BVerwG 2 WDB 6.06 , Beschluss vom 04. April 2007 | Bundesverwaltungsgericht
Karar Dilini Çevir:
BVerwG 2 WDB 6.06 , Beschluss vom 04. April 2007 | Bundesverwaltungsgericht
Beschluss
BVerwG 2 WDB 6.06
In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 4. April 2007 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt. Gründe I
1 Der 59 Jahre alte frühere Soldat war seit dem 1. Oktober 1968 Berufssoldat, zuletzt im Dienstgrad eines Generalleutnants. Seit dem 1. Februar 2004 wurde er als Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis verwendet. Mit Urkunde des Bundespräsidenten vom 26. Januar 2006, die ihm vom Bundesminister der Verteidigung am folgenden Tag ausgehändigt wurde, wurde er gemäß § 50 SG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner dagegen erhobenen Klage wurde vom Verwaltungsgericht K. mit Beschluss vom 2. Juni 2006 (Az: 27 L 525/06) abgelehnt; die Beschwerde wurde vom Oberverwaltungsgericht für das Land N. mit Beschluss vom 19. September 2006 (Az: 1 B 1103/06) zurückgewiesen. II
2 Durch Verfügung vom 11. Mai 2006, die dem Bevollmächtigten des früheren Soldaten am 17. Mai 2006 zugestellt wurde, stellte der Bundesminister der Verteidigung die aufgenommenen disziplinaren Vorermittlungen gegen den früheren Soldaten ein. Gleichzeitig lehnte er die vom früheren Soldaten nach § 95 Abs. 1 WDO beantragte Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ab und stellte ein Dienstvergehen fest. Dazu wird in der Begründung ausgeführt:
„I.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes (WDA SKA) hatte im Juni 2005 zunächst gegen zwei studierende Soldaten der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg - Leutnant (Lt) G. und Oberfähnrich (OFhr) K. - wegen des Verdachts sexistischer, rassistischer und extremistischer Äußerungen disziplinare Vorermittlungen aufgenommen und diese Ende Juli 2005 auf Lt Christopher R., den Sohn des damaligen Stellvertreters des Inspekteurs des Heeres (StvInspH), Generalleutnant (GenLt) J. R., ausgedehnt.
Im Dezember 2005 wurde ich darüber in Kenntnis gesetzt, Sie hätten GenLt R. einen internen Vermerk der WDA SKA über den Stand der disziplinaren Vorermittlungen zukommen lassen; GenLt R. hätte diesen Vermerk anschließend seinem Sohn zur Kenntnis gegeben. Daraufhin habe ich die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine (WDA InspM) ersucht, zur Vorbereitung meiner Entschließung über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Sie disziplinare Vorermittlungen gemäß § 92 Abs. 1 der Wehrdisziplinarordnung (WDO) vorzunehmen.
Sie sind zwischenzeitlich durch den Bundespräsidenten mit Urkunde vom 26.01.2006, Ihnen ausgehändigt am 27.01.2006, in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
Mit Schreiben vom 29.01.2006 haben Sie beantragt, gegen sich ein gerichtliches Disziplinarverfahren gemäß § 95 Abs. 1 WDO einzuleiten (sog. Selbstreinigungsverfahren).
II
Nach den Ermittlungen des WDA InspM, Ihrer ihm gegenüber abgegebenen Einlassung vom 22.12.2005, Ihrem Vorbringen in Ihrer Antragsschrift vom 29.01.2006 sowie Ihrer durch Ihren Verfahrensbevollmächtigten für Sie abgegebenen abschließenden Äußerung vom 14.03.2006 ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Am Nachmittag des 19.10.2005 trug der Amtschef SKA, Konteradmiral D., Ihnen aufgrund Ihrer damaligen dienstlichen Stellung als Inspekteur der Streitkräftebasis und damit höherer Einleitungsbehörde für die studierenden Soldaten der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg zum aktuellen Stand der laufenden disziplinaren Vorermittlungen gegen Lt R., Lt. G und OFhr K. vor. Hierbei erhielten Sie vom Amtschef SKA einen als „Persönlich! Personalangelegenheit!“ gekennzeichneten internen - nicht für die Akten bestimmten - Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005 mit dem damaligen Zwischenergebnis der Ermittlungen. Am Vormittag des 21.10.2005 baten Sie GenLt R. zu einem kurzen Gespräch in Ihr Büro und informierten ihn zunächst mündlich über Inhalt und Stand der gegen seinen Sohn geführten disziplinaren Vorermittlungen. Am Nachmittag des 21.10.2005 übergaben Sie GenLt R. sodann in einem verschlossenen Umschlag den internen Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005, welchen Sie mit dem Zusatz „Lieber J., wie besprochen der Zwischenstand zu Deiner persönlichen Kenntnis. Dein H., 21/10“ versehen hatten.
III
Im Rahmen der abschließenden Äußerung vom 14.03. 2006 haben Sie sich über Ihren Verfahrensbevollmächtigten zu dem gegen Sie erhobenen Vorwurf eingelassen, ohne dass dies Sie davon zu entlasten vermag.
Weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht überzeugt die Einlassung, Sie hätten als höhere Einleitungsbehörde von Ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, neben der zuständigen WDA SKA selbständig Ermittlungen zu führen; es sei Ihnen dabei ausschließlich darum gegangen, den beschleunigten Fortgang der disziplinaren Vorermittlungen gegen Lt R. zu fördern; damit hätten Sie Ihre gesetzlichen Pflichten erfüllt, ohne Ihre Befugnis als höhere Einleitungsbehörde und zuständiger höherer Disziplinarvorgesetzter überschritten zu haben. Einerseits gibt es dafür im Regelungswerk der WDO keine gesetzliche Grundlage. Dort ist vielmehr klar und eindeutig festgelegt, dass Vorermittlungen gemäß § 92 Abs. 1 WDO allein durch die WDA geführt werden; die WDO räumt darüber hinaus weder der (zuständigen) Einleitungsbehörde noch den höheren Einleitungsbehörden Befugnisse ein, die sie berechtigten, neben der zuständigen WDA tätig zu werden und selbständige Ermittlungen vornehmen zu dürfen. Andererseits erscheint Ihre abschließende Äußerung angesichts des Inhalts Ihrer Aussage gegenüber dem WDA InspM am 22.12.2005, festgehalten in der Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten vom selben Tage, sowie Ihrer damit beinahe wortgleichen Ausführungen in Ihrer Antragsschrift vom 29.01.2006 auch nicht glaubhaft. In diesem Schreiben lautet der zweite Absatz auf Blatt 1 wie folgt:
‚Es trifft zu, dass ich meinem Kameraden, GenLt R., den Vermerk der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes vom 17.10.2005, der die Vorermittlungen gegen seinen Sohn, Lt R., betraf, ausdrücklich zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch überlassen habe. Mir ging es allein darum, einem Kameraden-Vater Gelegenheit zu geben, auf seinen Sohn im Sinne der Sache positiv einzuwirken. Dazu sollte er die Angelegenheit nicht nur aus der subjektiven Sicht seines Sohnes kennen, sondern den zur Last gelegten Sachverhalt gemäß dem Stand der Ermittlungen.
Nicht im Entferntesten habe ich damit gerechnet, dass der gesamte Inhalt des Vermerks dem Sohn R. bekannt werden könnte, denn ich hatte keinen Grund, nicht darauf zu vertrauen, dass mein ausdrücklicher Hinweis auf den ausdrücklichen persönlichen Gebrauch beachtet würde. Es wäre abwegig zu glauben, dass ich den Verlauf des Verfahrens zum Nachteil anderer Beteiligter beeinflussen wollte.
Trotzdem ist das ein Fehler, den ich allerdings - auch im Hinblick auf die Wahrnehmung meiner Pflicht zu Kameradschaft und Fürsorge - nicht für schwerwiegend halte.’
Wenn Sie sich gleichwohl nun auf Ihnen angeblich in Ihrer damaligen dienstlichen Stellung als höhere Einleitungsbehörde eingeräumte Befugnisse berufen, so bewerte ich das aus den zuvor dargelegten Gründen als reine Schutzbehauptung.
Auch Ihrer weiteren Einlassung, es würde unerfindlich bleiben, wieso ausgerechnet GenLt R. der Vermerk der WDA SKA vorzuenthalten gewesen wäre, obwohl er ‚ohnehin als StvInspH rechtmäßigen Zugang zu den Personalakten aller Heeresuniformträger’ gehabt hätte, ist nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass Disziplinarsachen ihrer Natur nach zu den Personalangelegenheiten der Soldaten gehören. Aber bereits die in § 29 des Soldatengesetzes (SG) sowie den ‚Bestimmungen über die Führung der Personalakten der Soldaten und der Personalunterlagen mit Personalaktenqualität’ (Schnellbrief-Erlass des BMVg - PSZ IV/Z - Az 16-26-01 - vom 08.08.2001) enthaltenen Regelungen geben für eine derartige Zugangsmöglichkeit des damaligen StvInspH zu den Personalakten aller ‚Heeresuniformträger’ nichts her. Daneben enthält auch die WDO keine Regelung, die es etwa dem Inspekteur des Heeres oder seinem (damaligen) Stellvertreter erlaubt hätten, in solche Disziplinarvorgänge Einblick zu nehmen, die jenseits der eigenen disziplinaren beziehungsweise dienstaufsichtlichen Zuständigkeit angesiedelt sind. § 9 Abs. 1 Nr. 1 WDO verbietet vielmehr die Weitergabe von Mitteilungen über disziplinare Ermittlungen an unzuständige Stellen.
Dass GenLt R. weder Anspruch noch Berechtigung hatte, über den Stand der Ermittlungen gegen seinen Sohn, Lt G. und OFhr K. unterrichtet zu werden sowie den Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005 zu erhalten, war Ihnen zu meiner Überzeugung jederzeit bekannt.
Ihrer Einlassung schließlich, der Vorwurf einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sei schon deshalb haltlos, weil GenLt R. den Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005 zudem zuvor (auch) vom Chef des Stabes des Führungsstabes des Heeres (FüH), GenMaj W., erhalten hätte, so dass ihm der Inhalt bereits bekannt gewesen sei, ist - unabhängig davon, dass dieser Umstand aus meiner Sicht dienstrechtlich keinerlei Relevanz besitzt und allenfalls in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Bedeutung gewinnen könnte - ebenfalls nicht zu folgen. GenLt R. hat sich diesbezüglich gegenüber dem WDA InspM in seiner schriftlichen Einlassung vom 22.12.2005 zunächst im vorletzten bzw. letzten Absatz auf Blatt 2 wie folgt geäußert:
‚Vor Beginn der Tagung (gemeint ist sog. Generals-/ Admiralstagung des Bundeswehrverbandes in B. am 21./22.10.2005) übergab mir GL Di. dann in einem verschlossenen Umschlag die Unterlagen ...
Ich überflog während der Tagung die Unterlagen und war wegen der Art der Darstellung, die ein völlig schiefes Bild der Faktenlage - so wie ich sie kannte - gab, in hohem Maße aufgewühlt. Ich sprach deshalb den ebenfalls bei dieser Tagung anwesenden Amtschef Streitkräfteamt, dessen WDA den Vermerk gefertigt hatte, darauf an und machte ihm meine Empörung deutlich.’
Weiter hat er im ersten Absatz auf Blatt 5 unter der Überschrift ‚Ergänzung im Zuge der Anhörung’ ausgeführt:
‚... stelle ich fest, dass dies nicht zutrifft und mein Sohn etwas missverstanden haben muss.’
Gründe, die Veranlassung geben könnten, die Glaubhaftigkeit der Angaben von GenLt R. in Frage zu stellen, vermag ich nicht zu erkennen. Zu meiner Überzeugung steht danach jedenfalls fest, dass GenLt R. den Vermerk der WDA SKA, dessen Inhalt ihn nach seiner durchaus nachvollziehbaren Schilderung in hohem Maße aufgewühlt und anschließend sogar dazu veranlasst hat, seine Empörung dem Amtschef SKA deutlich zu machen, nicht bereits zuvor von GenMaj W. oder anderen erhalten hatte.
IV.
Ihr Verhalten ist dienstrechtlich wie folgt zu bewerten:
Indem Sie GenLt R., einen Unbefugten, zunächst mündlich über den Ihnen allein aufgrund Ihrer dienstlichen Stellung als höhere Einleitungsbehörde bekannt gewordenen Stand der disziplinaren Vorermittlungen der WDA SKA gegen studierende Soldaten der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg unterrichteten und anschließend den Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005 an diesen weitergaben und damit über mutmaßliche Dienstpflichtverletzungen des Lt G. und des OFhr K., die seinen Sohn, Lt R., belastet hatten, informierten und dadurch Wissensvorteile verschafften, die es ihm ermöglichen konnten, durch Beratung seines Sohnes auf das gegen diesen anhängige Ermittlungsverfahren Einfluss zu nehmen, haben Sie vorsätzlich gegen die Ihnen obliegenden Dienstpflichten zur Verschwiegenheit (§ 14 Abs. 1 SG), zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG), zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG), zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 SG) und zum treuen Dienen (§ 7 SG) verstoßen und damit - als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gebend (§ 10 Abs. 1 SG) - insgesamt schuldhaft ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
Dieses Dienstvergehen wird von mir angesichts Ihrer damaligen Dienststellung und Ihres Dienstgrades als so schwerwiegend eingestuft, dass ich es an sich nur mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme angemessen geahndet erachte. Zu Ihren Gunsten ist dabei neben Ihrem bisherigen langjährigen, untadeligen soldatischen Verhalten auch zu berücksichtigen, dass Sie Ihr Fehlverhalten gegenüber dem mit den Vorermittlungen betrauten WDA InspM umgehend und ohne Umschweife im Wesentlichen eingeräumt haben. Die Verhängung eines vorrangig in Betracht kommenden Beförderungsverbots ist nach § 58 Abs. 2 WDO gesetzlich ausgeschlossen gegen Soldaten im Ruhestand; diese können gerichtlich entweder mit der Aberkennung des Ruhegehalts (§ 65 WDO), der Dienstgradherabsetzung (§ 62 WDO) oder der Kürzung des Ruhegehalts (§ 64 WDO) gemaßregelt werden. Da die Verhängung eines Beförderungsverbots nach Ihrer zwischenzeitlich erfolgten Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ausgeschlossen ist und ich eine Kürzung des Ruhegehalts als nächstniedrigere Maßnahme nicht für geboten halte, weil Ihre vorzeitige Zurruhesetzung bereits erhebliche dauerhafte Auswirkungen auf Ihre Versorgungsbezüge hat, war von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Sie abzusehen.
Das disziplinare Vorermittlungsverfahren war daher unter der Feststellung, dass Sie ein Dienstvergehen begangen haben, einzustellen.“

3 Der Bevollmächtigte des früheren Soldaten beantragte beim Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 29. Mai 2006, das am selben Tag per Telefax eingegangen ist, gegen die Feststellung eines Dienstvergehens die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
4 Er begründete seinen Antrag im Wesentlichen wie folgt:
Es liege ein unheilbarer Verfahrensfehler vor, weil vor der Feststellung eines Dienstvergehens die Vertrauensperson nicht gemäß § 27 Abs. 2 SBG angehört worden sei. Eine Anhörung sei - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus - deshalb geboten gewesen, weil nach der Bewertung des Bundesministers der Verteidigung das Verhalten des früheren Soldaten als so schwerwiegend angesehen worden sei, dass alternativ zur - dann realisierten - Versetzung in den einstweiligen Ruhestand die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens in Betracht gekommen wäre; durch den Rückgriff auf die nun gewählte Maßnahme sei das zwingende Beteiligungsrecht umgangen worden. Abgesehen davon sei ein Verstoß gegen § 18 Abs. 3 SBG gegeben. Außerdem fehle es an einer Ministerentscheidung über den Fortgang der von Amts wegen eingeleiteten disziplinaren Ermittlungen.

5 Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit liege bereits deshalb nicht vor, weil dem Generalleutnant R. der Vermerk vom 17. Oktober 2005 auch auf andere Weise bekannt geworden sei, nämlich durch Übergabe seitens des Chefs des Stabes des Führungsstabes des Heeres, Generalmajor W., am 20. oder 21. Oktober 2005. Der Vermerk unterliege weder der Vertraulichkeit noch der Geheimhaltung. Er enthalte keine entsprechende Klassifizierung und sei nicht für die Vorermittlungsakte bestimmt gewesen. Da der Vermerk auch anderen Personen zur Kenntnis gegeben worden sei, die nicht unmittelbar mit den zugrunde liegenden disziplinaren Vorgängen befasst gewesen seien, bleibe unerfindlich, warum er ausgerechnet dem Generalleutnant R., der als Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres ohnehin Zugang zu den Personalakten aller Heeresuniformträger habe, vorzuenthalten gewesen wäre. Aus den „Bestimmungen über die Personal-Beraterausschüsse“ des Bundesministeriums der Verteidigung - Abteilungsleiter PSZ - vom 7. August 2003 (Schnellbrief R 7/03) ergebe sich der berechtigte Zugang des damaligen Generalleutnants R. - als ständiger Vertreter des Inspekteurs des Heeres im Personal-Beraterausschuss des Inspekteurs der Streitkräftebasis - zu Personalinformationen der Heeresuniformträger in der Streitkräftebasis. Aufgrund dessen sei jener regelmäßig über Personal- und Disziplinarangelegenheiten von Heeresuniformträgern informiert worden, soweit das für seine Führungsebene von Bedeutung gewesen sei; die ständige Zusammenarbeit habe zwangsläufig auch ein dienstliches Vertrauensverhältnis in Personalangelegenheiten begründet.
6 Auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Fürsorge und zur Kameradschaft sei nicht ersichtlich, insbesondere nicht im Hinblick auf die Weitergabe der in dem Vermerk enthaltenen personenbezogenen Daten der betroffenen Soldaten an der Universität der Bundeswehr Hamburg. Denn der Vermerk sei weder Teil der Personal- noch der Vorermittlungsakte gewesen. Daher könne es sich nicht um „Mitteilungen über Vorermittlungen des Wehrdisziplinaranwalts“ i.S.d. § 9 WDO gehandelt haben. Der frühere Soldat habe es gerade unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge und der Kameradschaft für seine Pflicht gehalten, im Interesse aller betroffenen Soldaten die bis dahin nur zögerlich geführten Ermittlungen zu beschleunigen. Außerdem sei es darum gegangen, einem Kameradenvater durch Aushändigung des Vermerks -ausdrücklich zur persönlichen Kenntnis - Gelegenheit zu geben, im Gespräch auf einer möglichst objektiven Grundlage auf seinen Sohn im Sinne der Sache positiv einzuwirken. Der frühere Soldat habe als truppendienstlicher Vorgesetzter des Amtschefs Streitkräfteamt ausschließlich seine Befugnisse als höhere Einleitungsbehörde und zuständiger höherer Disziplinarvorgesetzter der betroffenen Soldaten wahrgenommen. Die Einleitungsbehörde sei durch § 92 Abs. 1 WDO, der lediglich eine Möglichkeit zur Delegierung der Vorermittlungen auf den Wehrdisziplinaranwalt vorsehe, rechtlich nicht gehindert, wegen gesehener Versäumnisse oder Arbeitsüberlastung geeignete disziplinare Ermittlungen auch selbst zu führen. Als zuständiger höherer Disziplinarvorgesetzter sei er berechtigt und verpflichtet gewesen, im Rahmen der Dienstaufsicht (§ 10 Abs. 2 SG) auf eine korrekte Behandlung disziplinarer Vorgänge zu achten und auf diese hinzuwirken. Ihm sei es darum gegangen, dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung zu tragen. Er habe keinen Einfluss auf die Ermittlungen genommen. Insbesondere sei die Übergabe nicht zu dem Zweck erfolgt, Generalleutnant R. Wissensvorteile zu verschaffen, die es ihm ermöglichen konnten, durch Beratung seines Sohnes auf das gegen diesen anhängige Ermittlungsverfahren Einfluss zu nehmen. Leutnant R. sei nichts mitgeteilt worden, das zu erfahren er keinen Anspruch gehabt habe; denn diesem stehe rechtliches Gehör zu. Außerdem seien die Vorwürfe gegen die beiden anderen im Vermerk vom 17. Oktober 2005 genannten Soldaten Leutnant R. bereits in allen Einzelheiten bekannt gewesen. Außerdem habe der frühere Soldat Generalleutnant R. den Vermerk ausschließlich „zur persönlichen Kenntnis“ gegeben und darauf vertraut und vertrauen dürfen, dass Generalleutnant R. sich an diese klare Weisung halte und dessen Sohn lediglich mit den diesem gegenüber erhobenen Vorwürfen konfrontiere.
7 Es sei nicht Absicht des früheren Soldaten gewesen, den Vermerk aus „persönlicher Verbundenheit“ und „falsch verstandener Kameradschaft“ zu übergeben. Vielmehr sei es alleiniger und ausschließlicher Zweck gewesen, die sich dahinschleppenden Ermittlungen an der Universität der Bundeswehr Hamburg im Interesse aller dort betroffenen Soldaten zu beschleunigen. Dem früheren Soldaten sei es außerdem wichtig gewesen, Generalleutnant R. „die Situation bewusst zu machen“. Jenem sollte eine Gesprächsführung mit seinem Sohn auf möglichst objektiver Grundlage ermöglicht werden. Der frühere Soldat habe sich des Weiteren von dem Ergebnis des Gesprächs zwischen Generalleutnant R. und dessen Sohn ein vollständigeres Bild der Sachverhalte erhofft.
8 Der Generalinspekteur der Bundeswehr habe die Information des früheren Soldaten, den Vermerk an Generalleutnant R. überlassen zu wollen, zur Kenntnis genommen und keine Einwände gehabt. Die Tatsache, dass der Generalinspekteur der Bundeswehr den früheren Soldaten nicht von diesem Vorhaben abgehalten habe, zeige, dass selbst dieser erfahrene Verantwortungsträger in höchster militärischer Funktion dagegen keinerlei Bedenken gehabt, insbesondere die Handlungsweise nicht als Dienstvergehen eingeschätzt habe. Gleiches gelte für das Handeln des Wehrdisziplinaranwalts, einschließlich des Amschefs Streitkräfteamt, und das im Bundesministerium der Verteidigung für Disziplinarangelegenheiten zuständige Referat PSZ I 7. Auch Dr. P. als zuständiger Rechtsberater des früheren Soldaten habe solche Bedenken nicht geäußert. Das Telefongespräch vom 20. Oktober 2005 sei nur kurz gewesen und habe sich lediglich auf allgemeine Aspekte des Falles und die erwogene Leitungsvorlage bezogen. Die Weitergabe des Vermerks an den damaligen Generalleutnant R. sei auch nicht andeutungsweise angesprochen worden.
9 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt beantragt,
den Antrag des früheren Soldaten zurückzuweisen.

10 Er hat sich die Stellungnahmen des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -, der sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einstellungsverfügung bezogen hat, vollumfänglich zu eigen gemacht.
11 Ergänzend hat der Bundesminister der Verteidigung vorgetragen, ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 SBG liege nicht vor, weil die am 27. Januar 2006 erfolgte Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bereits den Ausschluss der Vorschriften des Soldatenbeteiligungsgesetzes im Rahmen danach etwa noch zu treffender Entscheidungen zur Folge gehabt habe. Eine Anhörung des Soldatenvertreters im örtlichen Personalrat des Bundesministeriums der Verteidigung in der Funktion als zuständige Vertrauensperson habe offensichtlich nicht erfolgen müssen, weil dafür nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 2 SBG die Absicht zur Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens Voraussetzung sei. Auch gegen das Informationsrecht aus § 18 Abs. 3 SBG sei nicht verstoßen worden. Denn dieses wäre erst in dem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Bundesminister der Verteidigung für die Option, gegen den früheren Soldaten ein gerichtliches Disziplinarverfahren einzuleiten, entschieden hätte. Außerdem hätte eine unterbliebene Unterrichtung allenfalls als eine Verletzung der Rechte des Mandatsträgers bewertet werden können.
12 Ein unheilbarer Verfahrensfehler liege auch nicht darin, dass die Ministervorlage des Referats PSZ I 7 vom 28. Dezember 2005 „von den maßgeblichen Entscheidungsträgern nicht paraphiert“ worden sei. Von Bedeutung sei hier allein, dass der Minister die Verfügung vom 11. Mai 2006, mit der er von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den früheren Soldaten abgesehen und die gegen ihn aufgenommenen disziplinaren Vorermittlungen unter Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt habe, persönlich unterzeichnet habe.
13 Der Vortrag des früheren Soldaten, er habe den Generalinspekteur darüber informiert, dass er Generalleutnant R. den Vermerk vom 17. Oktober 2005 zur Einsicht geben wolle, und jener habe dem nicht widersprochen, könne den früheren Soldaten - unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Vortrags - nicht entlasten, da der Generalinspekteur weder truppendienstlicher Vorgesetzter bzw. Disziplinarvorgesetzter des Inspekteurs der Streitkräftebasis sei, noch die Aufgaben einer höheren Einleitungsbehörde wahrnehme. Es verbleibe damit bei der ausschließlichen Verantwortlichkeit des früheren Soldaten für das ihm zur Last gelegte Fehlverhalten.
14 Aufgrund des Verhaltens des früheren Soldaten habe Leutnant R. im Ergebnis einen Vorteil für sein Verfahren gezogen. Die Kenntnis vom Inhalt des Vermerks sei nicht nur geeignet gewesen, die disziplinaren Vorermittlungen gegen die beiden Kameraden des Sohnes von Generalleutnant R. mittelbar zu beeinflussen, sondern sei auch für das Verfahren gegen den Sohn selbst von Bedeutung gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt seien jenem noch nicht sämtliche Tatkomplexe bekannt gewesen, in denen gegen ihn ermittelt wurde. Durch die Kenntnis des Vermerks habe Leutnant R. seine Verteidigungsstrategie darauf ausrichten und wohl vorbereitet seiner Vernehmung entgegensehen können. III
15 Der Antrag des früheren Soldaten, mit dem er sich gegen die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 11. Mai 2006 wendet, die gegen ihn geführten disziplinaren Vorermittlungen unter Feststellung eines Dienstvergehens einzustellen, hat keinen Erfolg.
16 1. Die Entscheidung des Senats ergeht gemäß § 113 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 4 Satz 2, § 42 Nr. 3 Satz 2 und § 95 Abs. 2 WDO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Von einer mündlichen Verhandlung nach § 113 Satz 1 WDO hat der Senat abgesehen, weil der Sachverhalt - soweit entscheidungserheblich - geklärt ist und den Verfahrensbeteiligten hinreichend Gelegenheit gegeben worden ist, ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen darzulegen und dazu wechselseitig Stellung zu nehmen. Davon haben sie auch Gebrauch gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass von den Verfahrensbeteiligten noch weitere Ausführungen beabsichtigt sind.
17 2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft (§ 92 Abs. 4 Satz 1 und 2 WDO bzw. § 95 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 4 Satz 1 und 2 WDO). Auch im Übrigen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen seine Zulässigkeit. Insbesondere ist der Antrag nicht verfristet.
18 Nach § 92 Abs. 4 Satz 3 WDO ist der Antrag zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung über die Feststellung eines Dienstvergehens zu stellen. Eine solche Zustellung ist ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten zwar - entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 5 bzw. § 95 Abs. 1 Satz 3 WDO - nicht direkt an den früheren Soldaten, sondern ausweislich der bei den vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindlichen Zustellungsurkunde am 17. Mai 2006 lediglich an seinen Bevollmächtigten erfolgt. Dieser Zustellungsmangel wurde aber gemäß § 5 Abs. 3 WDO dadurch geheilt, dass der frühere Soldat - wie er selbst nicht in Zweifel zieht - die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006 tatsächlich über seinen Bevollmächtigten erhalten hat, den er daraufhin beauftragte, „namens und in Vollmacht des früheren Soldaten“ das vorliegende Verfahren mit dem am 29. Mai 2006 per Telefax beim Bundesverwaltungsgericht (§ 112 Satz 1 WDO) eingegangenen Antrag einzuleiten. Zu diesem Zeitpunkt war die Zwei-Wochen-Frist des § 92 Abs. 4 Satz 3 WDO jedenfalls noch nicht abgelaufen.
19 3. Der Antrag ist nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung, von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abzusehen und bei Feststellung eines Dienstvergehens des früheren Soldaten die aufgenommenen disziplinaren Vorermittlungen einzustellen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
20 a) Der Senat hat dabei folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes hatte gegen drei studierende Offiziere der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, neben Leutnant G. und Oberfähnrich K. auch Leutnant R. - Sohn des Stellvertreters des Inspekteurs des Heeres, Generalleutnant R. -, disziplinare Vorermittlungen aufgenommen. Gegen Leutnant R. bestand u.a. der Verdacht, im Beisein von Kameraden „Sieg Heil, Kameraden!“ gesagt zu haben. Der Wehrdisziplinaranwalt, Oberregierungsrat B. fertigte mit Datum vom 17. Oktober 2005 einen Vermerk für den Amtschef Streitkräfteamt, Konteradmiral D., als Einleitungsbehörde über den damaligen Sachstand, den er mit der Aufschrift „NICHT ZU DEN AKTEN! Information für die Amtsführung“ sowie „Persönlich! Personalangelegenheit!“ versah. Am 19. Oktober 2005 informierte der Amtschef den früheren Soldaten in dessen Eigenschaft als vorgesetzte (höhere) Einleitungsbehörde über den aktuellen Kenntnisstand hinsichtlich des Vorermittlungsverfahrens gegen Leutnant R. und teilte ihm mit, dass er wegen der „Sieg Heil, Kameraden!“-Äußerung die Meldung eines „Besonderen Vorkommnisses“ für unumgänglich halte. Ferner fragte er den früheren Soldaten, ob er es für angebracht halte, Generalleutnant R. darüber zu informieren, dass gegen dessen Sohn ermittelt werde, wobei auf den Inhalt der Vorwürfe nicht eingegangen werden sollte. Nach einer längeren Diskussion entschied der frühere Soldat, „die Leitung“ (des Bundesministeriums der Verteidigung) über eine Leitungsvorlage zu unterrichten; eine förmliche Meldung als „Besonderes Vorkommnis“ hielt er unter diesen Umständen für nicht erforderlich. Der frühere Soldat bat den Amtschef zwecks Erstellung der Leitungsvorlage um entsprechende schriftliche Unterlagen. Nach Vortrag des Bevollmächtigten des früheren Soldaten kündigte der frühere Soldat in dieser Besprechung an, Generalleutnant R. informieren zu wollen.

21 Der Amtschef teilte nach dieser Besprechung dem ermittelnden Wehrdisziplinaranwalt, Oberregierungsrat B., unter anderem die Absicht des früheren Soldaten mit, Generalleutnant R. über die Angelegenheit zu informieren, eine Leitungsvorlage zu erstellen und auf das Absetzen einer förmlichen Meldung zu verzichten. Oberregierungsrat B. unterrichtete daraufhin den Leiter der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes, Leitender Regierungsdirektor H., teilte diesem seine gegen die Absicht des früheren Soldaten bestehenden Bedenken mit und bat ihn um Unterstützung. Dieser wiederum informierte am 19. Oktober 2005 den Rechtsberater des Inspekteurs der Streitkräftebasis, Ministerialrat Dr. P., über den Sachverhalt, der daraufhin mit dem früheren Soldaten am Abend des 19. oder 20. Oktober 2005 im Beisein des Leitenden Regierungsdirektors H. ein Telefonat führte. Der frühere Soldat hat durch seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, dass dieses Telefonat nur kurz gewesen sei und sich lediglich auf allgemeine Aspekte des Falles und die erwogene Leitungsvorlage bezogen habe. Die Weitergabe des Vermerks an Generalleutnant R. sei auch nicht andeutungsweise angesprochen worden. Ministerialrat Dr. P. habe gegenüber ihm, dem früheren Soldaten, hinsichtlich des Vorhabens, Generalleutnant R. zu informieren, keine Bedenken geäußert.
22 Der Amtschef legte dem früheren Soldaten mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 eine Kopie des Vermerks des Wehrdisziplinaranwalts vom 17. Oktober 2005 vor. Zugleich teilte er ihm unter anderem mit, dass er in eigener Zuständigkeit entschieden habe, in dieser Angelegenheit eine förmliche Meldung nach der ZDv 10/13 absetzen zu lassen.
23 Am Vormittag des 21. Oktober 2005 bat der frühere Soldat den - ihm seit vielen Jahren bekannten - Generalleutnant R. in sein Büro im Gebäude 520 auf dem Gelände des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn zu einem Gespräch. Er teilte ihm mit, dass gegen dessen Sohn, Leutnant R., schwerwiegende Vorwürfe erhoben würden, insbesondere rechtsradikalem Gedankengut anzuhängen und zu Beginn einer Prüfungsarbeit einen Kommilitonen mit „Sieg Heil!“ begrüßt zu haben. Generalleutnant R. hielt diese Vorwürfe für haltlos und kritisierte den aus seiner Sicht „grotesken“ Verfahrensablauf. Ferner dankte Generalleutnant R. für die Information und bat eindringlich, zunächst keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen; zumindest möge der frühere Soldat das kommende Wochenende abwarten, weil er seinen dann zu Hause weilenden Sohn zu den Vorwürfen befragen und dem früheren Soldaten am folgenden Montag dazu berichten wolle. Wegen des aus seiner Sicht erfolgten Versagens aller Zwischenvorgesetzten sei zumindest der frühere Soldat zum Eingreifen verpflichtet, weil ein junger Offizier zu Unrecht in schwerwiegender Weise beschuldigt werde. Des Weiteren sagte er (sinngemäß): „Ich täte mich dabei allerdings deutlich leichter, wenn ich wüsste, was ihm konkret und im Einzelnen angelastet wird.“ Der frühere Soldat entgegnete, dass ihn die Äußerungen seines Kameraden nicht unbeeindruckt gelassen hätten und dass er sich überlegen werde, was zu tun sei; sie sähen sich ja wenige Stunden später bei der sog. Generals-/Admiralstagung des Deutschen Bundeswehrverbandes in B..
24 Am Nachmittag desselben Tages übergab der frühere Soldat Generalleutnant R. in B. vor Beginn der Tagung des Deutschen Bundeswehrverbandes einen verschlossenen Umschlag mit dem darauf befindlichen Vermerk „Lieber J., wie besprochen der Zwischenstand zu Deiner persönlichen Kenntnis. Dein H. 21/10“. Darin befand sich - zumindest - eine Kopie des Vermerks vom 17. Oktober 2005.
25 Die Sachverhaltsfeststellungen des Senats beruhen auf der im vorliegenden Verfahren vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten und dem früheren Soldaten bekannten schriftlichen Stellungnahme des Generalleutnants R. vom 22. Dezember 2005, die dieser gegenüber der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine unter dem 22. Dezember 2005 abgegeben hatte sowie auf den damit im Kern übereinstimmenden Einlassungen des früheren Soldaten. Der Senat hat keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben des Generalleutnants R. sowie der diesbezüglichen - entscheidungserheblichen - Einlassungen des früheren Soldaten zu zweifeln. Die mehrseitige schriftliche Schilderung des Generalleutnants R., die zirka zwei Monate nach dem Geschehen und damit relativ zeitnah erfolgte, ist konkret, detailreich und anschaulich. Entscheidungserhebliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung sind nicht erkennbar und auch vom früheren Soldaten nicht geltend gemacht worden. In dieser Stellungnahme berichtet Generalleutnant R. detailliert über seine - auf das hier in Rede stehende Geschehen bezogenen - Gespräche mit dem früheren Soldaten und mit seinem Sohn, Leutnant R., sowie mit anderen Kameraden (u.a. Brigadegeneral Do.). Er gibt dabei auch Einzelheiten hinsichtlich seiner Gesprächsbeiträge und die seiner Gesprächspartner wieder, äußert sich zu seiner Gefühlslage und seinen emotionalen Reaktionen. Die Darstellung ist innerlich folgerichtig und psychologisch stimmig. Sie lässt einen individuellen Stil erkennen und beschränkt sich nicht auf plakative oder stereotype Wendungen. In der Stellungnahme geht Generalleutnant R. relativ ausführlich auf seine eigenen Empfindungen und Reaktionen während des Geschehens ein. Dabei hat sich Generalleutnant R. auch nicht gescheut, eigene Fehler einzuräumen, deren Existenz für ihn möglicherweise nachteilig sein könnten (z.B. hinsichtlich des unterbliebenen Schwärzens von Textpassagen, welche die neben seinem Sohn beschuldigten anderen Soldaten betreffen). Für die Glaubhaftigkeit seiner Ausführungen spricht ferner, dass er dabei auch auf Interaktionen „unbeteiligter“ Personen (z.B. des Rechtsberaters des Inspekteurs des Heeres, Ministerialrat G.) Bezug genommen hat, deren Richtigkeit relativ leicht überprüfbar war und ihn damit - im Falle einer inhaltlichen Unrichtigkeit - der Gefahr aussetzten, einer unwahren Aussage überführt zu werden. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Generalleutnants R. ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei ihm um einen untadeligen hohen Offizier in herausgehobener Position im Bundesministerium der Verteidigung handelte, der bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten war. Allerdings war zu berücksichtigen, dass er in das Geschehen disziplinar involviert war und dass ein hohes Eigeninteresse bei ihm bestand, sich nicht selbst oder den früheren Soldaten, mit dem er seit vielen Jahren persönlich verbunden war, zu belasten. Konkrete Anhaltspunkte für eine bewusste oder unbewusste Falschaussage sind jedoch nicht erkennbar geworden.
26 Die Schilderung des objektiven Geschehensverlaufs durch Generalleutnant R. wird hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände zudem durch die Einlassungen des früheren Soldaten bestätigt. Dieser hat in seiner - ebenfalls zwei Monate nach dem Vorfall erfolgten - Vernehmung vor der ermittelnden Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine am 22. Dezember 2005 sowie in seinem Schreiben vom 29. Januar 2006 unmissverständlich eingeräumt, Generalleutnant R. eine Kopie des Vermerks vom 17. Oktober 2005 übergeben zu haben. Dabei hat er als Motiv für sein Handeln angegeben, einem „Kameradenvater“ die Gelegenheit geben zu wollen, auf dessen Sohn „im Sinne der Sache“ positiv einzuwirken. Jener habe die Angelegenheit nicht nur aus der subjektiven Sicht des Sohnes kennen sollen, sondern auch den zur Last gelegten Stand der Ermittlungen.
27 b) Mit dem festgestellten Verhalten hat der frühere Soldat gemäß § 23 Abs. 1 SG ein Dienstvergehen begangen. Er hat schuldhaft jedenfalls seine Dienstpflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SG verletzt, über die ihm bei seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren, weil er am Vormittag des 21. Oktober 2005 mündlich dienstliche Informationen über den Ermittlungsstand in einem disziplinaren Vorermittlungsverfahren gegen Leutnant R. und außerdem am Nachmittag desselben Tages am Rande einer Tagung des Deutschen Bundeswehrverbandes in B. eine Kopie des Vermerks vom 17. Oktober 2005 jeweils unberechtigterweise an den damaligen Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres, Generalleutnant R., weitergab. Sowohl bei den weitergegebenen Informationen (unter anderem) über den Stand der Vorermittlungen gegen Leutnant R. als auch bei dem Vermerk handelte es sich um Angelegenheiten, die ihm in seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt geworden waren. Er hatte sie in seiner Funktion als höhere Einleitungsbehörde von dem ihm unterstellten Amtschef Streitkräfteamt als zuständige Einleitungsbehörde erhalten.
28 Der Umstand, dass Generalleutnant R. als Empfänger dieser Informationen und der Kopie des Vermerks zum Tatzeitpunkt ebenfalls Soldat war, ändert daran nichts. Denn die Verschwiegenheitspflicht des § 14 Abs. 1 Satz 1 SG besteht im militärischen Bereich auch gegenüber Kameraden (vgl. u.a. Urteil vom 11. Oktober 1984 - BVerwG 2 WD 56.83 -).
29 Einer der Ausschlusstatbestände des § 14 Abs. 1 Satz 2 SG liegt nicht vor.
30 Es handelte sich bei den vom früheren Soldaten weitergegebenen mündlichen und schriftlichen Informationen nicht um „Mitteilungen im dienstlichen Verkehr“ (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 SG). Denn darunter fallen nur Auskünfte an Personen oder Dienststellen, die mit der Sache unmittelbar befasst sind (vgl. auch Nr. 2.1 ZDv 14/3 B 166). Der Informationsempfänger, Generalleutnant R., war als damaliger Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres dienstlich nicht mit den disziplinaren Vorermittlungen gegen seinen Sohn Leutnant R. befasst.
31 Nach der Wehrdisziplinarordnung haben in einem Vorermittlungsverfahren zunächst die zuständige Wehrdisziplinaranwaltschaft und die zuständige Einleitungsbehörde (sowie deren vorgesetzte Dienststellen bzw. truppendienstliche Vorgesetzte) berechtigten Zugang zu den dabei vorliegenden und anfallenden personenbezogenen Daten (vgl. § 92 WDO). § 9 WDO bestimmt abschließend den Kreis der sonst Berechtigten. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WDO sind Dienststellen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (nur) auskunftsberechtigt, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dienststellen in diesem Geschäftsbereich sind die militärischen und zivilen Einrichtungen, sofern sie eine zur Erfüllung bestimmter Aufgaben organisatorisch verselbständigte Verwaltungseinheit sind (vgl. dazu u.a. Urteil vom 11. September 1958 - BVerwG 2 C 123.57 - BVerwGE 7, 221 ; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 9 Rn. 10). Es kann hier offenbleiben, ob das Bundesministerium der Verteidigung und seine Organisationseinheiten, insbesondere der (Stellvertreter des) Inspekteur(s) des Heeres zu den Dienststellen im Sinne der Vorschrift gehören (vgl. dazu Dau, a.a.O.; Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 1 Rn. 53 m.w.N.). Denn jedenfalls war die Weitergabe der in Rede stehenden mündlichen und schriftlichen Informationen durch den früheren Soldaten an Generalleutnant R., den damaligen Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres, nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 WDO „zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden Aufgaben erforderlich“.
32 Generalleutnant R., der als Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres dem Führungsstab des Heeres im Bundesministerium der Verteidigung angehörte, war dienstlich keine Aufgabe zugewiesen, deren Erfüllung die Erteilung der in Rede stehenden Auskünfte über Vorermittlungen des Wehrdisziplinaranwalts im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 WDO bedingte oder sonst notwendig machte. Eine solche kann weder den „Grundsätzen für Aufgabenzuordnung, Organisation und Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung“ als Anlage zur „Weisung zur Inkraftsetzung der Grundsätze für Aufgabenzuordnung, Organisation und Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung“ des Bundesministers der Verteidigung vom 21. Januar 2005 - dort Nr. 2.2 - noch den - vom Bevollmächtigten des früheren Soldaten angeführten - „Bestimmungen über die Personal-Beraterausschüsse“ des Abteilungsleiters im Bundesministerium der Verteidigung - PSZ - vom 7. August 2003 - dort insbesondere Nr. 1.2 und 1.3 - entnommen werden. Insbesondere aus der Teilnahmeberechtigung des Inspekteurs des Heeres im Personal-Beraterausschuss beim Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis oder aus der Existenz eines Personal-Beraterausschuss beim Inspekteur des Heeres für die Offiziere auch des Uniformträgerbereichs Heer (Nr. 1.2 der o.g. Bestimmungen) in Verbindung mit den dort unter Nr. 1.1 aufgeführten Aufgaben kann ein berechtigter Zugang zu Daten eines laufenden Vorermittlungsverfahrens nicht hergeleitet werden. Denn dabei geht es lediglich um die Besetzung bestimmter Dienstposten - A 16 oder B 3 (vgl. Nr. 1.1) - und um sich - allein - dabei stellende Fragen.
33 Auch aus § 29 Abs. 3 SG ergibt sich nicht, dass es sich bei den von dem früheren Soldaten an Generalleutnant R. am Vormittag und Nachmittag des 21. Oktober 2005 übermittelten Daten um „Mitteilungen im dienstlichen Verkehr“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 SG handelte. Generalleutnant R. war als damaliger Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres für „Personalangelegenheiten“ (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 3 SG) seines Sohnes nicht zuständig. Es ging insoweit auch nicht um Zwecke der „Personalführung“ oder „Personalbearbeitung“ (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 3 SG).
34 Es handelte sich bei den vom früheren Soldaten an Generalleutnant R. weitergegebenen Informationen und Daten aus dem Vermerk (mit den Zusätzen „NICHT ZU DEN AKTEN! Information für die Amtsführung“ sowie „Persönlich! Personalangelegenheit!“) auch nicht um offenkundige Tatsachen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 SG). Darunter fallen nur Angelegenheiten, die allgemein bekannt sind oder von denen jedermann auf allgemein zugänglichen Wegen (z.B. aus der Presse oder anderen Medien, aus der Fachliteratur, elektronischen Datenbanken etc.; vgl. dazu auch Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 14 Rn. 5) Kenntnis erlangen kann (vgl. Nr. 2.2 ZDv 14/3 B 166). Dies war weder hinsichtlich der am Vormittag des 21. Oktober 2005 vom früheren Soldaten an Generalleutnant R. übermittelten mündlichen Informationen über die disziplinaren Vorermittlungen noch hinsichtlich der am Nachmittag desselben Tages weitergegebenen Inhalte des Vermerks der Fall.
35 Die weitergegebenen Informationen und Daten waren auch nicht als Tatsachen zu qualifizieren, die „ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“. Dazu zählen nur solche Vorgänge, durch deren Bekanntwerden keine dienstlichen Interessen berührt (vgl. Nr. 2.3 ZDV 14/3 B 166; Scherer/Alff, a.a.O., § 14 Rn. 6 m.w.N.), d.h. beeinträchtigt werden. Disziplinarsachen genießen sowohl im persönlich-privaten Interesse des betroffenen Soldaten als auch im dienstlichen Interesse einen besonderen Vertraulichkeitsschutz (vgl. auch Erlass „Auskünfte über Disziplinarmaßnahmen“ in ZDv 14/3 B 114; Beschluss vom 19. August 1964 - BVerwG 6 B 15.62 - BVerwGE 19, 179 ; Dau, a.a.O., § 9 Rn. 2 m.w.N.). Sie gehören zu den Personalangelegenheiten eines Soldaten. Die dabei anfallenden personenbezogenen Daten sind durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) besonders geschützt. Sie dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage unter strikter Beachtung der Schutzwirkungen des Grundrechts offenbart werden. Die Wahrung des grundrechtlich gewährleisteten Vertraulichkeitsschutzes in Disziplinarangelegenheiten liegt zugleich auch im dienstlichen Interesse (Art. 1 Abs. 3 GG). Dies kommt u.a. auch in den Schutzregelungen etwa des § 50 Abs. 2 Satz 2 und § 105 Abs. 1 Satz 1 WDO sowie in der Regelung des § 14 Abs. 1 SG klar zum Ausdruck.
36 Ein (objektiver) Verstoß gegen § 14 Abs. 1 SG liegt daher vor.
37 Der frühere Soldat kann sich auch nicht auf Umstände berufen, die sein Verhalten rechtfertigten.
38 Der bei Straftaten gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung des Verletzten (dazu Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. 2007, vor § 32 Rn. 4 m.w.N.) greift vorliegend nicht ein. Denn dieser Rechtfertigungsgrund setzt jedenfalls voraus, dass der Betroffene über das Rechtsgut überhaupt verfügen darf (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 3b zur Einwilligung). Das ist hier nicht der Fall. Disziplinarsachen genießen, wie bereits dargelegt, sowohl im persönlich-privaten Interesse des betroffenen Soldaten als auch im dienstlichen Interesse einen besonderen Vertraulichkeitsschutz (vgl. auch ZDv 14/3 B 114; Beschluss vom 19. August 1964 a.a.O.; Dau, a.a.O., § 9 Rn. 2 m.w.N.). Selbst wenn also im vorliegenden Fall der von den disziplinaren Vorermittlungen betroffene Leutnant R. der Übermittlung seiner personenbezogenen Daten zugestimmt hätte oder damit mutmaßlich einverstanden gewesen wäre, reichte dies für die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes nicht aus. Weder Leutnant R. noch sein Vater, Generalleutnant R., konnten über die jedenfalls auch im dienstlichen und damit öffentlichen Interesse geschützten Rechtsgüter eigenständig verfügen und den früheren Soldaten nicht von seiner dienstlichen Verpflichtung nach § 14 Abs. 1 SG suspendieren.
39 Auch eine Berufung auf das Grundrecht aus Art. 17 GG scheidet aus, wonach jedermann - gemäß § 6 Satz 1 SG auch ein Soldat - „das Recht (hat), sich mit Bitten ... an die zuständigen Stellen ... zu wenden“. Bloße Mitteilungen oder Datenübermittlungen unterfallen, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, nicht dem Schutzbereich des Art. 17 GG. Unabhängig davon handelte es sich bei Generalleutnant R. als Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres aus den oben in anderem Zusammenhang dargelegten Gründen nicht um eine - für die Entgegennahme dieser Daten über den Stand der in Rede stehenden disziplinaren Vorermittlungen - „zuständige Stelle“.
40 Das festgestellte und gegen § 14 Abs. 1 SG verstoßende Verhalten des früheren Soldaten war auch nicht durch den Rechtfertigungsgrund einer Pflichtenkollision gerechtfertigt. Dieser Rechtfertigungsgrund wird im Bereich des Strafrechts angenommen, wenn den Handelnden mehrere sich ausschließende verschiedenwertige Handlungspflichten treffen und er die objektiv höherwertige zum Nachteil der geringerwertigen erfüllt (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.).
41 Insbesondere ergab sich eine solche Pflichtenkollision nicht aus der Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG). Nach § 12 Satz 2 Halbs. 2 SG ist ein Soldat zwar verpflichtet, seinem Kameraden „in Not und Gefahr“ beizustehen. Auf der Grundlage der Wehrdisziplinarordnung durchgeführte Vorermittlungen der zuständigen Stellen begründen jedoch eine solche „Not und Gefahr“ nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem erkennbaren Gesetzeszweck, der insbesondere in § 12 Satz 1 SG zum Ausdruck kommt. Die Pflicht zur Kameradschaft ist zur Herbeiführung und Sicherung des Zusammenhalts der Soldaten untereinander normiert worden. Soldaten sollen insbesondere vor von Kameraden begangenen Rechtsverletzungen (vgl. § 12 Satz 2 Halbs. 1 SG) und davor geschützt werden, in für sie typischen Gefahrensituationen, vor allem im Einsatz, im Stich gelassen zu werden (vgl. § 12 Satz 2 Halbs. 2 SG). Eine solche Gefahrensituation liegt aber jedenfalls dann nicht vor, wenn gegen einen Kameraden auf der Grundlage der Wehrdisziplinarordnung disziplinare Vorermittlungen durchgeführt werden, gegen die sich der Betroffene nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, gegebenenfalls mit Hilfe eines juristischen Beistands, selbst behaupten kann. Das Gesetz eröffnet dem Betroffenen keinen Anspruch darauf, dass ein Kamerad ihm während gegen ihn oder nahe Angehörige laufender Vorermittlungen unter Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten nach § 14 Abs. 1 SG Beistand leistet.
42 Auch sonstige Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
43 Der frühere Soldat wusste, dass er mit seinem Verhalten einem dienstlich mit dem zugrunde liegenden Disziplinarfall nicht befassten Kameraden gesetzlich geschützte Informationen übermittelte, und wollte das auch. Er handelte damit vorsätzlich.
44 Ein Vorsatzausschluss nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB („Tatbestandsirrtum“) scheidet aus, weil der frühere Soldat sämtliche zum Tatbestand des § 14 Abs. 1 Satz 1 SG gehörenden Tatumstände kannte. Er irrte nicht in tatsächlicher Hinsicht.
45 Ein die Schuld ausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum i.S.d. § 17 Satz 1 StGB liegt ebenfalls nicht vor. Zwar fehlte dem früheren Soldaten ausweislich seiner Einlassungen im vorliegenden Verfahren möglicherweise die Einsicht, Unrecht begangen zu haben. Dieser Irrtum war jedoch nicht unvermeidbar.
46 Vermeidbarkeit ist dann anzunehmen, wenn dem Täter - hier dem beschuldigten Soldaten - sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen, und wenn er auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen wäre (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 17 Rn. 7 m.w.N.). An die Pflicht zu eigenständiger Prüfung sowie an die gegebenenfalls bestehende Erkundigungspflicht sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 1966 - KRB 2/65 - BGHSt 21, 18 ).
47 Bei dem früheren Soldaten als langjährigem Berufssoldaten mit dem Dienstgrad eines Generalleutnants, der über viele Jahre hinweg Disziplinarvorgesetzter war und zuletzt auch als Einleitungsbehörde fungierte, hätten sich Zweifel regen müssen, ob angesichts der weiten Regelung des § 14 Abs. 1 SG und der beim Umgang mit personenbezogenen Daten typischerweise bestehenden Verschwiegenheitspflicht sowie angesichts des das Disziplinarrecht bekanntermaßen prägenden Vertraulichkeitsgrundsatzes eine eigenmächtige Weitergabe von internen Informationen ohne Kenntnis des ermittelnden Wehrdisziplinaranwalts rechtlich zulässig war. Dies gilt auch dann, wenn diese Informationen „nur“ an den Vater und zugleich „Generalskameraden“ eines in seinem Zuständigkeitsbereich verwendeten Soldaten gerichtet war, gegen den disziplinare Vorermittlungen geführt wurden. Jedenfalls unterließ es der frühere Soldat, sich in ausreichendem Maß über die rechtliche Zulässigkeit seines Tuns zu erkundigen und sachkundigen Rat einzuholen. Das wäre für ihn sowohl zumutbar als auch einfach zu realisieren gewesen. Als Inspekteur der Streitkräftebasis hatte er die Möglichkeit, den ihm zugeordneten Rechtsberater um rechtlichen Rat zu fragen. Wenn auch der Inhalt des am späten Nachmittag des 19. oder 20. Oktober 2005 geführten Telefongesprächs zwischen dem früheren Soldaten und seinem Rechtsberater Ministerialrat Dr. P. nicht in allen Einzelnen festgestellt worden ist, steht nach der Einlassung des früheren Soldaten zumindest fest, dass er, der frühere Soldat, es unterlassen hat, sich über die Zulässigkeit der Weitergabe des in Rede stehenden Vermerks vom 17. Oktober 2005 und der Informationen über den Stand der Vorermittlungen gegen Leutnant R. fachkundig beraten zu lassen. Der frühere Soldat hat selbst eingeräumt: „Die Weitergabe des Vermerks an den damaligen Generalleutnant R. wurde auch nicht andeutungsweise angesprochen.“
48 Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum scheidet deshalb aus.
49 Weitere Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe in Gestalt eines entschuldigenden Notstandes (§ 35 StGB) oder einer schuldausschließenden Pflichtenkollision (vgl. für den Bereich des Strafrechts u.a. Tröndle/Fischer, a.a.O., vor § 32 Rn. 15) kommen ersichtlich nicht in Betracht. Auch der frühere Soldat hat sich hierauf nicht berufen.
50 Ob der frühere Soldat mit seinem festgestellten Verhalten auch gegen § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB sowie gegen § 9 Abs. 1 WDO und damit gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (in Gestalt der Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vgl. dazu u.a. Urteile vom 16. Mai 2005 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 und vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127, jeweils m.w.N.) oder gegen seine Pflicht zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) verstoßen hat, kann dahin stehen. Denn für die Feststellung eines Dienstvergehens reicht es aus, wenn der frühere Soldat - wie vorliegend - zumindest eine Dienstpflicht schuldhaft verletzt hat.
51 Soweit der Bundesminister der Verteidigung - verbunden mit der Feststellung eines Dienstvergehens - die Vorermittlungen eingestellt, von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abgesehen und damit zugleich auch dem Antrag des früheren Soldaten auf Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht entsprochen hat, ist seine Entscheidung ebenfalls rechtsfehlerfrei. Dabei lässt der Senat offen, ob der frühere Soldat durch das erfolgte Absehen von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens angesichts der erfolgten rechtmäßigen Feststellung eine Dienstvergehens überhaupt beschwert ist.
52 Es steht jedenfalls im (pflichtgemäßen) Ermessen der zuständigen Einleitungsbehörde, ob sie bei Vorliegen eines Dienstvergehens durchgeführte Vorermittlungen nach § 92 Abs. 3 WDO einstellt oder ob sie ein gerichtliches Disziplinarverfahren einleitet (§ 93 Abs. 1 WDO).
53 Der Bundesminister der Verteidigung als gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 WDO für den früheren Soldaten zuständige Einleitungsbehörde hat von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht.
54 Insbesondere war er sich seiner Ermessensbefugnis bewusst. Dies kommt in seiner Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006 hinreichend klar zum Ausdruck. Denn auf Seite 5 des Bescheides wird ausgeführt, dass an Stelle der dann erfolgten Einstellung auch die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens mit dem Ziel der Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme in Gestalt einer Kürzung des Ruhegehalts erwogen wurde. Auch der für den Bundesminister der Verteidigung durch das Referat PSZ I 7 erstellten und von diesem zur Kenntnis genommenen Vorlage vom 12. Dezember 2005 (Beiakte III Bl. 50 ff.) kann entnommen werden, dass dem Minister der ihm durch die Wehrdisziplinarordnung eingeräumte Ermessensspielraum bei seiner Entscheidung bewusst war.
55 Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ermessensentscheidung auf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften beruht.
56 Insbesondere ist entgegen der Ansicht des früheren Soldaten im Rahmen der Vorermittlungen und bei der angegriffenen Entscheidung § 4 Satz 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 2 SBG nicht verletzt worden.
57 Nach § 4 Satz 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 2 SBG erfolgt eine Anhörung der zuständigen Vertrauensperson - bzw. hier des nach § 52 Abs. 2 SBG zuständigen Soldatenvertreters im örtlichen Personalrat des Bundesministeriums der Verteidigung - (nur) im Falle der beabsichtigten Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Eine solche - konkrete - Absicht bestand im vorliegenden Fall im maßgeblichen Zeitpunkt nach Abschluss der Vorermittlungen nicht (vgl. Vorlage des Referats PSZ I 7 vom 4. Mai 2006 ). Vielmehr entschloss sich der Minister in seiner Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006 gerade, von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abzusehen. Dementsprechend unterzeichnete er auch die vom früheren Soldaten angegriffene Einstellungsverfügung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen dieser Regelung sind damit nicht gegeben.
58 Der vom Bevollmächtigten erhobene Einwand der Umgehung des Beteiligungsrechts wegen Nichteinleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens trotz entsprechender Schwere des angenommenen Dienstvergehens bei gleichzeitigem Antrag auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist nicht begründet. Denn der Bundesminister der Verteidigung als zuständige Einleitungsbehörde (§ 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WDO) hat zulässigerweise von seinem durch § 92 Abs. 3, § 93 WDO eingeräumten Entscheidungsspielraum hinsichtlich der von ihm - nach der erfolgten Versetzung des früheren Soldaten in den einstweiligen Ruhestand nach § 50 SG - (noch) als angemessen betrachteten disziplinaren Reaktion Gebrauch gemacht (Opportunitätsgrundsatz). Ihm war nicht zwingend vorgeschrieben, ob er sich angesichts des begründeten Verdachts eines Dienstvergehens zur Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens entschloss oder ob er die Vorermittlungen einstellte. Ein „Umgehungs“-Tatbestand läge nur dann vor, wenn durch Wahl eines rechtlich nicht vorgesehenen Verfahrensschrittes eine sonst (zwingend) anwendbare Vorschrift ihrer Anwendbarkeit im konkreten Fall beraubt würde. Davon ist aber aufgrund der genannten Gründe nicht auszugehen.
59 Auch der vom früheren Soldaten angeführte Verstoß gegen den Anspruch der zuständigen Vertrauensperson - bzw. hier des nach § 52 Abs. 2 SBG zuständigen Soldatenvertreters im örtlichen Personalrat - auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG liegt nicht vor. § 27 Abs. 2 SBG geht als Spezialregelung dem allgemeinen Unterrichtungsanspruch nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG vor. Die Vorschrift knüpft zwar ebenso wie § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG an eine Angelegenheit an, die zu den Aufgaben der Vertrauensperson gehört. Sie ist jedoch - anders als § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG - gerade auf den Fall anwendbar, dass die Einleitungsbehörde beabsichtigt, gegen einen Soldaten ein gerichtliches Disziplinarverfahren einzuleiten. Für diese aus der Systematik der Regelungen folgende Qualifizierung des § 27 Abs. 2 SBG als Spezialregelung („lex specialis“) spricht auch, dass anderenfalls - bei Nichtannahme eines Verhältnisses der Spezialität - die vom Gesetz vorgesehene unterschiedliche Bestimmung des Anhörungsgegenstandes missachtet würde. Denn § 27 Abs. 2 SBG beschränkt die Anhörung auf die Person des beschuldigten Soldaten und den Sachverhalt, während § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG eine umfassende Unterrichtung vorschreibt.
60 Dies gilt auch dann, wenn die Einleitungsbehörde sich entscheidet, von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abzusehen. Aus der Systematik der Regelung folgt, dass § 18 SBG im Unterabschnitt 1 „Allgemeines“ innerhalb des Abschnittes 3 „Beteiligung der Vertrauensperson“ steht, während sich § 27 SBG im Unterabschnitt 3 „Aufgabengebiete“ desselben Abschnitts befindet. Daraus kann für § 18 SBG, der mit „Grundsätze für die Zusammenarbeit“ überschrieben ist, gefolgert werden, dass dessen Unterrichtungsanspruch in Absatz 3 Satz 2 nur nach Maßgabe der in den einzelnen Aufgabengebieten genannten Sonderregelungen gelten soll (im Ergebnis ähnlich Beschluss vom 25. November 2004 - BVerwG 1 WB 3.04 - zum Umfang der Anhörung nach § 20 SBG, der in Satz 1 einen gleich lautenden Unterrichtungsanspruch enthält).
61 Auch aus der Vorschrift des § 4 Satz 1 WDO, die lediglich auf die Regelungen in §§ 27 und 28 SBG verweist, kann geschlossen werden, dass nur in den dort genannten Fällen eine Beteiligung der Vertrauensperson stattfinden soll. Dieser Schluss wird gestützt durch § 4 Satz 2 WDO, der zeigt, dass eine Beteiligung in disziplinaren Angelegenheiten nur jeweils vor der Anhörung nach § 32 Abs. 5 Satz 1 WDO oder § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO zu erfolgen hat.
62 Der in § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG geregelte allgemeine Unterrichtungsanspruch in disziplinaren Angelegenheiten wird demnach durch die Sonderregelung in § 27 Abs. 2 SBG auch für den Fall einer fehlenden Einleitungsabsicht der Einleitungsbehörde (bei bloßer Feststellung eines Dienstvergehens) verdrängt und ist damit nicht anwendbar.
63 4. Nach § 139 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 WDO hat der frühere Soldat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

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