C-1695/2007 - Abteilung III - Einreise - Verweigerung eines Visums zu Besuchszwecken
Karar Dilini Çevir:
C-1695/2007 - Abteilung III - Einreise - Verweigerung eines Visums zu Besuchszwecken
Abtei lung II I
C-1695/2007
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 5 . J u l i 2 0 0 8
Richter Andreas Trommer (Vorsitz),
Richter Blaise Vuille,
Richterin Ruth Beutler,
Gerichtsschreiberin Denise Kaufmann.
M._______,
Beschwerdeführerin,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Verweigerung eines Visums zu Besuchszwecken für
N._______.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
C-1695/2007
Sachverhalt:
A.
Der aus Kenia stammende, 1986 geborene N._______ (im Folgenden:
Gesuchsteller) beantragte bei der Schweizerischen Botschaft in Nairo-
bi am 7. Dezember 2006 ein Visum für einen dreimonatigen Besuchs-
aufenthalt bei seiner Mutter M._______ (im Folgenden: Gastgeberin
bzw. Beschwerdeführerin) in Dorf (ZH). Die Schweizer Vertretung lehn-
te es ab, in eigener Kompetenz ein Visum zu erteilen, und leitete das
Gesuch zur Prüfung und zum Entscheid an die Vorinstanz weiter.
B.
Nachdem das Migrationsamt des Kantons Zürich bei der Gastgeberin
Auskünfte eingeholt und an die Vorinstanz weitergeleitet hatte, verwei-
gerte diese in einer Verfügung vom 6. Februar 2007 die nachgesuchte
Einreisebewilligung. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die an-
standslose und fristgerechte Wiederausreise nach einem Besuchsauf-
enthalt könne nicht als gesichert betrachtet werden. Der Gesuchsteller
lebe in einer Region, aus der als Folge der dort herrschenden wirt-
schaftlichen und soziokulturellen Verhältnisse ein anhaltend starker
Zuwanderungsdruck festzustellen sei. Bei ihm selbst seien weder be-
rufliche noch gesellschaftliche Verpflichtungen, aber auch keine
familiären Verantwortlichkeiten auszumachen, die trotz dieser Verhält-
nisse besondere Gewähr für eine Wiederausreise abgeben könnten.
C.
Mit Beschwerde vom 5. März 2007 beantragt die Gastgeberin beim
Bundesverwaltungsgericht implizit die Aufhebung der vorinstanzlichen
Verfügung und die Erteilung der Einreisebewilligung. Zur Begründung
bringt sie sinngemäss vor, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus,
dass die Wiederausreise des Gesuchstellers nach einem Besuchsauf-
enthalt nicht gesichert wäre. Dieser habe soeben "Universitätsab-
schlussprüfungen" gemacht und dürfe aufgrund seiner "schulischen
Höchstleistungen" mit sehr guten Examensnoten rechnen. Damit sei er
wahrscheinlich Anwärter auf ein Stipendium für ein Studium in Dublin.
Die Noten würden aber erst Ende März 2007 bekannt gegeben, und
das Studium in Dublin beginne im November 2007. Die Zeit dazwi-
schen möchte er für einen Besuchsaufenthalt bei ihr (der Beschwerde-
führerin) in der Schweiz nutzen.
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D.
Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 23. April 2007
auf Abweisung der Beschwerde.
E.
Die Beschwerdeführerin machte von dem ihr eingeräumten Recht auf
Replik keinen Gebrauch.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Verfügungen des Bundesamtes für Migration (BFM) betreffend
Verweigerung der Einreisebewilligung unterliegen der Beschwerde an
das Bundesverwaltungsgericht (Art. 31, Art. 32 sowie Art. 33 Bst. d des
Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).
1.2 Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundes-
verwaltungsgericht nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968
über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das Ver-
waltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt. Das Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts ist endgültig (Art. 1 Abs. 2 VGG i.V.m. Art. 83
Bst. c Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR
173.110]).
1.3 Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 48 VwVG zur Beschwerde
legitimiert; auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist
einzutreten (Art. 50 ff. VwVG).
2.
Am 1. Januar 2008 traten das neue Bundesgesetz vom 16. Dezember
2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) sowie
die dazugehörigen Ausführungsverordnungen in Kraft (u.a. die Verord-
nung vom 24. Oktober 2007 über das Einreise- und Visumverfahren
[VEV, SR 142.204]). Gemäss Art. 126 Abs. 1 AuG bleibt auf Gesuche,
die vor dem Inkraftreten des AuG eingereicht worden sind, das bisheri-
ge Recht anwendbar. Die Beurteilung erfolgt somit noch nach dem al-
ten Recht. Einschlägig sind das Bundesgesetz vom 26. März 1931
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (aANAG, BS 1 121,
zum vollständigen Quellennachweis vgl. Ziff. I des Anhangs zum AuG)
und die Verordnung vom 14. Januar 1998 über die Einreise und An-
meldung von Ausländerinnen und Ausländern (aVEA, AS 1998 194,
zum vollständigen Quellennachweis vgl. Art. 39 VEV).
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3.
3.1 Die Schweizerische Rechtsordnung gewährt grundsätzlich keinen
Anspruch auf Bewilligung der Einreise. Der Entscheid darüber ist - vor-
behältlich nachfolgend zu erörternder Hinderungsgründe - von der Be-
willigungsbehörde in pflichtgemässer Ausübung ihres Ermessens zu
fällen (Art. 4 und Art. 16 Abs. 1 aANAG, Art. 9 Abs. 1 aVEA, PETER
UEBERSAX, Einreise und Anwesenheit, in: PETER UEBERSAX / PETER MÜNCH /
THOMAS GEISER / MARTIN ARNOLD (Hrsg.), Ausländerrecht, Ausländerinnen
und Ausländer im öffentlichen Recht, Privatrecht, Steuerrecht und So-
zialrecht der Schweiz, Basel/Genf/München 2002, S. 143; URS BOLZ,
Rechtsschutz im Ausländer- und Asylrecht, Basel und Frankfurt a.M.
1990, S. 29 mit weiteren Hinweisen; PHILIP GRANT, La protection de la
vie familiale et de la vie privée en droit des étrangers, Basel usw.
2000, S. 24.
3.2 Ausländerinnen und Ausländer benötigen zur Einreise in die
Schweiz einen Pass und ein Visum, sofern sie nicht aufgrund beson-
derer Regelung von diesem Erfordernis ausgenommen sind (Art. 1 bis
5 aVEA). Um ein Visum zu erhalten, müssen Ausländerinnen und Aus-
länder die in Artikel 1 Absatz 2 aVEA aufgeführten Voraussetzungen
erfüllen. Sie haben unter anderem Gewähr für eine fristgerechte Wie-
derausreise zu bieten (Art. 1 Abs. 2 Bst. c aVEA).
4.
4.1 Der Gesuchsteller benötigt aufgrund seiner Nationalität zur Einrei-
se in die Schweiz nebst dem Pass ein Visum. Die Vorinstanz verwei-
gerte die Erteilung eines solchen Visums mit der Begründung, die an-
standslose und fristgerechte Wiederausreise erscheine nicht als hinrei-
chend gesichert.
4.2 Wenn es zu beurteilen gilt, ob das Kriterium der gesicherten Wie-
derausreise erfüllt ist, muss ein zukünftiges Verhalten beurteilt werden.
Dazu lassen sich in der Regel keine Feststellungen, sondern lediglich
Prognosen treffen. Dabei rechtfertigt es sich durchaus, Einreisegesu-
chen von Bürgerinnen und Bürgern aus Staaten oder Regionen mit po-
litisch respektive wirtschaftlich vergleichsweise ungünstigen Verhältnis-
sen zum vornherein mit Zurückhaltung zu begegnen, da die persönli-
che Interessenlage in solchen Fällen häufig nicht mit dem Ziel und
Zweck einer zeitlich befristeten Einreisebewilligung in Einklang steht.
4.3 In Kenia sind breite Bevölkerungsschichten von vergleichsweise
schwierigen ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen betrof-
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fen. Zwischen 1990 und 2002 (unter der damaligen Regierung von Da-
niel arap Moi) war Kenia von einem anhaltenden wirtschaftlichen und
sozialen Niedergang geprägt. So lag das Pro-Kopf-Einkommen 2002
mit USD 360 unterhalb des Niveaus von 1990 mit USD 380. Der Bevöl-
kerungsanteil mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze stieg
von 43,3% im Jahre 1990 auf geschätzte 56% im Jahre 2002 (Quelle:
Landesweites Monitoring von Strategien nachhaltiger Armutsbekämp-
fung/PRSPs, Band 2: Länderstudien Burkina Faso, Kenia, Nicaragua,
Vietnam, August 2004, S. 82 ff.; Herausgeber: Deutsche Gesellschaft
für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH, im Auftrag des Bun-
desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
). In Kenia sind nach wie vor viele – vornehmlich junge
Menschen – arbeitslos oder in unsicheren Verhältnissen beschäftigt.
Obwohl das Wirtschaftswachstum im Jahre 2006 6,1% betrug, und die
Prognose für das Jahr 2007 bei 7% lag, leben auch heute noch rund
56% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Hinzu kommt, dass
in Kenia in jüngster Vergangenheit wiederholt Menschenrechtsver-
stösse durch staatliche Organe zu verzeichnen waren; dies insbeson-
dere nach den umstrittenen Wahlen vom 27. Dezember 2007, im Zuge
der damals ausgebrochenen Unruhen (Quelle: www.auswaertiges-
, Stand Januar 2008, besucht am 9. Juli 2008). Entsprechend
hoch ist der Anteil jener, die versuchen, nach Westeuropa – unter an-
derem auch in die Schweiz – zu gelangen, um sich unter günstigeren
Lebensbedingungen eine (bessere) Existenz aufzubauen. Diese Ten-
denz zur Auswanderung zeigt sich erfahrungsgemäss besonders stark
bei jüngeren und ungebundenen Personen, die bereits über ein mini-
males soziales Beziehungsnetz im Ausland (Verwandte oder Freunde)
verfügen. Im Falle der Schweiz führt dies angesichts der restriktiven
fremdenpolizeilichen Zulassungsregelung nicht selten zur Umgehung
ausländerrechtlicher Bestimmungen.
5.
5.1 Bei der Risikoanalyse sind allerdings nicht nur solch allgemeine
Umstände und Erfahrungen, sondern auch sämtliche Gesichtspunkte
des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen. Obliegt einer Gesuch-
stellerin oder einem Gesuchsteller im Heimatland beispielsweise eine
besondere berufliche, gesellschaftliche oder familiäre Verantwortung,
kann dieser Umstand durchaus die Prognose für eine anstandslose
Wiederausreise begünstigen. Umgekehrt muss bei Antragstellerinnen
und Antragstellern, die in ihrer Heimat keine besonderen Verpflichtun-
gen haben, das Risiko für ein fremdenpolizeilich nicht regelkonformes
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Verhalten (nach bewilligter Einreise zu einem Besuchsaufenthalt) hoch
eingeschätzt werden.
5.2 Beim Gesuchsteller handelt es sich um einen 21-jährigen, ledigen
jungen Mann. Über seine familiären Verhältnisse ist nur gerade be-
kannt, dass seine Mutter in der Schweiz wohnt, und dass er in Kenia
noch Familienangehörige hat. Ob der Gesuchsteller in Kenia alleine
oder in einem Familienverband lebt, ergibt sich aus den Akten nicht.
Jedenfalls ist bei ihm kein soziales Umfeld mit persönlichen oder fami-
liären Bindungen oder gar Verpflichtungen erkennbar, welche die Prog-
nose einer fristgerechten Wiederausreise nach einem Besuchsaufent-
halt begünstigen könnten. Demgegenüber lebt die Mutter, also eine
wichtige Bezugsperson des Gesuchstellers, in der Schweiz. Dieser
könnte also durchaus versucht sein, bei seiner Mutter zu bleiben.
5.3 Im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung war der Gesuchsteller nicht
erwerbstätig. Offenbar hatte er damals gerade eine Schulausbildung
abgeschlossen und stand vor der Aufnahme eines Studiums (dies ge-
mäss Darstellung der Beschwerdeführerin). Ob er inzwischen ein Stu-
dium an einer Hochschule begonnen hat, ist nicht bekannt. Demnach
lässt sich auch nicht abschätzen, welche beruflichen und wirtschaftli-
chen Perspektiven er in seinem Heimatland hat. Wie dem auch sei: Vor
dem Hintergrund der erwähnten schwierigen Verhältnisse vor Ort ver-
steht sich von selbst, dass allein die Tatsache einer laufenden oder be-
absichtigten Berufsausbildung nicht schon den Schluss auf intakte Zu-
kunftsaussichten in Kenia und damit auf fehlenden Migrationsdruck zu-
lassen würde.
5.4 Vor dem aufgezeigten persönlichen und allgemeinen Hintergrund
durfte die Vorinstanz demnach davon ausgehen, dass keine hinrei-
chende Gewähr für eine fristgerechte und anstandslose Wiederausrei-
se des Gesuchstellers nach einem Besuchsaufenthalt besteht. Aus
den Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin den Gesuchsteller
sowohl im April 2006 als auch im Frühling 2007 in Kenia besucht hat,
weshalb die Pflege familiärer Kontakte zwischen den Beteiligten als si-
chergestellt zu betrachten ist.
6.
Aus vorstehenden Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung
im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde
ist daher abzuweisen.
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7.
Entsprechend dem Verfahrensausgang wird die unterliegende Be-
schwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG, Art. 1, 2 und 3
Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Ent-
schädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [SR 173.320.2]).
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt. Sie werden mit dem am 4. April 2007 geleisteten Kostenvor-
schuss von Fr. 600.-- verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin (Einschreiben)
- die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. 2 267 677 retour)
- das Migrationsamt des Kantons Zürich ad ZH 2 138 212.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Andreas Trommer Denise Kaufmann
Versand:
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