BVGE 2010/31 - Abteilung II - Absolute Ausschlussgründe -
Markenschutz. Unterscheidungseignung.
Absolute Au...
Markenschutz 2010/31
BVGE / ATAF / DTAF 426
31
Auszug aus dem Urteil der Abteilung II
i. S. A. gegen Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
B5456/2009 vom 8. Juni 2010
Markenschutz. Unterscheidungseignung. Absolute
Ausschlussgründe. Formmarken.
Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Bst. a und b MSchG.
1. Das Fehlen von Unterscheidungseignung kann durch
nachträgliche Verkehrsgeltung oder Notorietät nicht
überwunden werden (E. 2.1).
2. Art. 2 Bst. b MSchG ist auch auf DienstleistungsFormmarken
anwendbar (E. 2.4).
3. Die Form eines Kugelschreibers hat abstrakte
Unterscheidungseignung (E. 4).
4. Für das « Verteilen von Werbemitteln » (Klasse 35) und
« Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Personalisierung
von Schreibgeräten, insbesondere durch Bedrucken der
Schreibgeräte » (Klasse 40), ist die Kugelschreiberform als solche
technisch notwendig, obwohl auch andere Schreibgeräte in
Betracht fallen (E. 5).
5. Die Kugelschreiberform ist Gemeingut für « Werbung,
Marketing » (Klasse 35), « Beratung bezüglich des Bedruckens
von Schreibgeräten (Werbeartikel) » (Klasse 40) und « Beratung
bezüglich der Gestaltung von Schreibgeräten (Werbeartikel) »
(Klasse 42) (E. 6).
6. Ein Anspruch auf Markeneintragung entsteht nicht schon
deshalb, weil ein Anmelder berechtigterweise auf eine unrichtige
Auskunft des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum
vertrauen durfte. Das Interesse am Vertrauensschutz muss
zusätzlich die Interessen der Verkehrsteilnehmer überwinden,
welche die Marke vom Gebrauch des Zeichens ausschliessen
würde (E. 7).
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Protection des marques. Caractère distinctif. Motifs absolus
d'exclusion. Marques de forme.
Art. 1 al. 1 et 2, art. 2 let. a et b LPM.
1. Le fait que la marque soit à l'avenir susceptible d'être connue des
consommateurs ou d'acquérir une notoriété ne compense pas
l'absence d'aptitude à distinguer différents produits (consid. 2.1).
2. L'art. 2 let. b LPM est également applicable aux marques de
services constituées d'une forme (consid. 2.4).
3. La forme d'un stylo à bille possède un caractère distinctif
abstrait (consid. 4).
4. Pour la « diffusion d'annonces publicitaires » (classe 35) et les
« services relatifs à la personnalisation d'instruments d'écriture,
en particulier par l'impression de motifs sur ceuxci » (classe 40),
la forme d'un stylo à bille est techniquement nécessaire en tant
que telle, bien que d'autres instruments d'écriture puissent
également entrer en considération (consid. 5).
5. La forme d'un stylo à bille fait partie du domaine public en
relation avec « la publicité, le marketing » (classe 35), « les
conseils en matière d'impressions sur des instruments d'écriture
(articles publicitaires) » (classe 40) et « les conseils de conception
d'instruments d'écriture (articles publicitaires) » (classe 42)
(consid. 6).
6. Le droit à l'enregistrement de la marque ne saurait déjà résulter
du fait que le demandeur se soit fié à bon droit à un
renseignement erroné de l'Institut fédéral de la propriété
intellectuelle. L'intérêt de la protection de la confiance doit
encore l'emporter sur les intérêts des acteurs économiques
auxquels la marque interdirait l'usage du signe en question
(consid. 7).
Protezione dei marchi. Carattere distintivo. Motivi assoluti
d'esclusione. Marchi di forma.
Art. 1 cpv. 1 e 2, art. 2 lett. a e b LPM.
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1. Il fatto che in futuro il marchio sia suscettibile di essere
conosciuto dai consumatori o di acquisire notorietà non può
compensare l'assenza dell'attitudine a distinguere fra differenti
articoli (consid. 2.1).
2. L'art. 2 lett. b LPM è applicabile anche ai marchi di forma per
servizi (consid. 2.4).
3. La forma di una penna a sfera ha carattere distintivo astratto
(consid. 4).
4. Per la « diffusione di annunci pubblicitari » (classe 35) e per i
« servizi relativi alla personalizzazione di strumenti per scrivere,
in particolare a mezzo di stampa su questi ultimi » (classe 40), la
forma della penna a sfera in quanto tale è tecnicamente
necessaria, sebbene anche altri strumenti per scrivere entrino in
considerazione (consid. 5).
5. La forma di una penna a sfera fa parte del dominio pubblico per
quanto riguarda « la pubblicità, il marketing » (classe 35), « i
servizi di consulenza relativi alla stampa su strumenti per
scrivere (articoli pubblicitari) » (classe 40) ed « i servizi di
consulenza relativi all'impostazione di strumenti per scrivere
(articoli pubblicitari) » (classe 42) (consid. 6).
6. Un diritto alla registrazione del marchio non sorge già solo
perché il richiedente poteva legittimatamente fidarsi di
un'indicazione inesatta dell'Istituto federale della proprietà
intellettuale. L'interesse alla tutela dell'affidamento deve inoltre
prevalere sugli interessi degli attori economici, a cui il marchio
proibirebbe l'uso del segno (consid. 7).
A. (die Beschwerdeführerin) meldete am 29. November 2006 beim
Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (Vorinstanz) eine
dreidimensionale Marke für Dienstleistungen in Klasse 35, Klasse 40
und Klasse 42 an.
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Die Marke sieht wie folgt aus:
Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 beanstandete die Vorinstanz, dem
Zeichen fehle für die beanspruchten Dienstleistungen die konkrete
Unterscheidungskraft, da es hierfür als übliches Werbemittel diene.
In der Folge kam es zu einem Schriftenwechsel zwischen der
Beschwerdeführerin und der Vorinstanz.
In diesem Schriftenwechsel machte die Beschwerdeführerin geltend, das
beanstandete Zeichen sei eine dreidimensionale Marke im weiteren Sinn
und gehöre nicht zum Gemeingut. Das Zeichen werde von der
Zielgruppe, die nicht Durchschnittsverbraucher umfasse, als
Kennzeichen des Herstellers mit Bezug auf die beanspruchten
Dienstleistungen aufgefasst. Die Form der Marke unterscheide sich
zudem von anderen Schreibgeräten insbesondere aufgrund des oberen
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Teils mit einem bogenförmigen Clip, der die Kappe mit einer
ungewöhnlichen diagonalen Form abschliesse. Schliesslich verwies die
Beschwerdeführerin auch auf ein Schreiben der Vorinstanz aus einem
anderen Markenprüfungsverfahren zum selben Zeichen, in dem diese das
Zeichen als schutzfähig für Werbung in Klasse 35 bezeichnet hatte, und
stellte sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz müsse sich nun nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben an jene Beurteilung halten. Dies umso
mehr, als es sich vorliegend um einen Grenzfall einer schutzfähigen
Marke handle, der im Zweifelsfall einzutragen sei. Eventualiter
beantragte die Beschwerdeführerin, die Marke für die beanspruchten
Dienstleistungen als durchgesetzte Marke einzutragen. Dazu reichte sie
der Vorinstanz verschiedene Belege ein.
Die Vorinstanz hielt an ihrer Auffassung fest, wonach das Zeichen für
die beanspruchten Dienstleistungen eine rein beschreibende Angabe und
damit Gemeingut darstelle. Ihre in einem anderen Verfahren gemachte
Aussage, wonach das Zeichen für Werbung in der Klasse 35 eingetragen
werden könne, sei keine Garantie für den Erwerb oder gar den Bestand
eines Markenrechts. Eine Eintragung gestützt auf das Prinzip des
Vertrauensschutzes rechtfertige sich nicht. Die nur eventualiter
beantragte Durchsetzung könne ohne vorgängig gestellten unbedingten
Antrag auf Prüfung und Eintragung nicht vorgenommen werden – wobei
die vorliegenden Belege sowieso nicht genügen würden, um eine
Verkehrsdurchsetzung der Marke glaubhaft zu machen.
Die Vorinstanz verfügte am 28. Juli 2009 die Zurückweisung des
Schweizer Markeneintragungsgesuchs Nr. 60858/2006 für alle
beanspruchten Dienstleistungen.
Gegen diese Verfügung erhob die Beschwerdeführerin am 28. Juli 2009
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) und begehrte, die
Verfügung der Vorinstanz sei aufzuheben und die Vorinstanz
anzuweisen, die angemeldete Marke für alle beanspruchten
Dienstleistungen in Klasse 35, Klasse 40 und Klasse 42 einzutragen.
Eventualiter sei die Marke als durchgesetzte Marke einzutragen. Zur
Begründung wiederholte sie bisherige Argumente und brachte zusätzlich
vor, Dienstleistungen seien abstrakt und hätten keinen materiellen
Gehalt. Ein dreidimensionales Zeichen könne demnach zwar
Gedankenassoziationen wecken, keinesfalls aber direkt auf Merkmale
einer Dienstleistung hinweisen. Die Formenvielfalt im betroffenen
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Dienstleistungsbereich sei zudem äusserst gering. Die angemeldete Form
unterscheide sich klar von den im beanspruchten Dienstleistungssegment
üblichen Formen. Die Gestaltung der zur Frage stehenden Form
unterscheide sich auch wesentlich von anderen auf dem Markt
erhältlichen Schreibgeräten und sei weder funktional noch ästhetisch
bedingt. Die Beschwerdeführerin berief sich ausserdem auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz und führte als Vergleichsfälle eine Marke
an, die in Form eines Kleiderbügels für die Dienstleistung Werbung und
andere Dienstleistungen eingetragen worden war, sowie diverse
dreidimensionale Zeichen in Form von Schrauben für Dienstleistungen.
Ihren Eventualantrag begründete sie mit den bereits eingereichten
Durchsetzungsbelegen.
Mit Vernehmlassung vom 12. November 2009 beantragte die Vorinstanz
die Abweisung der Beschwerde und hielt an ihrer bisherigen Begründung
der Zurückweisung fest. Bei den massgebenden Verkehrskreisen sei von
durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Abnehmern auszugehen. Die Verwendung der fraglichen Form im
Zusammenhang mit Dienstleistungen mache sie nicht ohne Weiteres
unterscheidungskräftig. Gestützt auf den Gleichbehandlungsgrundsatz
lasse sich aus den von der Beschwerdeführerin erwähnten, eingetragenen
dreidimensionalen Zeichen kein Anspruch auf Eintragung des Zeichens
ableiten. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes führe ebenso wenig zu
einem Anspruch auf Eintragung einer nicht unterscheidungskräftigen
Form. Die Beschwerdeführerin habe auch keine nachteilige Disposition
getroffen, wie sie für den Vertrauensschutz vorausgesetzt sei.
Schliesslich sei für die geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung kein
markenmässiger Gebrauch belegt worden.
Die Beschwerde wird vom BVGer abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Nach der Legaldefinition von Art. 1 Abs. 1 des
Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 (MSchG, SR 232.11) ist die
Marke ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines
Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Diese Unterscheidungseignung ist Voraussetzung, damit sich die Marke
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mit der geistigen Vorstellung eines bestimmten Angebots bzw.
Unternehmens verbinden, die mit ihr gekennzeichneten Waren und
Dienstleistungen individualisieren und von weiteren Angeboten
unterscheidbar machen kann, um dadurch die Verbraucher und übrigen
Marktbeteiligten in die Lage zu versetzen, ein einmal geschätztes
Produkt in der Menge des Angebots wiederzufinden (BGE 134 III 551
E. 2.3 « PantonChair », BGE 129 III 517 E. 2.2 « Lego » mit Hinweis;
CHRISTOPH WILLI, Markenschutzgesetz, Kommentar zum
schweizerischen Markenrecht unter Berücksichtigung des europäischen
und internationalen Markenrechts, Zürich 2002, Art. 1 N. 10; MICHAEL
NOTH/FLORENT THOUVENIN, in: Michael Noth/Gregor Bühler/Florent
Thouvenin [Hrsg.], Markenschutzgesetz, Bern 2009, Art. 1 N. 2; KARL
HEINZ FEZER, Markenrecht: Kommentar zum Markengesetz, zur Pariser
Verbandsübereinkunft und zum Madrider Markenabkommen.
Dokumentation des nationalen, europäischen und internationalen
Kennzeichenrechts, 4. Aufl., München 2009, § 3 MarkenG N. 360 f.
[nachfolgend: FEZER, Markenrecht]). Die Unterscheidungseignung ist
abstrakter Natur und wird losgelöst von den Waren und Dienstleistungen
geprüft, für die die Marke beansprucht wird (NOTH/THOUVENIN, a. a. O.,
Art. 1 N. 17 f. mit Hinweisen; vgl. KARLHEINZ FEZER, Die Marke als
Markenformat – Baustein einer Theorie der variablen Marke,
veröffentlicht in Zeitschrift für Immaterialgüter, Informations und
Wettbewerbsrecht [sic!] 2005 Sonderheft, S. 14; FEZER, Markenrecht,
§ 3 MarkenG N. 361). Erfüllt ein Zeichen keine Individualisierungs oder
Identifizierungsfunktion, das heisst, ist kein Produkt denkbar, für
welches es als individualisierendes Kennzeichen in Betracht kommt,
fehlt es an der Unterscheidungseignung und damit an der
Markenfähigkeit (EUGEN MARBACH, Markenrecht, in: Roland von
Büren/Lucas David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter und
Wettbewerbsrecht, Bd. III/1, Kennzeichenrecht, 2. Aufl., Basel 2009,
N. 116; FEZER, Markenrecht, § 3 MarkenG N. 360). Ein nicht
markenfähiges Zeichen kann nicht durch nachträgliche Verkehrsgeltung
oder notorische Bekanntheit Unterscheidungseignung beziehungsweise
Markenfähigkeit erlangen. Vielmehr muss ein Zeichen mindestens
markenfähig sein, damit von einer Durchsetzung im Verkehr oder
Notorietät gesprochen werden kann. Andererseits unterliegt die
Unterscheidungseignung keinen strengen Anforderungen (vgl.
MARBACH, a. a. O., N. 118; FEZER, Markenrecht, § 3 MarkenG N. 363).
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2.2 Einem Zeichen mit Unterscheidungseignung ist der
Markenschutz dennoch zu verweigern, wenn es einen gesetzlichen
Ausschlussgrund erfüllt, zum Beispiel im Sinne von Art. 2 Bst. a oder b
MSchG Gemeingut ist, das Wesen der Ware ausmacht oder technisch
notwendig ist. Zu den Zeichen des Gemeinguts gehören Zeichen, die
vom Publikum nicht als Hinweis auf eine bestimmte Betriebsherkunft
verstanden werden und damit nicht hinreichend unterscheidungskräftig
sind, sowie Zeichen, die für den Wirtschaftsverkehr aus anderen Gründen
freizuhalten sind (vgl. BGE 131 III 126 E. 4.1 « Smarties/M&M's »;
Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für geistiges
Eigentum [RKGE] vom 21. Dezember 2005, veröffentlicht in sic! 2006
S. 334 E. 2 « mouvement de montre [fig.] », Entscheid der RKGE vom
15. Oktober 2004, veröffentlicht in sic! 2005 S. 281 E. 4 « Karomuster
[fig.] »; MARBACH, a. a. O., N. 247; WILLI, a. a. O., Art. 2 N. 34). Die
Unterscheidungskraft bezeichnet die Eignung der Marke, im
Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren und
Dienstleistungen als Herkunftshinweis zu dienen. Fehlt einem Zeichen
die Unterscheidungseignung, ist damit auch eine Unterscheidungskraft
ausgeschlossen (MARBACH, a. a. O., N. 117, Fn. 134; FEZER,
Markenrecht, § 3 MarkenG N. 366).
2.3 Art. 1 Abs. 2 MSchG zählt Beispiele von Markenarten auf.
Danach können Marken unter anderem aus dreidimensionalen Formen
bestehen. Bei dreidimensionalen Marken wird unterschieden, ob das
Zeichen in der Form der angebotenen Ware oder Verpackung selbst
besteht (« Formmarke ») oder als selbständige Kennzeichenform
physisch neben jene tritt (« übrige » dreidimensionale Marke, BGE 129
III 516 E. 2.1 « Lego », BGE 120 II 308 f. E. 2a « The Original », je mit
Hinweisen; LUCAS DAVID, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Lucas
David [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,
Markenschutzgesetz, Muster und Modellgesetz, 2. Aufl., Basel 1999,
Art. 1 MSchG N. 17; MICHAEL NOTH, in: Michael Noth/Gregor
Bühler/Florent Thouvenin [Hrsg.], Markenschutzgesetz, Bern 2009,
Art. 2 Bst. b N. 16; MARBACH, a. a. O., N. 134 ff.; WILLI, a. a. O., Art. 2
N. 195). « Übrige » dreidimensionale Marken werden bis auf ihre
räumliche Dimension gleich wie traditionelle Markenformen beurteilt,
während auf Formmarken zusätzlich Art. 2 Bst. b MSchG Anwendung
findet. Diese Bestimmung sieht einen absoluten Schutzausschluss für
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Formen vor, die das Wesen der Ware ausmachen, und für Formen der
Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind. Solche Formen
sind absolut freihaltebedürftig und erlangen daher auch bei
Verkehrsdurchsetzung keine Unterscheidungskraft (BGE 129 III 518
E. 2.3 « Lego » mit Hinweisen). In Formmarken können sich die
Ausschlussgründe der Freihaltebedürftigkeit nach Art. 2 Bst. b MSchG
einerseits und der fehlenden Unterscheidungskraft nach Art. 2 Bst. a
MSchG, die ebenfalls eine Freihaltebedürftigkeit bewirkt (Urteil des
Bundesgerichts 4A.8/2006 vom 23. Mai 2006, veröffentlicht in sic! 2006
S. 666 « Zigarettenverpackung [3D] »), andererseits, überlagern.
Allerdings begründen sich diese beiden Arten von Freihaltebedürftigkeit
rechtlich verschieden (BGE 129 III 517 E. 2.2 « Lego »). Für die
Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft kommt jede
dreidimensionale Marke in Frage, die beschreibend wahrgenommen
wird; das unabhängig von der Wahrnehmung des Verkehrs begründete
Freihaltebedürfnis von Art. 2 Bst. b MSchG hingegen fusst auf dem
Zusammenfallen von Ware und Kennzeichen in derselben Form, kann
also nur von Formmarken erfüllt werden. Auch für die
Gemeingutzugehörigkeit von Formmarken gilt zudem ein strengerer
Beurteilungsmassstab. Erhöhte Anforderungen an die
Unterscheidungskraft werden hier gestellt, weil das Publikum in
Formmerkmalen, im Vergleich zu den gewohnten, distinkten
Zeichengesamtheiten, kennzeichenrechtliche Herkunftshinweise weniger
erwartet. Formmarken müssen sich darum von sämtlichen im
beanspruchten Warensegment üblichen Formen auffällig unterscheiden
und langfristig in der Erinnerung der Abnehmerschaft haften bleiben
(BGE 134 III 552 f. E. 2.3.1 und 2.3.4 « Pantonchair », BGE 120 II 310
E. 3b « The Original »). Die Unterscheidungskraft wird dabei stets nach
der Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise im
Gesamteindruck der Marke beurteilt (BGE 134 III 551 E. 2.3.1 « Panton
chair » mit Hinweisen; Entscheid der RGKE vom 11. November 2005,
veröffentlicht in sic! 2006 S. 265 E. 6 « Tetrapack »; WILLI, a. a. O.,
Art. 2 N. 41 und 124).
2.4 Es fragt sich, ob nur dreidimensionale Warenmarken im Sinn
dieser besonderen Eintragungsvoraussetzungen oder ob auch
dreidimensionale Dienstleistungsmarken Formmarken sein können.
Dienstleistungen sind oft aus einer Vielzahl von Handlungen
zusammengesetzt. Auch Waren kommen dabei häufig zum Einsatz und
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435 BVGE / ATAF / DTAF
können, zum Beispiel in der Gastronomie oder bei einer Lotterie, als Teil
der Dienstleistung auf den Kunden übertragen werden. Dienstleistungen
können als abstrakte Leistungsgesamtheiten weder Konturen noch eine
Form haben (vgl. MARKUS WANG, Die schutzfähige Formgebung – Eine
Untersuchung der materiellen Voraussetzungen des muster, urheber
und markenrechtlichen Schutzes von Warenformen, Diss. St. Gallen,
Bern 1998, S. 331 Fn. 57; MARBACH, a. a. O., N. 497). Art. 2 Bst. b
MSchG erwähnt darum folgerichtig nur Waren und keine
Dienstleistungsformen. Dies schliesst aber nicht aus, Art. 2 Bst. b
MSchG auch auf Formen anzuwenden, deren Gegenstand seinerseits das
Wesen einer Dienstleistung ausmacht oder technisch notwendig ist, um
jene zu erbringen, wenn die Marke anstelle der Ware für diese
Dienstleistung beansprucht wird. Art. 1 Abs. 1 MSchG umschreibt
Warenmarken nämlich nicht einschränkend als Zeichen für einen
Warenverkauf, sondern nur als Zeichen zur Unterscheidung von Waren,
worunter auch verleaste, vermietete, verliehene oder anderweitig
gewerblich zur Verfügung gestellte Waren zählen. Willkürlich
kategorisiert die aktuelle NizzaKlassifikation demgegenüber die
Vermietung von Waren als Dienstleistung (Deutsches Patent und
Markenamt, Internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken. Teil I – Klassifikation
von Nizza, 9. Ausg., Köln/ Berlin/München 2006, S. 223 ff.). Es würde
sich daher nicht rechtfertigen, auf dreidimensionale Waren und
Dienstleistungsmarken unterschiedliche Eintragungsvoraussetzungen
anzuwenden. Die historisch begründete Unterscheidung von Waren und
Dienstleistungen erweist sich vielmehr auch in Anbetracht der ineinander
übergehenden Schutzbereiche entsprechender Marken als gekünstelt.
Auch Dienstleistungsmarken, die sich in der Form einer Ware
erschöpfen, sind darum unter Art. 2 Bst. b MSchG und im für
Formmarken geltenden Beurteilungsmassstab zu prüfen (ebenso
MARBACH, a. a. O., N. 497 f.; NOTH, a. a. O., Art. 2 Bst. b N. 20, je mit
weiteren Hinweisen). Dies schliesst nicht aus, bei dieser Prüfung zu
berücksichtigen, dass die gedankliche Verbindung einer Form zu einer
Dienstleistung in der Regel nicht mit derselben Unmittelbarkeit wie zu
einer formgebenden Ware erfolgt, sondern stets einen zusätzlichen
geistigen Schritt voraussetzt (RUTH ARNET, Die Formmarke, Diss.
Zürich 1993, S. 19).
Markenschutz 2010/31
BVGE / ATAF / DTAF 436
3. Das strittige Zeichen beansprucht Schutz für Dienstleistungen in
Klasse 35 (Werbung, Marketing, Verteilen von Werbemitteln), Klasse 40
(Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Personalisierung von
Schreibgeräten für Werbezwecke, nämlich Bedrucken der Schreibgeräte,
insbesondere mit Firmenlogos und/oder Firmennamen, Beratung
bezüglich des Bedruckens von Schreibgeräten [Werbeartikel]) und
Klasse 42 (Beratung bezüglich der Gestaltung von Schreibgeräten
[Werbeartikel]). Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass sich ihre
Marke an ein Fachpublikum aus der Werbebranche mit spürbar erhöhter
Aufmerksamkeit richtet. Der Einkauf von Werbedienstleistungen beruhe
auf einem ausführlichen Prozess. Demgegenüber sieht die Vorinstanz
sowohl den in Werbesachen unbedarften Einzelkaufmann wie den
spezialisierten Mitarbeiter in der Marketingabteilung eines
Grossunternehmers angesprochen; Fachkenntnisse seien entsprechend
nur bei einem Teil der potentiellen Abnehmer vorhanden. Insbesondere
könne nicht von erhöhten Fachkenntnissen im Bereich des Designs von
Schreibgeräten ausgegangen werden.
Tatsächlich sprechen die betroffenen Dienstleistungen alle Arten und
Grössen von Unternehmen an, wobei kleinere ohne eigene
Marketingabteilung keine oder nur wenig Fachkenntnis mitbringen. Der
Gestaltung der Werbung selbst dürfte zudem oftmals mehr Bedeutung
beigemessen werden als dem Design des Werbeobjekts. Es ist deshalb
von einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen
Verkehrskreise auszugehen.
4. Das in Frage stehende Zeichen ist als dreidimensionale Marke
angemeldet. Es zeigt die Form eines Kugelschreibers, der aus einem
unten in der Schreibspitze endenden Schaft mit glatter Fläche und einer
geschwungenen Halterung in der gleichen Breite wie der Schaft besteht.
Der Schaft und die Halterung sind aus einem Guss, wobei zwischen
Schaft und Halterungsende eine Einkerbung liegt. Eine weitere
Einkerbung findet sich im oberen Drittel des Schafts. Durch die
geschwungene Halterung ist das obere Ende des Kugelschreibers
abgeschrägt. Bei seitlicher Ansicht entsteht der Eindruck einer Spitze.
In dieser Form ist ohne Weiteres der Sinngehalt eines Kugelschreibers
erkennbar. Dieser kann als Gegenstand des Alltags leicht und spezifisch
wiedererinnert werden und damit anderen Gegenständen und
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437 BVGE / ATAF / DTAF
Dienstleistungen zur Unterscheidung dienen. Die
Unterscheidungseignung der Marke ist darum zu bejahen.
5. Weiter ist zu prüfen, ob die fragliche Kugelschreiberform das
Wesen der angemeldeten Dienstleistungen ausmacht oder für diese
technisch notwendig ist. « Werbung » und « Marketing » bestehen im
Erbringen von Kommunikation mit der Absicht der Beeinflussung von
Menschen im Hinblick auf Gegenstände oder die aktive Gestaltung von
Märkten (JOACHIM ZENTES/BERNHARD SWOBODA, Grundbegriffe des
Marketing – Marktorientiertes globales ManagementWissen, 5. Aufl.,
S. 374 und 581) und sind darum nicht wesensmässig mit einer
bestimmten Kugelschreiberform verbunden. Die
Dienstleistungsbezeichnungen « Verteilen von Werbemitteln »,
« Bedrucken von Schreibgeräten » und « Beratung bezüglich der
Gestaltung von Schreibgeräten » schliessen begrifflich die Produktion
und Lieferung dieser Werbemittel beziehungsweise Schreibgeräte aus, da
jene in Klasse 16 gehören. Die Kugelschreiberform hängt darum zwar
mit diesen Dienstleistungen zusammen, stellt aber nur einen möglichen
Gestaltungsträger und nicht ihr figürliches Zentrum dar, ohne das sie
wesensgemäss gar nicht erbracht werden könnten.
Werbung, Marketing und die Beratung als Dienstleistungen für Dritte
setzen sodann keine technischen Vorgaben in Form des angemeldeten
Kugelschreibers voraus. Als Gegenstand dieser Dienstleistungen sind
auch mit Bezug auf Schreibgeräte etliche funktionale Äquivalente
denkbar. Der Konkurrenz kann ihre Erbringung mit Hilfe anderer
Formen zugemutet werden, so dass die Marke für diese auch nicht
technisch notwendig ist (BGE 129 III 514 E. 2.4.2, 3.2.1 und 3.2.2
« Lego »). Demgegenüber sind ein « Verteilen von Werbemitteln » in
Klasse 35 und die Erbringung von « Dienstleistungen im Zusammenhang
mit der Personalisierung von Schreibgeräten, insbesondere durch
Bedrucken der Schreibgeräte » in Klasse 40 technisch nicht anders als
mit geeigneten Werbemitteln möglich. Hierunter fallen
erfahrungsgemäss zu einem bedeutenden Anteil auch Kugelschreiber.
Am Markt sind Kugelschreiber zu Werbezwecken sehr häufig
anzutreffen. Dass der Begriff « Schreibgeräte » auch Füllfederhalter,
Filz, Blei und Farbstifte usw. umfasst, ändert daran nichts. Anderen
Anbietern jener Dienstleistungen kann ob solcher Marktübung jedenfalls
nicht zugemutet werden, auf anderes Schreibzeug auszuweichen. Die
Markenschutz 2010/31
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Marke ist somit für das « Verteilen von Werbemitteln » in Klasse 35 und
die Erbringung von « Dienstleistungen im Zusammenhang mit der
Personalisierung von Schreibgeräten, insbesondere durch Bedrucken der
Schreibgeräte » in Klasse 40, technisch notwendig, falls sie keine
bestimmte Kugelschreiberform mit individualisierten Merkmalen,
sondern praktisch die « Kugelschreiberform als solches » besetzt und
damit die Erbringung entsprechender Dienstleistungen durch anders
gestaltete Kugelschreiber in unzumutbarem Umfang ausschliesst (E. 2.3).
6. Ob der Abstand zwischen der dreidimensionalen Form und den
beanspruchten Dienstleistungen für das Vorliegen eines
unterscheidungskräftigen Zeichens genügt, ist mit Rücksicht auf das
Verhältnis der angemeldeten Form zur Grundform eines Kugelschreibers
einerseits und auf jenes des Kugelschreibers zu den Dienstleistungen
andererseits zu prüfen.
6.1 Aus funktionalen Gründen besitzt die Form eines
Kugelschreibers einen Schaft, ein bewegliches Glied zum Herausdrehen
oder drücken der Schreibmine sowie eine Halterung, mit welcher der
Schreiber insbesondere an einer Jackentasche befestigt werden kann. Ein
zu Werbezwecken einsetzbarer Kugelschreiber weist ausserdem eine
bedruck oder beschreibbare Fläche an Schaft oder Halterung auf.
Sowohl die Abnehmer von Kugelschreibern wie auch jene von zur
Werbung dienenden Schreibgeräten sind an eine grosse Formenvielfalt
gewohnt, was die einzelne Ausgestaltung des Objekts betrifft. Dies wird
im Übrigen durch die zur Geltendmachung der Verkehrsdurchsetzung
(...) eingereichten Kataloge bestätigt, die eine Vielzahl von bedruckbaren
Stiftformen enthalten. Hieraus kann nicht der Schluss gezogen werden,
dass grundsätzlich alle Kugelschreiberformen banal sind. Über die
technisch bedingte Grundform hinausgehend weist die zu prüfende Form
aber lediglich die geschwungene, oben abgeschrägte Halterung auf. Da
durch die konkret gestaltete Halterung eine bessere Klemmwirkung
besteht, ist auch dieses zusätzliche Element durch seine Funktion
vorbestimmt. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin hebt
sich die konkrete Gestaltung aus Sicht der massgebenden Verkehrskreise
nicht wesentlich von der Form anderer Schreibgeräte, die ausschliesslich
Werbezwecken dienen, ab. Die angemeldete Form entspricht damit dem
Gewohnten und Erwarteten eines Kugelschreibers. Damit erweist sie sich
als technisch notwendig im Sinne von Art. 1 Bst. b MSchG für das
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« Verteilen von Werbemitteln » in Klasse 35 und « Dienstleistungen im
Zusammenhang mit der Personalisierung von Schreibgeräten,
insbesondere durch Bedrucken der Schreibgeräte » in Klasse 40 (E. 5).
6.2 In Klasse 35 wurde die dreidimensionale Form des
Kugelschreibers im Übrigen für Werbung und Marketing angemeldet.
Diese Dienstleistungen werden mit Hilfe von verschiedensten
Werbeartikeln erbracht. Dabei ist nebst Schreibgeräten vor allem an
verteilbare Gegenstände wie Süssigkeiten, Taschenmesser, Feuerzeuge,
Kalender, Schirme usw. und an Werbemittel in Form von Plakaten,
Zetteln und Prospekten zu denken. Vielerorts besitzen Unternehmen
verschiedenster Branchen Schreibgeräte, die mit ihrem Logo bedruckt
sind und sowohl intern an Mitarbeiter wie auch extern, beispielsweise auf
Messen, an potentielle Kunden und als Werbeträger verteilt werden. Der
Ansicht der Beschwerdeführerin, ein Schreibstift sei zur Erbringung der
beanspruchten Dienstleistungen in keiner Weise geeignet, ist darum nicht
zu folgen. Ein Kugelschreiber ist auch aufgrund seiner unterschiedlichen
Preissegmente ein typisches, wenn auch nicht einziges, Mittel zur
Erbringung von Werbung und Marketing.
Die weiteren beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 40 (Beratung
bezüglich des Bedruckens von Schreibgeräten [Werbeartikel]) und
Klasse 42 (Beratung bezüglich der Gestaltung von Schreibgeräten
[Werbeartikel]) erwähnen Schreibgeräte als Werbeartikel ebenfalls und
stehen mit diesen darum in einem engen Zusammenhang.
6.3 Auch zwischen der angemeldeten Form und den beanspruchten
Dienstleistungen liegen somit lediglich entfernte Gedankenschritte. Der
gedankliche Bezug zwischen Zeichen und Dienstleistungen ergibt sich
ohne Zuhilfenahme der Fantasie, weshalb die angemeldete Form für
diese Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig ist. Für das
« Verteilen von Werbemitteln » in Klasse 35 und die Erbringung von
« Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Personalisierung von
Schreibgeräten, insbesondere durch Bedrucken der Schreibgeräte » in
Klasse 40, ist sie sogar technisch notwendig (E. 5).
7. Die Beschwerdeführerin beruft sich weiter auf den in Art. 9 der
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April
1999 (BV, SR 101) verankerten Grundsatz von Treu und Glauben, weil
die Vorinstanz in einem anderen Markenprüfungsverfahren schriftlich
Markenschutz 2010/31
BVGE / ATAF / DTAF 440
die Schutzfähigkeit der beantragten Formmarke für Werbung in Klasse
35 bejaht habe. Der Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer
Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche
Zusicherungen und weiteres, bestimmte Erwartungen begründendes
Verhalten der Behörden. Vorausgesetzt wird, dass die sich auf
Vertrauensschutz berufende Person berechtigterweise auf diese
Grundlage vertrauen durfte und gestützt darauf nachteilige Dispositionen
getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann. Die Berufung
auf Treu und Glauben scheitert, wenn ihr überwiegende öffentliche
Interessen entgegenstehen (BGE 129 I 170 E. 4.1 mit weiteren
Hinweisen; vgl. REGINA KIENER/ WALTER KÄLIN, Grundrechte, Bern
2007, S. 340 f.; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/ Basel/Genf 2006,
N. 622 ff., N. 668 ff.; BEATRICE WEBERDÜRLER, Vertrauensschutz im
öffentlichen Recht, Basel und Frankfurt am Main 1983, S. 195 ff.) oder
das Recht sich seit der Auskunft geändert hat (BGE 121 II 479 E. 2c,
BGE 118 Ia 254 E. 4b; differenzierend ELISABETH CHIARIELLO, Treu
und Glauben als Grundrecht nach Art. 9 der schweizerischen
Bundesverfassung, Diss. Bern 2004; BEATRICE WEBERDÜRLER, Neuere
Entwicklungen des Vertrauensschutzes, veröffentlicht in
Schweizerisches Zentralblatt für Staats und Verwaltungsrecht 2002
289 f.).
Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz in einem Schreiben an die
Beschwerdeführerin vom 10. November 2006 betreffend eine
Anmeldung desselben Zeichens für Waren der Klasse 16, veranlasst
durch eine entsprechende Anfrage der Beschwerdeführerin, die über den
Gegenstand jenes Verfahrens hinausging, wörtlich ausgeführt: « Zur
anlässlich des Gesprächs aufgeworfenen Möglichkeit der Eintragung des
Zeichens für die Dienstleistung Werbung wird folgendes angemerkt: / 1.
Die Eintragung des Zeichens für diese Dienstleistung wäre ohne
Nachweis der Verkehrsdurchsetzung möglich, da das Zeichen für diese
Dienstleistung als dreidimensionale Marke im weiteren Sinn zu werten
ist, welche weder die Dienstleistung beschreibt noch eine in sich banale
einfache Raumform darstellt und welche daher als originär schutzfähig
gelten kann (vgl. Richtlinien in Markensachen, Teil 4, Ziff. 4.10.2.1). / 2.
Zum Umfang des Abwehranspruchs, der aus einer solchen Eintragung
resultieren würde, kann sich das Institut nicht äussern, zumal eine solche
2010/31 Markenschutz
441 BVGE / ATAF / DTAF
Äusserung die im Kollisionsfall entscheidenden Instanzen nicht binden
würde. »
Die Vorinstanz erteilte diese Auskunft als zuständige
Markenprüfungsbehörde in einer konkreten Situation gegenüber einer
bestimmten Person, ohne sich dabei ausdrücklich eine nochmalige
Überprüfung ihrer geäusserten Rechtsauffassung im Fall einer
entsprechenden Markenanmeldung vorzubehalten und ohne dass die
Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit der Auskunft erkennen konnte.
Die Beschwerdeführerin durfte darum für die Eintragung der Marke für
« Werbung » in Klasse 35 berechtigterweise auf die Auskunft vertrauen
(BGE 121 II 479 E. 2c). Allein daraus folgt aber noch kein Anspruch der
Beschwerdeführerin auf Eintragung ihrer Marke im Umfang der erteilten
Auskunft. Die von ihr als Folge der Auskunft getroffene Disposition
besteht nämlich nur in der vorliegend zu beurteilenden
Markenanmeldung für « Werbung » in Klasse 35. Weitere im Hinblick
auf jene positive Auskunft getroffene und im Fall einer Nichteintragung
für sie nachteilige Dispositionen sind nicht ersichtlich und macht die
Beschwerdeführerin auch nicht geltend. Diese Markenanmeldung
verpflichtete die Beschwerdeführerin einzig zur Bezahlung der relativ
geringfügigen Anmeldegebühr, nicht aber zur sofortigen
Gebrauchsaufnahme der Marke oder zum Verzicht auf andere
Kennzeichen (Art. 12 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 2 Bst. b MSchG). Ihr
stehen die Gebrauchsinteressen der Erbringer/innen von Dienstleistungen
auf dem Schweizer Werbemarkt entgegen, die Kugelschreiber als
Werbemittel verwenden wollen und im Fall einer Eintragung der Marke
in Gefahr geraten, diese zu verletzen. Letztere ist vorliegend umso
grösser, als Kugelschreiber typische Werbemittel sind und die
angemeldete Form nur geringfügig individualisiert ist, solche
Werbemittel dem Verkehr also in breitem Umfang verbieten könnte,
sobald sie kennzeichnend eingesetzt würden (E. 6.2 f.). Im Unterschied
zu einschlägigen Fällen des verwaltungsrechtlichen Vertrauensschutzes
wie zum Beispiel dem Beitritt zur AHV für Auslandschweizer (BGE 121
V 65) oder der Anwendung von Bauvorschriften (BGE 103 Ia 505) sind
bei einem Vertrauensschutz hinsichtlich Auskünften über die Eintragung
von Marken nicht nur das öffentliche Interesse an richtiger
Rechtsanwendung, sondern auch die entgegenstehenden Interessen der
Verkehrsteilnehmer zu überwinden, welche die Marke vom Gebrauch
Markenschutz 2010/31
BVGE / ATAF / DTAF 442
entsprechender Zeichen ausschliessen würde. Zumal der
Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Auskunfterteilung bewusst
gewesen sein musste, dass eine Marke im Sinne der erteilten Auskunft
zuerst das standardisierte Prüfungsverfahren der Vorinstanz zu
durchlaufen hatte, das durch die Auskunft nicht abgekürzt oder
vorweggenommen wurde, würde es unverhältnismässig erscheinen, die
Vorinstanz zu Ungunsten der übrigen Marktteilnehmenden allein der
geringfügigen, auf einen Teil der Anmeldung des vorliegenden
Verfahrens beschränkten Disposition der Beschwerdeführerin wegen auf
ihrer unrichtigen Auskunft vom 10. November 2006 zu behaften.
Die Eintragung ist daher auch nicht auf Grund der behördlichen
Auskunft vom 10. November 2006 zu gewähren.
8. – 8.2 (...)
9. Die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz sind sich uneinig
darüber, ob der bereits im vorinstanzlichen Verfahren gestellte
Eventualantrag der Beschwerdeführerin zulässig sei. Die Vorinstanz
äusserte im vorinstanzlichen Verfahren, auf eine lediglich eventualiter
beantragte Verkehrsdurchsetzung ohne unbedingten Antrag auf Prüfung
und Eintragung sei nicht einzutreten.
Haupt und Eventualbegehren beziehen sich regelmässig auf denselben
Rechtsanspruch und unterscheiden sich einzig in Bezug auf Höhe oder
Umfang der Vorteilsgewährung (FRANK SEETHALER/FABIA BOCHSLER,
in: Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger [Hrsg.], VwVG –
Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren,
Zürich/ Basel/Genf 2009, Art. 52 N. 53 zum Beschwerdeverfahren). Ob
ein Antrag auf Markeneintragung aufgrund der originären
Schutzfähigkeit oder aufgrund Verkehrsdurchsetzung erfolgt, ändert
nichts am Streitgegenstand. Eine als durchgesetzt vermerkte Marke erhält
keinen anderen Schutz.
Der Beschwerdeführerin muss auch im vorinstanzlichen Verfahren die
Möglichkeit offen stehen, einen Eventualantrag auf Eintragung aufgrund
einer Verkehrsdurchsetzung zu stellen. Unabhängig von der Behandlung
des Eventualbegehrens muss das Recht zur Anfechtung gegen eine
Abweisung des Hauptantrags möglich bleiben. Diese Möglichkeit wäre
nicht gegeben, müssten die Anträge auf Eintragung aufgrund originärer
Schutzfähigkeit und aufgrund Verkehrsdurchsetzung in voneinander
2010/31 Markenschutz
443 BVGE / ATAF / DTAF
getrennten Eingaben gestellt werden. Die zur Geltendmachung der
Verkehrsdurchsetzung eingereichten Unterlagen wurden von der
Vorinstanz denn auch richtigerweise materiell geprüft.