1
durch Unterdrücken wesentlicher Sachverhalte erschlichen worden
war. Ihr Ehemann habe laufende Kreditverträge, die sein ohnehin
knappes Einkommen belastet hätten, nicht deklariert, und verschwie-
gen, dass er seine Anstellung als Pfleger in einem Altersheim durch
fristlose Entlassung wegen Diebstahls am Arbeitsplatz zu Lasten eines
Heimbewohners verloren hätte.
C.
Den gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs wies der Regierungs-
rat des Kantons Schaffhausen mit Beschluss vom 11. Juli 2006 ab bei
gleichzeitiger Ansetzung einer neuen, bis 31. Oktober 2006 laufenden
Ausreisefrist. Den Beschluss des Regierungsrates zog die Beschwer-
deführerin 1 an das Obergericht des Kantons Schaffhausen weiter,
das mit Urteil vom 15. Dezember 2006 den Beschluss des Regie-
rungsrates bestätigte und der Beschwerdeführerin 1 seinerseits eine
neue Ausreisefrist bis zum 31. Januar 2007 setzte.
D.
Am 9. Januar 2007 stellte die Beschwerdeführerin 1 beim Ausländer-
amt des Kantons Schaffhausen ein Wiedererwägungsgesuch, auf das
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dieses mit Verfügung vom 10. Januar 2007 nicht eintrat. Eine dagegen
gerichtete Beschwerde lehnte der Regierungsrat des Kantons
Schaffhausen am 13. Februar 2007 ab. Gleichzeitig setzte er den
Beschwerdeführerinnen zum Verlassen des Kantons Schaffhausen
Frist bis zum 28. Februar 2007. Der Beschluss des Regierungsrates
erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
E.
Bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 gelangte das
Ausländeramt des Kantons Schaffhausen an die Vorinstanz und bean-
tragte die Ausdehnung der kantonalen Wegweisung auf das ganze Ge-
biet der Schweiz.
F.
Am 27. Dezember 2006 setzte die Vorinstanz die Beschwerdeführerin
1 über den kantonalen Antrag in Kenntnis und gewährte ihr das rechtli-
che Gehör.
G.
Mit Eingaben vom 9. und 25. Januar sowie vom 9., 20. und 22. Februar
2007 nahm die Beschwerdeführerin 1 durch ihren Rechtsvertreter die
Gelegenheit zur Stellungnahme wahr. Im Wesentlichen wurde vorge-
bracht, der Ehemann der Beschwerdeführerin 1 verfüge in der
Schweiz über einen de facto gefestigten Aufenthalt, sodass der Vollzug
der Wegweisung, der zwangsläufig zur Trennung der Familie führe,
eine Verletzung von Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101)
darstelle und infolgedessen unzulässig sei im Sinne von Art. 14a Abs.
3 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Nie-
derlassung der Ausländer (ANAG, SR 142.20). Der Vollzug sei darüber
hinaus im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG nicht zumutbar, weil die Be-
schwerdeführerinnen in ihrer Heimat keine Aussicht auf eine wirt-
schaftliche Existenzgrundlage habe. Die im Kosovo noch wohnhaften
Familienangehörigen lebten selbst in prekären wirtschaftlichen und
Wohnverhältnissen, die es ihnen verunmöglichten, die Beschwerdefüh-
rerin 1 und ihr Kind zu unterstützen. Dem gegenüber sei in der
Schweiz ein tragbares familiäres Beziehungsnetz gegeben und die
wirtschaftliche Existenz der Familie gewährleistet.
H.
Mit Verfügung vom 27. März 2007 dehnte die Vorinstanz die Wegwei-
sung aus dem Kanton Schaffhausen auf das ganze Gebiet der
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Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein aus. Einer allfälligen Be-
schwerde entzog sie vorsorglich die aufschiebende Wirkung.
Die Vorinstanz wies begründend darauf hin, dass Ansprüche aus Art. 8
EMRK nicht im Rahmen des Ausdehnungsverfahrens geltend gemacht
werden könnten. Weiter hob sie hervor, dass der Ehemann der Be-
schwerdeführerin 1 nicht erwerbstätig sei und eine volle Invaliditäts-
rente beziehe, die ihm in seiner Heimat ausbezahlt werden könnte. Es
stünde deshalb der Beschwerdeführerin 1 und ihrem Ehemann frei, in
ihrer Heimat Wohnsitz zu nehmen, wobei die wirtschaftliche Existenz
mit den Leistungen der Invalidenversicherung gedeckt werden könnte.
I.
Gegen die vorgenannte Verfügung gelangte der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerinnen mit Rechtsmitteleingabe vom 28. März 2007
an das Bundesverwaltungsgericht und stellte die folgenden Rechtsbe-
gehren:
 1. Die Verfügung der Vorinstanz sei vollumfänglich aufzuheben.
2. Es sei die Unzulässigkeit oder zumindest die Unzumutbarkeit des Voll-
zugs der Wegweisung festzustellen und die vorläufige Aufnahme anzu-
ordnen.
3. Es sei die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen und auf die Erhe-
bung eines Kostenvorschusses zu verzichten.
4. Es sei den Beschwerdeführenden in der Person des Unterzeichnenden
ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.
5. Alles unter Entschädigungs- und Kostenfolge zulasten der Vorinstanz.
6. Es sei die aufschiebende Wirkung der Beschwerde wiederherzustellen.
7. Es sei im Rahmen vorsorglicher Massnahmen das Migrationsamt des
Kantons Schaffhausen anzuweisen, von Vollzugshandlungen einstweilen
Abstand zu nehmen, bis über die Frage der aufschiebenden Wirkung ent-
schieden ist.
In formeller Hinsicht wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs be-
anstandet, indem die Vorinstanz von der Ausrichtbarkeit der IV-Rente
im Kosovo ausgehe, ohne die Beschwerdeführerinnen dazu vorgängig
angehört zu haben. In materieller Hinsicht wird im Wesentlichen daran
festgehalten, dass der Garantie des Familienlebens gemäss Art. 8
EMRK auch im Rahmen des Ausdehnungsverfahrens vor der Vorin-
stanz Rechnung zu tragen sei. Unter diesem Gesichtspunkt erweise
sich der Vollzug der Wegweisung wegen der zwangsläufigen Trennung
der Beschwerdeführerin 1 und deren Tochter vom Ehemann als unzu-
lässig. Der Ehemann der Beschwerdeführerin 1 lebe nämlich bereits
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seit 10 Jahren in der Schweiz und sei hier invalid geworden. Er benöti-
ge intensive medizinische Betreuung, die in seinem Heimatland auch
nicht annähernd sichergestellt sei. Der lange Aufenthalt in der Schweiz
und medizinische Gründe würden deshalb seine Rückkehr in den Ko-
sovo ausschliessen. Damit falle die Argumentation der Vorinstanz in
sich zusammen. Der Vollzug der Wegweisung sei ferner nicht zumut-
bar im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG, weil er die Betroffenen in
grosses seelisches Leid stürzen und damit ihre psychische Integrität
massiv beeinträchtigen würde. Die Konsequenzen für die psychische
Gesundheit der Beschwerdeführerinnen sei naturgemäss nur schwer
einschätzbar. Zu berücksichtigen sei aber in diesem Zusammenhang,
dass die Verhältnisse in ihrer Heimat derart prekär seien, dass die Be-
schwerdeführerin 1 und ihr Kind dort keine genügende Grundlage für
ein würdiges Überleben in sozioökonomischer Hinsicht finden würden.
Hinzu komme, dass die Entwicklungsbeeinträchtigung für das Kind auf
der Grundlage des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die
Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention, KRK, SR 0.107) vorran-
gig berücksichtigt werden müsse und die Anordnung des Wegwei-
sungsvollzugs dem Kindesinteresse klar widerspreche.
J.
Mit Zwischenverfügung vom 12. April 2007 lehnte das Bundesverwal-
tungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und
die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab.
K.
Mit Eingaben vom 11. und 19. April 2007 erneuerte der Rechtsvertre-
ter gestützt auf eine Reihe von Beweismitteln das Gesuch um Wieder-
herstellung der aufschiebenden Wirkung und Bewilligung der unent-
geltlichen Rechtspflege. Er legte dar, die Beschwerdeführerin 1, die
über keine Unterkunft verfüge und sich von der Aussicht, mit oder
ohne Kind ausreisen zu müssen, oder ausgeschafft zu werden, hoff-
nungslos überfordert fühle, sei angesichts der Ausweglosigkeit ihrer
Lage und der ihres Ehemannes, der auf ihre Betreuung und Pflege an-
gewiesen sei, schwer psychisch erkrankt. Sie sei zur Zeit akut suizidal.
Deswegen habe sie sich, nachdem sie seit längerem nicht mehr schla-
fe, zu Dr. med. M._______, FMH Psychiatrie, Psychotherapie und
Neurologie (nachfolgend: Dr. med. M._______), in Behandlung be-
geben, der nun am 19. April 2007 einen ersten, wegen der Dringlich-
keit handschriftlich verfassten Bericht angefertigt habe.
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L.
Das Bundesverwaltungsgericht hielt mit Zwischenverfügung vom
23. April 2007 an den bisher ergangenen verfahreleitenden Anordnun-
gen fest.
M.
Am 30. April 2007 liess der Rechtsvertreter dem Bundesverwaltungs-
gericht neue ärztliche Berichte zukommen, aus denen sich ergebe,
dass bei der Beschwerdeführerin 1 die Verdachtsdiagnose auf post-
traumatische Belastungsstörung gestellt werde. Auf Grund ihrer akuten
Suizidalität sei die Beschwerdeführerin 1 am 27. April 2007 von Dr.
med. M._______ in das Psychiatriezentrum Breitenau, 8200
Schaffhausen, eingewiesen worden.
N.
Mit Eingabe vom 8. Mai 2007 ersuchte der Rechtsvertreter ein weite-
res Mal um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Er setzte
das Bundesverwaltungsgericht darüber in Kenntnis, dass sich der Zu-
stand der Beschwerdeführerin 1 weiter verschlechtert habe. Bei einer
ärztlichen Untersuchung anlässlich der Klinikeinweisung wegen der
akuten Suizidalität sei bei der Beschwerdeführerin 1 eine Schwanger-
schaft festgestellt worden. Weitere Untersuchungen hätten ergeben,
dass der Fötus tot sei. Ob der Stress oder evtl. die Einnahme von Me-
dikamenten dafür ursächlich gewesen seien, könne aus ärztlicher
Sicht nicht festgestellt werden. Diese zusätzlichen Umstände hätten je-
doch die Beschwerdeführerin 1 psychisch noch weiter belastet. Es tre-
te hinzu, dass sie vor zwei Tagen wegen starker Blutungen habe ope-
riert werden müssen, wobei der Fötus entfernt worden sei. Die Be-
schwerdeführerin 1 befinde sich derzeit im Kantonsspital Schaffhau-
sen.
O.
Mit Zwischenverfügung vom 9. Mai 2007 lehnte das Bundesverwal-
tungsgericht die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen ab.
P.
Am 10. Mai 2007 ersuchte der Rechtsvertreter abermals um vorsorgli-
che Massnahmen und legte dem Schreiben ein Ersuchen gleichen Da-
tums an das Psychiatriezentrum Breitenau bei um möglichst rasche
Anfertigung eines Arztberichts. Der Rechtsvertreter berichtete, dass
die Beschwerdeführerin 1 inzwischen aus der Spitalpflege im Kantons-
spital entlassen worden sei, wo mittels operativem Eingriff ihr verstor-
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bener Fötus habe entfernt werden müssen. Aus rein körperlicher Sicht
lägen zur Zeit keine gravierenden Umstände vor, die einem Wegwei-
sungsvollzug bzw. einer Reisefähigkeit entgegenstünden. Hingegen
habe sich der Abort weiter negativ auf die psychische Gesundheit der
Beschwerdeführerin 1 ausgewirkt. Da die eingenommenen Psycho-
pharmaka zudem ein sofortiges Abstillen zum Schutz des Kindes er-
forderten, leide sich zur Zeit gemäss Angaben ihres Ehemannes zu-
sätzlich stark unter der Trennung und dem Gefühl, nicht für ihr Kind
sorgen zu können. Derzeit sei die Beschwerdeführerin 1 wegen Suizi-
dalität wieder im Psychiatriezentrum Breitenau hospitalisiert. Die Be-
schwerdeführerin 1 befinde sich in einer Lage, in der sie keinen Aus-
weg mehr sehe. Sie sei mit der Verpflichtung überfordert, ohne ihren
behinderten Mann, der auf ihren Beistand bei der Körperpflege etc.
angewiesen sei, auszureisen, von ihm getrennt zu werden, und mit
dem Kind in die Ungewissheit im Kosovo zurückkehren zu müssen.
Hinzu sei nun ein Abort gekommen.
Q.
Am 14. Mai 2007 lehnte das Bundesverwaltungsgericht die Anordnung
von vorsorglichen Massnahmen ein weiteres Mal ab.
R.
Am 30. Mai 2007 teilte der Rechtsvertreter mit, dass die Beschwerde-
führerin 1 nach wie vor im Psychiatriezentrum Breitenau hospitalisiert
sei und verwies auf den beigelegten ärztlichen Bericht dieser Instituti-
on vom 23. Mai 2007. Dem Bericht könnten die Gründe entnommen
werden, weshalb es aus der Sicht der Ärzte zu einer Symptomver-
schlechterung mit akuter Suizidalität gekommen sei. Offenbar sei die
Beschwerdeführerin 1 während des Krieges im Kosovo Opfer sexueller
Gewalt durch Soldaten geworden.
S.
Mit Zwischenverfügung vom 5. Juni 2007 setzte das Bundesverwal-
tungsgericht im Sinne einer superprovisorischen Massnahme alle Voll-
zugshandlungen aus.
T.
Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 28. Juni 2007
die Abweisung der Beschwerde. Sie hielt im Wesentlichen daran fest,
dass Art. 8 EMRK im Rahmen des Ausdehnungsverfahrens nicht zu
prüfen und es dem Ehemann der Beschwerdeführerin 1 zuzumuten
sei, dieser in das gemeinsame Heimatland zu folgen. Zum Gesund-
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heitszustand des Ehemannes würden im Rahmen des Beschwerdever-
fahrens keine näheren Angaben gemacht und mit aktuellen Beweismit-
teln untermauert. Den kantonalen Akten liesse sich in diesem Zusam-
menhang entnehmen, dass er in der Kindheit einen Unfall erlitten habe
und als Folge davon u.a. an Hüftbeschwerden leide. Er sei im Jahr
2005 operiert worden und stehe in physiotherapeutischer Behandlung.
Dass die medizinische Betreuung in Serbien nicht sichergestellt wäre,
sei nicht anzunehmen.
U.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte dem Rechtsvertreter mit verfah-
rensleitender Anordnung vom 6. Juli 2007 die Vernehmlassung der
Vorinstanz zur Kenntnisnahme zu und teilte ihm die Zusammenset-
zung des Spruchkörpers mit.
V.
Am 13. August 2007 reichte der Rechtsvertreter uneingeladen eine
Stellungnahme zur vorinstanzlichen Vernehmlassung ein und legte
dieser eine Reihe von Beweismitteln zum gesundheitlichen Status der
Beschwerdeführerin 1 und deren Ehemann bei. Er führte aus, der Ehe-
mann der Beschwerdeführerin 1 befinde sich mit 10 Jahren bereits
derart lange in der Schweiz, dass die Ausführungen der Vorinstanz zur
Zumutbarkeit, als ganze Familie das Land zu verlassen, an dessen
faktisch gefestigtem Anwesenheitsrecht scheiterten. Zwar bedürfe er
keiner derart hoch spezialisierten Therapie, dass diese allein zwingend
den Aufenthalt in der Schweiz erfordern würde. Die hier gewährleistete
optimale Behandlung und Betreuung sei aber dennoch zu berücksichti-
gen, wenn die Festigung seines Aufenthaltsrechts und die Zumutbar-
keit seiner Ausreise zusammen mit Frau und Kind zu prüfen sei. Was
die Beschwerdeführerin 1 selbst angehe, so sei ihr gegenüber der Voll-
zug der Wegweisung klar unzumutbar. Dass sie tatsächlich erst nach
der Eröffnung ihrer definitiven Ausreisepflicht und damit der absehba-
ren Trennung vom Ehemann und der Pflicht zur Rückkehr mit einem
Kind in die desolaten Verhältnisse Kosovos in eine schwere psychi-
sche Krise geraten sei, ändere nichts an deren Schwere. Hinzu träten
aber Gründe, die nicht direkt mit der Ausreiseverpflichtung zusammen-
hingen, wie die psychischen Probleme nach dem Abort, der wiederum
wohl auf die Krise und evtl. auf Psychopharmaka zurückzuführen sei.
Die Wechselwirkungen zwischen diesen Ereignissen hätten im Ergeb-
nis zu einer starken Suizidalität geführt. Gestützt auf ein medizinisches
Attest habe gegenwärtig der Umzug in eine Parterre-Wohnung organi-
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siert werden müssen, weil die Vorstellung, sich aus dem Fenster zu
stürzen, immer stärkeren Besitz von der Beschwerdeführerin 1 genom-
men habe.
W.
Mit Schreiben vom 30. August 2007 setzte der Rechtsvertreter das
Bundesverwaltungsgericht darüber in Kenntnis, dass der Ehemann der
Beschwerdeführerin 1 Ergänzungsleistungen zu seiner IV-Rente bezie-
hen könne. Damit bestehe kein Fürsorgerisiko mehr, sodass sich das
öffentliche Interesse am Vollzug der Wegweisung weiter gesenkt habe.
Zu erwähnen sei in diesem Zusammenhang der  trotz der schweren
psychischen Probleme ungebrochene  Arbeitswille der Beschwerde-
führerin 1, deren Stellenantritt bisher nur an der Haltung der kantona-
len Migrationsbehörde gescheitert sei. Der Bezug von Ergänzungsleis-
tungen werde zum Gegenstand eines neuen Wiedererwägungsge-
suchs beim Kanton gemacht.
X.
Am 19. September 2007 orientierte der Rechtsvertreter das Bundes-
verwaltungsgericht über die Abweisung des Wiedererwägungsgesuchs
durch das Ausländeramt des Kantons Schaffhausen und kündigte die
Ergreifung eines Rechtsmittels an. Er ersuchte das vorliegende Be-
schwerdeverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wiederer-
wägungsverfahrens pendent zu halten.
Y.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Er-
wägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Verfügungen des BFM betr. Ausdehnung der Wegweisung aus
dem Kanton auf das ganze Gebiet der Schweiz und das Fürstentum
Liechtenstein unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungs-
gericht (Art. 20 Abs. 1 ANAG i.V.m. Art. 31 ff. des Verwaltungsgerichts-
gesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).
1.2 Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über
das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das Verwal-
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tungsgerichtsgesetz keine abweichenden Bestimmungen aufstellt
(Art. 37 VGG).
1.3 Die Beschwerdeführerinnen sind als Adressatinnen der angefoch-
tenen Verfügung zur Beschwerdeführung legitimiert, und ihre Rechts-
mittel wurden frist- und formgerecht eingereicht (48 ff. VwVG). Auf die
Beschwerde ist deshalb einzutreten.
2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechts-
erheblichen Sachverhaltes und  soweit nicht eine kantonale Behörde
als Beschwerdeinstanz verfügt hat  die Unangemessenheit gerügt
werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Be-
schwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist ge-
mäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht ge-
bunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend
gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist
grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Ent-
scheides (vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Ur-
teils 2A.451/2002 vom 28. März 2003).
3.
In formeller Hinsicht rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs. Sie beanstanden, die Vorinstanz habe sie ent-
gegen Art. 30 Abs. 1 VwVG nicht vorgängig zur Feststellung angehört,
wonach der Ehemann der Beschwerdeführerin 1 seine volle IV-Rente
auch im Kosovo beziehen könne. Der Einwand ist offenkundig unbe-
gründet. Die Beschwerdeführerinnen übersehen, dass sich der An-
spruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich auf die Sachverhaltsgrund-
lagen eines Entscheides beschränkt. Die beanstandete Feststellung
beinhaltet jedoch eine Rechtsfrage, die sich darüber hinaus im zu prü-
fenden Zusammenhang offenkundig stellte und mit deren Aufgreifen
die rechtskundig vertretenen Beschwerdeführerinnen haben rechnen
müssen (vgl. dazu Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizeri-
schen Asylrekurskommission [EMARK] 1994 Nr. 13 E. 3b, S. 113 f. mit
Hinweisen). Nicht von ungefähr halten die Beschwerdeführerinnen im
weiteren Verlauf des Verfahrens weder an ihrer Rüge fest, noch äus-
sern sie sich in der Sache.
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4.
Gemäss Art. 12 Abs. 3 ANAG ist ein ausländischer Staatsangehöriger
zur Ausreise verpflichtet, wenn ihm die Erteilung oder Verlängerung ei-
ner Bewilligung verweigert wird. Die zuständige Behörde hat in diesen
Fällen den Tag festzusetzen, an dem die Aufenthaltsberechtigung auf-
hört, das heisst sie hat dem Ausländer eine Ausreisefrist anzusetzen.
Ist die Behörde eine kantonale, so hat der Ausländer aus dem Kanton,
ist sie eine eidgenössische, so hat er aus der Schweiz auszureisen.
Die eidgenössische Behörde kann die Pflicht zur Ausreise aus einem
Kanton auf die ganze Schweiz ausdehnen (nachfolgend als Ausdeh-
nung oder Ausdehnungsverfügung bezeichnet). Art. 17 Abs. 2 letzter
Satz der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesge-
setz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV, SR
142.201) präzisiert diese Norm, indem er festhält, dass das Bundes-
amt "in der Regel die Ausdehnung der Wegweisung auf die ganze
Schweiz" verfügt, "wenn nicht aus besonderen Gründen dem Auslän-
der Gelegenheit geboten werden soll, in einem anderen Kanton um
eine Bewilligung nachzusuchen".
4.1 Zum Verständnis der Regelung ist vorweg auf Art. 1a ANAG hinzu-
weisen. Danach ist ein Ausländer nur dann zur Anwesenheit in der
Schweiz berechtigt, wenn er über eine Aufenthalts- oder Niederlas-
sungsbewilligung verfügt oder nach dem Gesetz keiner solchen bedarf
(zum letzteren vgl. Art. 2 Abs. 1 ANAG und Art. 1 ANAV). Besitzt er kei-
ne Bewilligung und kann er sich auch nicht auf ein gesetzliches Blei-
berecht berufen, ist sein Aufenthalt illegal, und er ist von Gesetzes we-
gen verpflichtet, die Schweiz zu verlassen (vgl. Art. 18 ANAG, ferner
den Tatbestand des illegalen Aufenthaltes im Sinne von Art. 23 Abs. 1
ANAG, sowie: NICOLAS WISARD, Les renvois et leur exécution en droit
des étrangers et en droit d'asile, Basel / Frankfurt a.M. 1997, S. 102 ).
Seine Wegweisung ist vor diesem Hintergrund kein Eingriff in ein ir-
gendwie geartetes Anwesenheitsrecht, sondern eine exekutorische
Massnahme zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes (vgl.
ANDREAS ZÜND, Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhal-
tung, in: PETER UEBERSAX / PETER MÜNCH / THOMAS GEISER / MARTIN ARNOLD
[Hrsg.], Ausländerrecht. Ausländerinnen und Ausländer im öffentlichen
Recht, Privatrecht, Strafrecht, Steuerrecht und Sozialrecht der
Schweiz, Basel usw. 2002, Rz. 6.53 mit Hinweisen) und zugleich des-
sen logische und nicht in Frage zu stellende Konsequenz (Art. 12 Abs.
3 zweiter Satz ANAG verleiht der Behörde kein Entschliessungsermes-
sen; vgl. dazu WISARD, a.a.O., S. 130). Die Wegweisung kann in dieser
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Konstellation namentlich nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass
die Ausreisepflicht thematisiert wird, beispielsweise indem geltend ge-
macht wird, es bestehe ein überwiegendes privates Interesse am wei-
teren Verbleib in der Schweiz. Vorbringen, die solches zum Inhalt ha-
ben, sind in das Bewilligungsverfahren oder  nach Verweigerung ei-
ner Bewilligung  in das dafür vorgesehene Rechtsmittelverfahren ein-
zubringen (vorbehalten bleiben Vollzugshindernisse im Sinne von Art.
14a ANAG, dazu weiter unten; vgl. ferner WISARD, a.a.O., S. 103).
4.2 Das Gesagte gilt grundsätzlich für die ebenfalls exekutorisch wir-
kende Ausdehnungsverfügung. Wurde der Ausländer im Anschluss an
einen negativen kantonalen Bewilligungsentscheid aus dem Kanton
weggewiesen und hat er als Folge davon kein Recht zum Aufenthalt in
der Schweiz (Art. 1a ANAG), kann er die Ausreiseverpflichtung selbst
nicht zum Thema des Verfahrens machen (vorbehalten bleiben auch
hier Vollzugshindernisse im Sinne von Art. 14a ANAG, dazu weiter un-
ten). Es ist ihm namentlich verwehrt, Interessen einzubringen, die auf
den weiteren Verbleib in der Schweiz gerichtet sind; denn die
Ausreiseverpflichtung ist die gesetzliche Folge des fehlenden Aufent-
haltsrechts und ein Aufenthaltsrecht, das notwendig wäre, um die Aus-
reisepflicht zu beseitigen, wird dem Ausländer durch den Verzicht auf
eine Ausdehnungsverfügung nicht vermittelt. Dies ist schon deshalb
nicht möglich, weil die sachliche Zuständigkeit zur Legalisierung des
Aufenthaltes nach der geltenden bundesstaatlichen Kompetenzaus-
scheidung nicht beim Bund, sondern bei den Kantonen liegt. Der Bund
hat wohl die Möglichkeit, im Einzelfall eine fremdenpolizeiliche Rege-
lung durch den Kanton zu verhindern, umgekehrt besitzt er aber keine
Kompetenz, einen Kanton zur fremdenpolizeilichen Regelung eines
Ausländers anzuhalten oder ihn auch nur zu dulden (vgl. Art. 18
ANAG; vorbehalten bleibt das Asylrecht, das hier nicht von Bedeutung
ist, sowie die vorläufige Aufnahme, zu letzterer weiter unten).
4.3 Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des Art. 17 Abs. 2 ANAV
zu verstehen, wonach auf die Ausdehnung verzichtet werden kann,
wenn dem Ausländer aus besonderen Gründen Gelegenheit gegeben
werden soll, in einem anderen Kanton um Bewilligung nachzusuchen.
Da auf der einen Seite der Verzicht auf die Ausdehnung an der Illegali-
tät des Aufenthaltes nichts ändert, und es auf der anderen Seite nicht
angeht, einen rechtswidrigen Zustand in Kauf zu nehmen, wird Art. 17
Abs. 2 ANAV in dem Sinne ausgelegt, dass von einer Ausdehnung Ab-
stand genommen werden kann, wenn in einem Drittkanton ein Bewilli-
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gungsverfahren hängig ist und der Drittkanton dem Ausländer den Auf-
enthalt während des Verfahrens gestattet. Im Verhältnis zum wegwei-
senden Kanton erübrigt sich jede Massnahme, weil die Ausdehnungs-
verfügung von Gesetzes wegen dem Schicksal der kantonalen Weg-
weisung folgt (Akzessorietät der Ausdehnungsverfügung). Ist die kan-
tonale Wegweisung vorderhand nicht wirksam, weil beispielsweise ein
ordentliches Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung ergriffen oder
einem ausserordentlichen Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung zu-
erkannt wurde, dann ist es auch die Ausdehnungsverfügung nicht.
Dasselbe gilt, wenn der wegweisende Kanton um Wiedererwägung er-
sucht und dem Betroffenen im Rahmen einer vorsorglichen Massnah-
me der Aufenthalt während des Verfahrens gestattet wird. Wird
schliesslich die kantonale Wegweisung aufgehoben, fällt auch die Aus-
dehnungsverfügung dahin. In allen diesen Fällen treten die Wirkungen
in Bezug auf die Ausdehnungsverfügung ein, ohne dass es hierzu ei-
ner Anordnung der Bundesbehörden bedürfte.
5.
Die Beschwerdeführerinnen haben durch den negativen Bewilligungs-
entscheid der Behörden des Kantons Schaffhausen den Rechtstitel für
einen weiteren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz verloren. Fol-
gerichtig wurden sie aus dem Kanton weggewiesen. Da die Beschwer-
deführerinnen kein Bewilligungsverfahren in einem anderen Kanton
eingeleitet haben, besteht weder Anlass noch Möglichkeit, vom Grund-
satz der Ausdehnung der kantonalen Wegweisung abzuweichen. Die
Ausdehnung ist deshalb zu bestätigen. Sollten die Beschwerdeführe-
rinnen, wie mit Eingabe vom 19. September 2007 angekündigt, das in
erster Instanz durch die Behörden des wegweisenden Kantons Schaff-
hausen negativ beschiedene Wiedererwägungsverfahren weiterverfolgt
haben  die in Aussicht gestellte Orientierungskopie der Rechtsmittel-
schrift ist dem Bundesverwaltungsgericht nicht zugestellt worden  ,
würde dies nach dem weiter oben Gesagten nichts am dargestellten
Ergebnis ändern.
6.
Es bleibt zu prüfen, ob dem Vollzug der Wegweisung Hindernisse im
Sinne von Art. 14a Abs. 2 bis 4 ANAG entgegenstehen, d.h. ob der
Vollzug nicht möglich (Abs. 2), unzulässig (Abs. 3) oder unzumutbar ist
(Abs. 4). Sollte dies der Fall sein, wäre gestützt auf Art. 14a Abs. 1
ANAG an Stelle des Wegweisungsvollzugs die Ersatzmassnahme der
vorläufigen Aufnahme zu verfügen (vgl. dazu Botschaft zum Bundes-
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C-2276/2007
beschluss über das Asylverfahren [AVB] vom 25. April 1990, BBl 1990
II 647; WALTER KÄLIN, Grundriss des Asylverfahrens, Basel/Frankfurt
a.M. 1990, S. 201).
7.
Gemäss Art. 14a Abs. 3 ANAG ist der Vollzug der Wegweisung nicht
zulässig, wenn einer Weiterreise des Ausländers in seinen Heimat-,
Herkunfts- oder einen Drittstaat völkerrechtliche Verpflichtungen der
Schweiz entgegenstehen.
7.1 Die Beschwerdeführerinnen erblicken ein völkerrechtliches Voll-
zugshindernis in der Garantie des Familienlebens gemäss Art. 8
EMRK. Sie weisen darauf hin, dass sich der Ehemann seit 10 Jahren
in der Schweiz aufhalte und hier über ein de facto gefestigtes Anwe-
senheitsrecht verfüge. Er sei zudem wegen einer invalidisierenden Be-
hinderung auf medizinische Betreuung angewiesen, die in der Schweiz
optimal gewährleistet sei. Unter den gegebenen Umständen könne ihm
klarerweise nicht zugemutet werden, der Restfamilie in den Kosovo zu
folgen. Der Vollzug der Wegweisung würde zwangsläufig zu einer Tren-
nung der Familie führen, was als nicht gerechtfertigter Eingriff in die
Garantie des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK zu werten sei. Der
Vollzug der Wegweisung erweise sich deshalb als unzulässig im Sinne
von Art. 14a Abs. 3 ANAG. Den Rechtsstandpunkt der Vorinstanz, wo-
nach die Rüge der Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienle-
bens das kantonale Bewilligungsverfahren betreffe, nicht jedoch das
Ausdehnungsverfahren, lassen die Beschwerdeführerinnen nicht gel-
ten. Erst die Ausdehnung der kantonalen Wegweisung, so ihre Argu-
mentation, begründe die Verpflichtung, die Schweiz zu verlassen. Es
sei deshalb die Vorinstanz, die mit ihrer Anordnung die effektive Tren-
nung der Familie herbeiführe und damit die Garantie des Art. 8 EMRK
verletze. Im Gegensatz dazu schliesse die Verweigerung der Aufent-
haltsbewilligung und Wegweisung vom Kantonsgebiet in Anbetracht
der Kleinräumigkeit der kantonalen Territorien die Pflege familiärer
Kontakte über Kantonsgrenzen hinweg nicht aus.
7.2 Die Argumentation der Beschwerdeführerinnen kann nicht gefolgt
werden. Es ist nicht die Wegweisung aus dem Kanton und ihre Aus-
dehnung auf das ganze Gebiet der Schweiz, welche die Pflicht zur
Ausreise aus der Schweiz begründen. Diese Pflicht erwächst dem aus-
ländischen Staatsangehörigen unmittelbar gestützt auf das Gesetz,
sobald er die Voraussetzungen des Art. 1a ANAG für einen recht-
Seite 14
C-2276/2007
mässigen Aufenthalt nicht (mehr) erfüllt. Darauf wurde bereits weiter
oben hingewiesen (vgl. oben E. 4.1). Die Beschwerdeführerinnen irren
deshalb, wenn sie annehmen, der negative kantonale Bewilligungsent-
scheid beliesse ihnen zumindest dem Grundsatz nach die Möglichkeit,
familiäre Kontakte über Kantonsgrenzen hinweg auf schweizerischem
Gebiet zu pflegen. Es wurde sodann weiter oben dargelegt, dass das
Wegweisungsverfahren funktionell auf die Durchsetzung der Rechtsla-
ge gerichtet ist, wie sie sich nach dem negativen Ausgang des Bewilli-
gungsverfahrens ergibt (vgl. oben E. 4.1 und 4.2). Seiner rechtlichen
Natur nach stellt es ein Vollstreckungsverfahren dar, in dessen Rah-
men  seltene, hier nicht interessierende Ausnahmen vorbehalten
(Nichtigkeit, Verletzung unverjährbarer und unverzichtbarer Grundrech-
te)  die Rechtmässigkeit der Bewilligungsverweigerung grundsätzlich
nicht mehr geprüft wird (vgl. ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungs-
verfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich
1998, Rz. 520, zur beschränkten Anfechtbarkeit von Vollstreckungsver-
fügungen). Gestützt auf die durch BGE 109 Ib 183 bzw. BGE 110 Ib
201 begründete und in zahlreichen Urteilen bestätigte (vgl. z.B. BGE
127 II 60, 126 II 425, 126 II 377, 125 II 633, ), so genannte Reneja-
Praxis des Bundesgerichts anerkennt das schweizerische Ausländer-
recht einen Anspruch auf die Erteilung einer formellen Aufenthaltsbe-
willigung, wenn dem ausländischen Staatsangehörigen ein auf Dauer
angelegter Aufenthalt in der Schweiz nicht ohne Verletzung des
Rechts auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK verwei-
gert werden kann (vgl. dazu auch EMARK 2005 Nr. 3 E. 3.1 und 3.2
S. 31 ff.; ferner PHILIP GRANT, La protection de la vie familiale et de la
vie privée en droit des étrangers, Basel usw. 2000, S. 430 f.). Das
Gleiche ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 der Bundesverfassung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101),
aus dem sich im Bereich des Ausländerrechts keine über Art. 8 EMRK
hinausgehende Ansprüche ableiten lassen (vgl. BGE 126 II 377 E. 7 S.
394). Sofern deshalb das zu achtende Familienleben einen dauernden
Aufenthalt in der Schweiz voraussetzt, wird der Garantie des Art. 8
EMRK (und des Art. 13 Abs. 1 BV) im Bewilligungsverfahren Rechnung
getragen. Davon gehen nicht zuletzt die Beschwerdeführerinnen selbst
aus, die sich in ihrem Wiedererwägungsgesuch gegenüber den kanto-
nalen Bewilligungsbehörden ausdrücklich auf Art. 8 EMRK berufen.
Für eine Prüfung derselben Rechtsfrage im Rahmen des Wegwei-
sungsverfahrens nach negativ abgeschlossenem Bewilligungsverfah-
ren besteht weder Notwendigkeit noch Raum (vgl. Entscheid des Eid-
genössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 16. November
Seite 15
C-2276/2007
1998 E. 11d, in: Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 63.1;
vgl. zum Thema ferner PHILIP GRANT, a.a.O., S. 479 ff. mit Hinweisen auf
Rechtsprechung und abweichende Lehrmeinungen).
7.3 Die Prüfung der Garantien des Art. 8 EMRK im Rahmen des Be-
willigungsverfahrens steht nicht zuletzt im Einklang mit dem Institut der
vorläufigen Aufnahme, die vom historischen Gesetzgeber als temporä-
re Massnahme zum Schutz vor Gefahren im Zielland des Wegwei-
sungsvollzugs ausgestaltet wurde und nicht als Aufenthaltsbewilligung
 minderen Grades zur Wahrung von Interessen am weiteren Verbleib
in der Schweiz. Ganz in diesem Sinne führt der Bundesrat in seiner
Botschaft vom 25. April 1990 zum AVB aus, der Vollzug der Wegwei-
sung sei unzulässig, wenn ein Ausländer aus völkerrechtlichen Grün-
den nicht zur Ausreise in einen bestimmten Staat gezwungen werden
dürfe. Der Bundesrat nahm dabei ausdrücklich Bezug auf die völker-
rechtlichen Rückschiebungsverbote in Art. 33 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [SR 0.142.30], in
Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und
andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe (SR 0.105) und in Art. 3 EMRK (vgl. Botschaft zum AVB
vom 25. April 1990, BBl 1990 II 667 f.). Art. 8 EMRK blieb unerwähnt
und wurde auch anlässlich der parlamentarischen Beratung nicht als
ein mögliches völkerrechtliches Vollzugshindernis im Sinne von Art.
14a Abs. 3 ANAG genannt. Noch klarer ergibt sich das Konzept der
vorläufigen Aufnahme als Schutzmassnahme aus den Ausführungen
der Botschaft zur fehlenden Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs
gemäss Art. 14a Abs. 4 ANAG. Dort wird ausdrücklich festgehalten,
dass dieses Vollzugshindernis Fälle konkreter Gefährdung im Her-
kunftsstaat des Ausländers erfasse, und dass deshalb die Frage der
Zumutbarkeit im Unterschied zu Art. 13 Bst. f der Verordnung vom
6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (SR
823.21) nicht auf Grund der persönlichen Verhältnisse des Ausländers
in der Schweiz zu beurteilen sei, sondern nach Massgabe der Situati-
on, der er im Zielland des Wegweisungsvollzugs ausgesetzt wäre (vgl.
Botschaft zum AVB vom 25. April 1990, BBl 1990 II 668 f.)
7.4 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Be-
schwerdeführerinnen mit ihrer Berufung auf die Garantie des Familien-
lebens gemäss Art. 8 EMRK kein völkerrechtliches Vollzughindernis im
Sinne von Art. 14a Abs. 3 ANAG geltend machen.
Seite 16
C-2276/2007
8.
Gemäss Artikel 14a Absatz 4 ANAG kann der Vollzug nicht zumutbar
sein, wenn der betroffene ausländische Staatsangehörige im Zielland
des Wegweisungsvollzugs einer konkreten Gefährdung ausgesetzt
wäre.
8.1 Konkret gefährdet sind in erster Linie Gewaltflüchtlinge, das heisst
Personen, welche Unruhen, Bürgerkriegssituationen und allgemeiner
Missachtung der Menschenrechte entfliehen wollen, ohne bereits indi-
viduell verfolgt zu sein. Im Weiteren findet Artikel 14a Absatz 4 ANAG
Anwendung auf Personen, die nach ihrer Rückkehr ebenfalls einer
konkreten Gefährdung ausgesetzt wären, weil sie die absolut notwen-
dige medizinische Versorgung nicht erhalten könnten (dazu weiter un-
ten) oder  aus objektiver Sicht  wegen den herrschenden Verhältnis-
sen mit grosser Wahrscheinlichkeit unwiederbringlich in völlige Armut
gestossen würden, dem Hunger und somit einer Verschlechterung ih-
res Gesundheitszustands, der Invalidität oder sogar dem Tod ausgelie-
fert wären. Sind vom Vollzug der Wegweisung Kinder betroffen, so
kommt unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 der Kinderrechts-
konvention dem Kindeswohl besonders Gewicht bei (vgl. EMARK 2005
Nr. 6 E. 6 S. 57 f.). Wirtschaftliche Schwierigkeiten, von denen die an-
sässige Bevölkerung regelmässig betroffen ist, wie Wohnungsnot oder
ein schwieriger Arbeitsmarkt, vermögen allerdings keine konkrete Ge-
fährdung im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG zu begründen (vgl.
EMARK 2005 Nr. 24 E. 10.1 S. 215, EMARK 2003 Nr. 24 E. 5a und b
S. 157 f. und EMARK 1994 Nr. 19 E. 6b S. 148 f. jeweils mit Hinwei-
sen).
8.2 Eine konkrete Gefahr im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG kann
sich somit unter anderem auch aus der gesundheitlichen Situation der
weggewiesenen Person ergeben. Dies ist der Fall, wenn sie im Ziel-
land der Wegweisung die notwendige ärztliche Behandlung nicht er-
halten könnte (Botschaft zum AVB vom 25. April 1990, BBl 1990 II
668). Entscheidend ist dabei nicht, ob die medizinische Versorgung im
Zielland des Wegweisungsvollzugs einem Vergleich mit schweizeri-
schen medizinischen Standards standhält. Entscheidend ist vielmehr,
ob die unzureichenden medizinischen Behandlungsmöglichkeiten vor
Ort innerhalb kurzer Zeit und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine
wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Ge-
sundheitszustandes erwarten lassen (vgl. Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts D-4765/2006 vom 13. Juni 2007 E. 5.10 mit Hinweisen).
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C-2276/2007
Negative Folgen, die ihren Grund nicht in den Verhältnissen des Ziel-
lands haben, sondern im Vorgang des Wegweisungsvollzugs als sol-
chem  wie Depressionen mit Suizidgedanken als Folge des durch die
Wegweisung verursachten Verlusts von Lebensperspektiven in der
Schweiz  stellen den Wegweisungsvollzug grundsätzlich nicht in Fra-
ge. Ihnen kann in der Regel (und muss) durch medizinische Begleitung
des Vollzugs Rechnung getragen werden. Andererseits bilden gesund-
heitliche Probleme, welche für sich allein betrachtet den Wegwei-
sungsvollzug nicht bereits als unzumutbar erscheinen lassen, ein Be-
urteilungselement, welches in die vorzunehmende Interessenabwä-
gung einbezogen werden muss und zusammen mit weiteren humanitä-
ren Aspekten zur Feststellung der Unzumutbarkeit des Wegweisungs-
vollzugs führen kann (vgl. EMARK 2003 Nr. 24 E. 5b S. 158).
9.
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, der Vollzug der Wegwei-
sung sei im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG nicht zumutbar. Ihr Vor-
bringen begründen sie mit den desolaten Verhältnissen im Kosovo, in
die sie zurückkehren müssten und die ihnen  mangels dort lebender,
unterstützungsfähiger Verwandten  in sozioökonomischer Hinsicht ein
würdiges Überleben verunmöglichen würden. Zu berücksichtigen sei
ferner, dass einer sich daraus ergebenden Entwicklungsbeeinträchti-
gung des Kindes im Lichte der Kinderrechtskonvention vorrangige Be-
deutung zukomme und der Wegweisungsvollzug dem Kindesinteresse
klar widerspreche. Hauptsächlich aber berufen sich die Beschwerde-
führerinnen auf die schwere psychische Erkrankung der Beschwerde-
führerin 1, die zur Hospitalisierung im Psychiatriezentrum Breitenau
geführt habe und die auch nach der Entlassung aus der Spitalpflege
eine engmaschige ärztliche Betreuung erfordere. In die psychische Kri-
se sei die Beschwerdeführerin 1 angesichts der drohenden Trennung
vom Ehemann und der erzwungenen Rückkehr mit dem Kleinkind in
ein Land geraten, in dem sie ohne wirtschaftliche Existenzgrundlage
wäre und in dem sie nicht mit Unterstützung durch ihre dort anwesen-
de Familie rechnen könne. Dazu geselle sich der Verdacht auf eine
posttraumatische Belastungsstörung nach Gewalterfahrung während
des Krieges im Kosovo sowie ein kürzlich erlittener Abort als mögliche
Folge der Krise. Die Wechselwirkung der verschiedenen belastenden
Elemente hätte im Ergebnis zu einer ausgeprägten suizidalen Gefähr-
dung der Beschwerdeführerin 1 geführt. Den Einwand der Vorinstanz,
der Ehemann könne Frau und Kind unterstützen, indem er ihnen in
den Kosovo folge, wohin ihm seine IV-Rente ausbezahlt werden könne,
Seite 18
C-2276/2007
weisen die Beschwerdeführerinnen  wie bereits dargelegt  zurück. In
Anbetracht seines langjährigen Aufenthalts in der Schweiz und der
hiesigen optimalen medizinischen Betreuung könne von ihm eine
Rückkehr in den Kosovo vernünftigerweise nicht verlangt werden (vgl.
E. 7.1).
Zum gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin 1 werden
mehrere psychiatrische Berichte eingereicht, die einerseits von Dr.
med. M._______ und andererseits vom Psychiatriezentrum Breitenau
in Schaffhausen erstellt wurden. Die sich daraus ergebende Diagnose
lautete zunächst auf Anpassungsstörung, Depression und Angst, ge-
mischt, bei akuter Abschiebeandrohung in das Heimatland, ferner In-
somnie und Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung (Bericht
Dr. med. M._______ vom 19. April 2007 an den Rechtsvertreter, Über-
weisungsbericht des Psychiatriezentrums Breitenau an das Kantons-
spital Schaffhausen vom 6. Mai 2007). Nach der Schilderung Dr. med.
M._______s in seinem Bericht vom 19. April 2007 träten bei der Be-
schwerdeführerin 1 suizidale Phantasien auf, die durch Gedanken an
die Abschiebung ausgelöst würden. Für den Fall der Umsetzung des
Abschiebevorhabens müsse von akuter Suizidalität ausgegangen wer-
den. Als Therapie sah Dr. med. M._______ nebst engmaschiger ärztli-
cher und psychotherapeutischer Betreuung vor allem die Entlastung
von der akuten Abschiebeandrohung. Später trat eine Traumatisie-
rungsstörung durch Erlebnisse während des Kosovokriegs in den diag-
nostischen Vordergrund, wie dem Bericht des Psychiatriezentrums
Breitenau vom 23. Mai 2007 an den Rechtsvertreter entnommen wer-
den kann. Für den Fall des Wegweisungsvollzugs müsse mit einer Ver-
schlechterung des Krankheitsbildes gerechnet werden, insbesondere
durch eine mögliche Retraumatisierung. Im letzten aktenkundigen Be-
richt ist die Rede von einer  multiplen psychischen Störung mit de-
pressiven und Traumatisierungsanteilen (Bericht Dr. med. M._______
vom 7. August 2007). Nachdem Dr. med. M._______ in seinem Bericht
vom 19. April 2007 noch eine mittelgradige bis grenzwertig schwergra-
dige Ausprägung der Angst- und depressiven Störung diagnostiziert
hatte, stabilisierte sich der Zustand der Beschwerdeführerin 1 allmäh-
lich, sodass sie aus der Spitalpflege nach Hause entlassen werden
konnte. Allerdings hält Dr. med. M._______ in seinem Bericht vom
7. August 2007 fest, dass die von ihm diagnostizierte  multiple
psychische Störung zwar unter der medikamentösen und engmaschi-
gen psychotherapeutischen Betreuung durch seine Praxis einiger-
massen kompensiert, keineswegs jedoch restituiert sei. Der Wegwei-
Seite 19
C-2276/2007
sungsvollzug hätte  mit Sicherheit eine  starke Akzentuierung der
 multiplen psychischen Störung zur Folge.
10.
Das Bundesverwaltungsgericht kann sich den Vorbringen der Be-
schwerdeführerinnen aus den folgenden Gründen nicht anschliessen:
10.1 Die Argumentation der Beschwerdeführerinnen beruht zum
grossen Teil auf der Grundannahme, dem Ehemann könne es nicht zu-
gemutet werden, seine Angehörigen in den Kosovo zu begleiten und
zusammen mit ihnen dort zu leben. Weshalb es sich so verhalten soll-
te, wird allerdings nicht in einer substantiierten und schlüssigen Weise
dargetan. Der 10-jährige Aufenthalt in der Schweiz rechtfertigt jeden-
falls für sich allein einen solchen Schluss nicht, und was die medizini-
sche Seite anbetrifft, ist daran zu erinnern, dass noch in der Be-
schwerdeschrift ohne weitere Belege behauptet wurde, der Ehemann
sei auf intensive medizinische Behandlung angewiesen, die im Kosovo
auch nicht annähernd sichergestellt sei. Den später eingereichten Be-
weisdokumenten lässt sich freilich zum gegenwärtigen Status nur ent-
nehmen, dass sich der Ehemann regelmässiger Physiotherapie unter-
zieht (Verordnung Medizinische Trainingstherapie vom 21. Juni 2007,
Übergabebericht der Physiotherapie an die Medizinische Trainingsthe-
rapie des Kantonsspitals Schaffhausen vom 15. Juli 2007 und Zeitplan
für physiotherapeutische Sitzungen am Kantonsspital Schaffhausen für
die Monate April bis Juli 2007). Dass entsprechende Angebote im Hei-
matland des Ehemannes nicht bestünden, kann vernünftigerweise
nicht behauptet werden. Die Beschwerdeführerinnen liessen denn
auch ihre ursprüngliche Behauptung fallen und berufen sich ohne Be-
zugnahme auf den Kosovo ausschliesslich auf den hohen Standard
der medizinischen Betreuung in der Schweiz. Damit können die Be-
schwerdeführerinnen jedoch genauso wenig gehört werden, denn aus-
schlaggebend kann nur die Versorgung im Kosovo sein. Ansonsten
äussern sich die Beschwerdeführerinnen nicht zu den Gründen der
fehlenden Zumutbarkeit. Dies durchaus zu Recht. Es ist darauf hinzu-
weisen, dass der Ehemann ausserhalb der Schweiz sozialisiert wurde.
Erst unmittelbar vor dem Erreichen des 18. Lebensjahres gelangte er
im Rahmen eines (sehr) späten Familiennachzugs in die Schweiz.
Dementsprechend vertraut wird er mit den Verhältnissen in seiner Hei-
mat sein. Andererseits ist seine Integration in die hiesigen Verhältnisse
 soweit ersichtlich  eher bescheiden. Irgendwelche persönlichen Be-
ziehungen zur Schweiz bzw. der einheimischen Bevölkerung werden
Seite 20
C-2276/2007
nicht geltend gemacht und sind  über den familiären Kreis hinaus 
auch nicht ersichtlich. In sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht ist seine
Integration unterdurchschnittlich. Die letzte feste Anstellung als Hilfs-
pfleger in einem Altersheim verlor er im März 2003 durch fristlose Kün-
digung, nachdem festgestellt werden musste, dass er eine Heimbe-
wohnerin bestohlen hatte. Am 24. Juli 2003 wurde er deswegen vom
Untersuchungsrichteramt des Kantons Schaffhausen zu einer 5-tägi-
gen Haftstrafe verurteilt. Anschliessend war der Ehemann arbeitslos
und seit September 2004 ist er wegen Spätfolgen eines Unfalls, den er
im Jahr 1988 als Kind im Kosovo erlitten hatte, erwerbsunfähig. Ge-
genwärtig bezieht er eine volle IV-Rente. Diese würde ihm auch im Ko-
sovo ausbezahlt werden, was der gesamten Familie entscheidend hel-
fen dürfte, in der Heimat wieder Fuss zu fassen (vgl. Art. 2 und 8 des
Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und
der ehemaligen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialver-
sicherung vom 8. Juni 1962 [SR 0.831.109.818.1], das mangels eines
Abkommens mit den entsprechenden Nachfolgestaaten, darunter Ser-
bien, weiterhin anwendbar ist, vgl. dazu BGE 119 V 98 E. 3 S. 101 f.).
Wird schliesslich berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin 1 und
ihr Ehemann mit dem Erschleichen des Familiennachzugs die vorlie-
gende Situation zu verantworten haben, muss die Zumutbarkeit der
Rückkehr klar bejaht werden.
10.2 Der psychische Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin 1,
das andere zentrale Element der Beschwerde, gibt in der behaupteten
Form zu begründeten Zweifeln Anlass (zu den Qualitätsanforderungen
an Parteigutachten, vgl. BGE 125 V 351 E. 3.a S. 352). Denn ganz of-
fensichtlich war die Beschwerdeführerin 1 zwischen ihrer Einreise im
Juli 2003 und der Eröffnung der angefochtenen Verfügung Ende März
2007 psychisch unauffällig. Namentlich unterliess sie es, ihre psychi-
sche Gesundheit oder irgendwelche belastenden Kriegserlebnisse
zum Gegenstand des kantonalen Bewilligungsverfahrens oder des Ver-
fahrens vor der Vorinstanz zu machen. Stattdessen wurde mit dem Ge-
sundheitszustand des Ehemannes und unwahren bzw. irreführenden
Angaben zum familiären Beziehungsnetz im Kosovo argumentiert.
Noch in der Beschwerdeschrift vom 28. März 2007 wurde spekulativ
und vage auf die nicht einzuschätzenden Konsequenzen des Wegwei-
sungsvollzugs auf die psychische Gesundheit der Beschwerdeführerin
1 hingewiesen. Die dramatische Entwicklung zum schwerwiegenden
Krankheitsbild gemäss Bericht Dr. med. M._______ vom 19. April 2007
erfolgte dann innerhalb einiger weniger Tage. Von einer Hospitalisie-
Seite 21
C-2276/2007
rung wurde dennoch abgesehen. Dies wurde ohne erkennbare Verän-
derung des gesundheitlichen Zustands erst am 27. April 2007 nachge-
holt, nachdem ein Gesuch des Rechtsvertreters um Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung vom Bundesverwaltungsgericht kurz zu-
vor am 23. April 2007 abgewiesen worden war. Zu diesem Zeitpunkt
konnte Dr. med. M._______ dem Aufnahmearzt des
Psychiatriezentrums Breitenau aber bereits mitteilen, dass die
Beschwerdeführerin 1 während des Kosovokriegs traumatisierende
Erlebnisse gehabt hätte. Es gehe um Missbrauchserlebnisse, über die
sie sich verständlicherweise ausschweige, sowie ihre Anwesenheit bei
der Erschiessung eines Onkels mütterlicherseits, den sie
anschliessend habe begraben müssen. Das Schweigen über sexuelle
Missbrauchserlebnisse kann zwar im Allgemeinen nicht als Indiz für
fehlende Glaubwürdigkeit gelten, ein Indiz für die Wahrheit entspre-
chender Behauptungen stellt es auf der anderen Seite auch nicht dar.
Weshalb die Beschwerdeführerin 1 die angeblich miterlebte Erschie-
ssung ihres Onkels während des Kosovokriegs nicht hätte erwähnen
sollen, ist dagegen nicht ohne weiteres einsichtig. Hauptsächlich aber
ist darauf hinzuweisen, dass sich die traumatisierenden Erlebnisse
während des bis Juni 1999 dauernden Kosovokriegs zugetragen ha-
ben sollen. Die Beschwerdeführerin 1 ist jedoch erst im Juli 2003 in die
Schweiz gelangt, d.h. gut vier Jahre später und ein halbes Jahr nach
der Heirat mit ihrem Ehemann. Der späte Familiennachzug wurde
gegenüber der Beschwerdeführerin 1 und ihrem Ehemann im Rahmen
des kantonalen Bewilligungsverfahrens als Indiz für Täu-
schungsabsichten gewertet. Dem wurde in der Beschwerde an den
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen vom 13. Mai 2006 und in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Obergericht des Kantons
Schaffhausen vom 28. Juli 2006 dezidiert entgegengehalten, die Ehe-
leute hätten das Familiennachzugsgesuch nur deshalb nicht früher ge-
stellt, weil die Beschwerdeführerin 1 bis Mai 2003 in Ausbildung gewe-
sen sei und sie ihre Lehre bei einem früheren Nachzug hätte abbre-
chen müssen. Bei der heutigen Wirtschaftslage hätte man jedoch ohne
Ausbildung so gut wie keine Aussichten auf eine Arbeitsstelle. Das
Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass sich diese Umstän-
de nicht vereinbaren lassen mit dem heute vermittelten Bild einer
durch Kriegserlebnisse traumatisierten Frau, der bei einer Konfrontati-
on mit den Verhältnissen im Heimatland eine Retraumatisierung droht.
Die bestehenden Zweifel werden durch die knappen und wenig über-
zeugenden ärztlichen Berichte nicht ausgeräumt. Diagnostisch sind die
Seite 22
C-2276/2007
Berichte unscharf bzw. ungenügend, unter anderem auch deshalb, weil
sie nicht auf der Grundlage der psychiatrisch-diagnostischen Manuale
ICD-10 bzw. DSM-IV verfasst wurden. Anamnestische Angaben fehlen,
und es sind Defizite festzustellen, was Transparenz und Schlüssigkeit
anbetrifft. Es werden keine Informationen zur Anzahl und Dauer der
Sitzungen, die den schwer wiegenden Befunden zu Grunde liegen, ge-
liefert, die angewandten objektivierenden Verfahren werden nicht offen
gelegt und eine Zuordnung zwischen erhobenen Daten einerseits und
diagnostischen Schlussfolgerungen andererseits wird nicht vorgenom-
men. Zum Bericht von Dr. med. M._______ vom 19. April 2007 ist spe-
ziell zu bemerken, dass er sich im Wesentlichen auf ein Aneinanderrei-
hen von stichwortartigen Feststellungen beschränkt, ohne dass nach-
vollziehbar wäre, wie die schwer wiegende Diagnose objektiv zu recht-
fertigen ist bei einer Patientin ohne dokumentierte Krankengeschichte,
die unmittelbar vorher die Hilfe des berichtenden Arztes das erste Mal
überhaupt in Anspruch genommen hat. Es stellt sich weiter die Frage,
weshalb die Patientin bei diesem Krankheitsbild nach Hause entlassen
werden konnte. Die Überweisung in das Psychiatriezentrum Breitenau
erfolgte erst am 27. April 2007. In seinem Überweisungsbericht glei-
chen Datums schreibt Dr. med. M._______ dazu, er sehe sich zu einer
Einweisung veranlasst, weil die Beschwerdeführerin 1 im
Zusammenhang mit einer bevorstehenden Abschiebung suizidale Ge-
danken geäussert habe. Das tat sie aber bereits seit längerem. Die
einzige erkennbare Änderung bestand darin, dass das Bundesverwal-
tungsgericht mit Zwischenverfügung vom 23. April 2007 am Entzug der
aufschiebenden Wirkung festgehalten hatte. Der Bericht des
Psychiatriezentrums Breitenau vom 23. Mai 2007 ist sodann ohne
Benützung von Fachterminologie umgangssprachlich formuliert. Eine
Diagnose fehlt ganz. Dafür enthält er die Symptombeschreibung einer
posttraumatischen Belastungsstörung, ohne dass dies ausdrücklich so
deklariert wäre, und eine ursächliche Zurückführung der Beschwerden
auf traumatisierende Erlebnisse während des Kosovokriegs, die er
ohne kritische Distanz als feststehend betrachtet. Der Bericht von Dr.
med. M._______ vom 7. August 2008 ist schliesslich ohne
zusätzlichen Erkenntniswert, wenn davon abgesehen wird, dass ohne
Erklärung von einer multiplen psychischen Störung ausgegangen wird.
10.2.1 Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Be-
schwerdeführerin 1 nicht an psychischen Beschwerden leidet. Das
Bundesverwaltungsgericht ist jedoch der Überzeugung, dass diese
weniger auf eine Traumatisierung im Heimatland zurückzuführen sind
Seite 23
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als auf den Verlust einer tragfähigen Lebensperspektive in der
Schweiz, der durch den negativen Bewilligungsentscheid und die dro-
hende Wegweisung bewirkt wurde. Dass Personen in einer solchen
Konstellation je nach Veranlagung Depressionen mit suizidalen Ge-
danken entwickeln können, ist bekannt. Bekannt ist aber auch, dass im
Vollzugsstadium Drohungen mit Suizid auch einen neurotisch-manipu-
lativen Aspekt haben können. Wie dem auch sei, während des Vor-
gangs des Wegweisungsvollzugs kann, wie bereits erwähnt, allfälligen
Risiken durch entsprechende Ausgestaltung der Vollzugsmodalitäten
Rechnung getragen werden. Sollte die Beschwerdeführerin 1 auch
nach der Rückkehr in den Kosovo auf medizinische Betreuung ange-
wiesen sein, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb sie nicht in der
Lage sein sollte, das dortige, mit internationaler Hilfe laufend verbes-
serte Gesundheitssystem in Anspruch zu nehmen. In diesem Zusam-
menhang sei etwa auf die in grösseren Ortschaften vorhandenen, am-
bulanten Behandlungszentren für psychische Krankheiten verwiesen
(die sogenannten  Community Mental Health Centers [CMHC] ), in de-
nen unter anderem Gesprächstherapien angeboten werden, oder die
fünf stationären psychiatrischen Einheiten, wovon sich vier in Bezirks-
spitälern und eine in der Universitätsklinik in Pristina befinden. Als Er-
gänzung zu diesen Strukturen wurde im Jahre 2005 die  Mental Health
Intensive Care Psychiatric Unit Pristina (ICPU) eingeweiht. Hinzu tritt,
dass es dem Ehemann der Beschwerdeführerin 1 freisteht, seiner Fa-
milie in den Kosovo zu folgen und sie dort persönlich und vor allem
auch wirtschaftlich zu unterstützen. Über die finanziellen Möglichkeiten
dazu verfügt er, und dass ihm eine Rückkehr durchaus zugemutet wer-
den kann, darauf wurde weiter oben bereits ausführlich eingegangen.
Daneben kann die Beschwerdeführerin 1 mit einer - wenn nicht wirt-
schaftlichen, so doch zumindest moralischen - Unterstützung durch die
anderen, im Kosovo verbliebenen Familienangehörigen rechnen. Ak-
tenkundig ist in diesem Zusammenhang, dass allein in der Gemeinde
Junik die Mutter der Beschwerdeführerin 1, fünf Geschwister und zwei
Onkel leben. Schliesslich ist daran zu erinnern, dass im Rahmen des
Bewilligungsverfahrens geltend gemacht wurde, die Beschwerdeführe-
rin 1 habe im Kosovo eine Berufsausbildung absolviert. Alles in allem
kann auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls nicht davon aus-
gegangen werden, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführerinnen in
den Kosovo für sie im Sinne von Art. 14a Abs. 4 ANAG eine konkrete
Gefahr darstellt und deshalb nicht zumutbar ist.
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11.
Weitere Vollzugshindernisse im Sinne von Art. 14a ANAG werden nicht
geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus den Akten.
12.
Aus den obenstehenden Erwägungen folgt, dass die angefochtene
Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die
Beschwerde ist deshalb abzuweisen.
13.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die unterliegen-
den Beschwerdeführerinnen kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die
Verfahrenskosten sind auf Fr. 700.-- festzusetzen (Art. 1, Art. 2 und Art.
3 Bst. b des Reglements vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [SR 173.320.2]).
14.
Das vorliegende Urteil ist endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 4 des Bundes-
gerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 700.-- werden den Beschwerdeführerin-
nen auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von
Fr. 700.- verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerinnen (Einschreiben)
- die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. 2 214 918 zurück)
Der Kammerpräsident: Der Gerichtsschreiber:
Antonio Imoberdorf Julius Longauer
Versand:
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