C-181/2006 - Abteilung III - Einreise - Einreisesperre
Karar Dilini Çevir:
C-181/2006 - Abteilung III - Einreise - Einreisesperre
Abtei lung II I
C-181/2006
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 0 . F e b r u a r 2 0 0 8
Richterin Ruth Beutler (Vorsitz),
Richter Andreas Trommer, Richter Bernard Vaudan,
Gerichtsschreiber Thomas Segessenmann.
M._______, unbekannten Aufenthaltes,
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Einreisesperre.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-181/2006
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer, geboren am 8. November 1965, ist kroatischer
Staatsangehöriger und hielt sich im Sommer 2006 wiederholt in der
Schweiz auf.
B.
Am 18. August 2006 wurde er verhaftet und gleichentags vom Präsi-
denten des Strafgerichts Basel-Stadt wegen mehrfachen Arbeitens oh-
ne Bewilligung und mehrfachen rechtswidrigen Aufenthalts - begangen
an zehn Tagen in den Monaten Juni, Juli und August 2006 – zu einer
bedingten Gefängnisstrafe von zehn Tagen sowie einer Busse von
Fr. 1'000.- verurteilt.
C.
Mit Verfügung vom gleichen Tag erliess das Bundesamt für Migration
(BFM) gegen den Beschwerdeführer eine dreijährige Einreisesperre
wegen grober Zuwiderhandlungen gegen fremdenpolizeiliche Vor-
schriften (illegaler Aufenthalt, Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung).
D.
Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer am 19. August
2006 beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD)
Beschwerde und beantragt die Aufhebung der Einreisesperre. Zur Be-
gründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe als kroatischer
Staatsangehöriger visumsfrei in die Schweiz einreisen dürfen. Er sei
Informatiker und Inhaber einer Computerfirma in Kroatien und beab-
sichtige in der Schweiz eine Filiale zu gründen. Er bestreite nicht, dass
er einem Freund, der sein Haus renovieren lasse, geholfen habe. So-
weit er wisse, sei es jedoch auch in der Schweiz ein übliches Vorge-
hen, sich von einem Freund helfen zu lassen bei allgemeinen Arbeiten.
Fachspezifische Arbeiten seien nicht sein Tätigkeitsbereich und wür-
den auch nicht in seinem wahren Interesse liegen. Aus diesen Grün-
den könne er nicht akzeptieren, dass eine freundschaftliche und un-
entgeltliche Hilfe als mehrfaches Arbeiten ohne Bewilligung klassifi-
ziert werde.
E.
In der Vernehmlassung vom 20. November 2006 beantragt die Vorin-
stanz die Abweisung der Beschwerde.
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F.
Mit Replik vom 11. Dezember 2006 hält der Beschwerdeführer an sei-
nen Anträgen und der Begründung fest.
G.
Am 9. Januar 2007 wurde der Beschwerdeführer mit Bussenverfügung
des Untersuchungsamtes Altstätten wegen versuchter illegaler Einrei-
se – begangen am 23. November 2006 – zu einer Geldstrafe von
14 Tagessätzen sowie einer Busse von Fr. 150.- verurteilt.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Bundesgeset-
zes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG,
SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als
Vorinstanzen gelten die in Art. 33 und 34 VGG genannten Behörden.
Dazu gehört auch das BFM, das mit der Anordnung einer Einreise-
sperre eine Verfügung im erwähnten Sinne und daher ein zulässiges
Anfechtungsobjekt erlassen hat. Eine Ausnahme nach Art. 32 VGG
liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet endgültig
(Art. 83 Bst. c Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
[BGG, SR 173.110]).
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig
ist, die Beurteilung der am 1. Januar 2007 bei den Eidgenössischen
Rekurs- oder Schiedskommissionen oder bei den Beschwerdediensten
der Departemente hängigen Rechtsmittel und wendet das neue Ver-
fahrensrecht an (Art. 53 Abs. 2 VGG). Das Verfahren vor dem Bundes-
verwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das Gesetz
nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
1.3 Der Beschwerdeführer ist als Adressat der Verfügung vom 18. Au-
gust 2006 zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die
frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten
(Art. 49 ff. VwVG).
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2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung
von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechts-
erheblichen Sachverhaltes sowie, wenn nicht eine kantonale Behörde
als Beschwerdeinstanz verfügt hat, die Unangemessenheit gerügt wer-
den (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Be-
schwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist ge-
mäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht ge-
bunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend
gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist
grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Ent-
scheides (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.451/2002 vom 28. März
2003, E. 1.2, sowie Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-135/2006
vom 20. Dezember 2007, E. 2 mit weiteren Hinweisen).
3.
3.1 Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Ausländerin-
nen und Ausländer (AuG, SR 142.20) am 1. Januar 2008 wurde das
ehemalige Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Nie-
derlassung der Ausländer (aANAG, BS 1 121) abgelöst (vgl. Art. 125
AuG i.V.m. Ziff. I des Anhangs zum AuG). Auf Verfahren, die vor die-
sem Zeitpunkt eingeleitet wurden, bleibt das bisherige Recht anwend-
bar (vgl. Art. 126 Abs. 1 AuG sowie Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts C-3912/2007 vom 14. Februar 2008, E. 2). Die angefochtene
Verfügung erging vor dem Inkrafttreten des AuG. Für die materielle Be-
urteilung der vorliegenden Beschwerde ist daher auf die altrechtliche
Regelung, insbesondere auf Art. 13 Abs. 1 aANAG und die einschlägi-
gen Bestimmungen der ebenfalls aufgehobenen Verordnungen (vgl.
Art. 91 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufent-
halt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]), abzustellen.
3.2 Die eidgenössische Behörde kann für höchstens drei Jahre eine
Einreisesperre über Ausländerinnen und Ausländer verhängen, die
sich grobe oder mehrfache Zuwiderhandlungen gegen fremdenpolizei-
liche Bestimmungen haben zuschulden kommen lassen. Während der
Einreisesperre ist der ausländischen Person jeder Grenzübertritt ohne
ausdrückliche Ermächtigung der verfügenden Behörde untersagt (Art.
13 Abs. 1 Sätze 2 und 3 aANAG).
Nach ständiger Praxis gelten die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oh-
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ne Bewilligung, der illegale Aufenthalt und die illegale Einreise als gro-
be Zuwiderhandlungen im Sinne des Gesetzes, weil sie sich gegen
Normen richten, die für das Funktionieren der fremdenpolizeilichen
Ordnung von zentraler Bedeutung sind (vgl. Verwaltungspraxis der
Bundesbehörden [VPB] 63.38, E. 13, sowie z.B. Urteile des Bundes-
verwaltungsgerichts C-76/2006 vom 20. Dezember 2007, E. 2,
C-121/2006 vom 12. November 2007, E. 2.1, und C-154/2006 vom
29. Oktober 2007, E. 4).
Für die Verhängung einer Einreisesperre ist kein vorsätzlicher Verstoss
gegen fremdenpolizeiliche Bestimmungen erforderlich. Es genügt,
wenn der ausländischen Person eine Sorgfaltspflichtverletzung zuge-
rechnet werden kann. Unkenntnis oder Fehlinterpretation der Einreise-
oder Aufenthaltsvorschriften stellt normalerweise keinen hinreichenden
Grund für ein Absehen von einer an sich gebotenen Fernhaltemass-
nahme dar. Jeder Ausländerin und jedem Ausländer obliegt, sich über
bestehende Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit fremdenpoli-
zeilichen Vorschriften ins Bild zu setzen und sich im Falle von Unklar-
heiten gegebenenfalls bei den zuständigen Stellen zu informieren
(vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-102/2006 vom 16. No-
vember 2007, E. 4.2).
3.3 Eine ausländische Person ist zur Anwesenheit in der Schweiz be-
rechtigt, wenn sie eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung
besitzt oder keiner solchen bedarf (Art. 1a aANAG). Ohne behördliche
Bewilligung dürfen sich Ausländerinnen und Ausländer während der für
sie geltenden Anmeldefrist in der Schweiz aufhalten, sofern sie recht-
mässig eingereist sind (Art. 1 Abs. 1 der ehemaligen Vollziehungsver-
ordnung vom 1. März 1949 zum aANAG [aANAV, AS 1949 I 228]).
Ausländische Personen, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in die
Schweiz eingereist sind, haben sich innert acht Tagen, auf jeden Fall
vor Antritt einer Stelle, bei der Fremdenpolizeibehörde des Aufent-
haltsortes zur Regelung der Bedingungen ihrer Anwesenheit anzumel-
den (Art. 2 Abs. 1 aANAG). Ist die ausländische Person, die zur Ausü-
bung einer Erwerbstätigkeit mit Stellenantritt eingereist ist, im Besitze
einer Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt, kann
sie - sofern nichts anderes verfügt ist - die Stelle sofort nach erfolgter
Anmeldung antreten (Art. 6 Abs. 4 aANAV). Ansonsten darf die nicht
niedergelassene ausländische Person eine Stelle erst antreten, wenn
ihr der Aufenthalt zu diesem Zweck bewilligt wurde (Art. 3 Abs. 3
aANAG).
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Als Erwerbstätigkeit gilt jede normalerweise auf Erwerb gerichtete un-
selbstständige oder selbstständige Tätigkeit, selbst wenn sie unent-
geltlich ausgeübt wird (Art. 6 Abs. 1 der ehemaligen Verordnung vom
6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer [aBVO,
AS 1986 1791]). Als Erwerbstätigkeit gelten auch Beschäftigungen, die
stunden-, tageweise oder bloss vorübergehend ausgeübt werden
(Art. 6 Abs. 2 Bst. c aBVO).
4.
4.1 Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer im Som-
mer 2006 wiederholt in die Schweiz gereist ist und bei einem hier le-
benden Bekannten während mindestens zehn Tagen Umbauarbeiten
ausgeführt hat. Als Gegenleistung dafür wurden ihm Essen und Unter-
kunft gewährt sowie die Reisen von Zagreb nach Basel bezahlt. Zu-
dem versprach ihm sein Bekannter, bei der Gründung einer GmbH in
der Schweiz behilflich zu sein. Aufgrund der relativ langen Dauer der
Arbeitseinsätze sowie der im Gegenzug dafür ausgerichteten bzw. in
Aussicht gestellten Entschädigung sind die "Freundschaftsdienste" des
Beschwerdeführers als Erwerbstätigkeit zu qualifizieren, für welche er
vorgängig eine Bewilligung hätte einholen müssen.
Durch sein Verhalten hat der Beschwerdeführer sodann nicht nur die
gesetzlichen Vorschriften betreffend die Aufnahme einer Erwerbstätig-
keit in der Schweiz verletzt, sondern zugleich den Tatbestand des ille-
galen Aufenthalts erfüllt. Gestützt auf Art. 1 des Abkommens vom
13. Mai 1997 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Re-
gierung der Republik Kroatien über die gegenseitige Aufhebung der Vi-
sumspflicht (SR 0.142.112.911) können kroatische Staatsangehörige
zwar visumsfrei in die Schweiz einreisen. Diese Visumsbefreiung gilt
indessen gemäss Art. 2 des besagten Abkommens nicht für Personen,
die beabsichtigen, hier eine Stelle anzutreten.
Schliesslich besteht vorliegend kein Anlass von der Einschätzung des
Strafrichters abzuweichen, der das erwähnte Verhalten des Beschwer-
deführers nicht als Bagatelle betrachtet hat, sondern ihn mit unange-
fochten in Rechtskraft erwachsenem Strafbefehl vom 18. August 2006
wegen mehrfachen Arbeitens ohne Bewilligung und mehrfachen
rechtswidrigen Aufenthalts zu einer bedingten Gefängnisstrafe von
zehn Tagen sowie einer Busse von Fr. 1'000.- verurteilt hat.
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4.2 Nach dem Gesagten ist der Tatbestand der groben Zuwiderhand-
lung gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften als erfüllt zu betrachten
(Art. 13 Abs. 1 Satz 2 aANAG).
5.
5.1 Es bleibt somit zu prüfen, ob die angeordnete Einreisesperre als
solche sowie deren Dauer verhältnismässig und angemessen sind
(Art. 49 Bst. a und c VwVG).
5.2 Wie bereits erwähnt wurde, hat der Beschwerdeführer fremdenpo-
lizeiliche Bestimmungen grob verletzt. Das generalpräventiv motivierte
öffentliche Interesse, die fremdenpolizeiliche Ordnung durch eine kon-
sequente Massnahmenpraxis gegenüber fehlbaren Ausländerinnen
und Ausländern zu schützen, ist gewichtig. Im vorliegenden Fall fällt
zudem in spezialpräventiver Hinsicht zu Ungunsten des Beschwerde-
führers insbesondere ins Gewicht, dass er am 23. November 2006 in
Missachtung der gegen ihn bestehenden Einreisesperre versucht hat,
erneut in die Schweiz einzureisen. Damit hat er ein Verhalten an den
Tag gelegt, welches befürchten lässt, dass er auch künftig nicht gewillt
sein könnte, sich an die hiesigen fremdenpolizeilichen Regeln zu hal-
ten. Die auf Replikstufe geltend gemachten privaten Interessen des
Beschwerdeführers, wonach er beabsichtige, sich in der Schweiz mit
der Gründung einer GmbH eine Existenz aufzubauen und hier zudem
viele seiner Freunde und Bekannte leben würden, sind schliesslich
nicht weiter substanziiert und vermögen die auf dem Spiel stehenden
öffentlichen Interessen nicht aufzuwiegen.
5.3 Vor diesem Hintergrund ist die Anordnung der Einreisesperre als
solche nicht zu beanstanden und erweist sich deren Dauer von drei
Jahren – zumindest seit dem erwähnten Vorfall vom 23. November
2006 – unter Berücksichtigung der Praxis in vergleichbaren Fällen als
verhältnismässig und angemessen.
6.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung
Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt rich-
tig und vollständig feststellt; sie ist auch angemessen (Art. 49 VwVG).
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer die
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Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Diese sind mit dem
geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen.
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt. Sie werden mit dem am 4. Oktober 2006 geleisteten Kosten-
vorschuss von Fr. 600.- verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an:
- den Beschwerdeführer (durch Publikation im Bundesblatt)
- die Vorinstanz (Akten retour)
- die Bevölkerungsdienste und Migration des Kantons Basel-Stadt
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Ruth Beutler Thomas Segessenmann
Versand:
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