BVerwG 2 WD 25.08 , Urteil vom 09. Juli 2009 | Bundesverwaltungsgericht
Karar Dilini Çevir:
BVerwG 2 WD 25.08 , Urteil vom 09. Juli 2009 | Bundesverwaltungsgericht
Urteil
BVerwG 2 WD 25.08 Truppendienstgericht Nord 8. Kammer - 04.09.2008 - AZ: TDG N 8 VL 10/08
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 9. Juli 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Fregattenkapitän Brach und
ehrenamtlicher Richter Oberbootsmann Fase,
sowie
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 4. September 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Soldat in den Dienstgrad eines Obermaaten (Besoldungsgruppe A 7) herabgesetzt und die Frist für die Wiederbeförderung auf zwei Jahre abgekürzt wird. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt. Gründe I
1 Der 23 Jahre alte Soldat trat nach der im Juni 2002 erfolgten Erlangung des Realschulabschlusses und einer anschließenden Zeit der Erwerbslosigkeit aufgrund seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst am 2. Juni 2003 in die Bundeswehr ein. Am 5. Juni 2003 erfolgte seine Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit unter Ernennung zum Matrosen. Die auf drei, dann auf vier Jahre festgesetzte Dienstzeit wurde schließlich auf 12 Jahre verlängert, sodass sie voraussichtlich mit Ablauf des 31. Mai 2015 enden wird.
2 Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 22. Juni 2006 zum Bootsmann.
3 Der Soldat gehört der Verwendungsreihe ... (...) an. Der militärischen Grundausbildung bei der M...schule folgte seine Versetzung in die ... Staffel ... des M...geschwaders ... nach N. am 21. Juli 2003, wo er noch heute als Triebwerksmechaniker eingesetzt wird.
4 Ein gegen den Soldaten geführtes sachgleiches Strafverfahren wegen Betruges wurde durch die Staatsanwaltschaft S. gemäß § 153a Abs. 1 StPO unter der Auflage vorläufig eingestellt, dass der Soldat einen Geldbetrag von 300 € an die Landeskasse zahlt. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft S. vom 2. April 2008 soll das Strafverfahren nach Zahlung dieses Betrages zwischenzeitlich endgültig eingestellt worden sein.
5 Die Auszüge aus dem Zentralregister vom 16. Juni 2009 und aus dem Disziplinarbuch vom 16. Juni 2009 weisen keine Eintragungen auf.
6 Der ledige und kinderlose Soldat erhält ausweislich der Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung Nord - Gebührniswesen - vom 12. November 2008 Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 7 in der 2. Dienstalterstufe in Höhe von monatlich 1 909,61 € brutto, 1 622,76 € netto. Monatlich hat der Soldat folgende Aufwendungen zu bestreiten: 360 € Warmmiete für eine Wohnung in N., 150 € für Versicherungen und ca. 300 € an Benzinkosten für seine wöchentlichen Heimfahrten von N. nach U. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten sind nach seinen Angaben geordnet. II
7 Mit Verfügung des Befehlshabers der Flotte vom 13. März 2008, dem Soldaten ausgehändigt am 17. März 2008, wurde gegen den Soldaten nach zuvor erfolgter Anhörung das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Ausgehend von der Anschuldigungsschrift vom 30. April 2008, dem Soldaten zugestellt am 16. Mai 2008, hat die 8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Urteil vom 4. September 2008 den Dienstgrad des Soldaten wegen eines Dienstvergehens in denjenigen eines Obermaaten herabgesetzt. Die Truppendienstkammer hat dabei die folgenden tatsächlichen Feststellungen getroffen:
„An einem nicht feststellbaren Tag im Zeitraum Anfang August bis Ende September 2007 erwarb der Soldat über das Online-Auktionshaus ‚ebay’ (nachfolgend: ebay) bei einem namentlich nicht bekannten Verkäufer für 60,00 € ein Paar neuwertige Fliegerstiefel Typ ‚Sommer’, wie sie auch in der Bundeswehr an einen begrenzten Nutzerkreis (vor allem Piloten) ausgegeben werden. Dieser private Ankauf bot für den Soldaten, der keine Pilotenfunktion innehatte, die Möglichkeit, in den Besitz solcher Fliegerstiefel zu gelangen, deren Nutzung durch nichtfliegerisches Personal im Dienst im ... geduldet wurde. Aufgrund der interessierten Reaktionen seiner Kameraden auf die von ihm im Dienst getragenen Fliegerstiefel beschloss der Soldat, weitere neuwertige Fliegerstiefel über die ebay-Quelle zu beschaffen, um diese anschließend an Kameraden zu verkaufen. Seine wenige Tage später an den ebay-Verkäufer gerichtete Anfrage zum Kauf weiterer neuwertiger Fliegerstiefel ergab, dass dieser nur noch gebrauchte Exemplare im Bestand hatte. Der Verkäufer, vom Soldaten über dessen Status als Soldat informiert, versicherte diesem, dass sich die gebrauchten Stiefel noch im Bundeswehrbestand befänden, mithin keine Entwertungsmerkmale aufwiesen. Damit er seinen Kameraden gleichwohl neuwertige Fliegerstiefel verkaufen konnte, reifte beim Soldaten nunmehr der Plan, nach dem Erwerb von 5 Paar gebrauchter Fliegerstiefel diese bei der Kleiderkammer der Bundeswehr vor Ort in neuwertiges Schuhwerk umtauschen zu lassen. Um gänzlich sicherzugehen, erkundigte er sich vor dem Kaufabschluss bei dem Versorgungsunteroffizier der ... Staffel des ..., der Zeugin (w) B., u.a. zuständig für den Umtausch von persönlicher Ausstattung bei der Kleiderkammer in B. bzw. der Sonderbekleidungskammer in N., ob der Umtausch gebrauchter Fliegerstiefel ohne Probleme bei ihr möglich wäre, was diese bejahte. Weil der Soldat davon ausging, dass die Zeugin OMaat (w) B. bei Kenntnis der Herkunft der Stiefel einen Tausch ablehnen würde, verschwieg er ihr gegenüber, dass er beabsichtige, diese zuvor privat bei ebay zu erwerben. Vor Gericht hat die Zeugin OMaat (w) B. glaubhaft und glaubwürdig bestätigt, dass, hätte sie gewusst, woher die Stiefel stammten, ein Umtausch niemals in Frage gekommen wäre. Sie sei, wenn Soldaten wegen eines Tausches bei ihr anfragten, selbstverständlich immer davon ausgegangen, dass es sich bei dem betreffenden Tauschgut um ordnungsgemäß vom Dienstherrn ausgegebene und im Dienst abgenutzte Sachen gehandelt habe. Nach dieser für ihn positiven Auskunft der Zeugin OMaat (w) B. kaufte der Soldat schließlich an einem ebenfalls nicht mehr feststellbaren Tag im Zeitraum von Anfang August 2007 bis Ende September 2007 bei dem ebay-Verkäufer 5 Paar gebrauchte Fliegerstiefel verschiedener Größen zum Stückpreis von 30,00 € plus Versandkosten, welche er nach erfolgter Auslieferung an ihn der Zeugin (w) B. zwecks Durchführung des Tausches ‚alt gegen neu’ aushändigte. Nachdem sich die Zeugin OMaat (w) B. überzeugt hatte, dass die gebrauchten Fliegerstiefel keine Bundeswehr-spezifischen Entwertungsmerkmale aufwiesen (Lochung im Schaft bzw. Lasche), tauschte sie diese am 16. Oktober 2007 in der Sonderkleiderkammer in N. bei dem Zeugen F. gegen 5 Paar neuwertige Fliegerstiefel Typ ‚Sommer’ (Wert pro Paar: 93,12 €) und übergab sie anschließend dem Soldaten. Zu einem Weiterverkauf der Stiefel kam es jedoch nicht, da aufgrund der am 17. Oktober 2007 vom Zeugen F. entdeckten Stanzung ‚55’ auf den Außenschäften der jeweils rechten Stiefel der Tausch unter Sicherstellung der gebrauchten Fliegerstiefel umgehend rückabgewickelt wurde.“

8 Die Truppendienstkammer hat dieses festgestellte Verhalten des Soldaten als vorsätzliche Verstöße gegen die Pflichten, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG), gewertet, wobei der Soldat als Vorgesetzter der verschärften Haftung nach § 10 Abs. 1 SG unterliege.
9 Gegen das ihm am 17. September 2008 zugestellte Urteil hat der Soldat mit am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 16. Oktober 2008 Berufung eingelegt und diese auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt.
10 Er hat beantragt,
das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme zu ändern und gegen den Soldaten eine mildere Disziplinarmaßnahme als die von der Truppendienstkammer verhängte Herabsetzung in den Dienstgrad eines Obermaaten zu verhängen.

11 Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Zwar sei zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer vorsätzlichen Schädigung des Vermögens des Dienstherrn eine Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu nehmen sei. Vorliegend sei jedoch aufgrund der konkreten Umstände des Falles eine Ausnahme davon geboten. Die Truppendienstkammer habe die seinem, des Soldaten, Handeln zugrunde liegende Motivation verkannt, indem sie davon ausgegangen sei, er habe „zielgerichtet und geplant darauf hingewirkt“, die gebrauchten Stiefel mit Hilfe des Dienstherrn durch Nutzung der Tauschmöglichkeit in neuwertige Stiefel „zu verwandeln“. Die Truppendienstkammer habe unberücksichtigt gelassen, dass nicht der Verkauf - mit Gewinnerzielungsabsicht - seine Motivation bestimmt habe, sondern dass es ihm darum gegangen sei, Kameraden mit den allseits beliebten Stiefeln zu versorgen, ohne daran zu verdienen. Er habe nicht die Absicht gehabt, über ihm entstandene Kosten hinausgehende Forderungen gegenüber den Kameraden zu erheben. Die Schwere des Dienstvergehens werde auch dadurch gemindert, dass die Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gemäß § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO ohne Widerspruch der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingestellt habe.

12 Unzutreffend sei auch der Vorwurf der Truppendienstkammer, er habe kaltschnäuzig gehandelt und dabei seine Kameradin Obermaat (w) B. der Gefahr disziplinarer Verfolgung ausgesetzt. Vielmehr sei sein Verhalten oberflächlich und gedankenlos gewesen. Zu seinen Gunsten sprächen auch die Bekundungen der Leumundszeugen Kapitänleutnant K. und Kapitänleutnant S. Der Zeuge S. habe erklärt, es sei dem Soldaten durchaus zuzutrauen, dass er Kameraden etwas Gutes habe tun wollen.
13 Zu seinen, des Soldaten, Gunsten sprächen auch seine umfassende Geständnisbereitschaft, die von ihm bekundete Reue und Einsicht in sein Fehlverhalten, das äußerst günstige Beurteilungsbild, die Zugehörigkeit zu den „absoluten Spitzensoldaten der gesamten Einheit“ im Bereich der Menschenführung und seine leistungsmäßige Einordnung „im oberen Drittel der Portepeeträger seiner Einheit“ und schließlich auch die von der Truppendienstkammer erkannte Nachbewährung durch nochmalige Leistungssteigerung während des schwebenden Verfahrens. III
14 1. Die Berufung des Soldaten ist zulässig. Sie ist statthaft; ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO).
15 2. Die Berufung ist ausdrücklich auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Auch inhaltlich beziehen sich die gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten Einwände ausschließlich auf Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung. Der Senat hat daher seiner Entscheidung die Tatfeststellungen sowie deren rechtliche Würdigung (Feststellungen zu schuldhaften Dienstpflichtverletzungen) durch die Truppendienstkammer zugrunde zu legen und sodann über die zu verhängende gerichtliche Disziplinarmaßnahme zu befinden, wobei er an das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) gebunden ist.
16 Zwar kann der Senat unter bestimmten Voraussetzungen ungeachtet dessen das angefochtene Urteil aufheben und die Sache vor der Berufungshauptverhandlung nach § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO oder in der Berufungshauptverhandlung nach § 121 Abs. 2 WDO an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd oder des Truppendienstgerichts Nord zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Diese Möglichkeit besteht dann, wenn ein schwerer Mangel des Verfahrens vorliegt und/oder wenn weitere Aufklärungen erforderlich sind. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Auch der anwaltlich vertretene Soldat macht dies nicht geltend. In dem angefochtenen Urteil der Truppendienstkammer sind hinreichende und widerspruchsfreie Tatfeststellungen getroffen worden. Ferner kann dem Urteil mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, von welchen vom angeschuldigten Soldaten begangenen schuldhaften Pflichtverletzungen das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Schuldfeststellungen im angefochtenen Urteil auszugehen hat. Denn im angefochtenen Urteil ist die Truppendienstkammer - auch wenn diese nicht näher begründet worden sind - unzweideutig zu der (Schuld-)Feststellung gelangt, der Soldat habe mit dem festgestellten Verhalten vorsätzlich gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) sowie gegen das Achtungs- und Vertrauenswahrungsgebot im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) jeweils vorsätzlich verstoßen.
17 3. Die von der Truppendienstkammer verhängte gerichtliche Disziplinarmaßnahme einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Obermaaten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist rechtlich geboten und angemessen, so dass die Berufung des Soldaten zurückzuweisen ist. Allerdings war die fehlende Bestimmung der Besoldungsgruppe (§ 62 Abs. 2 Satz 2 WDO) nachzuholen. Außerdem hat der Senat die Frist für eine Wiederbeförderung auf zwei Jahre verkürzt (§ 62 Abs. 3 Satz 3 WDO).
18 Bei der konkreten Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen (Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1967 - 2 BvL 1/66 - BVerfGE 21, 391 und vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 668/68, 1 BvR 710/68, 1 BvR 337/69 - BVerfGE 28, 264; BVerwG, Urteile vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 - und vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26, jeweils m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.
19 a) Nach seiner „Eigenart und Schwere“ hat das Dienstvergehen des Soldaten erhebliches Gewicht. Die Schwere des Dienstvergehens bestimmt sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung(en), mithin also nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflicht(en).
20 Hier liegt der Schwerpunkt des Dienstvergehens des Soldaten in der von der Truppendienstkammer festgestellten, allerdings im Urteil nicht näher begründeten Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), die jedem Soldaten gebietet, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber seinem Dienstherrn zu erfüllen. Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum „treuen Dienen“ gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem die Beachtung der Strafgesetze (Urteile vom 28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 = NZWehrr 1991, 32, vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 106 = NZWehrr 2004, 169, vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - jeweils m.w.N., vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79 und vom 22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 = Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 = NZWehrr 2008, 76). Die Pflicht zum „treuen Dienen“ gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung hat in der Regel schon deshalb erhebliches Gewicht. Sie ist gerade bei solchen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung. Beim Umgang mit öffentlichem Geld und Gut ist die Bundeswehr auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten in hohem Maße angewiesen. Erfüllt ein Soldat diese dienstlichen Erwartungen nicht, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und persönlichen Integrität.
21 Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Soldaten ist zwar nach § 153a StGB durch die Staatsanwaltschaft gegen Zahlung von 300 € eingestellt worden. Das ändert aber nichts daran, dass nach den von der Truppendienstkammer getroffenen tatsächlichen Feststellungen das Verhalten des Soldaten als Betrug (§ 263 StGB) und damit als kriminelle Tat zu qualifizieren ist. Denn er hat am 16. Oktober 2007 vorsätzlich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen (gebrauchte Stiefel aus dem Bundeswehrbestand) bei der Zeugin Obermaat (w) B. und nachfolgend mittelbar bei der für solche Umtauschvorgänge zuständigen Stelle zwecks Durchführung des Tausches „alt gegen neu“ einen Irrtum erregt und dadurch eine Vermögensverfügung durch die Sonderkleiderkammer in N. in Gestalt der Herausgabe von fünf neuwertigen Fliegerstiefeln des Typs „Sommer“ mit einem Wert von 93,12 € pro Paar, die ihm noch am selben Tage durch die Zeugin B. auch ausgehändigt wurden, erreicht. Auch eine Bereicherungsabsicht lag vor, da der Soldat sich oder jedenfalls seinen Kameraden zu Lasten der Bundeswehr einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen wollte. Hierauf kam es ihm an. Der Umstand, dass aufgrund der am 17. Oktober 2007 vom Zeugen F. entdeckten Stanzung an den Außenschäften der Stiefel die Sache aufflog und zur umgehenden Rückabwicklung der „Umtauschaktion“ führte, ändert nichts daran, dass der Betrug zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet war.
22 Aber auch die Verletzung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 SG normierten Pflicht jedes Soldaten, im Dienst dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert, stellt keine Missachtung einer bloßen Nebenpflicht dar. Denn diese hat wegen ihres funktionellen Bezugs zur Erfüllung der Aufgaben der Bundeswehr und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs erhebliche Bedeutung. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der ordnungsgemäße Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 21. Mai 2008 - BVerwG 2 WD 8.07 und 2 WD 12.07 - ). Auch die Öffentlichkeit hat kein Verständnis dafür, wenn ein Soldat sich zu privaten Zwecken Material der Bundeswehr aneignet und damit eine Straftat begeht.
23 Vorliegend fällt im Hinblick auf die Eigenart des Dienstvergehens zu Lasten des Soldaten ferner ins Gewicht, dass er zur Tatverwirklichung eine - insoweit offenbar ahnungslose - Kameradin instrumentalisierte. Er beschränkte sich bei der Tatausführung nicht darauf, selbst den Umtausch bei der Sonderkleiderkammer zu bewirken, sondern missbrauchte zusätzlich das Vertrauen dieser Kameradin, möglicherweise deshalb, weil ihm bekannt war, dass ein von ihm selbst vorgenommener Umtauschversuch in der Sonderkleiderkammer mangels eigener Piloteneigenschaft oder angesichts der Vielzahl der Stiefel eher zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Er nahm in Kauf, dass dadurch möglicherweise auch die Kameradin Vorwürfen ausgesetzt war und sich dafür rechtfertigen musste, dass sie „gestanzte“ und damit gegen neuwertige Stiefel nicht umtauschbare Stiefel der Sonderkleiderkammer vorgelegt hatte.
24 Die Eigenart und Schwere des Fehlverhaltens sind vorliegend auch dadurch gekennzeichnet, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Bootsmann in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 5 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine erhöhte Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01 , 32.02 - ). Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen (vgl. Scherer/Alff, SG, 8. Aufl. 2008, § 10 Rn. 3 m.w.N.). Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus.
25 b) Das Dienstvergehen des Soldaten führte nach den getroffenen und den Senat bindenden Feststellungen der Truppendienstkammer in seinen Auswirkungen nicht nur zu einer Vermögensgefährdung (vgl. dazu Urteil vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 5.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 3), sondern zu einer - wenn auch nur kurzfristigen - tatsächlichen Schädigung des Vermögens des Dienstherrn um 465,60 €. Der Umstand, dass der „Stiefeltausch“ nach Entdeckung der Tat wieder rückabgewickelt wurde und die Stiefel dem Gewahrsam und damit dem Vermögen des Dienstherrn wieder zugeführt werden konnten, macht die zunächst eingetretene Vermögensschädigung nicht ungeschehen.
26 Nach den Bekundungen der Zeugen K. und S. in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer und des Zeugen Ka. in der Berufungshauptverhandlung ist das Fehlverhalten des Soldaten in der Einheit - über die damit dienstlich unmittelbar befassten Personen hinaus - und in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden. Personalwirtschaftliche Maßnahmen mussten nicht eingeleitet werden.
27 c) Für das Maß der Schuld des Soldaten fällt die vorsätzliche Begehensweise ins Gewicht. Soweit die Verteidigung vorgebracht hat, der Soldat habe ohne Vorsatz, allenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt, stehen dem die den Senat bindenden Feststellungen der Truppendienstkammer entgegen. Auch aufgrund der Einlassungen des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung ist ersichtlich, dass der Soldat die Tatbestandsvoraussetzungen kannte und deren Verwirklichung auch wollte.
28 Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat im Sinne des § 21 StGB (analog) bei Tatbegehung nur vermindert schuldfähig war, liegen nicht vor.
29 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, hat der Senat nicht feststellen können. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 18. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 10.96 - BVerwGE 103, 343 = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 15, vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und vom 13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 -) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der betreffende Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dafür fehlt es vorliegend an jedem konkreten Anhaltspunkt. Insbesondere handelte es sich entgegen der Ansicht der Verteidigung bei dem Fehlverhalten nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten (vgl. dazu u.a. Urteile vom 9. März 1995 - BVerwG 2 WD 1.95 - , vom 19. September 2001 - BVerwG 2 WD 9.01 - NVwZ-RR 2002, 514 m.w.N., vom 1. April 2003 - BVerwG 2 WD 48.02 - und vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 -). Nach den getroffenen Feststellungen ging der Soldat sehr planvoll vor. Vor dem Kauf der gebrauchten Stiefel bei ebay erkundigte er sich bei dem Versorgungsunteroffizier der ... Staffel des M...geschwaders ..., der Zeugin B., ob der geplante Umtausch gebrauchter Stiefel ohne Probleme bei ihr möglich wäre. Über den Hintergrund seiner Frage ließ er sie bewusst im Unklaren und verschwieg den geplanten Kauf der umzutauschenden Stiefel. Erst als die Zeugin die Umtauschmöglichkeit bejahte, ging er an die Umsetzung seines Planes. Er hatte bis zur eigentlichen Tatbegehung dann noch zumindest mehrere Tage zur Verfügung und damit hinreichend Gelegenheit, sich über sein Verhalten und die Folgen seines Tuns klar zu werden. Von einer „kopflosen“ Tat kann keine Rede sein.
30 Auch auf ein Mitverschulden von Vorgesetzten, insbesondere auf Mängel oder ein Versagen der Dienstaufsicht (vgl. dazu u.a. Urteile vom 19. September 2001 - BVerwG 2 WD 9.01 - , vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 27, vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2, vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - und vom 13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 -), kann sich der Soldat nicht berufen. Er wusste, dass er mit seinem Verhalten eine Täuschung der für den „Umtausch“ der Stiefel zuständigen Personen/ Stellen bewirkte, was zu deren Vermögensverfügung und zu dem entsprechenden Vermögensschaden führte. Er bedurfte keiner Aufklärung über die Rechtslage und über seine Pflichten durch seine Vorgesetzten.
31 Auch der Milderungsgrund einer „freiwilligen Wiedergutmachung vor Entdeckung“ des Fehlverhaltens (vgl. dazu u.a. Urteile vom 9. März 1995 - BVerwG 2 WD 1.95 - BVerwGE 103, 217 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 2 = NZWehrr 1995, 161 und vom 19. Juli 1995 - BVerwG 2 WD 9.95 - BVerwGE 103, 265 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 4 = NZWehrr 1996, 164) greift ersichtlich nicht ein. Die Rückgabe der Stiefel erfolgte erst, nachdem seine Betrugshandlung aufgefallen war und er hierzu aufgefordert wurde.
32 d) Die vom Senat festgestellten Beweggründe für das Dienstvergehen des Soldaten vermögen diesen nicht zu entlasten. Es hat dem Soldaten zwar nicht nachgewiesen werden können, dass er nach dem „Umtausch“ der von ebay erworbenen Stiefel diese mit Gewinn an Kameraden verkaufen wollte. Selbst wenn er, wie er unwiderlegt geltend gemacht hat, vorhatte, die Stiefel an verschiedene Kameraden zum Selbstkostenpreis (Kaufpreis und Versandkosten) zu veräußern, handelte er ersichtlich eigennützig. Er wollte sich - wie er in der Berufungshauptverhandlung der Sache nach auch eingeräumt hat - gegenüber seinen Kameraden als „cleverer Beschaffer“ in Szene setzen. Dabei hatte er keine Hemmungen, zur Erreichung dieses Ziels straffällig zu werden. Soweit er meint, er habe „doch nur aus Gutmütigkeit“ gehandelt, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Er hat in der Berufungshauptverhandlung nicht einmal näher anzugeben vermocht, ob Kameraden zuvor überhaupt mit einer konkreten Beschaffungsbitte an ihn herangetreten waren. Ebenso wenig hat er plastisch und nachvollziehbar darlegen können, aus welchem Grund er die von ihm von ebay erworbenen gebrauchten Stiefel, deren Zustand er als „gut“ bezeichnet hat, nicht direkt zum Einkaufspreis seinen Kameraden zur Verfügung stellte, statt sich auf kriminellem Wege neue Stiefel aus Bundeswehrbeständen zu beschaffen und diese dann weit unter Wert zu verkaufen. Sein Vorbringen lässt jedenfalls erkennen, dass er es offenbar für vertretbar hielt, „aus Gutmütigkeit“ Straftaten zu begehen.
33 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ ist festzustellen, dass der Soldat während seiner Dienstzeit, insbesondere auch vor seinen Pflichtverletzungen, überwiegend durchschnittliche dienstliche Leistungen erbrachte. Den allgemeinen Teil des Unteroffizierlehrgangs an der Marineunteroffizierschule in Plön bestand er am ... September 2003 mit der Note „befriedigend“. Den Unteroffizierlehrgang 2 als Laufbahnprüfung zum Bootsmann vom ... Juli bis ... Oktober 2005 absolvierte er ebenso mit befriedigendem Erfolg wie den Luftfahrzeugtechnischen Fachlehrgang. Nach dem Dienstvergehen erbrachte er dagegen nach der vorliegenden Beurteilung deutlich überdurchschnittliche Leistungen, sodass in der am 13. November 2008 erstellten Sonderbeurteilung seine „Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“ mit dem Durchschnittswert 7,00 beurteilt wurde. Ergänzend wird hierzu ausgeführt:
„Bootsmann H. ist ein junger Portepeeunteroffizier, der ihm übertragene Aufgaben äußerst zügig und qualitativ auf sehr hohem Niveau eigenständig erfüllt. Auf den kurzen Einschiffungen und während des Einsatzes hat er bewiesen, den besonderen psychischen und physischen Belastungen während einer Einschiffung gewachsen zu sein und dauerhaft sehr gute Arbeitsergebnisse zu liefern. Er fügt sich problemlos in die Gemeinschaft eines Arbeitsteams ein und steuert ausgesprochen gewinnbringende Ideen für den Arbeitsprozess zu. Dabei nimmt er Anmerkungen und Hinweise von älteren Kameraden bereitwillig an, um sich selbst weiterzuentwickeln. Frühzeitig merkt er eigene Vorschläge zur Verbesserung an und partizipiert so entscheidend an der Auftragserfüllung. Bootsmann H. zeigt für sein junges Lebensalter sehr gute Ansätze und entwickelt sich sehr positiv. Sowohl innerhalb der Triebwerkwerkstatt als auch an Bord konnte er seine Fachkenntnisse sehr schnell eigenständig praktisch anwenden und zeigt das Interesse sowie die Fähigkeit, sein Wissen stetig auszubauen. Neue Anforderungen nimmt er bereitwillig an und erfüllt auch diese.“

34 Das Persönlichkeitsprofil des Soldaten wird in dieser Sonderbeurteilung hinsichtlich der „Konzeptionellen Kompetenz“ als „weniger ausgeprägt“, hinsichtlich der „Geistigen Kompetenz“ und der „Kompetenz in Menschenführung“ als „ausgeprägt“ sowie hinsichtlich der „funktionalen Kompetenz“ und der „sozialen Kompetenz“ jeweils als „stärker ausgeprägt“ beurteilt. Ergänzend wird ausgeführt:
„Bootsmann H. ist ein verantwortungsbewusster, sehr engagierter Portepeeunteroffizier, der trotz seines jungen Lebensalters schon beachtliche Leistung zeigt. Er präsentiert sich geistig wendig und flexibel. Kurzfristigen Neuerungen und Anforderungen steht er offen gegenüber und nimmt sie als Herausforderungen bereitwillig an. Bootsmann H. tritt unvoreingenommen und freundlich auf. In Verbindung mit seinen guten Arbeitsergebnissen integriert er sich so sehr schnell in seinen Kameradenkreis und trägt mit seiner Art zum Erhalt der guten Stimmung und Motivation entscheidend bei. Dies ist vor allem an Bord sehr wichtig und hilfreich. Die Besonderheiten des Soldatenberufs kennt Bootsmann H. und hat dies vor allem bei den gesonderten Anforderungen im UNIFIL-Einsatz über längere Zeit unter Beweis gestellt. Die Eigenschaft, auf Neuerungen bereitwillig zuzugehen, Hinweise anzunehmen, in Verbindung mit Fleiß und Leistungswillen, bildet ein solides Fundament für eine positive Entwicklung zu einem leistungsstarken Portepeeunteroffizier. Für eine Abrundung seines Leistungsbildes sollte Bootsmann H. sein Führungsverhalten noch stärker ausprägen. Gelingt ihm dies, wird er sich mit zunehmender Erfahrung sehr schnell in der Leistungsspitze seiner Dienstgradgruppe etablieren.“

35 Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte dieser Beurteilung uneingeschränkt zu und führte ergänzend aus:
„Bootsmann H. ist ein agiler und souverän auftretender Portepeeunteroffizier. Er vermag das Erlernte und die gesammelte Erfahrung hervorragend in Einklang zu bringen und überzeugt durch Fachkompetenz und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Er ist kameradschaftlich sowie hilfsbereit und daher anerkannt und beliebt. Bootsmann H. besitzt klar erkennbar eine hohe soziale Kompetenz und hält dennoch bei Führungsaufgaben die nötige Distanz. ...
Bootsmann H. verfügt noch über deutliches Leistungspotenzial. Sollte er seine stetig positive Leistungsentwicklung weiterhin fortsetzen, reift hier ein besonders leistungsstarker und vielseitig einsetzbarer Portepeeunteroffizier heran. Daher halte ich eine Entwicklungsprognose bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive für gerechtfertigt.“

36 Für diese positive Entwicklung im Leistungsbild und im dienstlichen Verhalten des Soldaten spricht auch, dass Kapitänleutnant S., der Staffelchef und nächste Disziplinarvorgesetzter des Soldaten seit Dezember 2007, als Leumundszeuge in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer bekundet hat, dieser sei als Angehöriger der Triebwerkwerkstatt ein zuverlässiger und engagierter Fachmann, den er leistungsmäßig an der Spitze des oberen Drittels der ihm unterstehenden Vergleichsgruppe einordne. Der Soldat habe „ein Auge für Arbeit“, insbesondere liege ihm die Flugsicherheit am Herzen. Er geriere sich sehr kameradschaftlich und sei in das Unteroffizierkorps integriert. Auswirkungen negativer Art wegen des dem Soldaten vorgeworfenen Fehlverhaltens habe er in seiner Einheit nicht feststellen können. Mit dem Soldaten habe er einen fachlich wie menschlich kompetenten und engagierten Mitarbeiter in seinen Reihen, dessen Beitrag er schwerlich missen wolle. Auch der in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer vernommene weitere Leumundszeuge Kapitänleutnant K., der ehemalige Staffelchef und nächste Disziplinarvorgesetzter des Soldaten von Oktober 2007 bis Ende November 2007, hat die Führung und die Persönlichkeit des Soldaten positiv beurteilt. Er hat bekundet, er habe den Soldaten als anfänglich zurückhaltenden, dann aber als zunehmend agil und aktiv werdenden Portepeeunteroffizier erlebt. Seine anspruchsvolle Arbeit habe er sehr gut erledigt. Im Vergleich zu den ca. 15 Triebwerkmeistern habe der Soldat mit seinen fachlichen Leistungen im ersten Drittel rangiert. Der Soldat habe in seinen dienstlichen Leistungen trotz des gegen ihn eingeleiteten Verfahrens nicht nachgelassen; im Gegenteil habe er in seiner Arbeitsqualität noch zugelegt. Er könne das konstatieren, weil er, der Zeuge, aufgrund seiner Verwendung ab Dezember 2007 als Technischer Offizier der Staffel mit dem Soldaten täglich Kontakt habe.
37 Ein positives Beurteilungsbild ergibt sich auch aus den Bekundungen des in der Berufungshauptverhandlung als Leumundszeugen vernommenen Korvettenkapitäns Ka., der während zweier Auslandseinsätze (UNIFIL und ATALANTA) in den Jahren 2008 und 2009 direkten dienstlichen Kontakt mit dem Soldaten hatte. Er hat ihn als zurückhaltenden, gründlichen und zuverlässigen Soldaten geschildert, der seines Wissens nie negativ aufgefallen sei. Bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben sei der Soldat motiviert und durchweg verlässlich gewesen. Wegen seiner großen Fachkenntnisse und seiner Vertrauenswürdigkeit wäre eine anderweitige Verwendung ein „Verlust für die Einheit“.
38 Der Senat hat keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit der vorgenannten Bekundungen dieser Leumundszeugen zu zweifeln.
39 f) Eine Gesamtwürdigung der für und gegen den Soldaten sprechenden Gesichtspunkte rechtfertigt nach der Überzeugung des Senats keine Abänderung der von der Truppendienstkammer ausgesprochenen Herabsetzung des Dienstgrades. Die ansprechenden dienstlichen Leistungen des Soldaten und seine Nachbewährung gestatten es jedoch, die Frist für eine Wiederbeförderung auf zwei Jahre zu verkürzen.
40 Bei der konkreten Maßnahmebemessung geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus.
41 Auf einer „ersten Stufe“ bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.
42 Im vorliegenden Fall ist auf dieser „ersten Stufe“ für Fälle des (vorsätzlichen) Zugriffs auf das Eigentum oder Vermögen des Dienstherrn nach der Rechtsprechung des Senats Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung. Über das konkrete Ausmaß der Degradierung (oder ggf. auch über eine geringere gerichtliche Disziplinarmaßnahme) ist allerdings erst auf der „zweiten Stufe“ der Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Maßgabe der Kriterien des § 38 Abs. 1 WDO zu entscheiden. Handelt es sich freilich um einen (vorsätzlichen) Zugriff auf dienstliches Eigentum oder Vermögen, das dem/der Angeschuldigten zur Verwaltung oder Verwahrung anvertraut war, liegt ein so schweres Dienstvergehen vor, dass dann Ausgangspunkt der Zumessungserwägung regelmäßig nicht die Degradierung, sondern die disziplinare Höchstmaßnahme ist (Entfernung aus dem Dienst; Aberkennung des Ruhegehalts). Ein solches „Anvertrautsein“ ist dann gegeben, wenn der betreffende Soldat zum Tatzeitpunkt eine besondere dienstliche Schutz- und Verwendungspflicht hinsichtlich des (entwendeten) Materials hatte. Dies setzt die Hingabe oder das Belassen der Sache durch den Eigentümer oder sonst Berechtigten zum Verwalten/Verwenden in dem Vertrauen voraus, der Besitzer werde mit der ihm überlassenen Sache ausschließlich im Sinne des Anvertrauenden verfahren, sie also nur in seinem Sinne aufbewahren, verwenden und sie schützen (z.B. Zahlstellenverwalter, Rechnungsführer, Verwalter einer Waffenkammer oder eines Materialbereichs). Allein die Möglichkeit des Zugriffs auf die (entwendeten) Gegenstände reicht für eine diesbezügliche Feststellung des Anvertrautseins jedoch nicht aus.
43 Ein Fall des „Anvertrautseins“ liegt hier nicht vor. Denn der Soldat hatte an den Stiefeln vor der Tat weder Gewahrsam noch in Bezug auf sie eine besondere dienstliche Verwahrungs-, Schutz- oder Betreuungspflicht.
44 Auf einer „zweiten Stufe“ war sodann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer - bei erschwerenden Umständen - Verschärfung oder - bei erheblichen Entlastungsgründen - einer Milderung (gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme) eröffnen. Dabei ist vor allem hinsichtlich der „Eigenart und Schwere“ sowie der „Auswirkungen“ des Dienstvergehens zu klären, ob es sich um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer („durchschnittlicher Fall“), sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber der Regeleinstufung (=„Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“) die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Bei den „Auswirkungen“ des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb (insbesondere die weitere Verwendbarkeit des Soldaten, Rückwirkungen auf Vorgesetzte und Untergebene, negative personalwirtschaftliche Konsequenzen) sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ prüft der Senat neben der Begehungsform (Vorsatz, Fahrlässigkeit) und der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB analog) das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Umständen der Tat.
45 Nach diesen Kriterien ist hier von einem Fall durchschnittlichen Zuschnitts auszugehen, der keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Modifizierung des zu verhängenden Disziplinarmaßes nach „oben“ oder nach „unten“ bietet, so dass es bei der Regelmaßnahme einer Herabsetzung des Dienstgrades um eine Stufe verbleibt.
46 Soweit der Senat in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 9.07 - ) die früher vertretene Ansicht (vgl. dazu u.a. Urteile vom 25. Oktober 1995 - BVerwG 2 WD 12.95 - BVerwGE 103, 275 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 6 = NZWehrr 1996, 33, vom 28. Februar 1996 - BVerwG 2 WD 4.96 - und vom 23. April 1997 - BVerwG 2 WD 42.96 - Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 29) aufgegeben und sich nunmehr der Rechtsprechung des - für das Beamtendisziplinarrecht zuständigen - 1. Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 24. November 1992 - BVerwG 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314) angeschlossen hat, wirkt sich dies vorliegend nicht zu Gunsten des Soldaten aus.
47 Die in dieser Rechtsprechung angenommene „Bagatellgrenze“ greift hier schon deshalb nicht ein, weil der Wert der vom Soldaten über die Zeugin B. bei der Sonderkleiderkammer in N. erschwindelten fünf neuwertigen Stiefelpaare mit ca. 465 € deutlich darüber liegt.
48 Die von der Truppendienstkammer ausgesprochene Herabsetzung des Dienstgrades ist aus spezialpräventiven Gründen geboten. Bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Soldaten hat der Senat feststellen können, dass dieser zwar sein Fehlverhalten, insbesondere dessen disziplinarrechtliche Folgen, glaubhaft bedauert. Hinreichend mit den Gründen und Ursachen seines kriminellen Handelns auseinandergesetzt hat sich der Soldat jedoch bislang nicht. Insbesondere hat er sich nicht im notwendigen Maße der Frage gestellt, wie er auch heute noch zu der Schlussfolgerung kommen kann, er habe ausschließlich aus „Gutmütigkeit“ gehandelt. Es fehlt bei dem Soldaten erkennbar an einem hinreichend kritischen Blick für seine in seinem Fehlverhalten und in der von ihm dafür gegebenen Rechtfertigung offenbar gewordenen persönlichkeitsbedingten Neigung, selbst vor kriminellen Handlungen nicht zurückzuschrecken, wenn es darum geht, sich gegenüber anderen als (scheinbar) „clever“ und „gewieft“ in Szene zu setzen. Das macht eine nachdrückliche Pflichtenmahnung unabdingbar.
49 Auch generalpräventive Gründe sprechen für die Verhängung einer nach außen sichtbaren gerichtlichen Disziplinarmaßnahme, um jeden Eindruck einer Bagatellisierung des Dienstvergehens zu vermeiden.
50 Allerdings hat es das Truppendienstgericht versäumt, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 WDO bei der Herabsetzung des Soldaten in den Dienstgrad eines Obermaaten, der in zwei Besoldungsgruppen (A 6 und A 7) aufgeführt ist, zusätzlich auch die Besoldungsgruppe zu bestimmen. Dies war durch den Senat nachzuholen. Da dem Urteil des Truppendienstgerichts auch in der Begründung kein Hinweis auf den beabsichtigten Umfang der Dienstgradherabsetzung zu entnehmen war, ist der Senat wegen des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) zu Gunsten des Soldaten von einer Herabsetzung nur in die Besoldungsgruppe A 7 ausgegangen.
51 Die Entscheidung über die Verkürzung der Frist für eine Wiederbeförderung beruht auf § 62 Abs. 3 Satz 2 WDO. Maßgebend dafür war vor allem, dass sich der Soldat nach den vom Senat - auf der Grundlage insbesondere der Sonderbeurteilung vom 13. November 2008 und der Bekundungen der Leumundszeugen S., K. und Ka. - getroffenen Feststellungen im Dienst deutlich positiv nachbewährt hat.
52 Da die Berufung des Soldaten im Kern keinen Erfolg hat, hat er gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, kommt gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO nicht in Betracht.

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