BVGE 2013/17 - Abteilung III - Tarife der Leistungserbringer - Krankenversicherung. Neue Spitalfinanzierung. Ref...
Karar Dilini Çevir:
BVGE 2013/17 - Abteilung III - Tarife der Leistungserbringer - Krankenversicherung. Neue Spitalfinanzierung. Ref...
2013/17 Krankenversicherung/Referenztarif


208 BVGE / ATAF / DTAF

8 Gesundheit – Arbeit – Soziale Sicherheit
Santé – Travail – Sécurité sociale
Sanità – Lavoro – Sicurezza sociale
17
Auszug aus dem Urteil der Abteilung III
i.S. Spital A. AG gegen Regierungsrat des Kantons Aargau
C–617/2012 vom 13. Juni 2013
Krankenversicherung. Neue Spitalfinanzierung. Referenztarif für
ausserkantonale Wahlbehandlungen. Zulässigkeit einer einzelfall-
unabhängigen Festlegung; Zuständigkeit. Beschwerdelegitimation.
Grundsatzurteil.
Art. 41 Abs. 1
bis
, Art. 53 KVG. Art. 48 VwVG.
1. Unter Referenztarifen sind bereits bestehende Tarife anderer
zugelassener Spitäler zu verstehen. Es handelt sich daher nicht
um einen Tarif, welcher von den Tarifparteien vertraglich zu
vereinbaren und von der zuständigen Kantonsregierung – nach
Konsultation der Preisüberwachung – zu genehmigen (Art. 46
Abs. 4 KVG) oder im vertragslosen Zustand gemäss Art. 47
Abs. 1 KVG hoheitlich festzusetzen ist (E. 2.3.1).
2. Das KVG schliesst eine einzelfallunabhängige Festlegung des
Referenztarifs im Sinne von Art. 41 Abs. 1
bis
KVG nicht aus; mit
Blick auf den vom Gesetzgeber angestrebten interkantonalen
Wettbewerb erscheint eine solche sogar angezeigt. Zuständig zur
Festlegung dieses Tarifs sind die Kantonsregierungen (E. 2.5).
3. Beschlüsse der Kantone betreffend Referenztarif im Sinne von
Art. 41 Abs. 1
bis
KVG sind beim Bundesverwaltungsgericht
anfechtbar (E. 2.6).
4. Spitäler sind nicht legitimiert, den von einer Kantonsregierung
festgelegten Referenztarif für ausserkantonale Wahlbehandlung-
en anzufechten (E. 3.4).

Krankenversicherung/Referenztarif 2013/17


BVGE / ATAF / DTAF 209

Assurance-maladie. Nouveau financement hospitalier. Tarif de réfé-
rence pour les traitements hors canton choisis par l'assuré. Admissi-
bilité du tarif déterminé indépendamment du cas particulier; compé-
tence. Qualité pour recourir. Arrêt de principe.
Art. 41 al. 1
bis
, art. 53 LAMal. Art. 48 PA.
1. Par tarifs de référence, il faut comprendre les tarifs déjà
appliqués dans d'autres hôpitaux répertoriés. N'entrent donc pas
dans cette catégorie les tarifs qui – après consultation de la
Surveillance des prix − doivent faire l'objet d'une convention
entre les parties concernées et être approuvés par le gouverne-
ment cantonal compétent (art. 46 al. 4 LAMal), ou être fixés
souverainement en l'absence de convention tarifaire, conformé-
ment à l'art. 47 al. 1 LAMal (consid. 2.3.1).
2. La LAMal n'exclut pas la possibilité de déterminer le tarif de
référence au sens de l'art. 41 al. 1
bis
LAMal, sans tenir compte du
cas particulier; eu égard à la concurrence intercantonale visée
par le législateur, une telle possibilité paraît même indiquée. La
compétence de définir ce tarif revient aux gouvernements
cantonaux (consid. 2.5).
3. Les décisions des cantons relatives aux tarifs de référence au sens
de l'art. 41 al. 1
bis
LAMal peuvent faire l'objet d'un recours
auprès du Tribunal administratif fédéral (consid. 2.6).
4. Les hôpitaux n'ont pas qualité pour recourir contre le tarif de
référence déterminé par un gouvernement cantonal pour les
traitements hors canton choisis par l'assuré (consid. 3.4).
Assicurazione malattie. Nuovo finanziamento ospedaliero. Tariffa di
riferimento per le cure a libera scelta fuori Cantone. Ammissibilità
di una tariffa fissata indipendentemente da un caso concreto,
competenza. Legittimazione a ricorrere. Sentenza di principio.
Art. 41 cpv. 1
bis
, art. 53 LAMal. Art. 48 PA.
1. Per tariffe di riferimento si intendono le tariffe già applicabili ad
altri ospedali riconosciuti. Non si tratta pertanto di una tariffa
che deve essere fissata contrattualmente tra le parti alla conven-
zione e approvata – previa consultazione della Sorveglianza dei
prezzi – dal governo cantonale competente (art. 46 cpv. 4 LAMal)
e nemmeno di una tariffa che deve essere stabilita in assenza di
2013/17 Krankenversicherung/Referenztarif


210 BVGE / ATAF / DTAF

convenzione tariffale a norma dell'art. 47 cpv. 1 LAMal
(consid. 2.3.1).
2. La LAMal non vieta di fissare la tariffa di riferimento indi-
pendentemente da un caso concreto ai sensi dell'art. 41 cpv. 1
bis

LAMal; considerato il principio di concorrenza intercantonale
auspicato dal legislatore, una tale fissazione sembra persino
indicata. La competenza di determinare questa tariffa spetta ai
governi cantonali (consid. 2.5).
3. Le decisioni dei Cantoni concernenti le tariffe di riferimento ai
sensi dell'art. 41 cpv. 1
bis
LAMal sono impugnabili dinanzi al
Tribunale amministrativo federale (consid. 2.6).
4. Gli ospedali non sono legittimati ad impugnare le tariffe di
riferimento fissate da un governo cantonale per le cure a libera
scelta fuori Cantone (consid. 3.4).

Der Regierungsrat des Kantons Aargau legte mit Beschluss vom
11. Januar 2012 unter anderem die Referenz-Baserate für die ausser-
kantonale Hospitalisation von Aargauer Kantonsangehörigen, anwendbar
ab 1. Januar 2012, neu auf Fr. 10 020.‒ fest. Die Spital A. AG liess am
1. Februar 2012 Beschwerde erheben und die Aufhebung dieses
Beschlusses – soweit die Referenz-Baserate Akutsomatik betreffend –
beantragen.
Das Bundesverwaltungsgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
Aus den Erwägungen:
1.
1.1 Gemäss Art. 90a Abs. 2 in Verbindung mit Art. 53 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung
(KVG, SR 832.10) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen nach Art. 39, Art. 45, Art. 46
Absatz 4, Art. 47, Art. 48 Abs. 1–3, Art. 51, Art. 54, Art. 55 und Art. 55a
KVG.
1.2 Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, der von ihr ange-
fochtene Beschluss sei gestützt auf Art. 47 Abs. 1 KVG (Tariffestsetzung
bei Fehlen eines Tarifvertrages) ergangen, was die Vorinstanz bestreitet.
In ihrem Beschluss hat sie sich dazu nicht geäussert. Die Vorinstanz
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BVGE / ATAF / DTAF 211

scheint ihre Zuständigkeit aus Art. 41 Abs. 1
bis
KVG abzuleiten bezie-
hungsweise macht sinngemäss eine Gesetzeslücke geltend.
1.3 Um die Frage der Zuständigkeit zu beantworten, ist zunächst auf
den Referenztarif im System des KVG einzugehen und zu prüfen, ob sich
der angefochtene Beschluss auf eine Rechtsgrundlage stützen kann.
2.
2.1 Am 1. Januar 2009 ist die KVG-Revision zur Spitalfinanzierung
(Änderung vom 21. Dezember 2007, AS 2008 2049) in Kraft getreten.
Per 1. Januar 2012 wurde der Systemwechsel bei der Spitalfinanzierung
vollzogen (vgl. KVG-Übergangsbestimmungen zur Änderung vom
21. Dezember 2007 [Spitalfinanzierung], AS 2008 2056, nachfolgend:
KVG UeB.). Die vorliegend aufgeworfenen Fragen sind somit im Lichte
der revidierten KVG-Bestimmungen zu beurteilen.
2.2 Das KVG regelt im 4. Kapitel zunächst die Zulassung der
Leistungserbringer (1. Abschnitt, Art. 35 ff. KVG), danach die Wahl des
Leistungserbringers und die Kostenübernahme (2. Abschnitt, Art. 41 f.
KVG) und im 4. Abschnitt die Tarife und Preise (Art. 43 ff. KVG). Die
Bestimmung über die Abgeltung der stationären Leistungen (Art. 49a
KVG) ist ebenfalls im 4. Abschnitt verankert.
2.2.1 Spitäler sind nach Art. 39 Abs. 1 (i.V.m. Art. 35) KVG zur
Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
(OKP) zugelassen, wenn sie die Dienstleistungs- und Infrastruktur-
voraussetzungen gemäss Bst. a‒c erfüllen, der von einem oder mehreren
Kantonen gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte
Spitalversorgung entsprechen (Bst. d) und auf der nach Leistungs-
aufträgen in Kategorien gegliederten Spitalliste des Kantons aufgeführt
sind (Bst. e [zur Rechtsprechung betreffend Art. 39 Abs. 1 KVG vgl.
insbes. BVGE 2010/15]).
2.2.2 In Art. 43 Abs. 1 KVG ist der Grundsatz verankert, wonach die
(zugelassenen) Leistungserbringer ihre Rechnungen nach Tarifen oder
Preisen erstellen. Nach Art. 43 Abs. 4 KVG werden Tarife und Preise in
Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag)
vereinbart oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zu-
ständigen Behörde festgesetzt. Dabei ist auf eine betriebswirtschaftliche
Bemessung und eine sachgerechte Struktur der Tarife zu achten.
Betreffend Tarifverträge mit Spitälern schreibt Art. 49 Abs. 1 KVG den
Vertragsparteien vor, dass sie für die Vergütung der stationären Be-
handlung einschliesslich Aufenthalt und Pflegeleistungen in einem Spital
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212 BVGE / ATAF / DTAF

(oder einem Geburtshaus) Pauschalen zu vereinbaren haben, wobei (neu,
seit Januar 2012) in der Regel Fallpauschalen festzulegen sind. Die
Pauschalen müssen leistungsbezogen sein und auf gesamtschweizerisch
einheitlichen Strukturen beruhen.
2.2.3 Parteien eines Tarifvertrages sind einzelne oder mehrere Leis-
tungserbringer oder deren Verbände einerseits sowie einzelne oder meh-
rere Versicherer oder deren Verbände anderseits (Art. 46 Abs. 1 KVG).
Der Tarifvertrag bedarf der Genehmigung durch die zuständige Kantons-
regierung oder, wenn er in der ganzen Schweiz gelten soll, durch den
Bundesrat (Art. 46 Abs. 4 Satz 1 KVG). Kommt zwischen Leistungs-
erbringern und Versicherern kein Tarifvertrag zustande, so setzt die
Kantonsregierung nach Anhören der Beteiligten den Tarif fest (Art. 47
Abs. 1 KVG).
2.2.4 Die Leistungserbringer müssen sich nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1
KVG an die vertraglich oder behördlich festgelegten Tarife und Preise
halten und dürfen für Leistungen nach diesem Gesetz keine weiter-
gehenden Vergütungen berechnen (Tarifschutz; vgl. auch Art. 49 Abs. 5
KVG).
2.2.5 Gemäss Art. 49a KVG werden die Vergütungen nach Art. 49
Abs. 1 vom Kanton und den Versicherern anteilsmässig übernommen
(Abs. 1). Der Kanton setzt jeweils für das Kalenderjahr spätestens neun
Monate vor dessen Beginn den für alle Kantonseinwohner geltenden
kantonalen Anteil fest. Der kantonale Anteil beträgt (grundsätzlich, vgl.
Abs. 5 KVG UeB.) mindestens 55 Prozent (Art. 49a Abs. 2 KVG).
2.2.6 Die versicherte Person kann für die stationäre Behandlung unter
den Spitälern frei wählen, die auf der Spitalliste ihres Wohnkantons oder
jener des Standortkantons aufgeführt sind (Listenspital). Der Versicherer
und der Wohnkanton übernehmen bei stationärer Behandlung in einem
Listenspital die Vergütung anteilsmässig nach Art. 49a KVG höchstens
nach dem Tarif, der in einem Listenspital des Wohnkantons für die
betreffende Behandlung gilt (Art. 41 Abs. 1
bis
KVG). Beansprucht die
versicherte Person bei einer stationären Behandlung aus medizinischen
Gründen ein nicht auf der Spitalliste des Wohnkantons aufgeführtes
Spital, so übernehmen der Versicherer und der Wohnkanton die Ver-
gütung anteilsmässig nach Art. 49a KVG. Mit Ausnahme des Notfalls ist
dafür eine Bewilligung des Wohnkantons notwendig (Art. 41 Abs. 3
KVG).
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BVGE / ATAF / DTAF 213

In der vor der Umsetzung der neuen Spitalfinanzierung anwendbaren
Fassung hatte Art. 41 KVG (von 1994) vorgesehen, dass die Versicherten
unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer
Krankheit geeignet sind, frei wählen konnten (Abs. 1 Satz 1). Bei
stationärer oder teilstationärer Behandlung musste der Versicherer die
Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der
versicherten Person galt (Abs. 1 Satz 3). Beanspruchten Versicherte aus
medizinischen Gründen einen anderen Leistungserbringer, so richtete
sich die Kostenübernahme nach dem Tarif, der für diesen Leistungs-
erbringer galt (Abs. 2 Satz 1).
2.3
2.3.1 Unter Referenztarifen sind bereits bestehende Tarife anderer
zugelassener Spitäler zu verstehen (vgl. Kranken- und Unfallver-
sicherung, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis [RKUV] 5/2001 417
KV 181 E. 3.2.4 S. 428). Es handelt sich daher nicht um einen Tarif,
welcher von den Tarifparteien vertraglich zu vereinbaren und von der
zuständigen Kantonsregierung – nach Konsultation der Preisüber-
wachung – zu genehmigen (Art. 46 Abs. 4 KVG) oder im vertragslosen
Zustand gemäss Art. 47 Abs. 1 KVG hoheitlich festzusetzen ist.
2.3.2 Referenztarife werden dann beigezogen, wenn es für eine KVG-
pflichtige Leistung eines Spitals keinen verbindlichen Tarif gibt. Unter
der Herrschaft des bis Ende 2011 anwendbaren Rechts konnte ein solcher
Fall namentlich dann eintreten, wenn das Abschliessen eines OKP-
Tarifvertrages gar nicht zulässig war, wie beispielsweise bei ausser-
kantonalen Wahlhospitalisationen (vgl. dazu BVGE 2009/23) oder bei
Privatspitälern, die nur im Bereich Halbprivat- oder Privatabteilung zur
Tätigkeit zu Lasten der OKP zugelassen waren (vgl. RKUV 5/2001 417
KV 181; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts K 34/02 vom
12. Februar 2004). Die versicherte Person hatte lediglich (im Sinne der
Austauschbefugnis) Anspruch auf einen Sockelbeitrag aus der OKP in
der Höhe des jeweils massgebenden Referenztarifs.
Ein Referenztarif ist aber nicht nur dann festzulegen, wenn die ver-
sicherte Person keinen Anspruch auf vollständige Kostenerstattung hat,
sondern auch dann, wenn die Vertragsparteien und der zuständige Kanton
ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, dafür zu sorgen, dass
entweder ein genehmigter Tarifvertrag vorliegt oder der Tarif hoheitlich
festgesetzt wird (vgl. BGE 131 V 133 E. 9.2 und 9.3; Urteil des Bundes-
gerichts 9C_61/2009 vom 16. Juli 2009).
2013/17 Krankenversicherung/Referenztarif


214 BVGE / ATAF / DTAF

2.3.3 Angesichts der sehr unterschiedlichen Konstellationen, welche
die Festlegung eines Referenztarifs erfordern können, lässt sich die
Frage, ob Referenztarife nur im Leistungsfall (und somit im konkreten
Einzelfall) zu bestimmen sind oder auch abstrakt festgelegt werden
können, nicht allgemein beantworten. Wird beispielsweise für ein inner-
kantonales Listenspital – KVG-widrig – kein Tarif genehmigt oder
festgesetzt, stellt sich die Frage des Referenztarifs logischerweise erst im
Leistungsfall (ansonsten könnte noch ein ordentlicher Tarif festgesetzt
werden). Bei ausserkantonalen Wahlhospitalisationen hingegen erscheint
ein unabhängig vom Einzelfall festgelegter Referenztarif – auch auf-
grund des Wortlauts von Art. 41 Abs. 1
bis
KVG – nicht grundsätzlich aus-
geschlossen.
2.4 Der Gesetzgeber hat zwar vorgesehen, dass den Versicherten bei
ausserkantonalen Wahlhospitalisationen höchstens der Tarif eines Listen-
spitals des Wohnkantons (als Referenztarif) zu vergüten ist. Er hat aber
nicht geregelt, von wem und wie der nach Art. 41 Abs. 1
bis
KVG
massgebende Tarif zu bestimmen ist, obwohl verschiedene Referenztarife
möglich sind, wenn in einem Kanton für die gleiche Leistung mehrere
Spitäler mit unterschiedlichen Tarifen zur Auswahl stehen.
2.4.1 Nachfolgend ist zu prüfen, ob eine durch das Gericht zu füllende
Gesetzeslücke beziehungsweise eine planwidrige Unvollständigkeit des
Gesetzes (BGE 138 II 217 E. 4.6) vorliegt. Eine solche echte Lücke liegt
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn der Gesetzgeber
etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem
Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch
Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden
kann. Hingegen bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung, wenn
der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschwei-
gend – im negativen Sinn – mitentschieden (qualifiziertes Schweigen)
hat (BGE 138 II 1 E. 4.2 m.w.H.; RENÉ WIEDERKEHR/PAUL RICHLI,
Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Bd. I, Bern 2012, Rz. 1196
ff.).
Besteht eine echte Gesetzeslücke, ist diese nach derjenigen Regel zu
schliessen, die das Gericht als Gesetzgeber aufstellen würde (vgl. Art. 1
Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907
[ZGB, SR 210]; BGE 135 V 163 E. 5.3). Die zu bildende Regel muss
sich widerspruchslos in das bestehende Gesetzesrecht und dessen
Wertungen und Zielsetzungen einfügen (WIEDERKEHR/RICHLI, a.a.O.,
Rz. 1238). Dieses Verfahren steht damit der teleologischen Auslegung,
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BVGE / ATAF / DTAF 215

die der Ermittlung des Sinnes und des Zwecks einer Gesetzesbe-
stimmung dient, sehr nahe. Um Sinn und Zweck zu ermitteln, muss nach
den Interessen gefragt werden, die der Gesetzgeber zu berücksichtigen
hatte. Oft wird bei der Lückenfüllung auch auf gesetzliche Regelungen
ähnlicher Fragen zurückgegriffen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
C‒2098/2011 vom 26. März 2013 E. 1.2.3).
2.4.2 Art. 41 Abs. 1bis KVG unterscheidet sich von aArt. 41 Abs. 1
KVG (von 1994) vor allem dadurch, dass sich neu auch der Wohnkanton
an den Kosten einer ausserkantonalen Wahlhospitalisation zu beteiligen
hat. Im Übrigen scheint sich an der Regelung zur freien Spitalwahl und
Kostenerstattung kaum etwas geändert zu haben (vgl. auch BEAT MEYER,
Ausserkantonale Wahlbehandlung – Tarifschutz und Tarifgestaltung
gemäss 3. KVG-Revision, in: Schweizerische Zeitschrift für Sozial-
versicherung und berufliche Vorsorge [SZS] 2012, S. 397 ff.).
2.4.2.1 Nach den bis Ende 2011 anwendbaren KVG-Bestimmungen
wurde bei den Tarifen zwischen öffentlichen und öffentlich subven-
tionierten Spitälern einerseits sowie nicht subventionierten Privat-
spitälern andererseits unterschieden. Nach aArt. 49 Abs. 1 KVG (von
1994) durften die Vergütungspauschalen für Kantonseinwohner und
-einwohnerinnen bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitä-
lern höchstens 50 % der anrechenbaren Kosten je Patient oder Patientin
oder je Versichertengruppe in der allgemeinen Abteilung decken. Be-
triebskostenanteile aus Überkapazität, Investitionskosten sowie Kosten
für Lehre und Forschung wurden nicht angerechnet. Nach der Recht-
sprechung waren jedoch bei Privatspitälern ohne öffentliche Betriebs-
beiträge Investitionskosten nur so weit nicht anrechenbar, als sie von der
öffentlichen Hand nach dem Recht des zuständigen kantonalen oder
kommunalen Gemeinwesens zu tragen waren (Urteil des Bundesver-
waltungsgerichts C‒2142/2010 vom 21. September 2011 E. 3.4.2 mit
Hinweisen). Bei ausserkantonalen Versicherten konnte ein öffentliches
Spital regelmässig einen gegenüber Patientinnen und Patienten aus dem
Kantonsgebiet höheren Tarif (auf der Basis einer Vollkostendeckung)
verlangen (vgl. BGE 134 V 269 E. 2.5), wobei der Wohnkanton gemäss
aArt. 41 Abs. 3 KVG (von 1994) die Differenz zwischen inner-
kantonalem und ausserkantonalem Tarif zu übernehmen hatte, wenn die
ausserkantonale Behandlung aus medizinischen Gründen erfolgte (vgl.
Urteil des Bundesgerichts 9C_835/2010 vom 11. November 2010 E. 2.3
mit Hinweisen). Liess sich die versicherte Person hingegen nicht aus
medizinischen Gründen in einem ausserkantonalen Spital behandeln,
2013/17 Krankenversicherung/Referenztarif


216 BVGE / ATAF / DTAF

hatte sie (bzw. ihre Zusatzversicherung) die Differenz selber zu tragen.
Die Frage, ob ein nicht subventioniertes Privatspital für ausserkantonale
Versicherte einen höheren Tarif verlangen durfte, wurde nicht durch das
KVG geregelt; die ausserkantonale Wahlbehandlung als solche stellte
keine OKP-Pflichtleistung dar (vgl. Urteile des Bundesgerichts
9C_630/2012 vom 17. Dezember 2012 und 9C_569/2009 vom 22. März
2010 insbes. E. 3.3).
2.4.2.2 Mit der KVG-Revision zur Spitalfinanzierung wurde der
Systemwechsel von einer Objektfinanzierung zur Leistungsfinanzierung
vollzogen. Die Neuregelung im Tarifbereich soll zu einer Stärkung des
Wettbewerbsgedankens führen (vgl. Botschaft vom 15. September 2004
betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenver-
sicherung [Spitalfinanzierung], nachfolgend: Botschaft KVG-Revision,
BBl 2004 5569). Durch die leistungsbezogenen Pauschalen werden
grundsätzlich sämtliche Kosten (auch die Investitionskosten) abgegolten,
soweit es sich nicht um Kosten für gemeinwirtschaftliche Leistungen
handelt (vgl. Art. 49 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 KVG). Die Abgeltung der
stationären Leistungen erfolgt nach einheitlichen Regeln (Art. 49a i.V.m.
Art. 49 KVG), unabhängig davon, ob es sich um ein öffentliches oder ein
privates Spital handelt. Weil die Pauschalen leistungsbezogen festgelegt
werden und auf einer Vollkostenrechnung beruhen, kann es keine unter-
schiedlichen Tarife für innerkantonale und ausserkantonale Versicherte
mehr geben (vgl. Botschaft KVG-Revision, BBl 2004 5569 f.; BVGE
2013/8 E. 2.5.2; GEBHARD EUGSTER, Rechtsprechung des Bundes-
gerichts zum KVG, Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 41 N. 9). Der Wohn-
kanton hat seinen kantonalen Anteil (Art. 49a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 KVG)
auch bei ausserkantonalen Wahlbehandlungen zu entrichten.
2.4.3 Obwohl die ausserkantonale stationäre Wahlbehandlung als
solche weiterhin keine OKP-Pflichtleistung darstellt und sich hinsichtlich
freie Spitalwahl für die Versicherten wenig geändert hat (vgl. EUGSTER,
a.a.O., Art. 41 N. 2; nach MEYER, a.a.O., S. 397, wurde die Wahlfreiheit
mit der neuen Regelung sogar etwas eingeschränkt), ist Art. 41 Abs. 1
bis

KVG im Kontext einer grundlegend geänderten Spitalfinanzierung neu
zu würdigen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Gesetz-
geber mit dieser Regelung den interkantonalen Wettbewerb fördern
wollte, welcher – längerfristig – zu einer Angleichung der Preise führen
sollte. Um zu verhindern, dass sich die Preise nach oben anpassen,
beziehungsweise um Druck auf Kantone mit (zu) hohen Spitalpreisen
aufzubauen, wurde die Vergütung vorerst auf den Wohnkantonstarif
Krankenversicherung/Referenztarif 2013/17


BVGE / ATAF / DTAF 217

beschränkt. Die freie Spitalwahl mit voller Kostenübernahme sollte erst
später verwirklicht werden, wenn die beabsichtigte Angleichung der
Preise stattgefunden hat (vgl. Amtliches Bulletin der Bundesver-
sammlung [AB] 2007 S 750 ff., siehe auch AB 2007 N 1770 ff.; Bot-
schaft KVG-Revision, BBl 2004 5569 f.).
2.4.4 Der angestrebte interkantonale Wettbewerb kann nur spielen,
wenn die Versicherten von ihrer Wahlmöglichkeit auch Gebrauch
machen. Insbesondere Versicherte ohne entsprechende Zusatzversich-
erung werden jedoch kaum ein ausserkantonales Spital wählen, wenn sie
nicht dessen Tarif sowie den Referenztarif kennen. Sie müssen ein all-
fälliges Kostenrisiko abschätzen können, bevor sie ihre Wahl treffen.
Wird erst im Leistungsfall festgelegt, welcher Referenztarif gilt, wird die
Spitalwahlfreiheit faktisch erheblich eingeschränkt. Angesichts der er-
heblichen Bedeutung, welche das Parlament diesem Wettbewerbselement
beigemessen hat, kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber ein
solches Ergebnis gewollt hätte.
2.4.5 Aufgrund der Entstehungsgeschichte des Art. 41 Abs. 1bis KVG
ist vielmehr anzunehmen, dass im Gesetzgebungsprozess übersehen
wurde, dass die Frage, von wem und wie der Referenztarif für ausser-
kantonale Wahlbehandlungen zu bestimmen ist, einer Regelung bedarf.
Die schliesslich vom Parlament verabschiedete Bestimmung entspricht
nicht dem Vorschlag des Bundesrates (wonach lediglich der Kranken-
versicherer, nicht aber der Kanton einen Beitrag hätte leisten müssen
[vgl. Botschaft KVG-Revision, BBl 2004 5576 und 5595]). Art. 41 KVG
war im Parlament umstritten und wurde im Verlaufe der Beratungen
mehrmals geändert. Erst im Differenzbereinigungsverfahren schloss sich
der Nationalrat dem Ständerat an und stimmte – auch mit Rücksicht auf
die Kantone – für eine maximale Kostenerstattung in der Höhe des
Wohnkantonstarifs (AB 2007 N 1770 und 1774).
2.4.6 Nach der bisherigen Praxis legte der Krankenversicherer be-
ziehungsweise im Beschwerdefall das zuständige Gericht den anwend-
baren Referenztarif für ausserkantonale Wahlhospitalisationen im
Einzelfall fest (vgl. BGE 133 V 123). Weil der Wohnkanton nur bei
ausserkantonalen Behandlungen aus medizinischen Gründen leistungs-
pflichtig wurde, war dieses Vorgehen sachgerecht. Nachdem nun nicht
mehr nur der Krankenversicherer, sondern auch der Wohnkanton bei
ausserkantonaler Wahlhospitalisation seinen Anteil im Sinne von Art. 49a
Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 KVG zu leisten hat, kann nicht mehr
nach der bisherigen Praxis vorgegangen werden. Angesichts der dualen
2013/17 Krankenversicherung/Referenztarif


218 BVGE / ATAF / DTAF

Finanzierung hätte der Gesetzgeber regeln müssen, von wem der
Referenztarif im Sinne von Art. 41 Abs. 1
bis
KVG festzulegen ist. Das
Einholen einer (weiteren) Kostengutsprache beim Wohnkanton wäre
kaum praktikabel, weil Kantone und Versicherer unterschiedliche Refe-
renztarife festlegen könnten. Zudem würde dies einen erheblichen admi-
nistrativen Mehraufwand für die Kantone bedeuten. Weiter sieht das
KVG nur für ausserkantonale Behandlungen aus medizinischen Gründen
vor, dass – sofern kein Notfall vorliegt – eine Bewilligung des Wohn-
kantons einzuholen ist (Art. 41 Abs. 3 KVG).
2.4.7 Der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) angerufene BGE
133 V 123 (bzw. die nicht publizierte E. 1.2 des Urteils des Eid-
genössischen Versicherungsgerichts K 144/05) steht im Übrigen einer
Regel, wonach die Kantonsregierung den Referenztarif im Sinne von
Art. 41 Abs. 1
bis
KVG (unabhängig vom Einzelfall) festlegt, nicht entge-
gen. Das Bundesgericht (bzw. damals Eidgenössisches Versicherungs-
gericht) prüfte in E. 1 die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwer-
de. Dabei war entscheidend, ob ein Tarif im Sinne von Art. 129 Bst. b des
Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG, BS 3 521 [in
Kraft bis Ende Dezember 2006]) oder die Anwendung eines Tarifs im
Einzelfall im Streit lag, denn der Tarif als solcher konnte nicht mit Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Das Bundesgericht hat
weder in BGE 133 V 123 noch – soweit ersichtlich – in anderen Urteilen
entschieden, der Referenztarif für ausserkantonale Wahlbehandlungen
dürfe nur individuell im Leistungsfall bestimmt werden.
2.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das KVG eine einzel-
fallunabhängige Festlegung des Referenztarifs im Sinne von Art. 41
Abs. 1
bis
KVG nicht ausschliesst beziehungsweise eine solche mit Blick
auf den angestrebten interkantonalen Wettbewerb sogar angezeigt
erscheint. Hinsichtlich der Frage, wer für diese Tariffestlegung zuständig
ist, weist das Gesetz eine echte Lücke auf, die durch das Gericht zu
füllen ist.
Hätte der Gesetzgeber diese Rechtsfrage nicht übersehen, hätte er
zweifellos die Kantonsregierung des Wohnkantons als zuständig erklärt.
Nicht in Frage kämen jedenfalls die Tarifparteien, weil der Referenztarif
nicht Ergebnis von Verhandlungen sein kann (vgl. E. 2.3.1). Der Bundes-
rat ist in der Regel für die Genehmigung oder Festsetzung gesamtschwei-
zerischer Tarife zuständig, die Kantone hingegen für diejenigen, welche
primär für ihr Hoheitsgebiet gelten. Der vorliegend in Frage stehende Re-
ferenztarif für ausserkantonale Wahlbehandlungen bezieht sich auf die in
Krankenversicherung/Referenztarif 2013/17


BVGE / ATAF / DTAF 219

einzelnen Kantonen massgebenden Tarife. Weiter ist zu berücksichtigen,
dass die Kantone für ihre Wohnbevölkerung nicht nur eine hinreichende
Spitalversorgung zu gewährleisten haben, sondern letztlich auch dafür
verantwortlich sind, dass die von ihnen in die Spitalliste aufgenommenen
Spitäler über einen rechtskonformen Tarif verfügen und insoweit der
Tarifschutz gewährleistet ist (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
C‒4989/2012 vom 29. April 2013 E. 2.4.5 [mit Hinweis auf RKUV
2/2006 KV 359 E. 2.2 und BGE 131 V 133 E. 9.2 und 9.3] sowie E. 2.5
und 2.5.1). Es sind somit die Kantone, welche den Überblick über die für
eine Festlegung des Referenztarifs massgebenden Tarife haben. Für die
den Kantonen obliegenden Aufgaben im Bereich der Spitaltarife sieht das
KVG die Zuständigkeit der Kantonsregierung vor (vgl. Art. 46 Abs. 4
und Art. 47 KVG).
Demnach hat die Kantonsregierung den Tarif festzulegen, welcher in
einem Listenspital ihres Kantons gilt (Art. 41 Abs. 1
bis
KVG) und für die
Vergütung bei ausserkantonalen Wahlhospitalisationen massgebend ist.
2.6 Hat der Gesetzgeber übersehen, dass er die Zuständigkeit zur
Festlegung des Referenztarifs im Sinne von Art. 41 Abs. 1
bis
KVG hätte
regeln sollen, sind die entsprechenden Beschlüsse logischerweise auch
nicht in Art. 53 Abs. 1 KVG aufgeführt. Die Beschlüsse betreffend
Referenztarif stehen in einem engen Zusammenhang mit den von den
Kantonsregierungen gestützt auf Art. 46 Abs. 4 und Art. 47 KVG
erlassenen und vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfenden
Beschlüssen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass für Beschlüsse über
den Tarif im Sinne von Art. 41 Abs. 1
bis
KVG die gleiche Zuständig-
keitsordnung gelten soll, wonach das Bundesverwaltungsgericht den
Tarif als solchen und das Bundesgericht die Anwendung eines Tarifs im
Einzelfall überprüft (vgl. Urteile des Bundesgerichts 9C_331/2011 vom
24. August 2011 E. 1, 9C_251/2011 vom 16. August 2011 E. 1; siehe
auch BGE 138 V 377 E. 2.2). Beschlüsse der Kantone betreffend
Referenztarif im Sinne von Art. 41 Abs. 1
bis
KVG sind somit beim
Bundesverwaltungsgericht anfechtbar.
3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich
gemäss Art. 37 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) und Art. 53 Abs. 2 Satz 1 KVG grundsätzlich nach
dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR
172.021). Vorbehalten bleiben allfällige Abweichungen des VGG und die
besonderen Bestimmungen des Art. 53 Abs. 2 KVG.
2013/17 Krankenversicherung/Referenztarif


220 BVGE / ATAF / DTAF

3.1 Nach Ansicht der Vorinstanz ist der angefochtene Beschluss als
Zwischenverfügung im Sinne von Art. 46 Abs. 1 VwVG zu betrachten.
Die Beschwerde wäre demnach nur zulässig, wenn der Beschluss einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und
damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 46 Abs. 1 Bst. a und
b VwVG).
3.1.1 Zwischenverfügungen sind akzessorisch zu einem Hauptver-
fahren; sie können nur vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen
werden und nur für die Dauer desselben Bestand haben beziehungsweise
unter der Bedingung, dass ein solches eingeleitet wird. Sie fallen mit dem
Entscheid in der Hauptsache dahin. Eine Anordnung, die der (wenn auch
befristeten, vorläufigen oder vorübergehenden) Regelung eines Rechts-
verhältnisses dient, aber nicht im Hinblick auf ein Hauptverfahren, son-
dern in einem selbstständigen Verfahren ergeht oder ergehen kann, ist
demgegenüber ein Endentscheid (BGE 136 V 131 E. 1.1.2 mit Hinwei-
sen auf Rechtsprechung und Literatur, vgl. auch BGE 139 V 42 E. 2.3).
3.1.2 Die beschränkte Anfechtbarkeit von Zwischenverfügungen soll
namentlich verhindern, dass die Beschwerdeinstanz Zwischenentscheide
überprüfen muss, die durch einen günstigen Endentscheid für die be-
troffene Person jeden Nachteil verlieren (Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts C‒124/2012 vom 23. April 2012 E. 3.2.1 m.w.H.).
3.1.3 Es erscheint fraglich, ob der angefochtene Beschluss für die
Frage der Anfechtbarkeit gleich wie Beschlüsse betreffend provisorische
Tarife der Spitäler (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
C‒124/2012 vom 23. April 2012 E. 3.1 ff.) als Zwischenverfügung zu
qualifizieren ist und ein nicht wieder gutzumachender Nachteil ohne
Weiteres verneint werden kann. Der Referenztarif wurde zwar gestützt
auf die provisorischen Tarife der Spitäler festgelegt; insofern kommt ihm
ein provisorischer Charakter zu. Indessen ist nicht ersichtlich, in wel-
chem Hauptverfahren der angefochtene Beschluss ergangen sein könnte.
Bei einer neuen Festlegung des Referenztarifs ist sodann – im Unter-
schied zu den Tarifen der Spitäler – keine Rückabwicklung vorgesehen
(…). An den seit Januar 2010 vom Kanton Aargau und von verschie-
denen Krankenversicherern bezahlten Vergütungen für ausserkantonale
Wahlbehandlungen wird ein neuer Beschluss betreffend Referenztarif
somit nichts ändern.
Krankenversicherung/Referenztarif 2013/17


BVGE / ATAF / DTAF 221

3.1.4 Die Frage nach der Qualifikation des angefochtenen Be-
schlusses kann jedoch offenbleiben. Wie sich aus den nachfolgenden Er-
wägungen ergibt, ist die Beschwerdeführerin selbst dann nicht zur
Beschwerde legitimiert, wenn es sich um eine Endverfügung handelt.
3.2 Nach Art. 48 Abs. 1 VwVG ist zur Erhebung der Beschwerde
berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder
keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Bst. a), durch die ange-
fochtene Verfügung besonders berührt ist (Bst. b) und ein schutzwürdiges
Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Bst. c).
3.2.1 (…)
3.2.2 (…)
3.3 Die Beschwerdeführerin leitet ihre Beschwerdelegitimation
unter anderem daraus ab, dass sie ohne Zweifel befugt wäre, ihre eigene
Baserate anzufechten, welche Bestandteil des Referenztarifs bilde. Weiter
macht sie geltend, sie werde gegenüber den ausserkantonalen Spitälern
benachteiligt, weil der Referenztarif höher sei als die für sie und die
übrigen innerkantonalen Regionalspitäler geltende Baserate. Dadurch
erhielten die ausserkantonalen Spitäler, die im gleichen Einzugsgebiet
tätig seien, einen Finanzierungsvorteil, der sie in die Lage versetze,
attraktiver auf dem Markt aufzutreten. Schliesslich werde sie auch
gegenüber dem Kantonsspital Aarau (KSA) benachteiligt, weil dessen
Tarif über dem Referenztarif liege und das KSA deshalb nicht mit
weniger Patienten und Patientinnen rechnen müsse.
3.4 Der Referenztarif für ausserkantonale Wahlhospitalisationen
bestimmt, welcher Betrag der versicherten Person von Krankenver-
sicherer und Wohnkanton höchstens zu vergüten ist. Die Tatsache, dass
für dessen Festlegung auch der (provisorische) Tarif der Beschwerde-
führerin einzubeziehen war, führt nicht dazu, dass diese – als inner-
kantonale Leistungserbringerin – als primäre Adressatin des ange-
fochtenen Beschlusses zu betrachten wäre.
3.4.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat
ein Spital kein schutzwürdiges Interesse daran, dass ein anderes Spital
von der Spitalliste im Sinne von Art. 39 Abs. 1 Bst. e KVG gestrichen
oder dessen Leistungsauftrag reduziert wird, und ist deshalb nicht
legitimiert, eine einen anderen Leistungserbringer betreffende begünsti-
gende Verfügung anzufechten (BVGE 2012/9 E. 4.3.2). Dies gilt auch für
ein Vertragsspital im Sinne von Art. 49a Abs. 4 KVG, welches mit seiner
2013/17 Krankenversicherung/Referenztarif


222 BVGE / ATAF / DTAF

Beschwerde eine mengenmässige Begrenzung der Leistungsaufträge an
die Listenspitäler (im Zusatzversicherungsbereich) erwirken will (BVGE
2012/30). Ebenso wenig dürfte ein Spital legitimiert sein, einen ein
anderes Spital betreffenden Tarifgenehmigungs- oder Tariffestsetzungs-
beschluss (Art. 46 Abs. 4 oder Art. 47 KVG) anzufechten.
3.4.2 Die vorliegende Beschwerde richtet sich indessen nicht gegen
den Tarif eines anderen Leistungserbringers beziehungsweise eines Kon-
kurrenzspitals. Allein der Umstand, dass ein Spital vom Beschluss betref-
fend Referenztarif für ausserkantonale Wahlbehandlungen (möglicher-
weise) stärker als die Allgemeinheit betroffen und in diesem Sinne
besonders berührt ist, vermag die Legitimation noch nicht zu begründen;
zusätzlich ist eine besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung zur Streit-
sache beziehungsweise ein schutzwürdiges Interesse erforderlich (vgl.
BVGE 2012/30 E. 4.3, BVGE 2012/9 E. 4.1.2 m.w.H.). Weiter ist darauf
hinzuweisen, dass es der Beschwerde führenden Partei obliegt, darzu-
legen, aus welchen Umständen sich ihre Beschwerdebefugnis ergibt (vgl.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C–6540/2010 vom 3. März 2011
E. 4.1 m.w.H.). Vorliegend ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen,
die von der Rechtsprechung geforderte besondere Beziehungsnähe zur
Streitsache hinreichend zu begründen.
Zu den Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie werde gegenüber den
ausserkantonalen Konkurrenzspitälern benachteiligt, ist festzuhalten,
dass der Referenztarif für ausserkantonale Wahlbehandlungen keinen
Einfluss darauf hat, welchen Preis ein jenseits der Kantonsgrenze (im
Kanton Y.) gelegenes Konkurrenzspital X. verlangen darf. Die Baserate
für das Spital X. wird vom Kanton Y. als Standortkanton genehmigt
(Art. 46 Abs. 4 KVG) oder gestützt auf Art. 47 Abs. 1 KVG festgesetzt
(der in BVGE 2013/8 behandelte Ausnahmefall dürfte hier nicht in Frage
stehen). Weil es nach neuem Recht keine nach inner- und ausser-
kantonalen Versicherten differenzierende Tarife mehr geben kann, gilt
dieser Tarif auch für Patientinnen und Patienten aus dem Kanton Aargau.
Liegt der Tarif des Spitals X. unter dem vom Regierungsrat des Kantons
Aargau gestützt auf Art. 41 Abs. 1
bis
KVG festgelegten Referenztarif,
werden die Kosten für die stationäre Behandlung aargauischer Ver-
sicherter – wie bei innerkantonalen Hospitalisationen – entsprechend
dem für das Spital geltenden Tarif von Kanton und Versicherer über-
nommen (Art. 49a Abs. 1 KVG). Hat der Kanton Y. hingegen einen
höheren Tarif genehmigt oder festgesetzt, bezahlen zwar Kanton und
Versicherer ihren Anteil nur bezogen auf den Referenztarif, für die
Krankenversicherung/Referenztarif 2013/17


BVGE / ATAF / DTAF 223

verbleibende Differenz zwischen dem Referenztarif und dem Tarif des
Spitals X. ist jedoch die versicherte Person (oder ihre Zusatzver-
sicherung) kostenpflichtig. Der Referenztarif hat somit nur einen Einfluss
darauf, wer welchen Anteil an die Vergütung zu leisten hat, nicht aber auf
die dem ausserkantonalen Spital zustehende Vergütung als solche. Soweit
eine höhere Baserate überhaupt einen Wettbewerbsvorteil bewirken
könnte, würde dieser durch den Tariffestsetzungs- beziehungsweise
Tarifgenehmigungsentscheid des Kantons Y. verursacht, nicht durch die
Festlegung des Referenztarifs für ausserkantonale Wahlbehandlungen.
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind die ausser-
kantonalen Spitäler ebenso wenig direkte Adressaten des angefochtenen
Beschlusses wie die innerkantonalen Leistungserbringer.
3.4.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich sinngemäss auf den aus
Art. 27 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
vom 18. April 1999 (BV, SR 101) fliessenden Anspruch auf Gleich-
behandlung der Konkurrenten. Die Legitimation zur Konkurrenten-
beschwerde setzt jedoch voraus, dass die Beschwerde führende Partei in
direkter Konkurrenz zum Hauptadressaten des angefochtenen Entscheids
steht (REGINA KIENER/BERNHARD RÜTSCHE/MATHIAS KUHN, Öffent-
liches Verfahrensrecht, Zürich/St. Gallen 2012, Rz. 1350). Da weder
inner- noch ausserkantonale Spitäler direkte Adressaten des Beschlusses
betreffend Referenztarif im Sinne von Art. 41 Abs. 1
bis
KVG sind, kann
sich die Beschwerdeführerin nicht auf den Grundsatz der Gleichbe-
handlung der Konkurrenten berufen.
3.5 Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Beschwerde mangels
Beschwerdelegitimation nicht einzutreten ist.