BStGer - SK.2017.49 - Verstoss gegen Art. 2 des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen "Al-Qaïda" und "Islamischer Staat" sowie verwandter Organisationen - Strafkammer
Karar Dilini Çevir:

Urteil vom 15. Juni 2018
Strafkammer
Besetzung Bundesstrafrichter Miriam Forni, Vorsitzende
Giuseppe Muschietti und Martin Stupf,
Gerichtsschreiberin Anne Kathrin Herzog
Parteien BUNDESANWALTSCHAFT, vertreten durch Staatsan-
wältin des Bundes Juliette Noto
gegen
1. A., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Michael
Burkard

2. B., amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Lorenz
Hirni

3. C., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Lukas
Bürge


Gegenstand Widerhandlung gegen Art. 2 des Bundesgesetzes über
das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaida» und «Islami-
scher Staat» sowie verwandter Organisationen
B u n d e s s t r a f g e r i c h t
T r i b u n a l p é n a l f é d é r a l
T r i b u n a l e p e n a l e f e d e r a l e
T r i b u n a l p e n a l f e d e r a l

Geschäftsnummer: SK.2017.49
- 2 -
Anträge der Bundesanwaltschaft:
Zu A.
1. A. sei des Verstosses gegen Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verbot der
Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisatio-
nen schuldig zu sprechen.
2. A. sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verurteilen (Art. 27, 40,
41 Abs. 1 lit. b und 47 StGB).
3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe sei unter Ansetzung einer Probezeit von 5 Jahren
aufzuschieben (Art. 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 StGB).
4. Für den Vollzug des vorliegenden Urteils sei der Kanton Bern als zuständig zu er-
klären (Art. 74 Abs. 2 StBOG i.V.m. Art. 31 StPO).
5. Fürsprecher Dr. iur. Michael Burkard sei für die amtliche Verteidigung von Herrn A.
in gerichtlich zu bestimmender Höhe aus der Kasse der Eidgenossenschaft zu ent-
schädigen (Art. 135 Abs. 1 und Abs. 2 StPO).
6. A. sei zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die Kosten der amtlichen Verteidigung
in vollem Umfang zurückzuerstatten, sobald er dazu in der Lage ist (Art. 426 Abs. 1
i.V.m. Art. 135 Abs. 4 StPO).
Zu B.
1. B. sei des Verstosses gegen Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verbot der
Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisatio-
nen schuldig zu sprechen.
2. B. sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verurteilen (Art. 27, 40,
41 Abs. 1 lit. b und 47 StGB).
3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe sei unter Ansetzung einer Probezeit von 5 Jahren
aufzuschieben (Art. 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 StGB).
4. Für den Vollzug des Urteils sei der Kanton Bern als zuständig zu erklären.
5. Rechtsanwalt Lorenz Hirni sei für die amtliche Verteidigung von Herrn B. in gericht-
lich zu bestimmender Höhe aus der Kasse der Eidgenossenschaft zu entschädigen
(Art. 135 Abs. 1 und Abs. 2 StPO).
6. B. sei zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die Kosten der amtlichen Verteidigung
in vollem Umfang zurückzuerstatten, sobald er dazu in der Lage ist (Art. 426 Abs. 1
i.V.m. Art. 135 Abs. 4 StPO).

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Zu C.
1. C. sei des Verstosses gegen Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verbot der
Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisatio-
nen schuldig zu sprechen.
2. C. sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verurteilen (Art. 27, 40,
41 Abs. 1 lit. b und 47 StGB).
3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe sei unter Ansetzung einer Probezeit von 5 Jahren
aufzuschieben (Art. 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 StGB).
4. Für den Vollzug des vorliegenden Urteils sei der Kanton Bern als zuständig zu er-
klären.
5. Fürsprecher Dr. iur. Lukas Bürge sei für die amtliche Verteidigung von C. in gericht-
lich zu bestimmender Höhe aus der Kasse der Eidgenossenschaft zu entschädigen.
6. C. sei zu verpflichten, der Eidgenossenschaft die Kosten der amtlichen Verteidigung
in vollem Umfang zurückzuerstatten, sobald er dazu in der Lage ist.

Die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 27‘460.-- seien A., B. und C. zu je 1/3
aufzuerlegen.

Anträge der Verteidigung von A.:
1. A. sei freizusprechen von der Anschuldigung des Verstosses gegen Art. 2 des Bun-
desgesetzes über das Verbot der Gruppierungen „Al-Qaïda“ und „Islamischer Staat“
sowie verwandter Organisationen, angeblich begangen am 8. Mai 2015 beziehungs-
weise zwischen dem 26. September 2015 und dem 12. Dezember 2015 gemäss
Anklageschrift Ziffern 1.1.1.1. bis 1.1.1.7.
2. Die Verfahrenskosten seien dem Staat aufzuerlegen (Art. 423 StPO).
3. Herrn A. seien eine Entschädigung für die Verteidigungskosten gemäss nachzu-
reichender separater Honorarnote (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO) sowie eine symboli-
sche Genugtuung in der symbolischen Höhe von Fr. 200.-- für die besonders
schwere Verletzung seiner persönlichen Verhältnisse (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO)
auszurichten.
4. Allfällige weitere Verfügungen seien von Amtes wegen zu treffen.

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Anträge der Verteidigung von B.:
1. Der Beschuldigte sei vollumfänglich freizusprechen von den Vorwürfen gemäss An-
klageschrift.
2. Der auf das Verfahren gegen den Beschuldigten 2 entfallende Anteil an den Verfah-
renskosten sei durch den Bund zu tragen.
3. Dem Beschuldigten 2 sei gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. b und c StPO eine persön-
liche Entschädigung/Genugtuung in Höhe von Fr. 200.-- auszurichten.
4. Im Weiteren sei zu verfügen:
1. Der Beschuldigte 2 sei gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO für den Vertei-
digungsaufwand vor erster Instanz gemäss Honorarnote(n) des Verteidigers
aus der Kasse der Eidgenossenschaft zu entschädigen.
2. Eventualiter: Das Honorar der amtlichen Verteidigung für das erstinstanzliche
Verfahren sei gerichtlich zu bestimmen und aus der Kasse der Eidgenossen-
schaft auszurichten.
Anträge der Verteidigung von C.:
1. C. sei freizusprechen von der Anschuldigung des Verstosses gegen Art. 2 des Bun-
desgesetzes über das Verbot der Gruppierungen „Al-Qaïda“ und „Islamischer Staat“
sowie verwandter Organisationen, angeblich begangen im Zeitraum zwischen Sep-
tember und Dezember 2015 (Anklageschrift Ziff. 1.3 auf Seite 26 ff.).
2. Die Verfahrenskosten seien dem Staat aufzuerlegen (Art. 423 StPO).
3. Herrn C. seien eine Entschädigung für die Verteidigungskosten gemäss separat ein-
gereichter Honorarnote (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO) sowie eine Genugtuung in sym-
bolischer Höhe von Fr. 200.-- für die besonders schwere Verletzung seiner persön-
lichen Verhältnisse (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO) auszurichten.
4. Allfällige weitere Verfügungen seien von Amtes wegen zu treffen.

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Sachverhalt:
A. Am 20. November 2015 veröffentlichte der Verein D. das Video «AR/EN/FR/DE
- Exclusive Interview with E. - „The Islamic State and I“» (Titel auf Deutsch «Ex-
klusivinterview mit E. - „Der islamische Staat und ich“») auf dem Youtube-Kanal
des Vereins D. (pag. 10.2.6 und pag. 10.2.1-3). Dieser Veröffentlichung gingen
mehrere Ankündigungen auf der Facebook-Seite und dem Twitter-Konto des
Vereins D. voraus (pag.10.2.5-6).
B. Am 5. Dezember 2015 führte der Verein D. den Film «Die wahrhaftige Morgen-
dämmerung» (Titel auf Arabisch «al-Fajr as sâdiq» bzw. auf Englisch «The true
Dawn in Syria») in einem Hotel-Saal in Z. auf. Dieser Veranstaltung gingen meh-
rere Ankündigungen auf der Facebook-Seite und dem Twitter-Konto des Vereins
D. voraus. Nach deren Durchführung folgten diverse Berichte zum Inhalt und
Verlauf der Veranstaltung auf denselben sozialen Medienkanälen (pag. 10.2.6-
7).
C. Am 9. Dezember 2015 eröffnete die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit
dem Interview von E. eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten A. - Vor-
standsmitglied des Vereins D. im Departement für Kulturproduktion - wegen des
Verdachts des Verstosses gegen Art. 2 des Bundesgesetzes über das Verbot
der Gruppierung “Al-Qaida“ und “Islamischer Staat“ sowie verwandter Organisa-
tionen (pag. 1.0.1).
D. Nachdem am 13. Dezember 2015 auf der Facebook-Seite und dem Twitter-Konto
des Vereins D. die entsprechende Videoveröffentlichung angekündigt worden
war (pag. 10.2.7; 10.2.30-31), publizierte der Verein D. am 18. Dezember 2015
das Video «Die wahrhaftige Morgendämmerung» (s. oben Bst. B.) auf dem
Youtube-Kanal des Vereins D. (pag. 10.2.7, und pag. 10.2.32), wobei gleichen-
tags auf der Facebook-Seite und dem Twitter-Konto des Vereins D. Verbindun-
gen zum Videoportal geschaltet wurden (pag. 10.2.7; 10.2.33-34).
E. Am 26. August 2016 dehnte die Bundesanwaltschaft die Strafuntersuchung we-
gen des Verdachts des Verstosses gegen Art. 2 des Bundesgesetzes über das
Verbot der Gruppierung “Al-Qaida“ und “Islamischer Staat“ sowie verwandter Or-
ganisationen auf die Vorstandsmitglieder des Vereins D. B. (Departement für
Public Relations und Information) und C. (Präsident) aus (pag. 1.00.8-9).
F. Am 21. September 2017 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die drei
Beschuldigten beim Bundesstrafgericht (TPF pag. 6.100.1 ff.).
G. Am 10. Oktober 2017 wurden die Parteien eingeladen, allfällige Beweisanträge
zu stellen und zu begründen. Die Bundesanwaltschaft wurde zudem ersucht,
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dem Gericht die genaue Aktenstelle zu den Übersetzungsaufträgen anzugeben
(TPF pag. 6.300.1).
H. Mit Eingabe vom 31. Oktober 2017 gab die Bundesanwaltschaft die Überset-
zungsaufträge sowie weitere Unterlagen zu den Akten (TPF pag. 6.510.1 ff.).
I. Mit Verfügung vom 16. November 2017 wurden die Beschuldigten A. und C. er-
sucht, das Formular „Persönliche und finanzielle Situation“ ausgefüllt zu retour-
nieren. Die Bundesanwaltschaft wurde um einen gut leserlichen Ausdruck der
Akten gem. pag. 10.1.5 sowie 10.20.26 ersucht, wessen sie am 30. November
2017 nachkam (TPF pag. 6.280.1 f.; 6.510.53 ff.).
J. Dem Gesuch um Bestellung von Rechtsanwalt Hirni als amtlicher Verteidiger des
Beschuldigten B. wurde, mit Wirkung ab 13. November 2017, am 30. November
2017 entsprochen (SN.2017.24; TPF pag. 6.202.1 f; 6.951.1 ff.).
K. Am 21. November 2017 bzw. 12. Dezember und 14. Dezember 2017 forderte
das Gericht bei den zuständigen Behörden den Auszug aus dem Strafregister,
den Betreibungsregisterauszug und die Steuerunterlagen der Beschuldigten ein
(TPF pag. 6.221.1 f.; 6.222.1 ff.; 6.223.1 f.; 6.261.3 ff.; 6.262.2 ff.; 2.263.3 ff.).
Ferner wurden über die Beschuldigten Leumundsberichte bei der Kantonspolizei
Bern eingeholt (TPF pag. 6.241.1 ff.; 6.242.1 ff.; 6.243.1 ff.).
L. Gestützt auf das Gesuch des Gerichts vom 27. November 2017 edierte die
Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Berner Jura-Seeland, Strafakten betref-
fend den Beschuldigten C., welche in Kopie zu den Akten genommen wurden
(TPF pag. 6.291.1 ff.).
M. Dem Gesuch um Bestellung von Fürsprecher Michael Burkard als amtlicher Ver-
teidiger des Beschuldigten A. wurde am 26. April 2018 entsprochen (SN.2018.8;
TPF pag. 6.952.3).
N. Am 23. März 2018 ordnete die Bundesanwaltschaft bei der Bundeskriminalpolizei
(BKP) weitere Ermittlungen in der vorliegenden Strafsache an (TPF
pag. 6.510.101), worauf die BKP der Bundesanwaltschaft mit Bericht vom
13. April 2018 das Ergebnis rapportierte (TPF pag. 6.510.63). Am 17. April 2018
ersuchte die Bundesanwaltschaft das Gericht, den Bericht der BKP vom 13. April
2018 als Beweismittel zuzulassen. Den Bericht legte sie ihrem Gesuch bei (TPF
pag. 6.510.60 ff.). Die Verfahrensleitung forderte die Bundesanwaltschaft auf,
den entsprechenden Auftrag vom 23. März 2018 an die BKP nachzureichen.
Gleichzeitig bekamen die Parteien Gelegenheit, über die Frage der Verfahrens-
kompetenz bzw. der Rechtmässigkeit des Beweisantrages Stellung zu nehmen
(TPF pag. 6.280.3). Die fehlende Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft wurde
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von dieser anerkannt (TPF pag. 6.510.98 f.). Mit Verfügung vom 4. Mai 2018 wies
die Verfahrensleitung den Antrag der Bundesanwaltschaft vom 17. April 2018 ab
(TPF pag. 6.280 4-5).
O. Mit Verfügung vom 8. Mai 2018 hiess die Verfahrensleitung die Gesuche der
Verteidiger von A., B. und C. vom 3. bzw. 5. Mai 2018, einen von ihnen einge-
reichten Bericht des Vereins D. vom 21. April 2018 zu den Akten zu nehmen, gut
(TPF pag. 6.280.6).
P. Mit Verfügung vom 11. Mai 2018 hiess die Verfahrensleitung Beweisanträge der
Bundesanwaltschaft vom 9. Mai 2018 teilweise gut. Die Kopie eines Zeitungsar-
tikels und den Ausdruck eines Entscheides des Bundesgerichts wurden zu den
Akten genommen und die BKP beauftragt, Ausdrucke zum Veröffentlichungsda-
tum eines Videos einzureichen (pag. TPF 6.280.8 f.).
Q. Die Hauptverhandlung fand am 16. und 17. Mai 2018 statt. Die mündliche Ur-
teilseröffnung erfolgte am 15. Juni 2018 (TPF pag. 6.920.1 ff.).
R. Am 21. und 25. Juni 2018 beantragten die Bundesanwaltschaft sowie Fürspre-
cher Burkard die schriftliche Begründung des Urteils (TPF pag. 6.510.160;
6.521.55).

Die Strafkammer erwägt:
Prozessuales
Zuständigkeit
Die Verfolgung und Beurteilung der Handlungen nach Art. 2 Abs. 1 und 2 des
Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaida» und «Islami-
scher Staat» sowie verwandter Organisationen unterstehen gemäss Abs. 3 der
Bestimmung der Bundesgerichtsbarkeit.
Die Kompetenz des kollegialen Spruchkörpers der Strafkammer des Bun-
desstrafgerichts ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO e contrario i.V.m. Art. 36
Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bun-
des vom 19. März 2010 (StBOG; SR 173.71).

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Anklageprinzip
Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und 3
lit. a und b EMRK abgeleiteten und nunmehr in Art. 9 Abs. 1 StPO festgeschrie-
benen Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Ge-
richtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Die Anklageschrift hat die der beschul-
digten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu um-
schreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend
konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Vertei-
digungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf recht-
liches Gehör. Gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO bezeichnet die Anklageschrift
möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten
mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. Ent-
scheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, was ihr konkret vorge-
worfen wird, damit sie ihre Verteidigungsrechte angemessen ausüben kann. Das
Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Im-
mutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Ankla-
gebehörde (vgl. Art. 350 Abs. 1 StPO).
Kernstück der Anklageschrift bildet die Darstellung der der beschuldigten Person
zur Last gelegten Tat. Die Darstellung des tatsächlichen Vorgangs ist auf den
gesetzlichen Tatbestand auszurichten, der nach Auffassung der Anklage als er-
füllt zu betrachten ist, d.h. es ist anzugeben, welche einzelnen Vorgänge und
Sachverhalte den einzelnen Merkmalen des Straftatbestandes entsprechen. Zu
den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung gehören neben den Tat-
bestandsmerkmalen die Schuldform (sofern vorsätzliches und fahrlässiges Ver-
halten strafbar ist), die Teilnahmeform (Mittäterschaft, Anstiftung, Gehilfenschaft)
sowie die Erscheinungsform (Versuch oder vollendetes Delikt) und allfällige Kon-
kurrenzen. Die tatsächlichen Umstände der Tat – Zeit, Ort, Art der Begehung und
Form der Mitwirkung, angestrebter oder verwirklichter Erfolg (einschliesslich Kau-
salzusammenhang) – sind anzugeben und die einzelnen rechtlichen Elemente
des Delikts hervorzuheben (siehe Urteil des Bundesgerichts 6B_963/2015 vom
19. Mai 2016 E. 1.3 mit mehreren Hinweisen). Der Anklagegrundsatz ist im Hin-
blick auf die Umschreibungsdichte des vom Gericht zu beurteilenden historischen
Lebensvorgangs strenger anzuwenden, wenn der Tatvorwurf oder der strafrecht-
liche Erfolg von einer gewissen Schwere sind, mithin auch die Auswirkungen des
Verfahrens auf den Beschuldigten bedeutender sein könnten (GREINER, Akkusa-
tionsprinzip und Wirtschaftsstrafsachen, in: ZStrR 2005, S. 103).

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Verfahrensakten
Die Verteidigung von C. beantragte im Rahmen der Vorfragen anlässlich Haupt-
verhandlung, die Fotos in pag. 12.02.17-33 und die Informationen gemäss pag.
23.01.1-3 aus den Akten zu weisen. Ein Aktenseparierungsgrund wegen rechts-
widrig erlangter Beweise gemäss Art. 141 Abs. 5 StPO liegt nicht vor. Die Ver-
wertbarkeit und allfällige Beweisrelevanz ist im Übrigen, und sofern nötig, im Rah-
men der Beweiswürdigung zu prüfen.
Verbot der Gruppierungen «Al-Qaida» und «Islamischer Staat» sowie ver-
wandter Organisationen
Normierung und Hintergründe 2001-2015
2.1.1 Gemäss Art. 1 des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al-
Qaida» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen (SR 122,
nachfolgend: AQ/IS-Gesetz) sind die die Gruppierungen Al Qaida, Islamischer
Staat, wie auch deren Tarn- und Nachfolgegruppierungen, sowie Organisationen
und Gruppierungen, die in Führung, Zielsetzung und Mitteln mit der Gruppierung
Al Qaida oder der Gruppierung Islamischer Staat übereinstimmen oder in ihrem
Auftrag handeln, verboten.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AQ/IS-Gesetz macht sich strafbar, wer sich an einer nach
Artikel 1 verbotenen Gruppierung oder Organisation beteiligt, sie personell oder
materiell unterstützt, für sie oder ihre Ziele Propagandaaktionen organisiert, für
sie anwirbt oder ihre Aktivitäten auf andere Weise fördert.
Die in Art. 2 AQ/IS-Gesetz erwähnten Handlungen hat der Bundesrat bereits
2001 mit Erlass der Verordnung vom 7. November 2001 über Massnahmen ge-
gen die Gruppierung «Al-Qaida» und verwandter Organisationen (nachfolgend:
AQ-Vo-BR) explizit verboten (Art. 2 AQ-Vo-BR; AS 2001 3040 f).
Am 1. Januar 2012 trat die Verordnung der Bundesversammlung über das Verbot
der Gruppierung Al-Qaida und verwandter Organisationen vom 23. Dezember
2011 (nachfolgend: AQ-Vo-BV) in Kraft.
Am 8. Oktober 2014 erliess der Bundesrat sodann die Verordnung über das Ver-
bot der Gruppierung «Islamischer Staat» und verwandter Organisationen (nach-
folgend: IS-VoBR), welche am 9. Oktober 2014 in Kraft gesetzt wurde.
Am 1. Januar 2015 trat schliesslich das AQ/IS-Gesetz in Kraft.
Der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens gründete massgeblich auf Ereignisse,
die den Bundesrat oder das Parlament zum Schutz der öffentlichen Sicherheit zu
einem dringlichen Handeln veranlassten:
- 10 -
2.1.2 Zum Erlass der AQ-Vo-BR vom 7. November 2001 sah sich der Bundesrat zum
Schutz der inneren Sicherheit der Schweiz und in Unterstützung des staatsge-
meinschaftlichen Kampfes gegen den Terrorismus veranlasst, nachdem am
11. September 2001 mehrere Terroranschläge in den Vereinigten Staaten verübt
worden waren (vgl. BBl 2014 8926). Die bundesrätliche Verordnung war befristet
und wurde schliesslich mehrfach verlängert.
2.1.3 In der Absicht, die vorerwähnte Norm über einen längeren Zeitraum in Kraft zu
behalten und ins ordentliche Recht zu überführen, unterbreitete der Bundesrat
am 18. Mai 2011 der Bundesversammlung den Entwurf für eine Verordnung der
Bundesversammlung über das Verbot der Gruppierung Al Qaida und verwandter
Organisationen (BBl 2011 4495 ff.).
Zu jenem Zeitpunkt zeichnete sich die durch die Al Qaida ausgehende Bedro-
hungslage u.a. auch durch die Bildung von Al Qaida-Ableger und wechselnder
Territorialstrukturen aus. Bereits 2004 hatte die in Pakistan gegründete und ver-
mehrt in Afghanistan verbreitete Al Qaida einen Ableger im Irak namens „Al-
Qaida im Irak“ (nachfolgend: AQI oder AQ Irak) gegründet. Es folgten dann wei-
tere Ableger, z.B. in Algerien, Jemen oder Somalia. Führer der sogenannten
Kern-Al Qaida war, bis zu dessen Tod, Osama Bin Laden (nachfolgend: Bin La-
den). Führer der AQ Irak war, bis zu dessen Tod Mitte 2006, Abu Musab Al
Zarqawi, welcher Bin Laden die Treue geschworen hatte. Unter der darauffolgen-
den Leitung von Abu Umar Al-Baghdadi (alias Abu Abdallah ar-Raschid al-Bagh-
dadi, verstorben im Mai 2010), nannte sich die irakische Filiale neu „Islamischer
Staat im Irak“ (nachfolgend: ISI oder IS Irak). Nach dem Tod von Abu Umar Al-
Baghdadi ging die Leitung des ISI schliesslich an Abu Bakr al-Baghdadi (nach-
folgend: al-Baghdadi) über. Im Mai 2011 wurde Bin Laden getötet und Aiman az-
Zawahiri (nachfolgend: az-Zawahiri) übernahm die Führung der Kern-Al Qaida
(zum Ganzen und anstelle Vieler, s. z.B.: Bundesakademie für Sicherheitspolitik,
Arbeitspapier Sicherheitspolitik Nr. 19/2017,
tes/baks010/files/arbeitspapier_sicherheitspolitik_2017-19.pdf; STEINBERG, Al-
Qaida, 20.09.2011, in: Bundeszentrale für politische Bildung [nachfolgend: bpd],
; SAID, Isla-
mischer Staat, 2004, S. 56, 65, 200 und 204; ATWAN, L’histoire secrète d‘Al-
Qaida, 2007, S. 320 f., 331, 346; DIETL/HIRSCHMANN/TOPHOVEN, Das Terroris-
mus-Lexikon, 2006, S. 211 ff.; STEINBERG, Der Islamische Staat in Irak und Sy-
rien (ISIS), 26.8.2014, in: bpd,
mus/190499/der-islamische-staat-im-irak-und-syrien-isis> WARRICK, Schwarze
Flaggen, 2017, S. 320; ATASSI, Qaeda chief annuls Syrian-Iraqi Jihad Merger,
09.06.2013,
2013699425657882.html> , UN Sicherheitsrat, Résumé des motifs ayant présidé
- 11 -
aux inscriptions sur la liste, 14.05.2014,
tions/1267/aq_sanctions_list/summaries/entity/al-nusrah-front-for-the-people-of-
the-levant> , UN Sicherheitsrat, Résumé des motifs ayant présidé aux inscripti-
ons sur la liste, 10.05.2011,
tions/1267/aq_sanctions_list/summaries/individual/ibrahim-awwad-ibrahim-ali-
al-badri-al-samarrai> [betreffend Abu Bakr al-Baghdadi al-Husseini al-Quarashi],
Analysebericht der BKP vom 29.09.2016, pag. 10.02.96 f.).
In der Botschaft vom 18. Mai 2011 zur AQ-Vo-BV (BBl 2011 4495 ff.) führte der
Bundesrat u.a. aus, ein (weiteres) Verbot der Al Qaida sei entsprechend dem von
dieser Gruppierung ausgehenden Gefährdungspotenzial zur Wahrung der inne-
ren und äusseren Sicherheit der Schweiz notwendig. Zwar habe die Kern-Al
Qaida an operativen Fähigkeiten eingebüsst, sie sei aber trotz massiven Anstren-
gungen der Weltgemeinschaft nicht verschwunden und es hätten sich ein Able-
ger der Al Qaida auf der arabischen Halbinsel (nachfolgend auch: AQAH), die Al-
Qaida im islamischen Maghreb (nachfolgend auch: AQIM) und die Al Qaida im
Irak (AQI) gebildet. Die terroristischen Aktivitäten der AQIM hätten in den letzten
Jahren mit Entführungen auch die Sicherheitsinteressen der Schweiz direkt be-
troffen. Insgesamt hätte sich zudem die Wahrscheinlichkeit von islamistisch mo-
tivierten Terroranschlägen in Westeuropa erhöht. Die Botschaft des Bundesrates
behandelte auch die Notwendigkeit allfälliger Einschränkungen der Grundrechte.
Er bezeichnete das öffentliche Interesse als offenkundig. Einerseits liege dieses
im Verhindern konkreter terroristischer Umtriebe durch die genannte Organisa-
tion und andererseits im Erhalt der guten Beziehungen der Schweiz zur interna-
tionalen Staatengemeinschaft. In Bezug auf die Verhältnismässigkeit sei das
Verbot der Gruppierung tendenziell ein taugliches Mittel sowohl zum Verhindern
terroristischer Umtriebe als auch für die Wahrung der guten Beziehungen zum
Ausland; es sei zum Schutz der Bevölkerung und der staatlichen Strukturen er-
forderlich und ein notwendiges aussenpolitisches Signal und schliesslich sei es
angesichts des mit dem Terrorismus einhergehenden Leids auch ohne Weiteres
zumutbar (Wahrung der Zweck/Mittel-Relation). Das vorgeschlagene Verbot sei
verfassungskonform; die rechtsstaatlichen Prinzipien seien gewahrt (BBl 2011
4500, 4504 f.).
Gestützt auf Artikel 173 Abs. 1 lit. c BV erliess die Bundesversammlung am
23. Dezember 2011 die AQ-Vo-BV (AS 2012 1 f.).
2.1.4 2014 sah sich der Bundesrat erneut zum Erlass einer Notrecht-Verordnung ver-
anlasst, am 8. Oktober 2014 erliess er die IS-Vo-BR (AS 2014 3255), welche
inhaltlich gleichlautend war wie die AQ-Vo-BV, sich jedoch auf den sogenannten
„Islamischen Staat“ bezog.
- 12 -
Der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) war wenige Monate zuvor, aufgrund ei-
nes Zerwürfnisses innerhalb der Al Qaida, insbesondere zwischen al-Baghdadi
und Abu Muhammad Al Jawlani entstanden. Abu Muhammad Al Jawlani (nach-
folgend: Al Jawlani) leitete den syrischen Ableger der Al Qaida, welche in der
zweiten Hälfte des Jahres 2011 unter dem Namen „Jabhat Al Nusra“ (oder „Al
Nusra Front“; nachfolgend: Al Nusra) gegründet wurde und erstmals am 24. Ja-
nuar 2012 mittels Video-Botschaft in Erscheinung trat. Al-Baghdadi beabsich-
tigte, die Al Nusra in Syrien dem IS im Irak zu unterstellen. Zu diesem Zwecke
rief er im April 2013 eigenmächtig den „Islamischen Staat im Irak und Syrien“
(nachfolgend: ISIS; auch „islamischer Staat im Irak und der Levante“, ISIL); aus
und erklärte die Al Nusra zu dessen Ableger. Al Jawlani weigerte sich, sich al-
Baghdadi zu unterstellen. In einer Audiobotschaft vom 10. April 2013 erneuerte
er daher im Namen der Al Nusra ausschliesslich dem Führer der Kern-Al Qaida,
az-Zawahiri, die Treue, die Anerkennung dessen Oberhauptstellung und den Ge-
horsam. Az-Zawahiri hiess die durch al-Baghdadi ausgerufene Vereinigung der
Al Nusra und des IS in die Gruppierung ISIS (oder ISIL) nicht gut, er löste sie auf
und wies das irakische Gebiet (wieder) dem IS im Irak (ISI) und das syrische
Gebiet (wieder) der Al Nusra zu. In der Folge spitzte sich der Streit der Al Qaida
Gruppierungen zu. Im Februar 2014 schloss az-Zawahiri al-Baghdadi aus dem
Al Qaida-Verbund aus. Im Juni 2014 rief al-Baghdadi in Mossul eigenmächtig ein
sogenanntes Kalifat namens „Islamischer Staat“ (nachfolgend IS) aus, wobei er
sich selbst als Kalifen bezeichnete. Das Kalifat sollte landesübergreifend gelten,
weshalb sein Name keine Staatsangaben (z.B. Irak, Syrien) aufführte (Quellen
siehe oben E. 2.1.3, zweiter Abschnitt am Ende).
2.1.5 Kurz darauf, mit Botschaft vom 12. November 2014 zum AQ/IS-Gesetz (BBl 2014
8925 ff.), unterbreitete der Bundesrat dem Parlament den Antrag auf Zustimmung
zum Entwurf des dringlichen Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierun-
gen «Al-Qaida» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen.
Die bundesrätliche Botschaft hielt u.a. fest, dass der IS als massive Bedrohung
internationaler Sicherheitsinteressen in Konkurrenz zur Al Qaida stehe. Somit
bestehe ein bedeutendes Risiko, dass die beiden Gruppierungen im Kampf um
die Vorherrschaft in der internationalen, terroristischen Bewegung weltweit terro-
ristische Anschläge verüben würden, um ihre Stärke und Handlungsfähigkeit zu
demonstrieren. Die Aktivitäten beider Gruppierungen würden damit weiterhin
eine Bedrohung für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz und der Staa-
tengemeinschaft darstellen. Es sei deshalb wichtig, sämtliche Aktivitäten dieser
Gruppierungen in der Schweiz und im Ausland weiterhin unter Strafe zu stellen,
ebenso wie alle Handlungen, die darauf abzielen, diese (Gruppierungen) materi-
ell oder personell zu unterstützen, z. B. durch Propagandaaktionen, Geldsamm-
lungen oder das Rekrutieren neuer Mitglieder (BBl 2014 8931). Ferner würde
- 13 -
sich die Bedrohung durch den IS in einer aggressiven Propaganda manifestieren,
die Einzelpersonen zu Anschlägen, wie jenem im jüdischen Museum von Brüssel
am 24. Mai 2014, motivieren könne aber auch zum Anschluss an andere terro-
ristische Organisationen (BBl 2014 8928).
Der Bundesrat sah die grösste Bedrohung von kampferprobten Rückkehrern so-
wie von radikalisierten, in der Schweiz gebliebenen, Einzeltätern (BBl 2014 8928
und 8931). In Bezug auf den sogenannten Islamischen Staat führte die bundes-
rätliche Botschaft aus, die Gruppierung veröffentliche medienwirksam und unter
gezielter Verwendung der modernen Kommunikationsmittel weltweit Bildmaterial
über während der Kampfhandlungen im Irak und in Syrien begangenen Gräuel-
taten gegen die Zivilbevölkerung sowie massive Gewaltanwendung gegen staat-
liche Institutionen. Zum damaligen Zeitpunkt hätte sich ihre Aggression insbe-
sondere gegen gegnerische Sunniten, Schiiten, Kurden und Mitglieder nicht mus-
limischer Minderheiten im Irak gerichtet, wobei sie auch gedroht habe, gegen
Staatsangehörige und Interessen aller Staaten der Anti-IS-Koalition Anschläge
zu verüben (BBl 2014 8930).
National- und Ständerat stimmten dem Antrag des Bundesrates zu. Das AQ/IS-
Gesetz trat am 1. Januar 2015 trat in Kraft. Seither sind die vormals durch die
Verordnungen (AQ-Vo; IS-Vo) verbotenen Handlungen durch dieses Gesetz er-
fasst.
2.1.6 Die Beurteilung der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit im Jahre 2015 wurde
auch in der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung, welche der Bun-
desrat am 18. September 2015 guthiess (BBl 2015 7487), im Bericht des Bun-
desrates vom 26. August 2016 zur Sicherheitspolitik in der Schweiz (SR 16.061;
BBl 2016 7763 ff.) festgehalten. Letzterer stellte eine Verschärfung der Bedro-
hung fest und zwar auch durch den jihadistisch motivierten Terrorismus und Ge-
waltextremismus. Es bestehe eine direkte Verbindung zwischen der Unsicherheit
im Ausland (Maghreb Nahen und Mittleren Osten) und der Sicherheit in der
Schweiz: Die Konflikte in diesen Regionen, die Feindseligkeit der Terrororgani-
sationen Al Qaida und «Islamischer Staat» gegen den Westen und die Attraktivi-
tät des Jihadismus, auch für Menschen in der Schweiz, seien für die terroristische
Bedrohung in Form von Anschlägen in der Schweiz oder gegen schweizerische
Personen und Einrichtungen im Ausland ausschlaggebend. Dabei seien nicht nur
die Pläne der Terrororganisationen von Belang; Personen in der Schweiz würden
sich radikalisieren und auch ohne direkte Verbindung zu Terrororganisationen
aktiv werden können. Wie schon in der Botschaft zum AQ/IS-Gesetz (BBl 2014
8925 ff., näheres oben), erkannte der Bundesrat insbesondere im Einsatz mo-
derner Kommunikationsmittel eine Gefahr und in den jihadistischen Rückkehrern
- 14 -
eine Bedrohung. Das Internet biete allen gewalttätigen und terroristischen Grup-
pierungen neue Möglichkeiten, sowohl zur Propaganda, wie zur heimlichen Ver-
netzung. Es vereinfache und unterstütze die Selbstradikalisierung künftiger Ein-
zeltäter wie auch die Beteiligung an der Planung von Terroranschlägen über die
Landesgrenzen hinweg.
Zudem verursache oder begünstigte die regionale Instabilität Flüchtlings- und
Migrationsströme, welche auch von Terroristen genutzt werden können, um un-
erkannt in die Schweiz zu gelangen. Weltweit seien so viele Menschen auf der
Flucht wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Schweizer Staatsangehörige und Interessen könnten auch im Ausland bedroht
werden. Schweizerinnen und Schweizer würden im internationalen Vergleich
überdurchschnittlich oft verreisen oder im Ausland arbeiten. Ihr Aufenthaltsort
könne auch in Krisengebieten liegen. Die Betroffenheit von Schweizer Interessen
durch Konflikte oder terroristische Aktionen könne eher zufällig sein; als westli-
che Nation werde die Schweiz aber in jihadistischen Kreisen als Teil des gene-
rellen Feindbildes wahrgenommen. Namentlich in Konfliktzonen im islamischen
Raum seien auch Schweizerinnen und Schweizer potentielle Opfer von Entfüh-
rungen oder Terrorakten. Entführungen zur Erpressung von Lösegeld seien zu
einer essenziellen Finanzierungsquelle für den Terrorismus geworden und hätten
Schweizer Bürgerinnen und Bürger bereits betroffen. Mit einer zunehmend
schwierigen Sicherheitslage seien auch immer mehr diplomatische Vertretungen
der Schweiz konfrontiert, sodass in den letzten Jahren an mehreren Botschaften
die Sicherheitsmassnahmen hätten verstärkt werden müssen.
In der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung vom 18. September
2015 wurden auch verschiedene Ziele festgehalten. Darunter auch das Ziel, Aus-
übung, Export und Unterstützung von Terrorismus in oder von schweizerischem
Gebiet aus zu verhindern, namentlich auch durch Verhinderung des Missbrauchs
des Schweizer Territoriums für Propaganda, Rekrutierung und Ausbildung für ter-
roristische Zwecke oder zur Unterstützung oder Beteiligung an einer kriminellen
(terroristischen) Organisation; oder durch Verhinderung, dass Schweizer,
Schweizerinnen oder in der Schweiz lebende ausländische Personen die
Schweiz verlassen, um sich im Ausland terroristisch zu betätigen. Eine aufge-
führte strategische Entwicklungslinie bestand in der Verhinderung der Radikali-
sierung.
Art. 2 Abs. 1 AQ/IS-Gesetz /
„Förderung auf andere Weise“ und „Propagandaaktionen“
2.2.1 Die Anklageschrift vom 21. September 2017 (nachfolgend auch AS) wirft den
Beschuldigten einleitend vor, für die Gruppierung Al Qaida, oder für eine mit die-
- 15 -
ser verwandter Organisation, Propagandaaktionen organisiert resp. deren Akti-
vitäten in anderer Weise gefördert zu haben (A., AS Ziffer 1.1.1; B., AS Ziffer
1.2.1; C., AS Ziffer 1.3.1). Die vorgeworfenen Handlungen sollen im Jahre 2015
und somit nach Inkrafttreten des AQ/IS-Gesetz erfolgt sein.
2.2.2 Die „Förderung auf andere Weise":
Die Generalklausel der „Förderung auf andere Weise" gemäss Art. 2
Abs. 1 AQ/IS-Gesetz steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Be-
stimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa) von Art. 1 StGB. Die nötige Ein-
schränkung kann sich indessen auf eine Tatnähe des Handelns zu den verbre-
cherischen Aktivitäten der verbotenen Gruppierung gemäss Art. 1 AQ/IS-Gesetz
beziehen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_948/2016 vom 22.02.2017).
Die Anklageschrift wirft den Beschuldigten A., B., und C. diese Tatbestandsvari-
ante parallel zu jener der Propagandaaktion vor. Indessen hat die Vertreterin der
Anklagebehörde anlässlich des Parteivortrages im Rahmen der Hauptverhand-
lung explizit gänzlich auf Ausführungen zu deren Subsumtion verzichtet (TPF
pag. 6.920.10). Die Anklage ist somit primär in Bezug auf die angeklagte Propa-
gandaaktion zu prüfen.
2.2.3 Die „Propagandaaktionen“:
2.2.3.1 Propaganda im allgemeinen Sinne äussert sich – genau wie Werbung – in
Massnahmen, die darauf abzielen, den Adressaten zu einem bestimmten Den-
ken, Verhalten oder Handeln zu veranlassen. Mit Propaganda und Werbung ist
also beabsichtigt, auf die Einstellung des Adressaten einzuwirken.
Die Erscheinungsformen von Propaganda und Werbung sind vielfältig. Sie kön-
nen beispielsweise in Schrift, Ton, Bild, Farbe, Form aber auch in weiteren Hand-
lungen bestehen.
Der Unterschied der Begriffe Werbung und Propaganda liegt grundsätzlich nicht
in deren Ziel oder Art; Werbung und Propaganda unterscheiden sich vielmehr im
Anwendungsbereich. Als Propaganda wird im Allgemeinen jene Werbung be-
zeichnet, die sich nicht auf kommerzielle, sondern auf ideologische Bereiche be-
zieht. Das sind z.B. kulturelle, soziale, politische oder religiöse Bereiche (vgl.
DAVID/REUTTER, Schweizerisches Werberecht, 3. Auflage, 2015, Rz 10 f.
und 15).
2.2.3.2 Nach gängiger Rechtsprechung und Lehre zum strafrechtlichen Propagandabe-
griff (s. BGE 68 IV 145 E. 2, BGE 140 IV 102 E. 2.2.2.; BGE 143 IV 308 E. 5.2;
NIGGLI, Rassendiskriminierung, 2. Aufl. 2007, Rz 1222-1223; VEST, in: Martin
- 16 -
Schubarth (Hrsg.), Delikte gegen den öffentlichen Frieden, zu Art. 261bis Rz 62)
besteht Propaganda im allgemeinen Sinne objektiv in irgendwelchen von den
Mitmenschen wahrnehmbaren Handlungen, inkl. blossen Gebärden, und subjek-
tiv sowohl im Bewusstsein, dass eine bestimmte Handlung von Mitmenschen
wahrgenommen wird als auch in der Absicht, damit zu werben, d.h. so auf die
Mitmenschen einzuwirken, dass sie für die geäusserten Gedanken gewonnen
oder, falls sie ihnen bereits zugetan sind, in ihrer Überzeugung gefestigt werden.
2.2.3.3 Selbstverständlich ist nicht jede Propaganda verboten (s. auch BGE 68 IV 145
E. 2). Politische, ideologische, kulturelle und weitere propagandistische Äusse-
rungen sind alltäglich und von den verfassungsmässigen Grundrechten, wie bei-
spielsweise durch die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV), geschützt.
Indessen gelten auch Grundrechte nicht schrankenlos. So können Grundrechts-
konflikte (Grundrechtskonkurrenzen oder Grundrechtskollisionen) eine Be-
schränkung der Grundrechte eines Betroffenen nach sich ziehen. Des Weiteren
können staatliche Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit die Einschränkung
von Grundrechten eines Einzelnen erfordern. Aufgrund seiner Bedeutung für die
Gesamtheit kann das öffentliche Interesse das Grundrechtsinteresse eines Ein-
zelnen zurückdrängen. Die Voraussetzungen für die Einschränkung der Grund-
rechte sind in Art. 36 BV geregelt. Demnach bedürfen die Einschränkungen von
Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen
müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster,
unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr (Art. 36 Abs. 1 BV). Ferner
müssen die Einschränkungen durch ein öffentliches Interesse oder durch den
Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt (Art. 36 Abs. 2 BV) sowie verhält-
nismässig sein (Abs. 3), wobei der Kerngehalt der Grundrechte gewahrt werden
muss (Abs. 4) (zum Ganzen vgl. KIENER/KÄLIN; Grundrechte, 2. Auflage, 2013,
§ 7; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionel suisse, Volume II, 3. éd.,
2013, n. 276 ff.; BINDER, Expertenwissen und Verfahrensgarantien, in: ZStr 2016,
Band 244, S. 36-37 mit weiteren Hinweisen; THÜRER/AUBERT/MÜLLER, Verfas-
sungsrecht der Schweiz, 2001, § 39, Rz 25 und 41).
In diesem Sinne sind z.B. die rassendiskriminierende Propaganda (Art. 261bis
Abs. 3 StGB) oder die staatsgefährliche Propaganda (Art. 275bis StGB) gesetzlich
verboten.
Wie oben aufgeführt (E. 2.1) ist sodann gemäss Art. 2 Abs. 1 AQ/IS-Gesetz auch
jene Propaganda verboten, die für sämtliche in Art. 1 AQ/IS-Gesetz genannten
Gruppierungen oder Organisationen oder für deren Ziele getätigt wird, inkl. der
Anwerbung. Das Gesetz wurde zum Schutz und zur Wahrung des öffentlichen
Interesses und der inneren Sicherheit eingeführt und ist angesichts der durch
den gewalttätigen Extremismus für die Allgemeinheit ausgehenden Gefahren
- 17 -
(wie z.B. Anschläge, Verleitung [auch und insb. von Jugendlichen und jungen
Erwachsenen] sich als Jihadisten in Todesgefahr zu begeben, Gefahr der Allge-
meinheit durch radikalisierte Rückkehrer, Entführungen) verhältnismässig. Pro-
pagandaaktionen für die Al Qaida, den IS und deren verwandten Organisationen
sind somit nicht von der Meinungsäusserungs- oder Medienfreiheit (Art. 16 und
Art. 17 BV) geschützt, denn das Gesetz drängt in Bezug darauf allfällige Grund-
rechte Einzelner im Sinne von Art. 36 BV zum Schutz der Allgemeinheit zurück.
Zur Anklage gegen A. (AS Ziffer 1.1)
Zu AS Ziffer 1.1.1 und 1.1.1.1 / „Propaganda auf Facebook“
Zusammengefasst wird dem Beschuldigten A. in der Anklageziffer 1.1.1.1. vor-
geworfen, „Propaganda auf Facebook“ betrieben zu haben, gemäss Oberziffer
1.1.1 begangen für die Gruppierung Al Qaida oder einer mit dieser verwandten
Organisation, indem er am 8. Mai 2015 über sein Facebook-Profil „A.“ ein Video
mit dem Titel „Hilfe von Allah und ein naher Sieg - Abu Muhammed al Joulani“ im
öffentlich zugänglichen Bereich mit anderen Usern geteilt und dazu geschrieben
habe: „Sheikh Abu Muhammed al Joulani, Amir von Al Nusra, über den Sieg in
Idlib durch Einheiten in den Reihen“; wobei es sich bei Abu Muhammed al Joulani
um den Anführer des damals Jabhat Al Nusra genannten syrischen Ablegers der
Al Qaida handle und A. mit der Veröffentlichung vom 8. Mai 2015 die Al Qaida,
resp. deren syrischen Ableger Al Nusra, in der Präsenz im Internet gestärkt, eine
Botschaft deren Anführers verbreitet und gegenüber den Mitbenutzern von Fa-
cebook zum Ausdruck gebracht habe, dass er die genannte terroristische Orga-
nisation unterstützt, resp. diese für unterstützungswürdig hält.
Der Zusammenhang dieses Sachverhaltskomplexes mit dem Vorwurf in der
Hauptziffer 1 der Anklageschrift ist unlogisch. Offenbar bezieht sich Hauptziffer
1 auf die folgenden Unterziffern, jedoch mit Ausnahme von Anklageziffer 1.1.1.1.
Die Anklageziffer 1 ist somit hier nicht zu behandeln.
3.1.1 Im Zusammenhang mit dem fraglichen Sachverhalt erklärte der Beschuldigte im
Rahmen der ersten Einvernahme der Voruntersuchung, eine Facebook-Seite be-
trieben, jedoch zwischenzeitlich deaktiviert zu haben (pag. 13.01.10). Die in einer
späteren Einvernahme gestellten Fragen bezüglich Benennung dieser Face-
book-Seite, deren Deaktivierungsdatum und -grund, beantwortete A. nicht (pag.
13.1.40). Zum vorgehaltenen Screenshot der Facebook-Seite (pag. 10.01.4) äus-
serte sich A. nicht (pag. 13.1.41).
Anlässlich der Hauptverhandlung verwies A. auf einen durch die Verteidigung
eingereichten Bericht des Vereins D. vom 21. April 2018 (s. oben Bst. O und
- 18 -
TPF pag. 6.521.8 ff.) und äusserte sich im Übrigen nicht zur Sache (TPF pag.
6.931.3 f.).
3.1.2 Aktenkundig ist ein Screenshot (Bildschirmdruck) der fraglichen Facebook-Seite.
Darauf ist zu erkennen, dass die Seite den Namen „A.“ und das Bild von A. als
Profilbild aufweist, dass am 8. Mai 2015 ein aus dem Youtube-Portal stammen-
des Video mit der Vorschaubezeichnung „Hilfe von Allah und ein naher Sieg –
Abu Muhammad al Joulani (…)“ mit den Facebook-Freunden der fraglichen Seite
geteilt wurde, wobei der Text „Sheikh Abu Muhammed al Joulani, Amir der Jabhat
an-Nusra, über den Sieg in Idlib durch Einheit in den Reihen“ hinzugefügt wurde
(pag. 10.01.4).
3.1.3 Die Anklageschrift wirft A. vor, durch Verlinken des Youtube-Videos mit der Fa-
cebook-Teilfunktion, eine Botschaft von Al Jawlani verbreitet zu haben. Zum In-
halt und Ausdruck dieser Botschaft äussert sich die Anklage nicht. Das Objekt
der Propaganda ist somit unbekannt; die Anklageschrift gibt keine allfällig darin
enthaltenen propagandistischen Video- und Audioelemente wieder. Der Titel al-
lein reicht für die Annahme von Propaganda nicht aus. Bei Filmen, deren Titel
sich auf Al Jawlani beziehen oder die dessen Aussagen wiedergeben, kann es
sich auch um nicht propagandistische Dokumentationen handeln bzw. um sol-
che, die die Voraussetzungen der Propaganda gemäss AQ/IS-Gesetz nicht er-
füllen. Der Kommentar „Sheikh Abu Muhammed al Joulani, Amir der Jabhat an-
Nusra, über den Sieg in Idlib durch Einheit in den Reihen“ weist darauf hin, dass
das Video eine Aussage von Al Jawlani zu einer Kampfoperation in Idlib enthält.
Tatsächlich schloss sich die Al Nusra im Frühjahr 2015 der Dachorganisation
Jaysh al Fath (Eroberungsarmee, näheres dazu unten E. 3.2.11.3.e) an und er-
oberte im Frühjahr 2015 mit dieser Koalition die Stadt Idlib (anstelle Vieler s. z.B.
n-tv, 28.03.2015, https://www.n-tv.de/politik/Assad-verliert-zweite-Provinzhaupt-
stadt-article14799406.html; nt-v, 29.05.2015, https://www.n-tv.de/politik/Assad-
Truppen-verlieren-Provinz-Idlib-article15196201.htlm). Falls der Kommentar
„Sheikh Abu Muhammed al Joulani, Amir der Jabhat an-Nusra, über den Sieg in
Idlib durch Einheit in den Reihen“ tatsächlich den Inhalt des Youtube-Videos oder
eines Teils davon beschreiben sollte, begründet dies grundsätzlich genauso we-
nig Propaganda, wie z.B. die Beschreibungen im Titel und Untertitel des Artikels
des oben zitierten Onlinemediums n-tv vom 28. März 2015, welche lauteten: „Al-
Nusra-Front erobert Idlib - Assad verliert zweite Provinzhauptstadt - Der siegrei-
che Al-Kaida-Ableger «Al-Nusra-Front» spricht von «Befreiung»“. Die Angabe
des Titels allein genügt für die Beurteilung des Propagandacharakters des Inhalts
des schriftlichen, bildlichen oder akustischen Erzeugnisses nicht. Erkennbar ist
dies beispielsweise auch im Zusammenhang mit einem Videoerzeugnis, das in
einem späteren Anklagevorwurf gegen A. aufgeführt wird. Jenes Video bzw. fil-
mische Interview trägt den Beititel „Der Islamische Staat und ich“. Darin findet
- 19 -
sich jedoch keine Propaganda für den Islamischen Staat (zum Ganzen siehe un-
ten E. 3.2).
Der Inhalt der Mitteilung (in casu des fraglichen Youtube-Videos) ist Teil des
Sachverhaltes (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_267/2018 vom 17. Mai 2018).
In Beachtung des Anklageprinzips (dazu oben E. 1.2) ist dessen Umschreibung
wesentlich. Das Fehlen der erforderlichen Tatbestandsmerkmale, insbesondre
der Propagandaelemente, hat einen Freispruch von A. in Bezug auf den Ankla-
gepunkt 1.1.1.1. zur Folge.
Zu AS Ziffer 1.1.1 und 1.1.1.2-3 und 1.1.1.7
„Herstellung / Veröffentlichung des Videos «Exclusive Interview»“
3.2.1 Zusammengefasst wirft die Anklage dem Beschuldigten A. in Bezug auf den
Sachverhalt gemäss Anklageziffern 1.1.1.2 und 1.1.1.3 Folgendes vor:
Zwischen Mai und Dezember 2015 (AS Ziffer 1) habe A. durch Herstellung (AS
Ziffer 1.1.1.2) und Veröffentlichung (AS Ziffer 1.1.1.3) des Videos «AR/EN/FR/DE
– Exclusive Interview with E. – „The Islamic State and I“» (AS Ziffer 1.1.1.2; Titel
auf Deutsch «Exklusivinterview mit E. – „Der Islamische Staat und ich“»; nach-
folgend: Exklusivinterview) Propagandaaktionen für die Al Qaida oder einer mit
dieser verwandten Organisation organisiert oder deren Aktivitäten auf andere
Weise gefördert (AS Ziffer 1.1.1) und zwar habe er zwischen dem 26. September
und dem 9. Oktober 2015, in Idlib/Syrien oder im Umland, mit Hilfe von unbe-
kannten Drittpersonen, ein Gespräch mit E. geführt und zum Zwecke der Veröf-
fentlichung aufgenommen (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 4-5), wobei er diese Aufnahmen
nachträglich in der Schweiz oder anderswo bearbeitet und dabei das rund 38
Minuten dauernde Exklusivinterview produziert habe. Am 20. November 2015
soll er sodann, mit Zustimmung von B. und nach einer Werbekampagne auf den
Social-Media-Kanälen des Vereins D., das durch ihn produzierte Exklusivinter-
view via Youtube-Account des Vereins D. veröffentlicht haben (oder haben las-
sen), wobei dieses bis zum 20. Juli 2017 109‘243 Male angesehen worden sei.
Durch diese Handlungen habe A. (vorsätzlich, AS Ziffer 1.1.1.7) eine vorteilhafte
Darstellung propagiert bzw. Propaganda betrieben für E., die Ideologie der Al
Qaida, die Al Qaida und die Jaysh Al Fath, deren integraler und zentraler Be-
standteil die Al Nusra bilde (zum Ganzen AS Ziffer 1 und 1.1.1.3).
3.2.2 Zur Person des interviewten E. führt die Anklageschrift aus, bei E. handle es sich
um einen führenden Vertreter der Al Qaida in Syrien (AS Ziffer 1); einen führen-
den Angehörigen der Al Qaida in Syrien (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 4); einen führenden
Al Qaida Vertreter in Syrien (AS Ziffer 1 und AS Ziffer 1.1.1.2, S. 5); einen Al
- 20 -
Qaida-Vertreter (AS Ziffer 1 und AS Ziffer 1.1.1.2, S. 5); einen hochrangigen Füh-
rer und Exponenten der Dachorganisation Jaysh Al Fath (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 4);
eine der Al Qaida und deren Netzwerk zugehörigen Person (AS Ziffer 1.1.1.2,
S. 8); eine der Al Qaida zugehörigen Person (AS Ziffer 1.1.1.7, S. 22).
3.2.3 Zum Inhalt des veröffentlichten Videos hält die Anklageschrift zusammengefasst
fest:
a) Im Exklusivinterview ersuche E. Allah, sein Gegenüber, resp. die Muslime in
Europa, zu belohnen für ihr Interesse für die Nachrichten ihrer Brüder in Gross-
syrien und für ihr Bestreben diese zu unterstützen, womit sie können (AS Ziffer
1.1.1.2, S. 6); bei einer Gelegenheit spreche E. die Adressaten mit „Mudscha-
heddin“ an (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 6); er fordere bzw. motiviere die Adressaten
durch seine Äusserungen ab min 35:53 zu einem physisch-militärischen bzw. ge-
waltsamen Jihad auf (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 8 und 9).
b) E. erkläre im Exklusivinterview, er habe früher zu den Bewunderern des Isla-
mischen Staates im Irak gehört (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 7); er habe Saudi-Arabien
trotz einer Ausreisesperre verlassen, um in den gewaltsamen Jihad in Syrien zu
ziehen (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 7); er habe sich mit Abu Ali Al-Anbari, Stellvertreter
von al-Baghdadi, und mit Al Jawlani getroffen, wobei es um die Beilegung von
Konflikten zwischen der Al Nusra und dem IS gegangen sei (AS Ziffer 1.1.1.2,
S. 7); die Führung des IS habe ihn als einen der mashayikh al-jihad, d.h. als einen
der Scheichs/Oberhäupter des gewaltsamen Jihads gesehen und ihm den Pos-
ten eines islamischen Richters und des „Chefs des Reformkomitees“ angetragen
(AS Ziffer 1.1.1.2, S. 7); er würde den IS als Kooperationspartner akzeptieren,
sobald dieser einem Sharia-Schiedsgericht zur Beilegung des Konflikts zwischen
den jihadistischen Gruppierungen in Syrien zustimme (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 6); er
habe Abu ‘Ali Al-Anbari erfolgslos drei Organisationen und zwei Personen als
Mediatoren zwischen den verfeindeten jihadistischen Gruppen in Syrien vorge-
schlagen (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 8).
c) Das Exklusivinterview sei auf Deutsch, Französisch und Englisch untertitelt
und richte sich explizit an Muslime, namentlich in der Schweiz und Deutschland
sowie in Europa, bzw. an junge Muslime weltweit, insbesondere an jene, welche
des Arabischen nicht mächtig seien (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 5 f.); E. adressiere seine
Aufforderung zum gewaltsamen Jihad an die Muslime im Allgemeinen und ins-
besondere an muslimische Jugendliche, namentlich im Westen (AS Ziffer
1.1.1.2, S. 8).

- 21 -
Zudem bringt die Anklageschrift an:
d) A. sei nicht in der Lage, während des auf Hocharabisch geführten Interviews,
in eine journalistische Interaktion mit E. zu treten. Er müsse die Fragen auf Hoch-
arabisch teilweise ablesen. Die kumulative Redezeit von E. betrage 35:38 Minu-
ten, jene von A. 01:56 Minuten; E. dominiere das Gespräch und stelle selbst A.
Fragen. A. spreche E. mit ehrentitelnden Anreden an, womit er zu verstehen
gebe, dass er diesen als eine religiöse und ideologische Autorität anerkenne (AS
Ziffer 1.1.1.2, S. 5). A. und E. würden für das Assad-Regime nicht den neutralen
Begriff al-‘alawiyun verwenden sondern den abschätzenden al-nusayriya; E. und
dessen jihadistisches Lager würden nicht nur darauf abzielen, das alawitisch ge-
prägte Assad-Regime in Syrien zu stürzen, sondern letztlich die gesamte konfes-
sionelle Gemeinschaft der Schiiten in Grosssyrien zu vernichten, zu der auch die
Alawiten gezählt werden (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 8); für ein Oberhaupt des gewalt-
samen Jihads seien eine grosse jihadistische Autorität und ein beträchtliches
Ausmass an Gewaltextremismus nötig (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 7); die von E. Al-
Anbari vorgeschlagenen Mediatoren seien dem Al Qaida-Netzwerk zuzurechnen
(AS Ziffer 1.1.1.2, S. 7).
3.2.4 Die Position von A. ist seiner ersten Einvernahme in der Voruntersuchung (pag.
13.1.6 ff.) und der durch seinen Verteidiger eingereichten Stellungnahme des
Vereins D. vom 21. April 2018 (pag. TPF 6.521.6 f. und 6.521.8 ff.; nachfolgend:
Bericht), auf die er anlässlich der Hauptverhandlung grundsätzlich verwiesen hat
(TPF pag. 6.931.3 f.), zu entnehmen.
3.2.4.1 Zusammengefasst anerkennt A., das fragliche Videoerzeugnis hergestellt und
publiziert zu haben.
In der Voruntersuchung erklärte er, ab 2013 mehrmals nach Syrien gereist zu
sein (pag. 13.1.10). Die fragliche Reise im Jahre 2015 habe er vorgenommen,
um als Mitglied des Vereins D. eine Hilfsaktion durchzuführen und eine Repor-
tage über die islamische Perspektive auf den sogenannten Islamischen Staat zur
produzieren (pag.13.1.12; …14; …16), worauf das Exklusivinterview und das Vi-
deo „AR/EN/FR/DE al-Fajr as-Sâdiq - The True Dawn in Syria (12/2015)“ (Titel
auf Deutsch und nachfolgend: „Die wahrhaftige Morgendämmerung“, dazu näher
unten ab E. 3.3.1) entstanden seien (pag. 13.01.17-19). Das Projekt sei vom Ver-
ein D. finanziert worden (pag. 13.1.11). Der Verein D. habe auch das technische
Material zur Verfügung gestellt (pag. 13.1.19). Die Veröffentlichung der Videos
sei schliesslich durch die Pressestelle des Vereins D. bzw. B. genehmigt worden,
der Schnitt und die Untertitelung seien in der Schweiz vorgenommen worden und
er – A. – habe die Videos auf den Youtube-Account des Vereins D. hochgeladen
(pag. 13.1.19).
- 22 -
3.2.4.2 Zum Vorgang, Inhalt und Beweggrund führte A. weiter aus, es habe gegolten
aufzuzeigen, was aus islamischer Sicht am IS falsch sei. Das Ziel der Reportage
sei auch gewesen, jugendliche Muslime, die möglicherweise mit dem Gedanken-
gut des IS sympathisieren, davon abzubringen (pag. 13.1.16; …19). Die Intention
seiner Reportage sei klar gewesen. Sie habe sich gegen den IS gerichtet (pag.
13.1.17). Die Fragen habe er mit Hilfe seiner Kontakte vor Ort formuliert, um
diese auf Hocharabisch korrekt zu stellen (pag. 13.1.18). Mit ihm seien auch Kon-
taktpersonen aus der Türkei gereist und Begleitpersonen, die den sicheren
Durchgang am Checkpoint garantiert hätten (pag. 13.1.14). Die gesammelten
Spendengelder seien in bar mitgenommen worden (pag. 13.1.12). Damit hätten
sie in Saraqib Schafe gekauft und das Fleisch in der Umgebung von Idlib verteilt
(pag. 13.1.12). Sie seien mit lokalen Hilfsorganisationen in Kontakt getreten, die
F. und deren Suborganisation G. Logiert habe er bei Privatpersonen. Verschie-
dene Rebellengruppen hätten für die Sicherheit der Reise gesorgt, darunter auch
die Ahar Al Sham und die Jaysh Al Sunna, jedoch nicht die Al Nusra (pag.
13.1.13). In Idlib habe er zufälligerweise E. gesehen und sich spontan dazu ent-
schlossen, ihn zu interviewen (pag. 13.1.15-16). E. sei drei Jahre zuvor von Saudi
Arabien nach Syrien gereist, um die Revolution zu unterstützen (pag. 13.1.20).
E. gelte als unabhängig. Er spreche sich keiner spezifischen Rebellengruppe zu
(pag. 13.1.16; …20). Innerhalb der syrischen Revolution gelte er als Integrations-
figur und sei von einem breiten Spektrum als Autorität anerkannt (pag. 13.1.20).
E. fungiere als Vermittler zwischen den Gruppen. Er stehe für die Einheit der
Rebellengruppen, weshalb er sich innerhalb des losen Rebellenbündnisses
Jaysh Al Fath als eine Art geistlicher Führer engagiere (pag. 13.1.21). Er – A. –
würde nicht die Namen aller Gruppierungen kennen, die der Jaysh Al Fath ange-
hören, es würden sich aber Ahar al Sham, Jaysh al Sunna, Faylaq al Sham und
die Al Nusra darunter befinden. Letztere erfülle darin einen militärischen Zweck.
Die Rebellengruppen würden militärisch zusammenarbeiten mit dem primären
Ziel, den Massenmörder Assad loszuwerden. Strukturell seien die Gruppen je-
doch voneinander getrennt (pag. 13.1.21). Im syrischen Kontext richte sich die Al
Nusra gegen das Assad Regime und nicht gegen andere Rebellengruppen wie
den IS. Der IS exkommuniziere sämtliche anderen Rebellengruppen und be-
kämpfe sie. Dies stelle ein massives Problem innerhalb der syrischen Revolution
dar (pag. 13.1.20). E. sehe sich nicht als Führer der Al Nusra und sei auch nicht
mit dieser verbunden (pag. 13.1.22). Wäre E. der Al Nusra zuzuschreiben, hätte
er ihn nicht interviewt (13.1.20). Er – A. – habe sich öffentlich mehrmals von ext-
remistischen Ideologien und Gewalt distanziert, explizit auch von Al Qaida
(13.1.23). Gegenwärtig sei der IS und nicht die Al Qaida das grösste Problem der
islamischen Gemeinschaft. Trotzdem habe er in Syrien erfolgreich versucht, der
Al Nusra aus dem Weg zu gehen (pag. 13.1.20).
- 23 -
In einer folgenden Einvernahmen der Voruntersuchung bestätigte A. seine frühe-
ren Aussagen und äusserte sich nicht mehr weiter zur Sache (pag. 13.1.37 ff.).
3.2.4.3 Wie oben (E. 3.2.4) ausgeführt, bezog sich A. im Übrigen auf den durch die Ver-
teidigung eingereichten Bericht. Zum Inhalt dieses Berichts s. unten E. 3.2.8 ff.
Zusammengefasst wird an dieser Stelle bereits vorweggenommen, dass auch
darin die Herstellung und Publikation des fraglichen Videos anerkannt sind, nicht
aber die Propaganda für Al Qaida oder einer damit verwandten Organisation.
Insofern bestätigte A. auch anlässlich der Hauptverhandlung, die Produktion und
Veröffentlichung der Videos. Hingegen bestritt er, wie in seiner Einvernahme im
Vorverfahren, verbotene Propaganda betrieben oder dies beabsichtigt zu haben.
3.2.5 Der Beschuldigte B. machte im Vorverfahren grundsätzlich keine Aussagen zur
Sache (pag. 12.1.18 ff.; 13.2.14 ff.). Eine Konfrontationseinvernahme mit A. er-
folgte nicht. Eine Schlusseinvernahme fand nicht statt.
Anlässlich der Hauptverhandlung verwies B. auf den durch die Verteidigung ein-
gereichten Bericht (TPF pag. 6.932.3 und TPF pag. 6.522.80 ff.).
3.2.6 Der Beschuldigte C. wurde in der Voruntersuchung zunächst als Auskunftsper-
son und schliesslich als beschuldigte Person befragt (pag. 12.02.37 ff.;
13.03.5 ff.). Als beschuldigte Person machte er keine Aussagen zur Sache (pag.
13.03.5 ff.). Als Auskunftsperson erklärte er am 19. April 2016, der Verein D.
habe nie Propaganda für eine der beiden Gruppierungen (IS / Al Qaida) gemacht
und sich stets von Gewalt und Gewaltideologien distanziert (pag. 12.02.38). Zum
damals gegen Unbekannt und A. eröffneten Verfahren erklärte er – mit Verweis
auf einen Artikel des Tages-Anzeigers vom 23. März 2016 mit dem Titel: „Ich
entschied: Jetzt verhaften wir“ bzw. eines Interviews des Bundesanwaltes (pag.
12.02.47) – er empfinde das Strafverfahren als politisches Verfahren (pag.
12.2.37). Das Video sei als Entkräftung der IS-Argumente, der IS-Ideologien und
Gewaltideologien, welche sich unter Jugendlichen verbreiten, gemacht worden
(pag. 12.02.38 f.). Sie (Anm. vermutlich gemeint: der Verein D.) würden keine
gesetzlich verbotene Propaganda betreiben (pag. 12.02.39). Im Übrigen machte
C. keine Aussagen zur Sache.
Anlässlich der Hauptverhandlung verwies C. auf den durch die Verteidigung ein-
gereichten Bericht (TPF pag. 6.933.2 f. und TPF pag. 6.523.9 ff.).
3.2.7 Vor der Erstellung des Berichts vom 21. April 2018 äusserten sich A., B. und C.
ausserhalb des Strafverfahrens und teilweise auch vor Eröffnung der Vorunter-
suchung, als Vorstandsmitglieder des Vereins D., zu den Videos Exklusivinter-
view und „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ (zu letzterem Video näher unten
E. 3.3.1 ff.) oder auch zu den Vorwürfen der Strafuntersuchungsbehörde.
- 24 -
Zunächst äusserte sich C. in einem am 13. November 2015 auf der Internetseite
des Vereins D. veröffentlichten Interview. Im Rahmen eines vom Verein D. orga-
nisierten Anlasses vom 5. Dezember 2015 in Z., an welchem das Video „Die
wahrhaftige Morgendämmerung“ vorgeführt wurde, unterhielt sich A. mittels
Skype-Übertragung aus dem Ausland mit B. u.a. auch zum Vorwurf der Al Qaida-
Propaganda. C. hielt dort sodann eine Ansprache. Am 21. Dezember 2015 lud
der Verein D. zu einer Pressekonferenz, an welcher auch A. und C. teilnahmen,
wogegen B. gleichentags einen Tweet veröffentlichte. Zum Inhalt dieser Aussa-
gen wird in den nachfolgenden Erwägungen näher eingegangen.
3.2.7.1 Zum Interview von C.: Am 13. November 2015 veröffentlichte der Verein D. auf
seiner Internetseite ein schriftlich wiedergegebenes Interview mit C. über das Ex-
klusivinterview (pag. 10.02.10).
Der Aufmacher-Satz des Interviews enthält die Mitteilung, dass der Verein D. am
Folgetag „das knapp vierzig minütige Exklusiv-Interview «Der Islamische Staat
und ich»“ mit E., „dem geistigen Führer des islamischen Rebellenbündnisses
Jaysh Al Fath in Nord-Westsyrien“ publizieren werde. Im Vorfeld dieser Veröf-
fentlichung würde C. über die aktuelle Situation in Syrien, das Engagement des
Vereins D. und die Überlegungen, die zum Interview von E. geführt hätten, spre-
chen. Zunächst führt C. die unterschiedlichen Akteure des Syrien-Konflikts im
damaligen Zeitpunkt auf: Auf der einen Seite befände sich das Assad-Regime,
dieses im ideologischen, logistischen und militärischen Bündnis mit der Hizb Al-
lah, Iran und Russland. Auf der anderen Seite stehe das syrische Volk bzw. di-
verse Gruppen und Bündnisse. Zum einen die FSA, welche zahlreiche kleinere
lokale Kampfgruppen vereine. Daneben die Jabha Islâmiyya unter der Schirm-
herrschaft der Ahrâr ash-Shâm. Davon abgespalten, unter der Schirmherrschaft
der Liwâ‘ at-Tawhîd, die im Norden erstarkte Jabha Shâmiyya. Etwas abgeson-
dert stehe die Jaysh al-Islâm. Neu, jedoch seit diesem Jahr sehr einflussreich,
sei der lose Rebellenverband Jaysh Al Fath, welcher als militärisch derzeit er-
folgreichstes Bündnis gelte. Im Osten Syriens habe sich seit Anfang 2014 der IS
eingenistet. Sein exklusives Verhalten habe ihn unter allen anderen Rebellen-
gruppen mittlerweile zum entscheidenden Feind gemacht. Im Norden befänden
sich sodann die sozialistischen Kurden der YPG, welche von den USA unterstützt
würden.
Zum Dreh des Exklusivinterviews erklärte C., dieses sei nach einer Delegations-
reise von Oktober 2015, anlässlich welcher Schafsfleisch an Bedürftige verteilt
worden sei, erfolgt. Nach Abschluss dieser Mission hätten A. und seine Begleiter
die verbleibenden Tage genutzt, um sich in den befreiten Gebieten Westsyriens
ein Bild der aktuellen Lage zu machen. Das Interview von E. sei nicht geplant
gewesen. Als sich die Delegation des Vereins D. vor Ort befunden und sich über
- 25 -
die Lage an der Front zum IS informiert habe, habe E. wohl davon Wind bekom-
men und ausrichten lassen, dass er sich bei Interesse gerne höchstpersönlich
zum Thema äussern würde. Die Delegation habe gleich ein Treffen vereinbaren
wollen, doch sei dies aus Sicherheitsgründen nicht möglich gewesen. Daher
habe die Delegation einige Tage warten müssen.
Bei E. handle es sich um einen saudischen Gelehrten. Er sei die zentrale Brü-
ckenbauerfigur unter den Rebellen und die Autorität im Kampf gegen die IS Ide-
ologie. E. sei stets bemüht, mit allen Parteien den Kontakt zu pflegen mit dem
Ziel, den Kampf in Syrien gegen das Assad-Regime und gegen den IS entschie-
den zu führen und sich nicht im Detail zu verlieren. Der IS würde E. beseitigen
wollen, weil es diesem gelungen sei, ein fragiles aber dennoch funktionsfähiges
Mantra der Einheit zu erzeugen. Er sei eine wichtige Stimme der innerislami-
schen Mässigung und habe sich schon sehr früh stark gegen den theologischen
Extremismus des IS aufgelehnt.
3.2.7.2 Zum Skype-Gespräch zwischen B. und A: Anlässlich der Aufführung des Videos
„Die wahrhaftige Morgendämmerung“ vom 5. Dezember 2015 in Z. (dazu näher
unten E. 3.3) antwortete A., mittels Video-Übertragung, auf Fragen des vor Ort
anwesenden B. Dieses Gespräch wurde filmisch aufgezeichnet und mit Eingabe
der Verteidigung vom 3. bzw. 5. Mai 2018 als MP4-Datei (Videos/15.12.05) zu
den Akten gegeben (TPF pag. 6.521.54). Daraus ist u.a. folgendes zu entneh-
men: Auf Hinweis von B., IS-Anhänger und IS-Sympathisanten würden bemän-
geln, dass A. bloss in Westsyrien gewesen sei und ein einseitiges Bild zeige,
entgegnete A. Folgendes: Der IS verfüge über einen wahnsinnigen Medienappa-
rat und schalte laufend Videos in Top Qualität auf. Darin werde die Position des
IS klar. Es würden Leute auf bestialische Art ermordet und man habe auch Spass
daran. Er (A.) sei 2013, vor dem Ausruf des Kalifats, auch in Raqqa und anderen
Gebieten gewesen. Er habe damals H. kennengelernt, eine grosse islamische
Persönlichkeit. Dieser sei vom IS zu Tode gefoltert worden. Ferner seien Rebel-
len, über 100 Mudschaheddins, die einer Vereinbarung zufolge ihre Waffen ab-
gegeben hatten, getötet worden. Da die Verträge nicht eingehalten würden,
könne er (A.) sich nicht in die Gebiete des IS begeben, weil die Sicherheit nicht
gewährleistet sei. Auf Zwischenfrage beschrieb A. sodann die Stimmung bei den
Rebellen und seine Beobachtungen zu den Raketenangriffen in der Stadt Al-
eppo. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erklärte B., die Medien hätten das In-
terview von A. (Anm. gemeint – Exklusivinterview) vollkommen missverstanden,
sie hätten es zerrissen und die Zeitung 20-Minuten habe Stimmung gemacht. Auf
die darauffolgende Frage von B., wie A. auf den Vorwurf der Al Qaida-Propa-
ganda reagiere, erklärte A., ein solcher Vorwurf beruhe auf böser Absicht und
nicht bloss auf einem Missverständnis. Er beziehe sich auf die Pressefreiheit,
welche auch bedeute, dass man Interviews führe mit Menschen, deren Ansicht
- 26 -
man nicht vollkommen teile, oder solche Meinungen veröffentliche. Es handle
sich nicht um Propaganda. In diesem Interview gehe es um die Problematik mit
dem IS aus islamischer Sicht und es handle sich um einen wertvollen Beitrag
zum Kampf gegen die IS-Ideologie.
3.2.7.3 Zur Ansprache von C.: Am 5. Dezember 2015 hielt C. in Z. eine Ansprache, wel-
che filmisch aufgezeichnet und auf der Internetseite des Vereins D. publiziert
wurde (pag. 10.2.521). Mit Eingabe der Verteidigung vom 3. bzw. 5. Mai 2018
gaben A., B. und C. diese in schriftlicher Form zu den Akten (TPF pag 6.521.6,
…8 ff.; …54; TPF pag. 6.522.79, …80 ff., …78; TPF pag. 6.523.7, …9 ff., …55;
TPF pag. 6.522.128a ff.). In dieser Ansprache äussert sich C. anlässlich der Erst-
vorführung des Videos „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ zum Extremismus
und übt Kritik gegen den IS aus.
3.2.7.4 Zur Pressekonferenz: Anlässlich einer Pressekonferenz des Vereins D. vom 21.
Dezember 2015, welche dieser auf seiner Internetseite publiziert hat, erklärte die
Generalsekretärin des Vereins u.a., dass „das Interview“ im Auftrage des Vereins
D. geführt und von B. (Leiter Public Relations and Informations) abgesegnet wor-
den sei (pag. B10.2.314, Video5 ab min 02:30). Im Interview gehe es nicht um Al
Qaida, so die Generalsekretärin weiter (ca. ab min 8:40), E. gehöre nicht Al Qaida
an, A. und E. hätten nichts mit Al-Qaida am Hut. Gegen A. werde ermittelt, weil
er einen wichtigen Protagonisten der syrischen Revolution habe zu Wort kommen
lassen. A. habe nicht einmal selber gesprochen. Er habe das getan, was zig eu-
ropäische Medien auch tun: diese würden mit Bashar al-Assad sprechen und mit
Abdel Fattah el-Sissi. Andere würden an diese Massenmörder Waffen liefern.
Der ebenfalls an der Pressekonferenz teilnehmende A. erklärte, dass die Inten-
tion der Dokumentation und des Interviews wichtig sei, namentlich die innerisla-
mische Perspektive auf den IS. Weder bei der „Doku“, noch beim „Interview“ sei
es um Al Qaida gegangen. E. sei nicht Al Qaida. Wenn er (A.) ein Interview führe,
bedeute das nicht, dass er sämtliche Ansichten dieser Person teile (pag.
B10.02.314, Video5 ab min 04:20).
Ebenfalls an dieser Pressekonferenz (pag. B10.02.314, Video6 Teil 2) führte so-
dann C. u.a. aus, dass sich der Verein D. in all seinen Aktivitäten über die Jahre
hinweg immer klar und deutlich von gewaltextremistischem Gedankengut und
dessen Propagierung abgegrenzt habe. Es müsse festgehalten werden, in wel-
cher Absicht die beiden Filme entstanden seien und in welchem Rahmen diese
Filme wirken sollen. Der IS stelle nicht nur den Westen vor ein Problem, sondern
vor allem die Muslime. Innerislamisch seien sie darum bemüht, wirksame Heil-
mittel gegen die Radikalisierung und Ausbreitung von extremistischen Ideen zu
suchen. Der Islam lasse keinen Platz für theologischen Extremismus. Jugendli-
che, die sich von der Propagandamaschine des IS anziehen liessen, liessen sich
- 27 -
kaum durch die Rede eines hier ansässigen Imams umstimmen. Die beiden Film-
produktionen seien daher sehr wertvoll und gesund. Das Interview und auch der
Dokumentarfilm seien schmerzhafte Kampfansagen an das Gedankengut des IS.
Der Westen, die Schweiz, das Bundesbern, müssten sich fragen, gegen wen sie
kämpfen wollen und wie. Ein Kampf gegen jene, die in Paris Unschuldige um-
bringen, hinterfrage niemand, auch kein Moslem. Der Verein D. sei stets enga-
giert, die Sicherheit der Schweiz im Rahmen seiner Möglichkeiten aufrechtzuer-
halten.
3.2.7.5 Zu Twitter: Ebenfalls am 21. Dezember 2015 wurde auf dem Twitter-Konto „B.“
die Äusserung veröffentlicht: „Als Kommunikationschef übernehme ich die volle
Verantwortung für das E. Interview. Ich habe die Publikation abgesegnet.“
(pag. 10.02.293).
3.2.8 Wie der Bericht vom 21. April 2018 zustande gekommen ist und wer genau ihn
verfasst hat, ist nicht bekannt. A., B. und C. liessen ihn einreichen und verweisen
in ihren gerichtlichen Stellungnahmen darauf (s. auch oben E. 3.2.4; 3.2.5; 3.2.6).
Inhaltlich entspricht der Bericht somit den von A., B. und C. vertretenen Positio-
nen.
Der Bericht führt u.a. und zusammengefasst Folgendes aus (TPF
pag. 6.521.8 ff.):
3.2.8.1 A., Kulturproduzent des Vereins D., habe sich zwischen Ende September und
Anfang Oktober 2015 in Syrien aufgehalten um eine Spendenverteilung (200
Schafe) zu koordinieren und den Verlauf der syrischen Revolution filmisch zu
dokumentieren. Dabei habe es sich um die fünfte Reise von A. nach Syrien seit
2013 gehandelt. Es sei ihm darum gegangen, sich kritisch mit den Argumenten
auseinanderzusetzen, die der IS gegen die übrigen Rebellen aufführe. Der IS
behaupte mittels Propaganda, die übrigen Rebellen seien Säkularisten, die kein
Interesse auf eine Ordnung auf der Basis der Sharîa hätten. Der Dokumentarfilm
von A. „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ zeige hingegen auf, dass sich bei
der Opposition eine islam(ist)ische Rhetorik zunehmend durchsetze und dass
sich die Rebellengruppen einer schariatischen Gerichtsbarkeit unterordnen wür-
den. A. zeige die Allgegenwart islam(ist)ischer Ordnungsansprüche in Nordsy-
rien auf und greife damit das Kernargument des IS an, der in Anspruch nehme,
die einzige Alternative im Kampf um die Errichtung einer schariatischen Ordnung
zu sein (vgl. Bericht Ziffer I.1).
A. verfolge eine pro-revolutionäre, proislam(ist)ische Optik. Bei seinen Reisen
nach Syrien habe er verschiedene Gesichter und Gruppen dokumentiert, aber
- 28 -
die Al Qaida völlig aus dem Fokus ausgelassen. In keiner der beiden Produktio-
nen würden A. oder E. oder sonst ein Protagonist die Al Nusra erwähnen; diese
sei auch nicht Thema gewesen (vgl. Bericht Ziffer I.5).
3.2.8.2 A. und E. hätten sich vor dem Exklusiv-Interview nicht persönlich gekannt. A.
habe wohl seit der „Umma-Initiative“ von E. von diesem gehört und eine unge-
fähre Ahnung der von E. vertretenen Positionen gehabt. Die Kenntnisse von A.
über den Interviewpartner seien dennoch eher oberflächlich gewesen. Bei der
Begrüssung habe A. E. gar mit dem falschen Vornamen bzw. mit dem Namen
dessen Vaters „Muhammad“ angesprochen statt mit dem Namen „E.“ (vgl. Be-
richt Ziffer I.5).
Der Kontakt mit E. sei unerwartet zustande gekommen. A. habe in der Stadt Idlib
Interviewpartner für seinen IS-kritischen Dokumentarfilm gesucht und E. sei mög-
licherweise darüber informiert worden. Dass E. neben anderen Akteuren sowohl
im Dokumentarfilm („Die wahrhaftige Morgendämmerung“) als auch im Exklusiv-
interview prominent zu Wort komme, sei der ad hoc zustande gekommenen Si-
tuation in Idlib zu verdanken (vgl. Bericht Ziffer I.1).
Das Interesse von A. am saudischen Theologen E. habe deshalb bestanden, weil
dieser als Schlichter zwischen den verschiedenen Rebellengruppen bekannt ge-
wesen sei. Am 27. Januar 2014 habe der IS die „Umma-Initiative“ von E. abge-
lehnt. Daraufhin habe E. seine Kritik an den IS verschärft, zum Kampf gegen den
IS aufgerufen und schliesslich das islam(ist)ische Rebellenbündnis Jaysh Al Fath
mitgegründet, dessen territorialen Eroberungen E. zu einem der bekanntesten
Gesichter der syrischen Revolution gemacht hätten (vgl. Bericht Ziffer 1 und IV).
E. habe sich selbst wiederholt als unabhängig definiert (vgl. Bericht Ziffer I.3 und
IV) und bei mehreren Gelegenheiten deutlich eine Zugehörigkeit zu Al Nusra o-
der einer anderen Gruppe verneint. Bis heute habe er sich als unabhängiger Ak-
teur positioniert, der sich taktisch geschickt zwischen den zum Teil verhärteten
bis verfeindeten Kampfgruppen bewege (vgl. Bericht Ziffer IV).
Weder E. noch die Jaysh Al Fath seien auf einer öffentlich zugänglichen nationa-
len oder internationalen Terrorliste verzeichnet (vgl. Bericht Ziffer I.3). Die Desig-
nation E.s als Unterstützer der Al Nusra durch das U.S. DEPARTMENT OF THE
TREASURY sei erst später, am 10. November 2016, erfolgt, wobei E. diesen
Vorwurf am Folgetag in einem Fernsehinterview dementiert und einmal mehr
seine Unabhängigkeit unterstrichen habe (vgl. Bericht Ziffer I.3 und Ziffer IV).
Auch aus der im Nachtragsbericht der BKP vom 29. September 2016 erwähnten,
nicht-öffentlichen Versammlung der Al Nusra, welche mutmasslich um den 9. Juli
2014 stattgefunden und bei welcher E. vermeintlich die „Löwen von Al-Qaida“
- 29 -
gepriesen habe, gehe eine Al Nusra/Al Qaida-Mitgliedschaft von E. nicht hervor.
E. dürfte wohl aufgrund seiner rhetorischen Fähigkeiten und allgemeinen Beliebt-
heit innerhalb der Opposition, als eigentliches Gütesiegel und zur Unterstützung
Al Jawlanis Projekt zu jener Versammlung eingeladen worden sein. In einer ara-
bisch verfassten Zeitung sei E. zwar als Nachredner von Al Jawlani genannt wor-
den; Informationen zum Inhalt seiner Rede habe die Zeitung indessen nicht ge-
geben. Es scheine, dass die BKP sich diesbezüglich darauf auf eine Tondatei
stütze, die erst am 1. Mai 2016 via Youtube publiziert worden sei. Dass A. oder
sonst ein Vorstandsmitglied des Vereins D. bereits 2014 von den Inhalten des
besagten Videos Kenntnis haben konnten, könne folglich nicht vorausgesetzt
werden (vgl. Bericht Ziffer XII).
Am 27. März 2018 sei E. im Umland von Aleppo interviewt worden. Die Aufnahme
dieses Interviews und deren Übersetzung seien dem Bericht beigelegt. Darauf
angesprochen, dass er beim Treffen der Al Nusra dabei gewesen sei und die
Führung der Al Qaida gelobt bzw. vor allem az-Zawahiri gerühmt und die Al
Qaida mit „Oh ihr Löwen“ angesprochen haben soll, habe E. entgegnet, er habe
die Jungen dort festigen wollen, damit sie nicht zu Daish herüberlaufen. Weniger
als 24 Stunden danach habe er indessen erklärt, sein Lob würde nicht bedeuten,
dass er der Gründung eines Emirats zustimme. Er würde auch nicht der Al Qaida
angehören. Die Belobigung „Oh ihr Löwen“ habe er auch schon gegenüber an-
deren Gruppen verwendet (vgl. Bericht Ziffer XIII).
Bei der Rede von E. „Ach habe ich nicht übermittelt“ habe es sich um einen letz-
ten warnenden Appell an den ISIS und seinen Führer al-Baghdadi gehandelt.
Durch die zunehmend extremen Positionen des ISIS in Syrien und die massiven
Übergriffe habe sich unter allen Kampfgruppen allmählich Konsens darüber ent-
wickelt, dass der ISIS nun doch auch mit systematischer Waffengewalt bekämpft
und vertrieben werden müsse. E. habe seinen letzten Appell an den ISIS abge-
setzt und darin klar gemacht, dass auch er sich bei einer erneuten Ablehnung
der Schlichtungsbemühungen der Meinung aller anderen Gruppen bezüglich
systematischer und militärischer Bekämpfung des ISIS anschliesse. E. habe dem
ISIS eine letzte Chance zur Schlichtung eingeräumt und an eine Bedingung ge-
knüpft. Erst wenn al-Baghdadi auch diesen letzten Appell ignorieren sollte, wäre
die Bedingung erfüllt und E. schlösse sich dem „Führer des Jihads und seiner
Gelehrten an und an ihrer Spitze der Shaykh der Mudschaheddin Ayman az-
Zawahiri – möge Allah ihn bewahren – und der Shaykh, der inhaftierte Grossge-
lehrte Muhaddith (Hadithgelehrte) Sulayman al-`Ulwan und der Shaykh Abu
Muhammad al-Maqdisi und Abu Qatada al-Filistini und weitere unserer geehrten
Gelehrten und Mashaikh (Mehrzahl von Shaykh)“. Ein Treueschwur habe jedoch
eine andere Form als jene in der Rede von E. und richte sich nicht gleichzeitig
an mehrere Führungspersonen. E. führe sodann aus: „Ich schliesse mich ihnen
- 30 -
allen an und appelliere und ersuche dringend nun an den Bruder den Scheich
Abu Bakr al-Baghdadi eine Position/Standpunkt einzunehmen, die die Menschen
des Landes begrüssen/loben werden, mit der das Blutvergiessen unter Muslimen
verhindert und Allahs Dîn unterstützt wird. Auf dass der Islamische Staat im Irak
ein Würgen im Halse/(der Kehle) der Rafida hervorruft und ein Dorn auf dem Weg
des Westens bleibt und dass die Jabhat Al-Nusra/Nusra Front in (Gross)Syrien
weiterhin das islamische Projekt zur Wiederherstellung des Kalifats im Land ver-
vollständigen wird. Lasst uns gemeinsam nach dem Gesetz Allahs in seinem
Land richten und das gestürzte Kalifat wiederherstellen.“ (vgl. Bericht Ziffer IV).
E. nenne dabei den damals ranghöchsten Al Qaida-Führer in Syrien, Al Jawlani,
nicht und nicht alle zuvor aufgeführten Personen würden der Al Qaida angehören
(vgl. Bericht Ziffer IV). Den Jihad-Sympathisanten erkläre E. weiter: „Bruder Mu-
jahid und unterstützender Bruder ausserhalb (Gross)Syriens, schliesse dich an
das Projekt der Umma in (Gross)Syrien an, das einst von Shaykh Usama begon-
nen wurde, dann von Shaykh Ayman az-Zawahiri weitergetragen wurde und
dann in (Gross)Syrien vom Shaykh dem Eroberer Al-Julani befolgt wurde und
schliesse dich einer klaren Methode für die Errichtung eines islamischen Staates
im Land an, wie (zum Beispiel) der Jabhat an-Nusra oder den Ahrar ash-Sham
oder anderen islamischen Bataillonen, die von den Leuten geliebt werden.“. Die
Nennung mehrerer Gruppen zeige, dass E. nicht seinen Anschluss an die Al
Qaida bzw. deren Filiale die Al Nusra verkündet habe, sondern vielmehr seinen
Anschluss ans Lager, welches sich dem ISIS entschieden entgegen stelle (vgl.
Bericht Ziffer IV.).
Am 27. März 2018 sei E., im – dem Bericht beigelegten – Interview auf die Aus-
sage von 2014 – er würde sich den Anführern des Jihads und az-Zawahiri an-
schliessen, falls die Schlichtung scheitere – angesprochen worden. Dazu habe
E. erklärt, dass derjenige, der sich für die Schlichtung bemühe, alle loben und
rühmen müsse, um die Akzeptanz aller zu gewinnen. Schlichten gehe nur über
den Weg der Akzeptanz. Er habe mit diesen Worten nicht gemeint, dass er sich
einer Gruppe oder der Al Qaida anschliesse und habe seither mehrfach gesagt,
dass er unabhängig sei (vgl. Bericht Ziffer XIII).
Der am 28. Januar 2017 gegründeten Gruppe Hay‘at Tahrîr ash-Shâm (nachfol-
gend: HTS) sei E. zwar beigetreten, indessen nach Konflikten zwischen der HTS
und der Ahrâr ash-Shâm am 11. September 2017 wieder ausgetreten (vgl. Be-
richt Ziffer IV).
Auf Twitter-Anfrage vom 27. März 2018 habe I., Direktor der Abteilung Media-
Relations der Al Nusra, mittels Video-Antwort vom 1. April 2018 kategorisch in
Abrede gestellt, dass E. Mitglied der Al Qaida oder der Al Nusra sei (vgl. Bericht
Ziffer IV).
- 31 -
3.2.8.3 Im Zusammenhang mit der Rolle der Al Nusra innerhalb der Jaysh Al Fath würde
auch der Bericht des NDB darauf hinweisen, dass es sich bei der aus acht Kampf-
gruppen zusammengesetzten Jaysh Al Fath nicht um ein völlig geeintes Bündnis
gehandelt habe, wobei etwa Konflikte zwischen Al Nusra und Ahrâr ash-Shâm
vorgelegen hätten. Die Ahrâr ash-Shâm habe sich an der Funktion der Al Nusra
als offizieller Ableger der Al Qaida gestört, da diese Nähe zu Al Qaida dem Ruf
der Jaysh Al Fath als Ganzes hätte schaden können (vgl. Bericht Ziffer IX). Für
Charles Lister (in: The Syrian Jihad) sei die Gründung der Jaysh Al Fath auch
ein Versuch seitens der übrigen Rebellengruppen, der Al Nusra ein neues Macht-
gefüge in den Weg zu stellen. Dass sich Nusra-Führer Al Jawlani gerne selbst
beweihräuchere und die Al Nusra als „Grundelement“ der Jaysh Al Fath bezeich-
net habe, erstaune nicht. Auch nicht, dass Al Jawlani sich bemühe, Vorstösse
der Jaysh Al Fath mittels Propaganda-Videos auf das Konto seiner Gruppe zu
verbuchen. Indessen habe Al Jawlani präzisieren müssen, dass seine Gruppe
keinen Exklusivanspruch auf Idlib erhebe, sondern die Stadt im Kollektiv zu ver-
walten sei (vgl. Bericht Ziffer IX).
3.2.8.4 Die Redezeit von A. im Interview und das Ablesen der Fragen seien in Verbin-
dung mit den Umständen des Interviews (Kriegsgebiet, kaum Vorbereitungszeit,
hektisches Arrangement) und der sprachlichen Überlegenheit des Interviewpart-
ners zu sehen. Das Unterbrechen und Widersprechen des Interviewten seien in
der arabischen medialen Kultur nicht üblich bzw. unhöflich, zumal es sich beim
Interviewten um eine Autoritätsperson handle (vgl. Bericht Ziffer I.5). Im Übrigen
habe A. E. nicht mit der Präsenz der Al Nusra in der Jaysh Al Fath konfrontiert,
da es weder im Exklusivinterview noch im Dok-Film um die Al Nusra oder die Al
Qaida gegangen sei. A. sei auf keine Kampfgruppe spezifisch eingegangen (vgl.
Bericht Ziffer I.5).
Bei der von A. verwendeten Ansprache als „yâ Shaykh“ (dt. Oh Scheich) und der
Phrase „jazâkum Allahu khayran“ (dt. Allah möge Ihnen Gutes vergelten) handle
es sich um typische Ehrbezeugungen in Interviews mit religiösen Würdenträgern
(vgl. Bericht Ziffer I.5). Dass sich der Interviewte als Würdenträger der Kamera
bzw. seinem Publikum zuwende, wenn er seine Botschaft unterstreichen möchte,
sei ebenfalls üblich (vgl. Bericht Ziffer I.5).
Bei der Aussage von E. sich nicht über den Sieg zu sorgen, da jener durch Allah
festgelegt werde, sondern vielmehr um die Frage, ob man selbst daran Anteil
genommen habe, sei nicht von Muslimen im Westen die Rede. Zudem sei es
nicht haltbar, E. zu unterstellen, sein Jihad-Verständnis beschränke sich exklusiv
auf den Kampf an der Waffe (vgl. Bericht Ziffer II).
- 32 -
3.2.8.5 A., B. und C. hätten in guter Absicht und im Rahmen der Präventionsarbeit des
Vereins D. gegen den IS-Extremismus gehandelt (vgl. Bericht Ziffer I.1).
Wie vor jeder Publikation habe sich der Vorstand summarisch vergewissert, dass
keine geltenden Gesetze verletzt würden. Dass eine Propaganda für Al Qaida
vermutet werden könne, sei dem Vorstand gar nicht in den Sinn gekommen, zu-
mal diese Organisation bzw. ihre lokale Filiale Al Nusra in den Produktionen nicht
erwähnt würde und sich darüber hinaus die allgemeine Kritik des Vereins D. am
theologischen Extremismus über weite Teile auch auf die Ideologie der Al Qaida
anwenden liesse (vgl. Bericht Ziffer I.3).
Sie würden das Strafverfahren als politisch motiviert verstehen, mit dem Ziel, den
Verein D. zu stigmatisieren (vgl. Bericht Ziffer I.1).
A. verwehre sich gegen den Vorwurf, wonach es sich beim Dokumentarfilm und
dem Exklusivinterview um verbotene Propaganda im Sinne des Bundesgesetzes
über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaida» und «Islamischer Staat» sowie
verwandter Organisationen handle. Dies zumal beide Erzeugnisse vor und wäh-
rend ihrer Veröffentlichung kontextualisiert worden seien. Am Tag vor der Publi-
kation des Exklusivinterviews habe der Verein D. ein Interview mit C. veröffent-
licht, in welchem dieser sich unter anderem zu den Beweggründen für das Inter-
view geäussert habe. Das Exklusivinterview selbst sei auf der Plattform Youtube
publiziert worden. In der Video-Beschreibung sei die Intention des Produzenten
– einen authentisch wirkenden Akteur zu Wort kommen zu lassen, der sich selbst
vor Ort gegen den IS-Extremismus einsetzte – erneut unterstrichen worden (vgl.
Bericht Ziffer I.2).
Die Veröffentlichung des Dokumentarfilms „Die wahrhaftige Morgendämmerung“
sei zunächst im Rahmen einer Filmvorführung in Z. erfolgt. Unter dem Titel „For-
men des theologischen Extremismus“ habe C., Präsident des Vereins D., das
Phänomen analysiert und eindringlich vor jeder Form des theologischen Extre-
mismus gewarnt (vgl. Bericht Ziffer I.2). B. habe erklärt warum der Verein D. es
ablehne, sich bei jedem Anschlag einer extremistischen Organisation wie dem
„IS oder ähnlich verbrämten Zeitgenossen“ förmlich zu distanzieren (vgl. Bericht
Ziffer I.2).
3.2.9 Dem Bericht vom 21. April 2018 beigelegt sind die MP4-Datei „Stellungnahme“
mit der Video-Aufzeichnung eines Interviews von E. (pag. TPF 6.521.54, Stel-
lungnahme_Dritter) und die pdf-Datei „Übersetzung-Interview-mit_E.“ mit einer
schriftlichen Übersetzung des Interviews auf Deutsch (TPF pag. 6.522.128 und
…431 ff.). Der Bericht erklärt dazu, es habe sich aufgedrängt, E. mit dem Vorwurf
der Mitgliedschaft in der verbotenen Terrororganisation Al Qaida bzw. deren Ab-
leger Al Nusra zu konfrontieren. Die Kontaktnahme mit E. sei via „OGN-News“ –
- 33 -
mit dessen Mitarbeitern J. und K. A. bekannt sei – erfolgt. Das Interview habe am
27. März 2018 im Umland von Aleppo stattgefunden und sei durch K. geführt
worden. E. habe die gegen ihn gerichteten Vorhalte in Abrede gestellt (zum Gan-
zen: Bericht Ziffer XIII; s. auch Transkript/Übersetzung unten E. 3.2.9.1).
Dem Bericht vom 21. April 2018 beigelegt ist sodann die MP4-Datei „Stellung-
nahme_I.“, welche eine Video-Aufzeichnung der Antworten von I. auf schriftlich
gestellte Fragen beinhaltet (TPF pag. 6.521.54). Der Bericht erklärt dazu, I., ehe-
maliger Direktor der englischsprachigen „Media-Relations-Abteilung“ und ehe-
maliges führendes Kadermitglied im Shûra-Rat der Al Nusra, sei am 27. März
2018 via Twitter vom Verein D. kontaktiert worden (Bericht Ziffer XIII, s. auch
Transkript/Übersetzung unten E. 3.2.9.2).
3.2.9.1 Der obgenannten Beilage geht hervor, dass E. auf nachgenannte Fragen Fol-
gendes geäussert habe (TPF pag. 6.522.431 ff.; Übersetzung gemäss Beilage
Bericht vom 21. April 2014):
Frage (13:17 ff.): (…) Nach dem Scheitern der Umma-Initiative, beim
Versuch der Schlichtung zwischen Dâ`ish und allen anderen Kampf-
truppen, (sagtest du) «wenn dies nicht ist, so schliesse ich mich den
Anführern des Jihâd und Ayman Az-Zawâhirî an», was ist Ihre Ant-
wort dazu?
Antwort (13:34 ff.): Das ist wohl alt, du meinst, eine Zeit vor etwa vier
Jahren, ungefähr drei Jahren? Ja, ich habe vorhin schon, als ich mit
dir sprach zu Beginn des Interviews, erwähnt, dass derjenige, der
sich für die Schlichtung bemüht, dass er alle loben und rühmen muss.
Er muss diese Truppe rühmen und jene Truppe, damit er die Akzep-
tanz aller gewinnt (und Zugang hat). Denn das Schlichten geht nur
über den Weg der Akzeptanz. Doch ich meine mit diesen Worten
nicht, dass ich mich tatsächlich (einer Gruppe) anschliesse oder der
Organisation Al-Qaida angeschlossen habe. Darum habe ich auch
nach diesem Treffen…nach dieser Aussage vielleicht 20-30 Male er-
wähnt, dass ich unabhängig bin und keiner Organisation angehöre,
ich bin unabhängig und gehöre keiner Organisation an. Wir beabsich-
tigen damit, die Jungen zu festigen, damit sie nicht zu den Khawâridj,
zu Dâ`ish gehen. So habe ich alle gerühmt, gelobt, um deren Akzep-
tanz zu gewinnen und dann, wenn wir die Akzeptanz aller erreicht
haben, mit dem Schlichten beginnen zu können und ohne Zusam-
menstösse.
- 34 -
Frage (15.18 ff.): (…) es wurde bekannt, dass, als die Al Nusra (Jab-
hat An-Nusra) ein islamisches Emirat in den befreiten Regionen aus-
rufen wollte, nachdem Al-Baghdâdî in seinen Regionen seinen
selbsternannten, behaupteten Staat Dâ`ish ausrief, du bei diesem
Treffen dabei gewesen sein sollst und es wurden Aussagen von dir
geleakt, wonach du dieses Emirat befeuert haben sollst/gelobt und
beglückwünscht haben sollst, die Führung der AQ gelobt, vor allem
Az-Zawâhirî gerühmt hättest und gesagt haben sollst: «Oh ihr Löwen
des Tandhîms (AQ)». Wir wünschen von Ihnen eine Erklärung dazu.
Antwort (15:44 ff.) Die gleiche Erklärung wie ich zuvor erwähnt habe.
Es geht um die gleichen Worte. Du müsstest schon das Gesamtbild
aufzeigen, damit dein Interview auch gerecht ist/…nach diesem Tref-
fen- etwas weniger als 24 Stunden danach habe ich in einer vollstän-
digen Aussage erklärt und sagte, dass mein Lob nicht bedeutet hat,
dass ich der Bildung eines Emirats zustimme, denn dieses Emirat
würde zur Folge haben, dass Jabhat An-Nusra mit der Freien (Syri-
schen) Armee (Freien (Syrischen) Armee/ Jaysh Al-Hurr) und mit den
Ahrâr und den anderen Truppen in Konflikt treten würde. Ich wollte
diese Jungen dort festigen, damit sie nicht zu Dâ`ish oder Khawâridj
überlaufen. Möglicherweise habe ich hier gelobt, dafür habe ich –
siehe auf meinem Telegramm-Kanal nach – da wirst du vorfinden,
dass ich sagte «Oh ihr Löwen des Jaysh Al-’Izza» – warum hast du
das nicht erwähnt? Mach meinen Kanal auf «Oh ihr Löwen des Jaysh
Al-’Izza», Jaysh Al-’izza gehört zu der Freien (Syrischen) Armee/
Jaysh Hurr, «Oh ihr Löwen der Faylaq Ash-Shâm», «Oh ihr Löwen
von Ghûta`», das Wort, welches am meisten verwende, ist «Oh ihr
Löwen…», weil wir uns im Kampf befinden und ich die Moral bestär-
ken will/anheben will. Du findest vor, dass ich alle gerühmt habe.
Frage (16:42): Das heisst also nicht, dass du einer Organisation an-
gehörst, der Al-Qaida oder…?
Antwort (16:43 ff.): Nein. Ich habe von /Freien (Syrischen) Ar-
mee/Jaysh Al-Hurr bis hin zu allen Truppen, alle gelobt. Darum ak-
zeptiert mich selbst /Freien (Syrischen) Armee/Jaysh Al-Hurr bis
heute als Schlichter und ich richte zwischen ihnen in einem Konflikt.
So auch die anderen Truppen.
Frage (16:53): Das bedeutet also, dass keiner Organisation ange-
hörst und insbesondere Al-Qaida…
- 35 -
Antwort (16:54 ff.): Ja natürlich, diese Aussage (dass ich angehöre)
ist nicht richtig.
Frage (16:57 ff.): (…) wir haben gehört, dass in der Schweiz der Bru-
der, der Journalist A. sich vor Gericht verantworten muss, wegen ei-
nes Interviews mit Ihnen mit dem Titel «Der islamische Staat und
ich», dass er früher produziert hat. Und der Vorwurf ist, dass du der
AQ angehörst, ist das richtig?
Antwort (17:17 ff.): Ja, ich habe von dieser Angelegenheit gehört und
ehrlich gesagt, hat es in mir … (…) Verwunderung ausgelöst (…), es
hat in mir sehr grosse Verwunderung ausgelöst, vor allem weil A. in
der Schweiz lebt, soviel ich weiss, glaube (oder?), in einem Land, das
bei uns für sein Mass an integrer Gerechtigkeit bekannt ist, bes-
ser/mehr als andere. Obwohl ich A. nicht wirklich kenne, nicht zuvor
und nicht nach dieser Sache (Interview), als er kam, wie jeder Jour-
nalist, der ins befreite (Gebiet) kommt, so lehne eigentlich ein Treffen
mit keinem ab. Ich habe ausser A. viele andere Journalisten getrof-
fen. Libanesische Kanäle, sogar mit einem Korrespondenten der
amerikanischen Los Angeles (Times), die schrieben in der Schlag-
zeile: «E., der Star des syrischen Jihâds», was bedeutet das…das ist
ein grosses Lob (für mich), stimmt es oder nicht? Aber der Artikel/das
Interview ist immer noch da und der Korrespondent schreibt für sei-
nen Kanal und wurde nicht dafür belangt… in Amerika… er musste
sich nicht vor einem Gericht dafür verantworten. Darum bin ich sehr
verwundert. A. kam und ich nahm Kontakt zu ihm auf, bevor er mich
kontaktierte, aus Gründen der Vorsicht, denn ich hatte gehört, dass
die Ideen der Dâ`ish sich verbreiten und ich sagte (mir), ich als Zeuge
vom Terrain/auf dem Feld, der die Realität kennt, könnte aufklärend
wirken. Er hat dem Interview zugestimmt. Der Titel war «Der islami-
sche Staat und ich» und tatsächlich hatte dieses Interview eine Wir-
kung in der Entfernung/Abschreckung der Leute von was? Von der
Idee der Dâ`ish. Genau was er wollte. Dieses Interview hatte einen
positiven Impact für Eindämmung der Idee der Dâ`ish in der Schweiz
und anderen (Staaten), deren Sicherheit, also der Schweiz und der
anderen, selbst Amerika, dieser (IS) ja bedroht…darum bin ich sehr
über diese Angelegenheit (die Anklage) verwundert.
3.2.9.2 In der eingereichten MP4-Datei „Stellungnahme_I“ (s. oben E. 3.2.9) erklärt I.
einführend, bei der Al Nusra Mitglied des „General Islamic Council“ gewesen zu
sein und bei der (darauffolgenden) Jabhat Fath ash Sham die Position des „di-
rector of foreign media relations“ gehabt zu haben. Im September 2016 sei er
- 36 -
aus der Jabhat Fath ash Sham ausgetreten und keiner weiteren Organisation
beigetreten.
Die nachgenannten Fragen, welche im Videoerzeugnis in Schriftform eingeblen-
det werden, beantwortet er mündlich wie folgt:
Frage 1: What is your response to Atwan’s claim? Did you indeed
receive orders from Ayman az-Zawâhirî to get involved in any talks
between al-Nusra and ISIS for reconciliation-seeking purposes as he
states?

Antwort: Regarding the claim that I’ve received orders from Ayman
az-Zawâhirî to mediate between al-Nusra and ISIS, these claims are
false and baseless. There were numerous individual and coordinated
efforts to stop the infighting but all of them failed. My offer to mediate
was initially accepted by both parties but nothing went ahead after
that. Other similar efforts to mediate include those of E. The only rep-
resentative of Al-Qaida in these mediations was the late Abu Khaled
as-Suri.

Frage 2: The Swiss State prosecuter has indicated an A., a Swiss
filmmaker for producing an interview with E., which was intended to
deconstruct IS narratives. They claim that E. was a senior member
within Jabhat an-Nusra as well as Al-Qaida international. What is your
opinion regarding E.? Is their claim sound according to your best
knowledge?

Antwort: I can confidently say that E. is not and was never a member
of Jabhat al-Nusra or Al-Qaida. Since his coming to Syria, he has
tried to maintain very neutral stances towards all the different groups
on the ground. He briefly joined Hay’at Tahrir al-Sham (HTS), which
at the time was very diverse in its make-up. This information is not
only my point of view, rather it is widely known amongst the Syrian
general public.

Frage 3: You say this as a former al-Nusra member. What makes you
so certain about it?

Antwort: I was a member of Jabhat al-Nusra as well as a member of
Jabhat Fath ash-Sham, JFS. I held positions in both organizations. I
am certain that E. was never a member of either organization.
- 37 -
There is even available evidence that proves strong discord between
some of the highest-ranking members in HTS, who were also mem-
bers of JN [Jabhat al-Nusra] and JFS [Jabhat Fath ash-Sham] and E.
to the extent that placing him under arrest was seriously considered
as a means to deal with the problem of E.
3.2.10 Das Geständnis von A. in Bezug auf die Herstellung des Exklusivinterviews und
dessen – nach Schnitt und Untertitelung – via Youtube-Kanal des Vereins D. im
Internet erfolgten Veröffentlichung (s. oben E. 3.2.4 bis E. 3.2.4.3; E. 3.2.8 bis
E. 3.2.8.5) deckt sich mit den bei der Pressekonferenz des Vereins D. vom
21. Dezember 2015 durch die Vorstandsmitglieder getätigten Äusserungen
(s. oben E. 3.2.7.4) und die Angabe auf dem Twitter-Konto „B.“ vom 21. Dezem-
ber 2015 (s. oben E. 3.2.7.5). Das Exklusivinterview ist sodann aktenkundig
(pag.10.2.3) und zeigt A. beim Interview von E. Insofern ist die Handlung von A.
bezüglich Herstellung und Publikation des Exklusivinterviews erstellt.
3.2.11 In der Folge ist zu prüfen, ob das Exklusivinterview Propaganda im Sinne des
Gesetzes darstellt, was A. bestreitet. Es sind somit die Propagandaeigenschaf-
ten des Videoerzeugnisses zu untersuchen.
3.2.11.1 Propaganda richtet sich an Dritte. Die Anklage wirft A. vor, das Exklusivinterview
im Internet veröffentlicht zu haben, wobei es Untertitel auf Deutsch, Französisch
und Englisch aufgewiesen und sich explizit an Muslime, namentlich in der
Schweiz und Deutschland sowie in Europa, bzw. an junge Muslime weltweit, ge-
richtet habe, insbesondere an jene, welche des Arabischen nicht mächtig sind
(AS Ziffer 1.1.1.2, S. 5 f.).
Dass das Video „Exklusivinterview“ im Internet publiziert wurde, ist unbestritten
und erstellt. A. hat es somit zu Handen der Allgemeinheit publiziert und die dort
geäusserten Gedanken damit an Dritte gerichtet.
Die in arabischer Sprache getätigten Äusserungen wurden mit Untertiteln verse-
hen, u.a. auch auf Deutsch (zum Text s. pag. 10.2.3). Zu Beginn der Interviews
begrüsst E. die Geschwister in der Schweiz, Deutschland und Europa und die
Geschwister der muslimischen Jugend in allen Ländern, und dankt diesen für
deren Ambition, den Geschwistern in Syrien mit den ihnen zur Verfügung stehen-
den Mitteln zu helfen (s. nachfolgende Untertitelwiedergabe). Daraus ergibt sich,
dass das Exklusivinterview sich vorzugsweise an junge Muslime, an Muslime in
Europa und insbesondere an jene in den deutschsprachigen Ländern, Schweiz
und Deutschland, richtet.
„Und möge Allah des Leben unserer Geschwister in der Schweiz
erhalten!
- 38 -
und unserer Geschwister in Deutschland
und unserer Geschwister in Europa
und unserer Geschwister der muslimischen Jugend in allen Ländern
Allahs - gepriesen sei Er.
Ich bitte Allah - gepriesen sei Er - euch zu belohnen
dafür, dass ihr euch für die Situation eurer Geschwister in Shâm
(Syria) interessiert
und für eure Ambition, ihnen mit den euch zur Verfügung stehenden
Mitteln zu helfen.“
(Exklusivinterview; min 01:01-01:19; Untertitel Deutsch).
Auch im weiteren Verlauf des Interviews lässt E. wiederholt erkennen, an wen er
sich insbesondere adressiert. Z.B. erklärt er jenen, „die jetzt gerade zuhören, die
wir mit unserem Gespräch adressieren im Westen“, dass ein Mudschaheddin mit
USD 50.00 im Monat auskomme, wobei man für diesen Betrag in einem Restau-
rant in der Schweiz lediglich eine Mahlzeit erhalten würde:
„Bei Allah,
ein Kader einer grossen Mitgliedgruppe der Jaysh Al Fath sprach
zu mir:
Er sagt:
Wir haben bestimmt genügend Mittel, Nahrung und Getränke für un-
sere Jugendlichen (shabâbinâ).
Wir wissen nicht, dass die Mujâhidîn auf dem Weg Allahs...
Unsere Jugendlichen haben wahrscheinlich diese Informationen
nicht,
diejenigen die jetzt gerade zuhören, die wir mit unserem Gespräch
adressieren im Westen.
Wahrscheinlich wissen sie nicht, dass die Lebenskosten eines
Mujâhids hier einer Mahlzeit in einem Schweizer Restaurant ent-
sprechen.
Ich frage einen der nächsten (anwesenden) Mujâhidîn hier: Wie
hoch sind eure monatlichen Lebenshaltungskosten?
50 USD
Das also heisst, dass eine Mahlzeit für drei Personen (in der
Schweiz)
den Lebenshaltungskosten von drei Mujâhidîn in Shâm entspricht.
(….)
Der Mujâhid nimmt 50 USD,
was für den ganzen Monat ausreichen soll.“
(Exklusivinterview; min 04:52-05:47; Untertitel Deutsch).
- 39 -
E. weiss auch, dass seine Aussagen für die späteren Zuschauer übersetzt wer-
den und sagt zu A.:
„Dieses Interview mit dir ist vermutlich das erste, welches in Über-
setzung erscheint.
Wir haben unsere Geschwister tatsächlich vernachlässigt, vor allem
jene, die dem Arabischen nicht mächtig sind.“
(Exklusivinterview; min 23:30-23:38; Untertitel Deutsch).
Sodann fragt E. später z.B.:
„Was wollen wir, liebe muslimische Jugend, lieber Mujâhid, liebe Ju-
gend des Westens, liebe Muslime.
Ich sollte nicht sagen 'Jugend des Westens', sondern eher 'Jugend
des Islams', die ihr im Westen lebt.“
(Exklusivinterview; min 35:57-36:07; Untertitel Deutsch).
Dass das publizierte Videoerzeugnis grundsätzlich an Muslime und insbeson-
dere an muslimische Jugendliche im Westen gerichtet war, ist somit erstellt:
durch die Veröffentlichung des Exklusivinterviews im Internet hat A. dieses gross-
flächig angeboten, durch die Untertitelung auf Deutsch, Englisch und Franzö-
sisch insbesondere auch die Menschen mit jener Muttersprache angesprochen,
wobei aufgrund der Aussagen von E. erstellt ist, dass bereits bei den Aufnahmen
die Absicht bestand, die Äusserungen von E. den jungen Muslimen im Westen,
in Europa, in Deutschland und in der Schweiz mitzuteilen.
3.2.11.2 Propaganda eignet sich zur Einwirkung auf Dritte. Die Verwendung der Internet-
propaganda als Einfallsort für (jeglichen) gewaltsamen Extremismus ist noto-
risch. Zum Inhalt der Propaganda wirft die Anklage A. u.a. vor, E. würde die Ad-
ressaten zum gewaltsamen Jihad auffordern (AS Ziffer 1.1.1.2, S. 7).
a) Im Exklusivinterview dankt E. den muslimischen Jugendlichen (in der Schweiz,
Deutschland, Europa und in „allen Ländern Allahs“) für deren Ambition, den Mus-
limen in Syrien mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen (E. in:
Exklusivinterview, min 01:01-01:19, Untertitel Deutsch [s. auch oben E.
3.2.11.1]). Er beschreibt die Eroberung mehrerer Ortschaften durch Rebellen
bzw. Mudschaheddins bzw. der Jaysh al Fath (z.B.: min 06:09, Idlib; min 06:42-
44, Wadî Deif; min 07:14, 35 Armeepositionen), ferner den Konflikt mit dem IS
(auch „Staat“ genannt; z.B.: min 11:37 ff.; 12:42 ff.; 18:17 ff.; 19:09 ff.; 19:51 ff.;
20:31 ff.; 23:16 ff.) oder dem syrischen Regime und dessen Verbündeten (z.B.
min 08;01; 25:08 ff.) und fordert die Jugendlichen auf, den Publikationen des IS
keinen Glauben zu schenken und sich nicht dem IS, welcher auch Muslime töte,
anzuschliessen (s. nachfolgende Untertitelwiedergabe). Er spricht vom Einsatz
des Lebens und vom Martyrium:
- 40 -
„Ich habe eine Botschaft an die muslimische Jugend hinsichtlich des
"Staats".
Und ich habe eine allgemeine Botschaft.
Erstens, hinsichtlich des "Staats" sagen wir der Jugend, die den
"Staat" unterstützt:
Liebe Jugend, wir lieben euch für Allah.
Weil wir wissen, bei Allah, wir entschuldigen euch mehr als wir an-
dere entschuldigen, jene die hier anwesend sind
jene, die hier anwesend sind, haben die Möglichkeit (die Realität)
zu sehen, wogegen ihr dort nur das seht, was an Multimedia gepos-
tet wird.
Ihr habt nicht mit euren eigenen Augen gesehen.
Früher waren wir gleich wir ihr. Wir sahen diese Multimedia Publi-
kationen und wir liessen uns von unseren Emotionen und dem En-
thusiasmus überwältigten
etc.
Aber heute ist euch die Wahrheit klar zugetragen worden und ihr
habt die Gelehrten gesehen, wie sie (ihre Argumente) zerrissen.
Bei Allah, es gibt keinen Gott neben Ihm, wir kamen nicht ins Land
Shâm, um uns selbst zu profilieren oder um zu disputieren.
Was wollen wir, liebe muslimische Jugend, lieber Mujâhid, liebe Ju-
gend des Westens, liebe Muslime
Ich sollte nicht sagen 'Jugend des Westens', sondern eher 'Jugend
des Islams', die ihr im Westen lebt.
Wir sagen euch: Wenn ihr diesen "Staat" unterstützt, werdet ihr vor
Allah dafür befragt - gepriesen und erhaben sei Er -
Helft ihr jenen, die die Muslime töten?
Bei Allah, wir werden euch vor Allah - gepriesen und erhaben sei Er
- dafür herausfordern.
Obwohl wir eigentlich nicht danach streben, euch herauszufordern.
Wir wissen nicht, vielleicht erreichen euch unsere Worte erst nach
unserem Martyrium.
Vielleicht werden wir nach dem Interview mit euch zu Märtyrern.
Aber wir erinnern euch, wir werden euch vor Allah herausfordern.
Denn es ist eure Pflicht, dass ihr euch von ihnen lossagt
auch dann, wenn ihr nicht gesehen habt, was wir gesehen haben
und keine Entschuldigung, wenn ihr ihren Medienpublikationen
Glauben schenkt
und keine Entschuldigung für euch, weil ihr die Aussagen der Ge-
lehrten zur Kenntnis genommen habt sowie jene, deren, die sie kon-
frontieren.
- 41 -
Glaubt nicht, dass wir glücklich darüber sind, gegen jene zu spre-
chen, bei Allah, nein!
Wir bezahlen einen hohen Preis für die Vermittlung dieser Bot-
schaft. Sie zielen auf uns, ihre Bomber verfolgen uns etc.
Aber wir kamen hierher, um unter Einsatz unserer Leben und unse-
res Vermögens, unserer Schreiber und Stimmen zu kämpfen und
die Wahrheit zu sagen - soweit es Allah, der Herr der Welten zu-
lässt.“
(Exklusivinterview; min 35:12-36:55; Untertitel Deutsch).
Auf Frage von A. nach der künftigen Entwicklung der Jaysh Al Fath erklärt E.,
dass diese verstärkt weitermachen werde. Die Allgemeinheit der Muslime und
die Jugend solle sich keine Sorgen über den in Gottes Hand stehenden Sieg
machen, sondern darüber, Grund für diesen Sieg zu sein. Allah werde sich am
Tag des jüngsten Gerichtes nach der Beteiligung am Jihad erkundigen. Mit einem
Koranzitat gibt E. schliesslich an, Gott würde jene, die nicht ausziehen, bestrafen:
Frage A.: Allah möge Ihnen Gutes vergelten. Wie geht es weiter? In
welche Richtung wird sich Jaysh Al Fath entwickeln?
Antwort E.: Dies ist vermutlich eine Frage, die einen militärischen
Aspekt anspricht. Aber die Jaysh Al Fath - mit der Erlaubnis Allahs
-
wird mit der vierfachen Stärke weitermachen, mit der sie einst an-
trat.
Die Muslime werden - mit Allahs Erlaubnis - Befreiungen sehen,
welche ihre Herzen mit Freude und Genugtuung erfüllen.
Und zur Allgemeinheit der Muslime und zur Jugend sage ich:
Macht euch keine Sorgen über den Sieg, denn der Sieg ist in der
Hand Allahs.
Machen wir uns lieber Sorgen, ob wir ein Grund für diesen Sieg sein
werden. Werden wir Teil dieses Siegs sein oder nicht?
Allah wird uns sicherlich am Tag des Gerichts nicht fragen: Habt ihr
gewonnen oder nicht? Der Sieg ist in der Hand Allahs!
Aber Allah - gepriesen und erhaben sei Er - wird fragen: Haben wir
Anteil am Sieg, haben wir Anteil an der Anstrengung (Jihâd)?
Haben wir uns beteiligt an der Verteidigung unseres Dîns und un-
serer Ehre oder nicht?
- 42 -
«Wenn ihr nicht auszieht, wird Er euch mit schmerzlicher Strafe be-
strafen
und wird an eurer Stelle ein anderes Volk erwählen (...)» [HQ, 9,39]
(Exklusivinterview; min 36:57-37:55; Untertitel Deutsch).
Dass im publizierten Videoerzeugnis zum Jihad motiviert wird, ist somit erstellt:
E. gibt an, Gott werde jene bestrafen, die nicht daran teilhaben: Er stellt die jiha-
distische Jaysh Al Fath als erfolgreiches und gerechtes Kampfbündnis dar und
bezeichnet die dazugehörenden Kämpfer als Mudschaheddin oder als Märtyrer.
Diese Bezeichnungen verwendet er in einem jihadistischen Zusammenhang und
versteht sie in seinem Kontext als positiv.
b) A. macht geltend, das Jihad-Verständnis von E. beschränke sich nicht auf den
bewaffneten Kampf (Bericht Ziffer II).
Zunächst ist festzuhalten, dass die für eine Gruppierung/Organisation gemäss
Art. 1 AQ/IS-Gesetz verbotene Propaganda sich nicht auf den bewaffneten
Kampf beschränkt. Sodann schliesst selbst der Einwand von A., die bewaffnete
Bedeutung der hier zu behandelnden Jihad-Aufforderung nicht aus.
Im fraglichen Video erläutert E., die Jaysh Al Fath habe neben einer militärischen
auch eine administrative Bedeutung. Ihre Gründungscharta sehe vor, dass in den
eroberten Regionen ein auf der Sharia beruhendes Gericht zu errichten sei; dies
sei umgesetzt worden (min 08:44-10:32). Nachdem er vor dem IS warnt, erklärt
E. sodann: „Wir bezahlen einen hohen Preis für die Vermittlung dieser Botschaft.
Sie zielen auf uns, ihre Bomber verfolgen uns etc. Aber wir kamen hierher, um
unter Einsatz unserer Leben und unseres Vermögens, unserer Schreiber und
Stimmen zu kämpfen und die Wahrheit zu sagen.“ (min 36:41-36:55).
Sodann verurteilt E. insbesondere den IS, das Regime und dessen Verbündete.
Er berichtet über die Gründung und Bedeutung des aus bewaffneten Rebellen-
gruppen bestehenden Bündnisses Jaysh Al Fath (min 04:04 ff.), über den Kampf
gegen das Regime und die konfliktgeladene Beziehung der der Jaysh Al Fath
angehörenden Kampfeinheiten zum IS (min 10:56 ff.; 18:17 ff.; 19:51 ff.;
23:16 ff.). Er bezeichnet die Kämpfer der Jaysh Al Fath als Mudschaheddins
(min 07:18; 21:15-21:19; 22:45), drückt seine Freude über deren zahlenmässige
Vergrösserung aus (min 03:04 ff.: „Dieser kommt aus Europa, jener aus Ägypten,
dieser aus dem Sudan, jener aus Indien, dieser von den Philippinen, aus Turkes-
tan etc.“; min 07:37: „Der Zustrom an Mudschaheddins wollte nicht mehr abreis-
sen“.) und stellt dessen militärischen Eroberungen (min 07:03-07:48; 08:34) lo-
bend dar (min 07:40 ff.: „die Siege waren einfach atemberaubend“ / „in dieser
grossen blutigen Schlacht, welche zur Legende des Jihâds auf dem Weg Allahs
geworden ist“).
- 43 -
Das Jihad-Verständnis von E. ist somit auch ein bewaffnetes. Dieses wird gleich-
sam verherrlicht, wie das administrative. Dass einige Zuhörer zudem primär an
den bewaffneten Kampf der Jaysh Al Fath denken, ist E. bewusst, weshalb er
explizit darauf hinweist, dass sich die Jaysh Al Fath auch die Errichtung des Sha-
ria-Gerichts als Aufgabe gemacht habe: „Jaysh Al Fath ist nicht ein reiner militä-
rischer Flügel, wie einige meinen, nein!“ (min 08:38); „Jaysh Al Fath ist ein Kern-
stück zur Etablierung Allahs Gesetz - gepriesen und erhaben sei Er - in den be-
freiten Regionen“ (min 08:48-08:53). Im Rahmen des Exklusivinterviews hat das
Jihad-Verständnis von E. auch und, bezogen auf seine Adressaten, insbeson-
dere eine bewaffnete Bedeutung, denn die Annahme, dass er mit der Motivation
zum Jihad u.a. nicht arabisch sprechende Muslime und Jugendliche auffordern
wollte, bei einem Sharia-Gericht in Syrien bzw. der Errichtung der islamischen
Rechtsordnung mitzuwirken, oder für die Jaysh Al Fath Schriften und Reden zu
verfassen, ist lebensfremd. Der Einwand von A. ist somit unbehelflich.
Insofern ist erstellt, dass E. auch zum bewaffneten Jihad für die Jaysh Al Fath
auffordert bzw. beabsichtigt, die Adressaten dafür zu gewinnen oder in einer al-
lenfalls bereits bestehenden Bereitschaft zu festigen.
Die Redezeit von E. beträgt über 90% des etwas mehr als eine halbe Stunde
andauernden Videoerzeugnisses, was dem Format der Videobotschaft sehr
nahe kommt. Der Verherrlichung des Jihads und der Motivation zum Jihad setzt
A. nichts entgegen; er publiziert die entsprechende Propaganda ungefiltert, ohne
kritische Relativierung (z.B. durch entsprechende Kommentare, Hintergrundin-
formationen, Rahmenberichte o.ä.), indessen mit Untertiteln in mehreren Spra-
chen, womit er die Gedankenverbreitung auf allfällige nicht Arabisch sprechende
Zuhörer fördert.
3.2.11.3 Im Sinne des Gesetzes verboten und vorliegend von Relevanz ist die Propa-
ganda dann, wenn sie für Al Qaida (oder einer ihr verwandten Organisation usw.)
getätigt wird. A. bestreitet, dass die allfällige im Videoerzeugnis getätigte Propa-
ganda der Al Qaida gelte. Die Al Qaida sei nicht Thema, E. sei unabhängig und
gehöre nicht der Al Qaida oder der Al Nusra an (zum Ganzen siehe oben E. 3.2.4
bis E. 3.2.4.3; E. 3.2.8 bis E. 3.2.8.5).
a) Zunächst ist festzuhalten, dass eine Mitgliedschaft bei Al Qaida nicht eine Vo-
raussetzung für die Ausübung von Propagandaaktivitäten für Al Qaida oder ver-
wandte Organisationen bildet. E. oder A. können somit Propaganda für Al Qaida
oder einer mit ihr verwandten Organisation tätigen, auch ohne deren Mitglied zu
sein.
b) Aus den Akten geht hervor, dass sich E. – abgesehen von der Zeit seiner
Mitgliedschaft bei der HTS – wiederholt als unabhängig bezeichnet hat und wei-
terhin als unabhängig bezeichnet (s. oben E. 3.2.8.2, E. 3.2.9.1).
- 44 -
c) Von und über E. bestanden auch im anklagerelevanten Zeitrahmen zahlreiche
Bilder und Videos seiner Tätigkeiten und Äusserungen in Syrien, welche in offe-
nen Quellen des Internets publiziert worden waren. Aktenkundig sind u.a. print-
screens und zahlreiche Videos, worauf er teilweise bewaffnet posiert, als Verant-
wortlicher und Ausbildner im Rekrutierungscenter JCC auftritt, sich neben gefes-
selten oder getöteten Gegnern aufstellt oder sich als Redner vor versammelten
Kämpfern zeigt (pag. 10.02.204 ff.; pag. B10.02.01-313; …314). Die Veröffentli-
chungen tragen z.B. das Logo des JCC, manchmal jenes der Jaysh Al Fath oder
auch jenes der Al Nusra (z.B. pag. 10.02.204; 10.02.242; 10.02.265) und stehen
meist im Zusammenhang mit Aufrufen zum Jihad oder der Verherrlichung der
Kämpfe. In seinen Äusserungen rühmt E. mehrere führende Figuren des Jihads
(z.B. als „grosse Gelehrte“ oder „Weise der Umma“ oder als „Scheich und Erobe-
rer“), darunter auch Bin Laden, az-Zawahiri oder Al Jawlani (s. z.B. pag.
10.02.56; 10.02.253 ff.). Nach dem durch Angehörige der Al Qaida auf der ara-
bischen Halbinsel (AQAH), einem weiteren Flügel der Kern Al Qaida (s. auch
oben E. 2.1.3), in den Räumlichkeiten des Satire-Magazins Charlie Hebdo in Pa-
ris getätigten Attentat vom 7. Januar 2015, bejubelte E. als Redner vor versam-
melter Menge die Ausführer der Tat (pag. 10.02.271 und B10.02.01-313).
d) Unbestritten und erstellt ist sodann, dass es sich bei E. um einen aus Saudi
Arabien stammenden Religionsgelehrten handelt, der sich in Syrien dem Kampf
gegen das Regime von Bashar al-Assad angeschlossen hat (s. auch min 13:21 ff.
Exklusivinterview). In Bezug auf das Zerwürfnis zwischen der Al Qaida und dem
IS traf er sich mit Führungspersonen beider Gruppierungen und forderte diese
auf, sich einem Sharia-Schiedsgericht zu unterstellen (pag. 10.02.381; s. auch
min 13:59 ff. Exklusivinterview). Am 23. Januar 2014 verfasste er die sogenannte
„Umma-Initiative“, welche vom IS abgelehnt wurde (vgl. pag. 10.02.89; …179 f.;
s. auch TPF pag. 6.521.11 und min 20:31 ff. Exklusivinterview). In der Folge übte
er vermehrt Kritik gegen den IS aus (s. auch min 18:59 ff. Exklusivinterview),
publizierte die Audiobotschaft „Ach habe ich (denn nicht) übermittelt (bzw. kund-
getan)?“ (pag. 10.02.272 ff.; s. auch TPF pag. 6.521.21) und beteiligte sich an
der Gründung der bewaffneten Allianz Jaysh Al Fath (pag. 10.02.211; s. auch
min 04:05 und 09:01 Exklusivinterview und TPF pag. 6.521.21. Zu Jaysh Al Fath
weiteres unten, E. 3.2.11.3 e), worin er als geistlicher Führer gilt (pag. 10.02.210;
s. auch pag. 13.01.21 und min 00:37 Exklusivinterview). E. verkündete, er würde
sich dem Führer des Jihads und seiner Gelehrten, mit az-Zawahiri an der Spitze,
dem inhaftierten Salayman al-Ulwan, Abu Muhammad al-Maqdisi, Abu Qatada
al-Filistini sowie weiteren anschliessen, falls der IS bzw. al-Baghdadi weiterhin
die Schlichtung verweigere (s. auch TPF pag 6.521.23). E. anerkennt sodann,
dass er anlässlich einer Veranstaltung der Al Nusra als Redner aufgetreten sei
und die Al Qaida bzw. deren Führung gerühmt habe, um die anwesenden jungen
- 45 -
Männer vom Überlaufen zum IS abzuhalten (s. oben E. 3.2.8.2; E. 3.2.9 f. sowie
TPF pag. 6.522.431 ff.).
e) Bei der Jaysh Al Fath (auch "Jaish Al Fatah"- dt. „Eroberungsarmee") handelt
es sich um eine im März 2015 gegründete Rebellenallianz gegen das Regime
von Bashar al-Assad in Syrien. Zum Zeitpunkt der Gründung bildeten die Rebel-
lengruppen Al Nusra, Jund al Aqsa, Ajnad al Sham, Ahrar al Sham, Liwa al Haqq,
Faylaq al Sham und Jaysh al Sunna die Koalition (pag. 10.02.121). E. beteiligte
sich an der Gründung und der Errichtung der Charta der Jaysh Al Fath (s. auch
Exklusivinterview ab min 04:04; min 09:01-09:17). Er gilt als religiöser Führer des
Bündnisses. Ende März 2015 eroberte das Bündnis Idlib. Al Jawlani bezeichnete
die Al Nusra im Mai 2015 als entscheidendes Kampfelement innerhalb von Jaysh
Al Fath. Militärische Erfolge der Jaysh Al Fath liess die Al Nusra mit dem Zusatz
ihres eigenen Logos bzw. Schriftzugs mediatisch publizieren (pag. 10.02.144 ff.;
…152 ff.; …162 f.; …186 ff.). Der Einwand von A., dass sich Al Jawlani gerne
beweihräuchere und sich bemühe, Vorstösse der Jaysh al Fath auf dem Konto
seiner Gruppe zu verbuchen, macht die Tatsache nicht wett, dass die Al Nusra
sich als wesentlicher Bestandteil der Jaysh Al Fath darstellte. Richtig ist hingegen
sein Einwand, wonach es sich bei der Jaysh Al Fath nicht um ein geeintes Bünd-
nis handelt (s. pag. 10.02.127). Zwischen den Gruppierungen bestanden auch
2015 Differenzen, der Zusammenschluss diente dem gemeinsamen Ziel, das sy-
rische Regime zu stürzen und einen islamischen Staat auf der Basis der Sharia
zu gründen (pag. 10.02.124).
f) Erstellt ist somit, dass E. die Haltung des IS, welcher sich von Al Qaida abge-
spalten und sich mit dieser zerworfen hatte, missbilligt, wogegen er die Al Qaida
(sowohl die Kern-Al Qaida als auch die territorial operativen Al Qaida-Gruppie-
rungen, wie die Al Nusra [Syrien] oder die Al Qaida auf der arabischen Halbinsel)
oder deren Führung (s. oben E. 3.2.11.3 c) rühmt. Damit stellt sich E. selbst als
Sympathisant der Al Qaida dar. Zudem erhofft und bemüht er sich um eine Ver-
söhnung des IS mit der Al Qaida. Würde der IS sich wieder mit der Al Qaida
vereinen oder mit dieser zusammenwirken, würden die Al Qaida und der IS an
entsprechender numerischer und militärischer Bedeutung gewinnen und sich ge-
ografisch ausbreiten können. Insofern unterstützt E. die strategischen Anliegen
der Al Qaida aktiv und setzt sich für deren Stärkung ein. Gelungen ist ihm das
durch die Mitgründung der Jaysh Al Fath. In militärischer Hinsicht, stärkt dieses
Bündnis jede daran beteiligte Gruppierung, so auch die Al Nusra. E. gilt als reli-
giöser/geistlicher Führer der Jaysh Al Fath. Innerhalb der Jaysh Al Fath ist er
somit religiöser Führer der ihr angehörenden Gruppierungen, so auch der Al
Nusra.
Insofern ist die Al Qaida bei der Aufforderung zum Jihad sehr wohl ein Thema.
Der Jihad der Jaysh Al Fath wird auch durch die Al Nusra ausgeübt. Spricht E.
- 46 -
von der Jaysh Al Fath bezieht er sich zumindest auch auf die der Jaysh Al Fath
angehörende Al Nusra. Das Argument, dass die Al Qaida nicht gemeint sei, da
sie nicht erwähnt werde, verfängt somit nicht.
Der durch die Jaysh al Fath und der dazugehörenden Al Nusra ausgeübte Jihad,
entspricht der Gesinnung des Glaubenskrieges der Al Qaida. Der Vorwurf, wo-
nach A. durch die auf die Jaysh Al Fath bezogene Jihad-Propaganda, Propa-
ganda für die Ideologie der Al Qaida getätigt hat, ist somit erstellt.
Die Verteidigung hat in ihrem Plädoyer die angeklagte Bezeichnung der Al Nusra
als integralen und zentralen Bestandteil der Jaysh Al Fath kritisiert. Die Jaysh Al
Fath sei nicht von der Al Nusra dominiert und auch keine Tarn- oder Nachfolge-
gruppierung (TPF pag. 6.925.19 ff. und 6.925.55 ff.). Tatsächlich lässt die Be-
zeichnung „integral und zentral“ verschiedene Interpretationen zu. In den Ankla-
geziffern 1.1.1.2 und 1.1.1.3 ist der Aufbau der Jaysh Al Fath nicht näher um-
schrieben. Es ist jedoch unbestritten, dass im anklagerelevanten Zeitpunkt die Al
Nusra Bestandteil der Jaysh Al Fath mit militärischer Bedeutung war (s. auch
oben E. 3.2.11.3 e und E. 3.2.4.2). Insofern ist der Vorwurf, wonach A. durch die
Produktion und Veröffentlichung des Exklusivinterviews Propaganda für die
Jaysh Al Fath getätigt hat, deren „Bestandteil“ die Al Nusra bildet, erstellt.
g) Bezüglich der weiteren zur Anklage gebrachten Propagandasubjekte (s. oben
E. 3.2.3) ergibt sich hingegen ein anderes Bild:
Der Vorwurf, wonach das Exklusivinterview der Propaganda für E. diene (AS Zif-
fer 1.1.1.2, S. 5) bzw. seine Person vorteilhaft darstelle und propagiere (AS Zif-
fer 1 und AS Ziffer 1.1.1.3), genügt dem Anklageprinzip nicht (dazu s. auch oben
E. 1.2). Zunächst bezieht sich das (hier interessierende) Propagandaverbot auf
die Al Qaida (und verwandte Organisationen). Inwiefern E. als Person die Al
Qaida verkörpern soll, ist in den fraglichen Anklageziffern nicht umschrieben.
Zwar schreibt die Anklageschrift E., bezogen auf Al Qaida, in verschiedenen
Passagen unterschiedliche Führungspositionen oder Vertretungsbefugnisse zu
(„führender Vertreter der Al Qaida in Syrien“; „führender Angehöriger der
Al Qaida in Syrien“; „führender Al Qaida Vertreter in Syrien“; „Al Qaida-Vertreter“;
s. oben E. 3.2.2). Inwiefern er diese Positionen gehabt haben soll und gestützt
worauf er die Al Qaida soll vertreten haben dürfen, wird jedoch nicht angegeben.
Bei der blossen Umschreibung „vorteilhaft darstellen und propagieren“ handelt
es sich sodann um eine alleine nicht rechtsgenügende, das Anklageprinzip ver-
letzende Paraphrasierung eines Tatbestandelements (dazu näheres unten). Voll-
ständigkeitshalber ist zudem festzuhalten, dass aus den Erkenntnissen zu E.
(vgl. oben E. 3.2.11.3 insb. c - f) nicht hervorgeht, dass er 2015 bei der Kern-Al
Qaida oder der Al Nusra eine führende Position besass oder dass er die Befugnis
hatte, die Al Qaida zu vertreten.
- 47 -
Die Anklageschrift gibt auch an, die Al Qaida sei durch die Veröffentlichung des
Exklusivinterviews in ihrer Anziehungskraft weltweit gestärkt und in der Entfal-
tung krimineller Aktivitäten gefördert worden (AS Ziffer 1 und AS Ziffer 1.1.1.3).
Zwar trifft es zu, dass die Jihad-Propaganda für Al Qaida darauf ausgerichtet ist,
die Anziehungskraft der Beteiligung an Kampfhandlungen der Al Qaida zu stär-
ken. Dass dies tatsächlich erfolgt ist, ist jedoch nicht erstellt und auch nicht
rechtsgenügend umschrieben. Auf welche kriminelle Aktivitäten der Al Qaida sich
der Vorwurf im zweiten Satzteil bezieht und womit diese kriminellen Aktivitäten
inwiefern gefördert worden sein sollen, ist nicht angegeben und auch nicht dem
Kontext zu entnehmen. Dass Ermittlungen dazu geführt wurden, ist nicht erkenn-
bar. Anlässlich der Hauptverhandlung hat die Vertreterin der Anklage denn auch
explizit gänzlich auf Ausführungen zur Subsumierung des Tatbestandes „Förde-
rung auf andere Weise" verzichtet (TPF pag. 6.920.10).
3.2.12 Schliesslich ist der Vorsatz bestritten. A. gibt an, seine Absicht habe darin be-
standen, den IS zu durchleuchten und aufzuzeigen, was aus islamischer Sicht
an diesem falsch sei. Von Al Qaida habe er sich öffentlich mehrfach explizit dis-
tanziert.
3.2.12.1 Quellen zu der in der Voruntersuchung behaupteten mehrfachen und expliziten
Distanzierung von Al Qaida, nennt A. nicht. Gegenstand der Anklage ist das Ex-
klusivinterview. In diesem Videoerzeugnis hat A. sich nicht von Al Qaida distan-
ziert, sondern die darin enthaltene Propaganda als solche verbreitet, wobei er
die Veröffentlichung des Videos im Internet in dieser Form auch wollte und die
Publikation von Anfang an beabsichtigte.
3.2.12.2 Dass der IS in der islamischen Welt nicht vollständige Unterstützung erfährt bzw.
Gegenstand von militärischen und ideologischen Auseinandersetzungen ist, ist
allgemein bekannt. Mehrere islamische Staatsregierungen anerkennen den IS
nicht. Muslimische Menschen im syrischen Gebiet fliehen seit Jahren vor dem
Kriegsgeschehen und dabei auch vor dem IS (s. auch oben E. 2.1.5 f.). Men-
schen muslimischen Glaubens in Europa und im übrigen Westen demonstrieren
gegen den IS und stellen sich gegen den gewaltsamen Extremismus. Zeugnisse
der innerislamischen Debatte gegen den IS sind somit unübersehbar. Sodann ist
auch das Zerwürfnis zwischen der Al Qaida und dem IS allgemein bekannt, wobei
der Konflikt zwischen Al Qaida und IS auch in der Botschaft des Bundesrates
vom 12. November 2014 thematisiert wird (s. oben E. 2.1.5). Al Qaida und deren
Sympathisanten sprechen regelmässig Kritik am IS aus. Eine Ablehnung des IS
bedeutet somit nicht eine grundsätzliche Ablehnung der Al Qaida oder der Pro-
paganda für sie. Bezogen auf das Exklusivinterview fällt sodann auf, dass die
darin gegenüber dem IS geäusserte Kritik nicht Punkte betrifft, die den schwei-
zerischen Gesetzgeber verlasst haben, sowohl die Al Qaida wie auch den IS zu
- 48 -
verbieten (vgl. oben E. 2.1). Die im Video von A. geäusserten Vorwürfe am IS
beziehen sich vielmehr auf Themen, welchen die Al Qaida Bedeutung zumisst,
namentlich auf islamisch-theologische Auslegungen, wie die Voraussetzung der
Exkommunizierung oder die Befugnis zur Umsetzung der Sharia. Die in diesen
Punkten im Exklusivinterview ausgeübte Kritik am IS geht somit Hand in Hand
mit der Gesinnung von Al Qaida. Indessen befasst sich das AQ/IS-Gesetz nicht
mit religiösen Fragen oder mit fremden Rechtsordnungen, sondern mit der öf-
fentlichen Sicherheit in der Schweiz. Dass diese durch die Aufforderung von hier
lebenden Menschen zur Beteiligung am gewaltsamen Jihad in Syrien tangiert ist,
geht aus der Botschaft des Bunderates mehrfach hervor. Die Rekrutierung oder
Anwerbung von Kämpfern in Europa öffnet Schneisen für den gewalttätigen Ext-
remismus (z.B. durch Radikalisierung, radikalisierte Rückkehrer oder durch Kon-
taktknüpfungen zu gewaltausübenden Extremisten), die auch zur oder durch die
Schweiz führen können.
3.2.12.3 Auch der Einwand von A., dass weder E., noch die Jaysh Al Fath auf einer öf-
fentlichen Sanktionsliste aufgeführt waren, ist unbehelflich. A. kannte den Inhalt
des Videos und somit die darin enthaltene Botschaft. Eine propagandistische
Botschaft für die Al Qaida ist unabhängig der Listung der sie aussprechenden
Person auf einer Terrorliste möglich.
3.2.12.4 A. befasst sich mit der Thematik des Jihads und mit deren Protagonisten. Deren
Positionen sind ihm bekannt. Er hat das Video erstellt und in Kenntnis dessen
Inhalts für dessen Verbreitung gesorgt. Er handelte daher mit Vorsatz.
3.2.13 A. hat mit der Herstellung und Veröffentlichung des Exklusivinterviews Propa-
ganda für Al Nusra und die Ideologie der Al Qaida betrieben und sich damit der
Widerhandlung gegen Art. 2 AQ/IS-Gesetz i.V.m. Art. 1 lit. a schuldig gemacht.
Zu AS Ziffer 1.1.1 und 1.1.1.4-6; 1.1.1.7 „Herstellung“/„Veröffentlichung“/„Be-
werbung“ „des Videos «al-Fajr as-Sâdiq»“
3.3.1 Zusammengefasst wirft die Anklage dem Beschuldigten A. in Bezug auf den
Sachverhalt gemäss Anklageziffern 1.1.1.4 bis 1.1.1.6 folgendes vor:
Zwischen Mai und Dezember 2015 (AS Ziffer 1) habe A. durch Herstellung (AS
Ziffer 1.1.1.4), Veröffentlichung (AS Ziffer 1.1.1.5) und Bewerbung des Videos
„AR/EN/FR/DE al-Fajr as-Sâdiq - The True Dawn in Syria (12/2015)“ (AS Ziffer
1.1.1.4), Propagandaaktionen für die Al Qaida oder einer mit dieser verwandten
Organisation organisiert oder deren Aktivitäten auf andere Weise gefördert (AS
Ziffer 1.1.1) und zwar habe er zwischen dem 30. September und dem 9. Oktober
2015 in Syrien, mit der Unterstützung Dritter, Videoaufnahmen getätigt und diese
nachträglich in der Schweiz und/oder anderswo bearbeitet und daraus ein
- 49 -
39.59 min dauerndes Video mit dem Titel „AR/EN/FR/DE al-Fajr as-Sâdiq - The
True Dawn in Syria (12/2015)“ (bzw. „Die wahrhaftige Morgendämmerung“,
s. E. 3.2.4.1), produziert (AS Ziffer 1.1.1.4), es am 18. Dezember 2015, mit Zu-
stimmung von B. und nach einer Werbekampagne über die Social-Media-Kanäle
des Vereins D., via Youtube-Account des Vereins D. veröffentlicht oder veröffent-
lichen lassen, wo es bis zum 20. Juli 2017 25‘347 Mal angesehen worden sei
(AS Ziffer 1.1.1.5); ferner habe er durch einen Auftritt per Videokonferenz an ei-
nem durch den Verein D. organisierten Anlass vom 5. Dezember 2015 in Z. da-
rauf hingewirkt, dass das Video ein möglichst grosses Publikum erreiche, wobei
jener Anlass von ca. 200 Personen besucht gewesen sei und er diesen gesagt
habe, am selben Tag zusammen mit Mitgliedern der al Nusra die Frontlinie be-
sucht zu haben (AS Ziffer 1.1.1.6).
Durch diese Handlungen habe A. (vorsätzlich, AS Ziffer 1.1.1.7) eine vorteilhafte
Darstellung propagiert bzw. Propaganda betrieben für E., die Ideologie der Al
Qaida, die Al Qaida und für die Jaysh Al Fath, deren integraler und zentraler
Bestandteil die Al Nusra bilde.
3.3.2 Zur Rolle von E. führt die Anklage zusammengefasst folgendes aus:
a) Bei E. handle es sich um einen führenden Vertreter der Al Qaida in Syrien bzw.
Nordwestsyrien (AS Ziffer 1 und AS Ziffer 1.1.1.6, S. 16); einen führenden Al
Qaida Vertreter in Syrien (AS Ziffer 1; AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10; AS Ziffer 1.1.1.6,
S. 21); eine Person, die den Anschluss an das internationale Al Qaida-Netzwerk
vollzogen habe (AS Ziffer 1.1.1.6, S. 20); eine als führende Vertreterin der Al
Nusra bzw. Al Qaida auftretende Person (AS Ziffer 1.1.1.6, S. 20); eine der Al
Qaida zugehörigen Person (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10 und 1.1.1.7, S. 22); ein Mit-
glied des engeren Führungszirkels der Al Nusra (AS Ziffer 1.1.1.6, S. 20); eine
Person, die sich mit der Ideologie und der Führung der Al Qaida identifiziere (AS
Ziffer 1.1.1.6, S. 20); einen hochrangigen Führer und Exponenten der Dachorga-
nisation Jaysh Al Fath (AS Ziffer 1.1.1.6, S. 16), ein Führungsmitglied der Jaysh
Al Fath (AS Ziffer 1.1.1.16, S. 18); eine Führungsperson der Dachorganisation
Jaysh Al Fath darstellende Person, welche den Titel eines obersten Richters
führe (AS Ziffer 1.1.1.6, S. 18); einen Hauptakteur bei der Gründung der Jaysh
Al Fath (AS Ziffer 1.1.1.6, S. 18); den Gründer und Führer des JCC (AS Ziffer
1.1.1.6, S. 18).
b) Unter Anklageziffer 1.1.1.6 (Bewerbung des Videos) gibt die Anklage weiter
an, E. habe 2012-2013 begonnen, sich für den gewaltsamen Jihad in Syrien zu
interessieren; 2012-2013 habe er auch begonnen, die Al Nusra und andere jiha-
distische Gruppierungen in Syrien durch Spenden sowie die Sammlung von
Spenden für Hilfsgüter und Waffen zu unterstützen; E. sei von den saudischen
- 50 -
Behörden wegen seiner Unterstützungsaktivitäten mit einem Ausreiseverbot be-
legt worden; es sei ihm jedoch gelungen, Saudi-Arabien am 22. August 2013 il-
legal zu verlassen, um sich nach Syrien in das Kriegsgebiet zu begeben, mit der
Absicht, zwischen dem ISIS bzw. IS und anderen jihadistischen Gruppen, insbe-
sondere der Al Nusra, zu vermitteln; E. habe am 23. Januar 2014 die Kampagne
„Umma-Initiative“ zur Versöhnung des ISIS mit den anderen jihadistischen Grup-
pierungen in Syrien, allen voran mit der Al Nusra, lanciert, respektive deren
schriftliches Postulat veröffentlicht; die „Umma-Initiative“ habe im Wesentlichen
die Einstellung der Feindseligkeiten zwischen den islamistischen und jihadisti-
schen Gruppierungen in Syrien sowie die Errichtung eines Sharia-Tribunals ge-
fordert; E. habe sich in der Einleitung des schriftlichen Postulats der „Umma-Ini-
tiative“ auf az-Zawahiri, den Führer der Al Qaida, bezogen und seine Freude dar-
über zum Ausdruck gebracht, dass az-Zawahiri die darin vertretenen Stand-
punkte geteilt habe; E. habe die Ablehnung der „Umma-Initiative“ durch den ISIS
öffentlich bedauert sowie verurteilt; die Vorbehalte des ISIS gegenüber den Ver-
mittlungsversuchen hätten E. dazu bewogen, seine Anstrengungen auf die Bil-
dung einer jihadistischen Dachorganisation ohne den ISIS zu fokussieren, was
in die Gründung der Jaysh Al Fath gemündet habe; E. habe öffentlich eine ext-
remistische und gewaltsame Konzeption des Jihads vertreten respektive propa-
giert; E. sei der gewaltextremistischen ideologischen Strömung des jihadisti-
schen Salafismus zuzurechnen, deren Hauptvertreter heute die Al Qaida mit ih-
ren Ablegern wie der Al Nusra sowie der IS seien; E. habe die Notwendigkeit
propagiert, im transnationalen, globalen Kampf gegen die sogenannten Ungläu-
bigen, Abtrünnigen und tyrannischen Regimes zu gewaltsamen, auch terroristi-
schen Mitteln zu greifen, mit dem Ziel, einen Staat auf der Grundlage der Sharia
zu errichten; E. habe systematisch die Verübung von Selbstmordanschlägen glo-
rifiziert und dazu ermutigt; E. habe in der Begehung von Selbstmordanschlägen
durch die Al Nusra eine zentrale Rolle gespielt, indem er die Selbstmordattentäter
der Al Nusra gesegnet und spirituell aufgerichtet habe, bevor er sie auf ihre Mis-
sion entsandt habe; E. sei in die Planung von Selbstmordanschlägen der Al
Nusra involviert und mit den Selbstmordattentätern direkt in Kontakt gewesen,
zum Teil habe er die Verantwortung übernommen und diesen Informationen zu
den Missionen zu übermittelt; E. habe während des Eroberungsfeldzuges gegen
die Stadt Idlib im März 2015 rund 150 und innerhalb der drei darauf folgenden
Monate rund 100 weitere Freiwillige für Selbstmordattentate rekrutiert; E. habe
öffentlich die Hinrichtung von gefangenen gegnerischen Soldaten propagiert; E.
habe als Religionsgelehrter und militärische Agitator gehandelt, was zur Verbrei-
tung seiner Propaganda und zur Agitation für den gewaltsamen Jihad gedient
habe, namentlich über die von ihm 2013 ins Leben gerufene und auch später von
ihm geführte Institution des JCC; E. habe mittels des JCC wie über andere Ka-
- 51 -
näle Spendensammlungen zugunsten der Jaysh Al Fath oder allgemein des ge-
waltsamen Jihad in Syrien organisiert; E. habe mittels des JCC in von Jaysh Al
Fath eroberten und verwalteten Gebieten Schulen betrieben, in welchen er auch
selber Lektionen erteilt habe und in denen Kinder und Jugendliche mit der ge-
waltextremistischen Ideologie des von ihm vertretenen Jihadismus indoktriniert
worden seien; E. sei für militärische Camps mitverantwortlich gewesen, oder zu-
mindest für deren propagandistische Inszenierung via JCC, die der Rekrutierung
und der Kampfausbildung von Jugendlichen und Kindern für den gewaltsamen
Jihad gedient hätten; E. habe mittels des JCC in unzähligen propagandistischen
Veröffentlichungen und Auftritten zum gewaltsamen Jihad aufgerufen, zum Teil
explizit für Al Nusra und zum Teil direkt an europäische Muslime adressiert, mit
dem Ziel neue Kämpfer für die Faktionen der Jaysh Al Fath, namentlich auch für
die Al Nusra, zu rekrutieren; E. habe sich aktiv an Kampfhandlungen an der Front
beteiligt; E. habe die propagandistische Inszenierung sowie die moralische Un-
terstützung der Vorstösse der kämpfenden Faktionen, namentlich auch der Al
Nusra und namentlich durch die Begehung von Selbstmordanschlägen, über-
nommen; E. habe in mehreren öffentlichen Verlautbarungen, auch auf seiner per-
sönlichen Internetseite, die Anführer der Al Qaida und deren prominenten Ideo-
logen, zum Beispiel Bin Laden und az-Zawahiri, gelobt und sowohl für diese als
auch für die Mitglieder des ISIS resp. des IS ehrerbietige Formulierungen ver-
wendet; E. habe die Al Nusra bereits vor seiner Auswanderung nach Syrien un-
terstützt und dies öffentlich verlautbart; E. habe sich aktiv an Kampfhandlungen
der Al Nusra beteiligt und diese öffentlich verlautbart; E. habe Propaganda so-
wohl für Al Nusra als auch für andere Al Qaida-Ableger betrieben, zum Beispiel
mit zwei in der Zeitschrift „Al Risalah“ veröffentlichten Artikeln, mit verschiedenen
Auftritten an öffentlichen Veranstaltungen der Al Nusra, mit einem Auftritt in ei-
nem Video, wo er bewaffnet und in Tarnkleidung eine agitatorische Rede neben
einem Gefangenen der Al Nusra halte, wobei im Hintergrund die Flagge der Al
Qaida mit dem Schriftzug der Al Nusra zu sehen sei; E. habe am 9. Juli 2014 an
einer hochrangigen, richtungsweisenden Versammlung der Al Nusra in Nord-
westsyrien, an welcher der Al Nusra-Anführer Al Jawlani die bevorstehende Er-
richtung des Al Qaida-Emirats in Syrien ankündigt habe, eine Ansprache gehal-
ten; in dieser Ansprache habe E. die Verkündung des syrischen Al Qaida-Emirats
als historisches Ereignis glorifiziert, es als Einlösung von Bin Ladens Verspre-
chen gepriesen, es als Etappe im langjährigen internationalen Al Qaida-Projekt
bezeichnet und weiter erklärt, dass auf die mündliche Befürwortung des syri-
schen Al Qaida-Emirats gewalttätige Taten folgen müssten und es keinen Rück-
zug geben dürfe; E. habe die an der Versammlung vom 9. Juli 2014 anwesenden
Mitglieder der Al Nusra, darunter Führungspersonen, angewiesen, dem Emir der
jeweiligen Hierarchiestufe der Organisation bedingungslos zu gehorchen;
E. habe in dieser Ansprache die physische Selbstaufopferung für die Errichtung
- 52 -
des Al Qaida-Emirats in Syrien propagiert, die Errichtung des Kalifat-Staates
nach der Methode der Al Qaida propagiert und bekannt gegeben, dass er zu-
sammen mit einem Kader der Al Nusra in Idlib danach strebe, die Sharia in die
Praxis umzusetzen.
c) Ebenfalls in Anklageziffer 1.1.1.6 wird festgehalten, dass nach E. seit dem
16. Februar 2015 via Interpol international gefahndet werde, wobei vor ihm als
gemeingefährlichen Terrorist Group Member gewarnt werde; das US-Finanzmi-
nisterium habe E. am 10. November 2016 infolge seiner führenden Funktion in-
nerhalb von Al Nusra („key al-Nusrah Front leader“) ab 2015 mit finanziellen
Sanktionen belegt.
d) Im Weiteren führt die Anklage an den genannten Stellen auf, die Auftritte von
E. seien durch die Al Nusra mittels Videoveröffentlichungen propagandistisch
verwertet worden; der Führer der Al Nusra, Al Jawlani, habe der „Umma Initiative“
von E. zugestimmt; andere islamistische und jihadistische Kampfgruppierungen
hätten der „Umma Initiative“ ebenfalls zugestimmt; der ISIS habe die „Umma-
Initiative“ nur unter der Bedingung annehmen wollen, dass alle islamistischen
und jihadistischen Parteien öffentlich ihre Ablehnung von Demokratie und Säku-
larismus bekundeten und alle Verbindungen zu ausländischen Regierungen ab-
brächen (AS Ziffer 1.1.1.6).
3.3.3 Die Jaysh Al Fath und die Al Nusra werden unter Anklageziffer 1.1.1.6 (Bewer-
bung des Videos „Die wahrhaftige Morgendämmerung“) zusammengefasst wie
folgt umschrieben:
a) Die Jaysh Al Fath sei im März 2015 entstanden; die Jaysh Al Fath stelle eine
militärisch-zivile Dachorganisation dar, die im Wesentlichen jihadistischer Natur,
institutionalisiert und auf Dauer angelegt sei; bei der Jaysh Al Fath würden so-
wohl im taktischen Vorgehen, als auch in ihrem transnationalen, strategisch-po-
litischen jihadistischen Programm Parallelen zur Al Qaida bestehen; zum Zeit-
punkt ihrer Gründung habe die Jaysh Al Fath aus folgenden sieben „Faktionen“
bestanden: Al Nusra (AQ-Ableger in Syrien), Harakat Ahrar al-Sham; al-Islamiya
(HASI), Jund al-Aqsa (JaA), Liwa’ al-Haqq (LaH), Ajnad al-Sham (Aas), Faylaq
al-Sham (FaS) und Jaysh al-Sunna (JaS), welche in eine salafistisch-jihadisti-
sche und in eine salafistisch-islamistische Kategorie einzuteilen seien, wobei die
Al Nusra und die JaA zu den salafistisch-jihadistischen Faktionen von Jaysh Al
Fath gehören, welche die internationalistische und globale Agenda der Al Qaida
verfolgen würden, u.a. die weltweite Expansion eines islamischen Kalifats; die
Faktionen innerhalb der Jaysh Al Fath hätten trotz ideologischer Differenzen un-
ter der Dachorganisation zusammengefunden, um das gemeinsame Ziel der Er-
- 53 -
oberung der gesamten „Grosssyrien“ genannten Region und der Etablierung ei-
nes islamischen Kalifats zu verfolgen; die Jaysh Al Fath habe, bei der Eroberung
der Stadt Idlib im März 2015 und auch später, Selbstmordattentäter und selbst-
mörderische Kämpfer eingesetzt, vorwiegend in Anwendung der Taktiken der Al
Nusra und JaA.
b) Die Al Nusra habe im gesamten Deliktszeitraum einen integralen, grossen und
zentralen Bestandteil der Dachorganisation Jaysh Al Fath gebildet; die Jaysh Al
Fath habe militärisch von der treibenden Dynamik und Durchschlagskraft der Al
Nusra, namentlich seiner Selbstmordattentate, abgehangen; die Jaysh Al Fath
habe der Al Nusra als Vehikel gedient, um sich in Nordwestsyrien zu etablieren
und auszubreiten; die Integration von Al Nusra in der Jaysh Al Fath entspräche
der langfristigen Vision der Al Qaida, wonach vor der Errichtung eines islami-
schen Kalifats in der gesamten muslimischen Welt die aktuellen Regierungen
und Regimes fallen und durch islamische Emirate ersetzt werden müssen; die
Beziehungen zu anderen Akteuren des Bürgerkriegs würden der Al Nusra dazu
dienen, sich die Unterstützung der lokalen Bevölkerung eines künftigen islami-
schen Emirats im transnationalen Raum „Grosssyrien“ zu sichern; die Al Nusra
thematisiere die unter der Ägide der Jaysh Al Fath verfolgten Aktivitäten in einer
eigens ihrer Beteiligung an Jaysh Al Fath gewidmeten Propaganda-Kampagne
mittels ihrer eigenen Propaganda-Organe; die Al Nusra würde diese Erzeugnisse
sowohl mit den Emblemen ihrer eigenen Propaganda-Organe, als auch mit einer
Adaption des Emblems der Jaysh Al Fath versehen, was verdeutliche, dass es
sich um eine Veröffentlichung der Faktion der Al Nusra handle; die Al Nusra habe
im Rahmen ihrer Aktivitäten zur Verwaltung der durch die Dachorganisation
Jaysh Al Fath eroberten Gebiete Menschenrechtsverletzungen begangen, na-
mentlich willkürliche Verhaftungen, summarische Hinrichtungen und die Anwen-
dung von Folter bei Gefangenen.
3.3.4 Zum Inhalt des veröffentlichten Videos führt die Anklageschrift zusammengefasst
aus:
a) Das Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ inszeniere E. als gemässigte
Integrationsfigur, zentralen Brückenbauer und unabhängigen Vermittler; es be-
schönige seine Rolle und verschleiere seine Zugehörigkeit zu Al Qaida (AS Ziffer
1.1.1.4, S. 10), es präsentiere E. als Integrationsfigur der syrischen Revolution
und als Vermittler zwischen den Rebellengruppen (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10), oder
als eine wichtige Persönlichkeit, welche die den Jihad führende Faktionen mitei-
nander verbinde und versöhne (angepasstes Zitat Arabisch, AS Ziffer 1.1.1.4,
S. 10); es charakterisiere E. als inoffiziellen geistigen Führer des Rebellenbünd-
nisses bzw. (angepasstes Zitat Arabisch) spirituellen Führer von Jaysh Al Fath
(AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10).
- 54 -
b) Im Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ erkläre E. A. die angebliche
Ausgewogenheit der Sharia und erwähne dabei die islamischen Gottesstrafen
Töten, Auspeitschen und Steinigen, was in den Untertitel mit „Töten, Peinigen
und Steinigung“ übersetzt werde und wozu A. zustimmend nicke und keinerlei
Rückfragen stelle. Die Untertitel seien beschönigend (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 11).
c) Das Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ würde nicht durchgehend
eine journalistische Dokumentation lege artis darstellen (AS Ziffer 1.1.1.4, S.10).
d) Das Verhältnis zwischen A. und E. werde im Video „Die wahrhaftige Morgen-
dämmerung“ kameradschaftlich und herzlich dargestellt (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10);
es zeige wie A. von E. in Empfang genommen und mit einer Umarmung sowie
zwei Wangenküssen begrüsst werde, woraufhin A. ihm zwei Schokoladepackun-
gen als Gastgeschenk überreiche (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10); es zeige A. und E.
lachend bei einem geselligen Abendmahl (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10). A. gebe durch
die verwendeten, ehrerbietigen Anreden für E. dem Zuschauer zu verstehen,
dass er E. als (s)eine religiöse und ideologische Autorität anerkenne (AS Ziffer
1.1.1.4, S. 11).
e) Das Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ werde auch mit sogenannten
nashid (eingedeutscht Naschid; Arabisch: „Hymne, Lied“) unterlegt, wobei deren
Texte nicht in den Untertiteln aufgeführt würden (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 11); ab min
07:33 bis min 09:44 sei der Naschid mit dem auf Deutsch übersetzten Titel „Ein
Berg namens Hamas“ (nachfolgend: Naschid 1) zu hören, ein gewaltextremisti-
sches, agitatorisches Kampflied aus dem Kontext des palästinensisch-israeli-
schen Konfliktes (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 11, angeklagter Text s. dort und unten
E. 3.3.11.1 c). Der Naschid 1 leite von der Szene der Besichtigung von Idlib, der
von Jaysh Al Fath kontrollierten Hauptstadt des gleichnamigen syrischen Gou-
vernements, zur Begehung von militärischen Stellungen der Jaysh Al Fath im
unweit gelegenen Dorf Fou’a über, wo E. am 18. September 2015, d.h. ca. zwei
Wochen vor dem Entstehungszeitpunkt der Aufnahmen der erwähnten Szene,
während aktiven Gefechten zwei Selbstmordattentäter, höchstwahrscheinlich der
Al Nusra, in sprengstoffbeladenen Panzerfahrzeugen in den Einsatz verabschie-
det und dabei ihren bevorstehenden, angeblichen Märtyrertod glorifiziert habe
(AS Ziffer 1.1.1.4, S. 11). Ab min 18:26 bis min 18:53 seien vier arabische Vers-
zeilen eines weiteren arabischen Naschids (nachfolgend: Naschid 2) hörbar, bei
dem es sich um ein poetisches Kampflied handle, welches den gewaltsamen
Jihad, das kombattante Martyrium und die Zerstörung des Christentums glorifi-
ziere (AS Ziffer 1.1.1.4, S. 11; zum Text vgl. Anklageschrift und unten
E. 3.3.11.1 c).
- 55 -
f) Das Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ präsentiere die Jaysh Al Fath
als „bestehend aus verschiedenen Rebellengruppen“ (Untertitel Deutsch) bzw.
(angepasstes Zitat Arabisch) als „militärische Allianz“ (…) „in Zusammenarbeit
mit zahlreichen Jihad führenden Faktionen in Nordwestsyrien“ (AS Ziffer 1.1.1.4,
S.10). Der Kommentator spreche von „Einheit unter den Rebellengruppen“ bzw.
(angepasstes Zitat Arabisch) von „Vereinigung zwischen Jihad führende Faktio-
nen“ (AS Ziffer 1.1.1.4, S.10).
g) Das Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ präsentiere ostentativ arabi-
sche Strassenpropaganda der Al Nusra, ohne diese als solche auszuweisen, zu
kommentieren oder zu kontextualisieren: in der Sequenz ab min 08:41 werde ein
Wandbild präsentiert, das in der Ecke unten links mit dem kalligrafischen Schrift-
zug der Al Nusra versehen sei; ab min 08:44 – während dem der Naschid 1 zu
hören sei – werde für ca. fünf Sekunden eine Warntafel gegen Blasphemie ge-
zeigt, die in der Ecke unten rechts mit dem Logo und arabischen Schriftzug des
„Büros für Aufruf und Anleitung“, dem Propagandaorgan der Al Nusra, signiert
sei.
h) In der Sequenz ab min 08:41, während im Hintergrund der Naschid 1 erklinge,
sei für ca. drei Sekunden ein Wandbild in den Strassen Idlibs zu sehen, das eine
verunstaltete Büste des früheren syrischen Diktators Hafiz al-Asad sowie eine
Abschrift des zweiten Teils der Koransure 7, Vers 129, zeige, welche wörtlich
laute (angepasstes Zitat): „Er [=Moses] sagte [zu seinen Leuten]: Vielleicht wird
Gott eure Feinde zugrunde gehen lassen und euch zu (deren) Nachfolgern auf
der Erde machen, um zu sehen, wie ihr (dann) handelt (Die Höhen [=Surentitel]
129).“.
3.3.5 Zu den Aussagen von A. wird zunächst auf die Ausführungen in E. 3.2.4; 3.2.4.1-
3.2.4.3 und E. 3.2.8; 3.2.8.1-3.2.8.5 verwiesen.
3.3.5.1 Zudem und bezogen auf „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ erklärt A.mit Ver-
weis auf den eingereichten Bericht dass die Videovorführung zunächst in Z. er-
folgt sei (vgl. Bericht Ziffer I.2). An diesem Anlass habe er sich aus Amsterdam
via Skype-Videoübertragung gemeldet und die Entstehung seines Dokumentar-
films kontextualisiert sowie den Vorwurf der Al Qaida-Propaganda von sich ge-
wiesen (vgl. Bericht Ziffer I.2). Die Behauptung des NDB, welche in der Anklage-
schrift übernommen werde, wonach er, A., sich bei der (Skype-)Video-Konferenz
in Syrien aufgehalten und gesagt habe, er habe an jenem Morgen mit Al Nusra-
Kämpfern einen Frontabschnitt besucht, sei frei erfunden (vgl. Bericht Ziffer I.4).
Beim Lied „Jabal yud‘â Hamâs“ (Naschid 1) meint A. sodann, es handle sich da-
bei um ein Kampflied, das wohl dem Umfeld der islam(ist)ischen Palästinenser-
- 56 -
bewegung Hamas entstamme. Der poetisch verfasste Inhalt spiele mit der Meta-
phorik zweier Berge: dem Berg Zion und dem Berg Hamas, wobei der Berg Ha-
mas, den Berg Zion im Kampf überwinde. Im Lied sei nie die Rede von Juden im
Sinne von Angehörigen der jüdischen Religion. Er habe dieses Naschid nicht
seines Inhalts wegen ausgewählt, sondern wegen seines rhythmisch in den Film-
abschnitt passenden Hintergundklangs. Da viele Muslime der Lehrmeinung fol-
gen würden, wonach instrumentale Musik im Islam nicht regelkonform sei, sei es
für ihn nie einfach, die zur Szene passenden Klänge zu finden (vgl. Bericht Zif-
fer III).
Die Szene des Empfangs von A. durch E. beim Grenzübergang Bâb al-hawâ sei
für den Dokumentarfilm inszeniert worden. Das Mitbringen von Süssigkeiten
(Schweizer Schokolade), die Wangenküsse zur Begrüssung und das Abendes-
sen entsprächen den unter arabischen Muslimen üblichen Umgangsformen zwi-
schen Gast und Gastgeber und würden zudem eine intendierte filmische Kulisse
zur Erzeugung von Emotionen darstellen (vgl. Bericht Ziffer I.5).
Der Fokus von A. habe sich auf die Umsetzung des islamischen Rechts in den
befreiten Rebellengebieten gerichtet. Vor diesem Hintergrund sei es durchaus
schlüssig, auch Strassenschilder mit religiösen Inhalten zu zeigen, wie z.B. jene,
die Frauen zum Tragen der ‘Abâya ermahnen (Zeitmarke 08:36) oder an den Fall
der Tyrannen erinnern (08:42) oder vor Gotteslästerung warnen (08:45). Dabei
sei es um den Inhalt und nicht um das nur in einem Fall kaum erkennbare Logo
der emittierenden Organisation gegangen (vgl. Bericht Ziffer I.5).
3.3.5.2 Aus den Ausführungen von A. folgt somit, dass er auch bezogen auf das Video
„Die wahrhaftige Morgendämmerung“ die Herstellung und Veröffentlichung aner-
kennt, indessen bestreitet, für Al Qaida oder einer damit verwandten Organisa-
tion, Propaganda betrieben oder dies beabsichtigt zu haben.
3.3.6 Zu den Aussagen von B. und C. wird auf die Ausführungen in E. 3.2.5 und
E. 3.2.6 verwiesen.
3.3.7 Zu den Äusserungen von A., B. oder C. ausserhalb des Strafverfahrens wird auf
E. 3.2.7; 3.2.7.1 - 3.2.7.5 verwiesen.
3.3.7.1 Bezüglich der aktenkundigen Videozuschaltung von A. vom 5. Dezember 2015
in Z. (TPF pag. 6.521.54; TPF pag. 6.522.18) ist ergänzend festzuhalten, dass
B. den Zuhörern erklärte, A. befände sich wegen einer kurzfristigen Verpflichtung
im Ausland, während dem A. zu seinem Aufenthaltsort und den Gründen seiner
Abwesenheit keine Erklärung gab.
- 57 -
3.3.8 Zu den Angaben gemäss Bericht und die dort beigelegten Stellungnahmen von
E. und I. wird auf die E. 3.2.8.; 3.2.8.1 und auf E. 3.2.8.5, sowie E. 3.2.9, 3.2.9.1-
3.2.9.2 verwiesen. Im Übrigen s. auch Zusatz betr. „Die wahrhaftige Morgendäm-
merung“ oben E. 3.3.5.1.
3.3.9 Das Geständnis von A. in Bezug auf die Herstellung und Veröffentlichung des
Videos „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ deckt sich mit dem Ergebnis der
Ermittlungen. Das Video ist aktenkundig (pag. 10.2.3). A. tritt darin als Kommen-
tator und Gesprächspartner des Interviewten auf. Insofern sind die Handlungen
von A. bezüglich Herstellung und Publikation von „Die wahrhaftige Morgendäm-
merung“ erstellt.
In der Folge ist zu prüfen, ob „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ Propaganda
im Sinne des Gesetzes darstellt, was A. bestreitet. Es sind somit die Propagan-
daeigenschaften des fraglichen Videoerzeugnisses zu untersuchen.
3.3.10 Die Anklage wirft A. vor, „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ im Internet veröf-
fentlicht zu haben (AS Ziff. 1.1.1.5, S. 13 f.). Der Verein D. habe es sodann in Z.
vorgeführt. Das ist unbestritten und erstellt. A. hat das Filmerzeugnis somit zu
Handen der Allgemeinheit publiziert und die im Videoerzeugnis geäusserten Ge-
danken damit an Dritte gerichtet.
3.3.11 Zum angeklagten Inhalt des Videos und somit zur Propaganda ergibt sich Fol-
gendes:
3.3.11.1 a) Wie oben ausgeführt, soll „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ gemäss An-
klageschrift E. als gemässigte Integrationsfigur, zentralen Brückenbauer und un-
abhängigen Vermittler zwischen den jihadistischen Faktionen inszenieren. Fer-
ner charakterisiere das Video E. als inoffiziellen geistigen oder spirituellen Führer
der Jaysh Al Fath und es verschleiere seine tatsächliche und offenkundige Zu-
gehörigkeit zu Al Qaida (s. dazu oben E. 3.3.4 a; AS Ziffer 1.1.1.4, S. 10). Bezo-
gen auf Al Qaida soll E. sich mit deren Ideologie identifizieren aber auch den
Anschluss an das internationale Al Qaida-Netzwerk vollzogen haben oder Ver-
treter und Mitglied des engeren Führungszirkels der Al Nusra sein (s. oben
E. 3.3.2 a).
Was die Anklageschrift mit vollzogenem Anschluss an das internationale Al
Qaida-Netzwerk genau meint, ist nicht klar. An anderer Stelle führt sie auf, dass
E. „Mitglied des engeren Führungszirkels der Al Nusra“ gewesen sei.
Zu den Erkenntnissen über E. wird auf E. 3.2.11.3 verwiesen. Wie dort bereits
festgehalten, geht daraus nicht hervor, dass er 2015 bei der Kern-Al Qaida oder
Al Nusra eine führende Position besass oder dass er die Befugnis hatte, die Al
Qaida zu vertreten. Auch nicht erstellt ist eine vollzogene Mitgliedschaft bei der
- 58 -
Al Nusra. Erstellt ist indessen, dass sich E. wiederholt als unabhängig bezeichnet
jedoch stets die Al Qaida und deren Führung gerühmt hat. Er hat seine Missbilli-
gung des IS, als Gegner der Al Qaida, dargelegt und die Al Nusra mit seinen
Äusserungen aber auch mit deren Stärkung durch die Gründung der Jaysh Al
Fath unterstützt. Er hat sich als Befürworter der Al Qaida und deren Ideologien
dargestellt. Erstellt ist auch, dass E. zu Gesprächen mit Führungspersonen der
verschiedenen Kampfgruppen, insbesondere der Al Nusra und dem IS empfan-
gen wurde, was zeigt, dass er als eine wichtige Figur betrachtet wurde. Seine
bedeutende Position zeigt sich auch aus dem Umstand, dass er als Mitgründer
der Jaysh Al Fath gewirkt hat und dort in geistlichen Fragen eine Führungsfigur
darstellt. Aufgrund der Bedeutung, welche die Bündnismitglieder der religiösen
Ordnung zumessen, ist die Autoritätsposition, die E. in diesem Bereich zukommt,
gewichtig. Als religiöser Führer der Jaysh al Fath ist er religiöser Führer der dazu
gehörenden Organisationen und somit auch der Al Nusra.
b) Die Anklageschrift führt weiter auf, das Verhältnis zwischen A. und E. werde
im Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ kameradschaftlich und herzlich
dargestellt und A. gebe durch die verwendeten, ehrerbietigen Anreden für E. dem
Zuschauer zu verstehen, dass er E. als (s)eine religiöse und ideologische Auto-
rität anerkenne (s. dazu oben E. 3.3.4 d; AS Ziffer 1.1.1.4, S. 11).
A. begründet dies mit der Befolgung der üblichen lokalen Umgangsformen und
der beabsichtigten Inszenierung zur Erzeugung von Emotionen (s. oben
E. 3.3.5.1). Dass ein Videohersteller gegenüber den Protagonisten den üblichen
Anstand wahrt oder (manchmal auch um die Durchführung des Interviews nicht
zu gefährden) zu wahren hat, ist bekannt. Vorliegend stellt sich jedoch die Frage,
ob die Verwendung der Aufnahme, welche die herzliche Beziehung zwischen
dem Hersteller und dem Protagonisten zeigt, der Propaganda diente. Dies ist zu
bejahen. A. selbst sagt, die Begrüssungsszene mit E. sei inszeniert gewesen um
Emotionen zu erzeugen. Die Emotionen, die eine durch eine liebevolle Begeg-
nung und ein fröhliches Zusammensein mit einer Person erzeugt werden, sind
offensichtlich positiv. Dem Zuschauer wird die Freude eines solchen Kontaktes
bzw. die Sympathie von A. zu E. übermittelt. Insofern zeigt das Video „Die wahr-
haftige Morgendämmerung“ das Wohlwollen des Videoherstellers zu E., dem
geistigen Führer der Jaysh Al Fath (bzw. der dazugehörenden Gruppierungen)
und Befürworter der Ideologie der Al Qaida. Dadurch wird eine positive Haltung
zur Al Qaida-Ideologie vermittelt.
c) Die in arabischer Sprache hörbaren Texte der in der Anklage erwähnten Na-
schids (oben E. 3.3.4 e) lauten:
„Ich schwöre, ich schwöre, schwöre, Sie werden uns in jedem Tal
antreffen,
- 59 -
Wenn sich Banner erheben, Jene Banner des Jihad, […], Er sagte,
oh Soldaten der Fahnen, ich werde euch im Nahkampf sehen, Seid
Blitz und Donnerschläge und beschiesst sie mit Pfeilen! [2x]; Und
beschiesst sie mit Pfeilen! So greift sie und tötet sie, wo immer ihr
sie findet! Und schlagt auf alle Finger, ihr werdet sie mit Blut über-
fluten […].“ (Naschid 1).
„Oh Ritter, der Widerwillen empfand gegen den Verzicht [auf den
Jihad], verzärtelt; er sah den Jihad als sein Leben an und rückte vor
Er lehnte die Unterwürfigkeit in [der] Niedrigkeit ab, bis er auf dem
[Schlacht-]Feld der Helden ein inspiriertes Schwert wurde; Mich
führt nicht in die Irre, wenn unter ihnen einer sagt, der Mudschahed
hat auf dem Feld ein Verbrechen begangen Ich werde mich weiter-
hin, oh mein Volk, nach meinem Zweck sehnen, bis ich durch ihn
das Martyrium erlange, mich [in den Willen Allahs] ergebend.“
(Naschid 2).
Die Naschids beziehen sich somit auf den gewaltsamen Jihad. Ein Kampflied
gegen Zion mit Aufruf zum Töten ist grundsätzlich antisemitisch. Der Aufruf zum
gewaltsamen Jihad durch die Begleitmusik zu einem Video über die Jaysh Al
Fath und die von dieser eroberten Gebiete, glorifiziert deren militärisches Wirken
und somit auch jenes der dazugehörenden und militärisch operierenden Al
Nusra.
Das Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ stellt somit Propaganda für die
Al Nusra und deren gewaltsamen Jihad und somit auch für die Ideologie der Al
Qaida dar.
3.3.11.2 Weitere angeklagte Videoinhalte (dazu s. E. 3.3.4) sind hingegen entweder nicht
rechtsgenügend erstellt oder stellen nicht Propaganda für die Al Qaida dar.
Allfällige Propaganda für die Sharia, die islamische Rechtsordnung, die funda-
mentalistische Befolgung einer Religion, den Jihad usw. sind nicht per se Propa-
ganda für die Al Qaida. Ferner ist auch die angeklagte weltweite Stärkung der
Anziehungskraft und die Förderung der Entfaltung krimineller Aktivitäten der Al
Qaida weder erstellt noch rechtsgenügend umschrieben, wobei die Vertreterin
der Anklage anlässlich ihres Parteivortrages explizit auf Ausführungen zur Sub-
sumierung des Tatbestandes „Förderung auf andere Weise" verzichtet hat
(TPF pag. 6.920.10).
3.3.11.3 Dass A. anlässlich der Skype-Video-Konferenz vom 5. Dezember 2015 dem Pub-
likum gesagt haben soll, er habe am selben Tag zusammen mit Mitgliedern der
Al Nusra die Frontlinie besucht (s. oben E. 3.3.1 und AS Ziffer 1.1.1.6), ist durch
die aktenkundige Videoaufnahme dieser Videokonferenz widerlegt (s. oben
- 60 -
E. 3.3.7.1). In diesem Auftritt spricht A. jedoch als Macher des vorzuführenden
Filmes über den Film und die damit verbundenen Erfahrungen in Syrien. Mit sei-
ner als Filmemacher angekündigten Präsenz und seinem Auftritt hat A. die Vor-
führung und das Video beworben.
3.3.12 Schliesslich ist der Vorsatz bestritten. A. gibt an, seine Absicht habe darin be-
standen, den IS zu durchleuchten und aufzuzeigen, was aus islamischer Sicht
an diesem falsch sei. Von der Al Qaida habe er sich öffentlich mehrfach explizit
distanziert.
3.3.12.1 Quellen zu der in der Voruntersuchung genannten mehrfachen und expliziten
Distanzierung von Al Qaida nennt A. nicht. Wesentlich ist indessen, ob das Video
„Die wahrhaftige Mordendämmerung“ Propaganda für Al Qaida darstellt. In die-
sem Video hat A. sich nicht von Al Qaida distanziert, sondern die Propaganda
als solche verbreitet, wobei er die Veröffentlichung des Videos wollte und die
Publikation von Anfang an beabsichtigte.
3.3.12.2 Dass der IS in der islamischen Welt nicht vollständige Unterstützung erfährt bzw.
Gegenstand von militärischen und ideologischen Auseinandersetzungen ist, ist
allgemein bekannt. Die im Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ gegen-
über dem IS geäusserte Kritik betrifft sodann nicht Punkte, die den schweizeri-
schen Gesetzgeber verlasst haben, sowohl die Al Qaida wie auch den IS zu ver-
bieten (weiteres dazu s. oben E. 3.2.12.2).
3.3.12.3 A. befasst sich mit der Thematik des Jihads und dessen Protagonisten und Po-
sitionen sind ihm bekannt. Er hat das Video erstellt und die dort wahrnehmbaren
akustischen und visuellen Äusserungen einbezogen. Er hat in Kenntnis des Vi-
deo-Inhalts für dessen Verbreitung gesorgt. Der Verherrlichung des gewaltsa-
men Jihads der Jaysh al Fath hat A. nichts entgegengesetzt; er stellte die ent-
sprechende Propaganda ungefiltert, ohne kritische Relativierung (z.B. durch ent-
sprechende Kommentare, Hintergrundinformationen, Rahmenberichte o.ä.) her.
Hingegen hat er die positive Gesinnung zum geistigen Führer der Jaysh al Fath
resp. der Al Nusra inszeniert und die jihadistischen Ideologien dieser Gruppie-
rung durch die Musikauswahl untermauert. Diese ausschliesslich positiven Dar-
stellungen hat er selbst gesteuert, er handelte mit Vorsatz.
3.3.13 Fazit
Mit der Herstellung und Veröffentlichung des Videos „Die wahrhaftige Morgen-
dämmerung“ und mit seinem Auftritt via Videokonferenz vom 5. Dezember 2015
hat A. Propaganda für Al Nusra und die Ideologie der Al Qaida betrieben und sich
damit der Widerhandlung gegen Art. 2 AQ/IS-Gesetz i.V.m Art. 1 lit. a AQ/IS-
Gesetz schuldig gemacht.
- 61 -
Zur Anklage gegen B. (AS Ziffer 1.2)
AS Ziffer 1.2.1 und 1.2.1.1 und 1.2.1.3
„Absegnen und Veröffentlichung der Propaganda-Videos“
4.1.1 Zusammengefasst wirft die Anklageschrift dem Beschuldigten B. vor, zwischen
September 2015 und Januar 2016 (AS Ziffer 1.2.1.) die Veröffentlichung der Vi-
deos „Exclusive Interview“ (nachfolgend Exklusivinterview) und „al-Fajr as-Sâdiq“
(nachfolgend „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ bzw. Titel in der deutschen
Übersetzung) in seiner Funktion als Vorstandsmitglied und Vorsteher des „De-
partements für Public Relations und Information“ des Vereins D. vorgängig ab-
gesegnet und somit veranlasst zu haben (AS Ziffer 1.2.1.1.). Die Videos seien
durch A. produziert worden (AS Ziffer 1.2.1.1.). B. habe für die Veröffentlichung
der Videos „verantwortlich gezeichnet“ (AS Ziffer 1.). Vor und nach der Veröffent-
lichung habe A. zusammen mit B. und C. via soziale Medien und einer öffentli-
chen Veranstaltung die Videos aktiv beworben (AS Ziffer 1.). Die Videos seien
über die Social-Media-Kanäle des Vereins D. in einer grossangelegten Werbe-
kampagne beworben worden und zwar das Exklusivinterview vom 7. bis zum
20. November 2015 und das Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ vom
26. November bis zum 18. Dezember 2015. Bis zum 20. Juli 2017 sei das „Exclu-
sive Interview“ auf der Online-Plattform Youtube 109‘243 Mal und das Video „al-
Fajr as-Sâdiq“ 25‘347 Mal angesehen worden (AS Ziffer 1.2.1.1.).
Durch die Veröffentlichung der Propaganda-Videos habe der führende Al Qaida-
Vertreter in Syrien E. eine prominente, mehrsprachige und multimediale Platt-
form erhalten, um seine eigene Person sowie die Ideologie der von ihm vertrete-
nen terroristischen Organisation Al Qaida vorteilhaft darzustellen und zu propa-
gieren (AS Ziffer 1). Die Videos würden der Propaganda für E. und für die Dach-
organisation Jaysh Al Fath – deren integralen, grossen und zentralen Bestandteil
die Al Nusra bilde – dienen (AS Ziffer 1.2.1.1). Die Al Qaida werde in ihrer Anzie-
hungskraft gestärkt sowie gegenüber den bestehenden und potentiellen Mitglie-
dern resp. Unterstützern weltweit gestärkt und somit in der Entfaltung ihrer krimi-
nellen Aktivitäten gefördert (AS Ziffer 1.).
Durch Absegnen und Veröffentlichung (AS Ziffer 1.2.1.1.) der Videos „Exclusive
Interview“ und „al-Fajr as-Sâdiq“ habe B. (vorsätzlich, AS Ziffer 1.2.1.3.) für die
Gruppierung Al Qaida oder für eine mit dieser verwandten Organisation, Propa-
gandaaktionen organisiert resp. deren Aktivitäten auf andere Weise gefördert
(AS Ziffer 1.2.1.).
4.1.2 Zur Person von E. führt die Anklageschrift aus, er sei der führende Al Qaida-
Vertreter in Syrien (AS Ziffer 1 und AS Ziffer 1.2.1.1.) bzw. die Al Qaida werde
von ihm vertreten (AS Ziffer 1.).
- 62 -
Aus der Umschreibung des B. in subjektiver Hinsicht erhobenen Vorwurfs ist zu-
dem zu entnehmen, dass E. der Al Qaida zugehörig sei und intensive Kontakte
zum engsten Führungszirkel der Al Qaida gepflegt habe, er habe sich früher als
„Bewunderer“ des ISI gesehen und habe zum Ziel gehabt, insbesondere die Al
Nusra mit dem IS zu versöhnen (AS Ziffer 1.2.1.3.).
4.1.3 Aussagen zur Sache tätigte B. im Vorverfahren grundsätzlich keine (pag.
12.1.18 ff.; 13.2.14 ff.; s. auch oben E. 3.2.5.). Anlässlich seiner Einvernahme
vom 18. April 2016 als Auskunftsperson erklärte er, der Verein D. erachte das
Verfahren gegen A. als politisch motiviert. Im Rahmen eines politischen Verfah-
rens sei er nicht bereit, Fragen zu beantworten (pag. 12.1.19 f.).
Anlässlich der Hauptverhandlung verwies B. grundsätzlich auf die durch die Ver-
teidigung eingereichte schriftliche Stellungnahme des Vereins D. vom 21. April
2018 (nachfolgend Bericht; TPF pag. 6.932.3 und TPF pag. 6.522.80 ff.; s. auch
oben E. 3.2.5.).
In seinem Schlusswort übernahm B. die Verantwortung für die Publikationen des
Vereins D. Er habe die Hintergründe der in den Videos auftretenden Akteure,
soweit es ihm im Rahmen einer summarischen Online-Recherche möglich gewe-
sen sei, überprüft. Möglicherweise hätten vereinzelte Journalisten E. bereits vor
der Produktion von A. einen „Nusra Anführer” genannt. Es sei davon auszuge-
hen, dass jene Journalisten der syrischen Regime-Propaganda aufgesessen
seien. Wer sich mit der syrischen Situation beschäftige, wisse, dass solche Zu-
schreibungen gerade in Kreisen des Assad-Regimes, dessen Verbündeten und
Sympathisanten, ganz allgemein auf Rebellen angewandt würden, um deren
Wahrnehmung als Freiheitskämpfer abzuwerten und ihnen das Label „Terroris-
ten” aufzudrücken. Gegen eine Mitgliedschaft von E. zu Al Nusra oder Al Qaida
spreche, dass E. sich konsequent als unabhängig bezeichne; dass er bei den
syrischen Oppositionsgruppen als Vermittler anerkannt sei und, dass weder er
noch die Jaysh al Fath im relevanten Zeitraum auf einer international anerkann-
ten und öffentlich zugänglichen Terrorliste verzeichnet gewesen seien, auch
nicht auf der für die Schweiz massgeblichen UN-Sanktionsliste, die vom SECO
nachgeführt werde. Bei E. handle es sich nach landläufiger Terminologie um ei-
nen Islamisten, weil er in Syrien gegen das Regime Al Assad aktiv den Jihad
führe, eventuell sogar um einen Jihadisten. Jedoch sei nicht jeder Islamist, der
einen Jihad führe, automatisch den Reihen der Al Qaida oder des IS zuzuschrei-
ben. Die Videos hätten die Dekonstruktion der IS-Narrative beabsichtigt; der
Name Al Qaida sei darin nie vorgekommen. Die Werbung für Al Qaida oder den
IS sei verboten, was er verstehen könne. Es könne aber nicht angehen, dass
jede unliebsame Spielart des Islams mit Al Qaida oder dem IS parallelisiert
- 63 -
werde, so dass am Ende eine vermeintlich strafbare Handlung resultiere
(TPF pag. 6.925.111 ff.).
4.1.4 Zu den Aussagen von A. und C. im Vorverfahren wird auf die obigen E. 3.2.4;
E. 3.2.4.1-3 und E. 3.2.6 sowie E. 3.3.5, E. 3.3.5.1 ff. und E. 3.3.6 verwiesen.
Konfrontationseinvernahmen erfolgten keine.
Anlässlich der Hauptverhandlung verwiesen auch A. und C. auf den durch deren
Verteidigung eingereichten Bericht (s. auch Bst. O. und E. 3.1.1 sowie E. 3.2.6).
4.1.5 B., A. und C. äusserten sich ausserhalb des Strafverfahrens und teilweise auch
vor Eröffnung der Voruntersuchung, als Vorstandsmitglieder des Vereins D., zu
den durch A. hergestellten Videos oder zu den Vorwürfen der Strafuntersu-
chungsbehörde (s. auch E. 3.2.7; E. 3.2.7.1 ff.).
Zunächst äusserte sich C. in einem am 13. November 2015 auf der Internetseite
des Vereins D. veröffentlichten Interview (zum Ganzen s. E. 3.2.7.1). Im Rahmen
eines vom Verein D. organisierten Anlasses vom 5. Dezember 2015 in Z., an
welchem ein von A. hergestelltes Video vorgeführt wurde, unterhielt sich B. mit-
tels Skype-Übertragung aus dem Ausland mit A., u.a. auch zum Vorwurf der Al
Qaida-Propaganda (zum Ganzen s. E. 3.2.7.2). C. hielt dort sodann eine Anspra-
che (s. E. 3.2.7.3). Am 21. Dezember 2015 lud der Verein D. zu einer Presse-
konferenz, an welcher auch A. und C. teilnahmen (s. E. 3.2.7.4), wogegen B.
gleichentags einen Tweet veröffentlichte, worin er erklärte, als Kommunikations-
chef die Verantwortung für das „E. Interview“ zu übernehmen, dessen Publikation
er abgesegnet habe (s. dazu auch E. 3.2.7.5).
4.1.6 Zum Bericht und dessen Inhalt wird auf die Zusammenfassung in E. 3.2.8 bzw.
E. 3.2.8.1-3.2.8.5 verwiesen. Ferner auf deren in E. 3.2.9 bzw. E. 3.2.9.1-3.2.9.2
beschriebenen Beilagen.
B., A. und C. liessen den Bericht einreichen und verwiesen in ihren gerichtlichen
Stellungnahmen darauf. Inhaltlich entspricht der Bericht somit den von B., A. und
C. vertretenen Positionen.
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Anklagevorwurf bezieht sich der Be-
richt auf die Internet-Publikation (via Youtube) zweier Videos mit den Titeln
„AR/EN/FR/DE al-Fajr as-Sâdiq - The True Dawn in Syria (12/2015)“ („Die wahr-
haftige Morgendämmerung“) und „AR/EN/FR/DE - Exclusive Interview with E. -
«The Islamic State and I»“ (Exklusivinterview), welche A. Ende September/ an-
fangs Oktober 2015 in Syrien gedreht habe (TPF pag. 6.522.80 ff.).
A, B. und C. hätten in guter Absicht und im Rahmen der Präventionsarbeit des
Vereins D. gegen den IS-Extremismus gehandelt (vgl. Bericht Ziffer I.1).
- 64 -
Wie vor jeder Publikation habe sich der Vorstand summarisch vergewissert, dass
keine geltenden Gesetze verletzt würden. Dass eine Propaganda für Al Qaida
vermutet werden könne, sei dem Vorstand gar nicht in den Sinn gekommen, zu-
mal diese Organisation, bzw. ihre lokale Filiale Al Nusra, in den Produktionen
nicht erwähnt würden und sich darüber hinaus die allgemeinere Kritik des Vereins
D. am theologischen Extremismus über weite Teile auch auf die Ideologie der Al
Qaida anwenden liesse (vgl. Bericht Ziffer I.3). Sie hätten auch nach bestem Wis-
sen und Gewissen Abklärungen getroffen, ob E. oder die Jaysh al Fath in der
Schweiz als terroristisch eingestuft seien (TPF pag. 6.522.80 ff., insb. …84).
Sie würden das Strafverfahren als politisch motiviert verstehen, mit dem Ziel, den
Verein D. zu stigmatisieren (TPF pag. 6.522.80 ff., insb. …84).
A. verwehre sich gegen den Vorwurf, wonach es sich beim Dokumentarfilm und
dem Exklusivinterview um verbotene Propaganda im Sinne des Bundesgesetzes
über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaida» und «Islamischer Staat» sowie
verwandter Organisationen handle. Dies zumal beide Erzeugnisse vor und wäh-
rend ihrer Veröffentlichung kontextualisiert worden seien. Am Tag vor der Publi-
kation des Exklusivinterviews, habe der Verein D. ein Interview mit C. veröffent-
licht, in welchem dieser sich unter anderem zu den Beweggründen für das Inter-
view geäussert habe. Das Exklusivinterview selbst sei auf der Plattform Youtube
publiziert worden. In der Video-Beschreibung sei die Intention des Produzenten
– einen authentisch wirkenden Akteur zu Wort kommen zu lassen, der sich selbst
vor Ort gegen den IS-Extremismus einsetze – erneut unterstrichen worden
(TPF pag. 6.522.80 ff., insb. …84).
Die Veröffentlichung des Dokumentarfilms „Die wahrhaftige Morgendämmerung“
sei zunächst im Rahmen einer Filmvorführung in Z. erfolgt. Unter dem Titel „For-
men des theologischen Extremismus“ habe C., Präsident des Vereins D., das
Phänomen analysiert und eindringlich vor jeder Form des theologischen Extre-
mismus gewarnt (vgl. Bericht Ziffer I.2). B. habe erklärt, warum der Verein D. es
ablehne, sich bei jedem Anschlag einer extremistischen Organisation wie dem
„IS oder ähnlich verbrämten Zeitgenossen“ förmlich zu distanzieren
(TPF pag. 6.522.80 ff., insb. …84 ff.).
4.1.7 B. anerkennt – wie die obigen Angaben im Bericht, die Äusserung im Tweet vom
21. Dezember 2015 (s. oben E. 4.1.5) und sein Schlusswort indizieren – die Ver-
öffentlichung der Videos „Exklusivinterview“ und „Die wahrhaftige Morgendäm-
merung“ gutgeheissen zu haben. Dieser Sachverhalt wird u.a. auch durch die
Aussagen von A. (pag. 13.1.19) und der Sicherstellung der Videos durch die BKP
auf dem Youtube-Portal (pag. 10.2.3) untermauert und ist insoweit erstellt.
- 65 -
4.1.8 B. bestreitet indessen den Vorwurf, für die Gruppierung Al Qaida oder für eine
mit dieser verwandten Organisation, Propagandaaktionen organisiert (resp.
deren Aktivitäten auf andere Weise gefördert) zu haben.
4.1.8.1 Dieser Vorwurf wird in der Anklageschrift damit umschrieben, dass die fraglichen
Videos der Propaganda für E. und für die Dachorganisation Jaysh al-Fath – deren
integralen, grossen und zentralen Bestandteil die Al Nusra bilde – (AS Ziffer
1.2.1.1) bzw. als Plattform für die vorteilhafte Darstellung von E. und die Ideologie
der Al Qaida dienen würden (AS Ziffer 1).
Im Anklagetext werden somit einzig die Grundmerkmale des Gesetzestextes wie-
dergegeben (Propaganda / Propagandaaktion / vorteilhafte Darstellung). Es wird
B. vorgeworfen, die Veröffentlichung verbotener Propaganda oder (verbotener)
vorteilhafter Darstellungen erlaubt/ermöglicht zu haben. Welche Bilder, Texte,
Äusserungen, Gebärden usw. Propaganda für E. und für die Dachorganisation
Jaysh al-Fath vom Vorwurf erfasst sein sollen, worin die vorteilhafte Darstellung
der Ideologie von Al Qaida und worin jene von E. bestehe, inwiefern E. Vertreter
der Al Qaida sei und wozu der Beschuldigte Dritte habe beeinflussen wollen, ist
nicht umschrieben.
Wie oben dargelegt, hat die Anklageschrift den tatsächlichen, konkreten Vor-
gang, welcher den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, darzustellen. Es sind also
nicht nur die gesetzlichen Merkmale aufzulisten oder aufzuführen, sondern es ist
anzugeben, welche einzelnen Umstände und Sachverhalte den einzelnen recht-
lichen Merkmalen entsprechen (zum Ganzen siehe oben E. 1.2). Bezogen auf
den Anklagevorwurf der Propaganda im Sinne von Art. 2 AQ/IS-Gesetz ist daher
namentlich zu umschreiben, welche Gedankenäusserung eine Werbung dar-
stellt, wozu genau und warum bzw. mit welcher Mitteilung der Beschuldigte Wer-
bung (z.B.) für Al Qaida getätigt hat oder wozu der Beschuldigte Einfluss auf die
Mitmenschen ausüben wollte und wie. Es existieren unzählige Bücher, Artikel,
Berichte usw. über Al Qaida oder über Führungspersonen von Al Qaida. Würde
z.B. dem Produzenten oder Autor dieser Erzeugnisse vorgeworfen, damit verbo-
tene Propaganda betrieben zu haben, wären diese und deren gesetzlichen Ele-
mente klar zu bezeichnen. Ein Paraphrasieren des Gesetzestextes oder eine
blosse Wiedergabe der Tatbestandselemente genügt den Subsumtionsanforde-
rungen und dem Anklageprinzip nicht.
4.1.8.2 Die Anklageschrift verweist im objektiven Anklagevorwurf gegen B. auf die Ak-
tenstellen pag. 10.02.5-6; 10.02.514; 10.02.293 und 13.02.43. Zwar finden sich
in diesen Unterlagen Hinweise zum konkreten Inhalt des Exklusivinterviews oder
zur Gestaltung des Videos „Die wahrhaftige Morgendämmerung“, dies vermag
die erforderliche Umschreibung jedoch nicht zu ersetzen, denn die Akten können
- 66 -
nicht an die Stelle der erforderlichen Umschreibung des Tatvorwurfes treten; Ak-
tenverweise dienen vielmehr der Referenzierung konkreter Beweismittel in Be-
zug auf den umschriebenen Tatvorwurf (s. dazu auch Urteile des Bundesgerichts
6B_248/2011 vom 27. Juli 2012 E. 4.2 und 4.4.1; 6B_609/2009 vom 22. Februar
2011 E. 2.3 und 2.4; 6B_107/2010 vom 22. Februar 2011 E. 3.4.1; 6B_238/2013
vom 22. November 2013 E. 5.1). Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle
jedoch darauf hinzuweisen, dass selbst wenn die in den zitierten Aktenstellen
genannten Umschreibungen oder Hinweise – namentlich, die Hinweise, dass im
Vorspann des Exklusivinterviews die Worte „E.“ und „Jaysh al Fath“ eingeblendet
werden (pag. 10.02.293) und dass via Twitter-Konto von B. die Übersetzung des
Videos „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ auf Bosnisch bekannt gegeben
wurde (pag. 13.02.43) – im Anklagevorwurf gegen B. berücksichtigt würden, dies
für sich allein den Voraussetzungen der Propaganda im Sinne des AQ/IS-Geset-
zes nicht genügt.
Die dem Beschuldigten B. in den Anklageziffern 1.2.1, 1.2.1.1 (und 1.2.1.3) als
Verstoss gegen Art. 2 des AQ/IS-Gesetz bzw. als „Absegnen und Veröffentli-
chung der Propaganda-Videos“ vorgeworfenen Taten, umschreiben und erfüllen
somit keine nach Art. 2 AQ/IS-Gesetz strafbare Handlung.
4.1.8.3 Das Gericht hat sich auch mit der Auffassung auseinandergesetzt, wonach die in
der Anklage gegen A. dargelegten Anklagesachverhalte auch gegen B. gelten
sollen.
Mittäterschaft ist nicht angeklagt. Die Verteidigung von B. erklärte im Rahmen
des Plädoyers, dass selbst, falls die gegen A. erhobenen Vorwürfe als gegen B.
„miterhoben“ betrachtet bzw. die Vorwürfe gegen B. auf diese Weise „virtuell er-
gänzt“ würden, eine Subsumtion der Jaysh al Fath als Tarn- und Nachfolgegrup-
pierung von Al Qaida oder als solche, die in Führung, Zielsetzung und Mitteln mit
dieser übereinstimmt oder in ihrem Auftrag handelt, nicht möglich wäre. Die An-
klageschrift selbst und nicht der Parteivortrag der Anklagebehörde oder die Akten
müsse den rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt enthalten (TPF pag. 6.925.66
bis 68).
Eine grundsätzliche Miterhebung von gegen eine beschuldigte Person erhobe-
nen Vorwürfen gegenüber einer Drittperson darf nicht angenommen werden, das
widerspräche dem Gebot des Anklageprinzips. Eine beschuldigte Person hat
sich mit dem gegen sie erhobenen Anklagevorwurf zu befassen. Sie hat nicht die
gegen andere beschuldigte Personen erhobenen Anklagevorwürfe zu prüfen und
abzuwägen, ob allenfalls und inwiefern diese auch gegen sie „miterhoben“ sein
könnten. Die in der Anklageschrift gegen A. beschriebenen Sachverhalte (AS Zif-
fer 1.1.1.1 bis 1.1.1.6, in mancher Hinsicht auch AS Ziffer 1.1.1.7) unterscheiden
- 67 -
sich von jenen in der Anklage gegen B. und weisen teilweise auch keinen Zu-
sammenhang dazu auf. Abgesehen davon, können Vorwürfe gegen A., ohne prä-
zisen Verweis, genau so wenig gleichzeitig als Vorwürfe gegen B. gelten, wie die
Schilderungen in der Anklage gegen B. grundsätzlich auch als Vorwürfe gegen
A. herangezogen werden können. Auch würde es nicht angehen, Anklagevor-
würfe gegen B. als gegen C. „miterhoben“ zu betrachten, oder jene gegen C., als
Vorwürfe gegen B. oder gegen A. zu behandeln. In den Anklagevorwürfen gegen
A. sind sodann einige Tatbestandsmerkmale in gewissen Vorwürfen bezeichnet,
in anderen nicht. Sie sind in verschiedenen Anklageziffern unterschiedlich ver-
streut und teilweise unterschiedlich formuliert, wobei nicht alle zu einer Verurtei-
lung führen. Unter diesen Umständen ist eine Übertragung auf den Vorwurf ge-
gen einen Dritten, ohne klaren, eingrenzenden Verweis und logisch vollziehbaren
Konnex, auch nicht praktikabel.
4.1.9 Aufgrund des Obgesagten ist B. vom Vorwurf der Widerhandlung gegen
Art. 2 AQ/IS-Gesetz durch „Absegnen und Veröffentlichung der Propaganda-Vi-
deos“ freizusprechen.
AS Ziffer 1.2.1 und 1.2.1.2 und 1.2.1.3
„Bewerbung der Propaganda-Videos“
4.2.1 Zusammengefasst wirft die Anklageschrift dem Beschuldigten B. vor, zusammen
mit A. und C. via soziale Medien und einer öffentlichen Veranstaltung, Videos,
welche von A. hergestellt wurden, aktiv beworben zu haben (AS Ziffer 1). Zwi-
schen September 2015 und Januar 2016 habe er für Al Qaida oder einer mit
dieser verwandten Organisation Propagandaaktionen organisiert, resp. deren
Aktivitäten auf andere Weise gefördert (AS Ziffer 1.2.1).
B. habe ein Interview von L. mit C. produziert, welches am 13. November 2015
mit dem Titel „C. über das Interview mit E., Syrien und den IS“ auf der Internet-
Seite des Vereins D. veröffentlicht worden sei. Darin sei die Veröffentlichung des
Exklusivinterviews auf den 14. Dezember 2015 bzw. auf den 20. November 2015
angekündigt worden und C. habe sich wie folgt geäussert (AS Ziffer 1.2.1.2):
„E. ist eine zentrale Brückenbauerfigur unter den Rebellen. Man
sagt: Wenn es zwischen zwei Rebellengruppen brennt, dann ruft E.
Dieser saudische Gelehrte hat einen unglaublich wichtigen Einfluss
auf die koordinierte Zusammenarbeit der Rebellen. Der IS möchte
ihn unbedingt beseitigen, weil es ihm gelungen ist, ein fragiles aber
dennoch funktionsfähiges Mantra der Einheit zu erzeugen. Ausser-
dem ist er eine wichtige Stimme der innerislamischen Mässigung.
Er hat sich schon sehr früh stark gegen den theologischen Extre-
- 68 -
mismus des IS aufgelehnt, nachdem er in mehreren Versuchen ge-
scheitert war, sie zur Vernunft zu bringen. Er ist kein Mann, der ein-
fach am Schreibtisch sitzt und die Drecksarbeit den anderen über-
lässt. Stets ist er bemüht, mit allen Parteien den Kontakt zu pflegen
mit dem Ziel, den Kampf in Syrien gegen das Asad Regime und
heute auch gegen den IS entschieden zu führen und sich nicht im
Detail zu verlieren.
[…]
Wir müssen uns zwei Fragen stellen: Was ist die Zielrichtung von E.
und zweitens stellt er eine direkte Gefahr für den Westen dar? Ers-
teres hat er mehrfach klar gemacht: Er kämpft zugunsten der vom
Asad Regime unterdrückten Syrer. Sie sollen in Zukunft in Freiheit
und Ehre leben können. Natürlich ist der Freiheitsbegriff von E. kein
westlicher, sondern ein islamischer. Er hat sich in der Vergangen-
heit gegen die Unterdrückung von Minderheiten ausgesprochen
und plädiert stets für Milde im Umgang etwa mit Kriegsgefangenen.
Vor allem aber ist er wohl die Autorität im Kampf gegen die IS-Ide-
ologie. Und das macht ihn für uns Muslime und sekundär wohl auch
für den Westen interessant.
[…]
Wir hatten [das Interview mit E.] gar nicht geplant. Als unsere Dele-
gation vor Ort war, und sich über die Lage an der Front zum IS in-
formierte, hat er wohl davon Wind bekommen und liess ausrichten,
dass er sich bei Interesse gerne höchstpersönlich zum Thema äus-
sern würde. Solch eine Gelegenheit bietet sich nicht alle Tage,
dachte sich die Delegation und wollte gleich ein Treffen vereinba-
ren. Doch so einfach ging es dann doch nicht. E. ist sehr auf seine
Sicherheit bedacht. Nicht nur der IS hat schon mehrmals versucht,
ihn mittels Selbstmordattentäter zur Strecke zu bringen, sondern
auch Asad und die Russen dürften hinter ihm her sein. So musste
die Delegation einige Tage zuwarten, bis es unvermittelt hiess, E.
sei nun bereit. Dann freilich hatte alles schnell zu gehen, schliess-
lich bestanden seine persönlichen Sicherheitsleute darauf, dass er
sich nicht mehr als 1-2 Stunden am selben Ort aufhält.
[…]
Davon gehe ich aus. Herr A. wird bei späterer Gelegenheit dazu
noch ausführlich berichten. Jetzt steht erstmal das Interview im Vor-
dergrund. Ich erhoffe mir davon eine innerislamische Reflexion über
- 69 -
die Ideologie des IS, die Abgrenzung zwischen legitimem Jihâd ge-
gen einen grausamen Tyrannen und blutigem Extremismus.“
Ferner habe B. sich an der Organisation eines Anlasses vom 5. Dezember 2015
in Z. beteiligt oder sei dafür verantwortlich gewesen. An diesem Anlass seien
rund 200 Personen anwesend gewesen. Im Dezember 2015 habe er für den An-
lass vom 5. Dezember 2015 in Z. mittels Flugblatt gegenüber dem Journalisten
der Wochenzeitung (WoZ) Werbung betrieben (AS Ziffer 1.2.1.2).
Durch die Organisation, Promotion und den Auftritt am Anlass vom 5. Dezember
2015 habe B. darauf hingewirkt, dass das Video “Die wahrhaftige Morgendäm-
merung“, das als Propaganda für den führenden Vertreter in Syrien E. und die
Dachorganisation Jaysh al Fath diene, ein möglichst grosses Publikum erreiche
(AS Ziffer 1.2.1.2).
Am 12. Januar 2016 habe er über das Twitter-Profil „B.“, mit der Nachricht „Syrien
Dok ‚al-Fajr as-Sâdiq‘ von @A. nun auch auf Bosnisch übersetzt“ das Video „Die
wahrhaftige Morgendämmerung“ beworben und die Twitter-Nachricht unter an-
derem mit der Bezeichnung „#E.“ in arabischer Schrift sowie mit dem Link zur
bosnischen Version des Videos versehen (AS Ziffer 1.2.1.2).
Dadurch habe B. aktiv (und vorsätzlich, AS Ziffer 1.2.1.3) dazu beigetragen, dem
führenden Al Qaida-Vertreter in Syrien E. eine prominente, mehrsprachige und
multimediale Plattform zu bieten, um dessen Person sowie die Ideologie der von
E. vertretenen Al Qaida vorteilhaft darzustellen und zu propagieren (AS Ziffer 1
und AS Ziffer 1.2.1.2.). Die Al Qaida sei in ihrer Anziehungskraft gestärkt sowie
gegenüber den bestehenden und potentiellen Mitgliedern resp. Unterstützern
weltweit gestärkt und somit in der Entfaltung ihrer kriminellen Aktivitäten geför-
dert worden (AS Ziffer 1 und AS Ziffer 1.2.1.2.).
4.2.2 Die Angaben über E. sind in dieser Anklageziffer gleich wie in der vorhergehen-
den, es kann dazu auf E. 4.1.2 verwiesen werden.
Ferner werden in dieser Anklageziffer Äusserungen von C. über E. wiedergege-
ben (s. E. 4.2.1).
4.2.3 Zu den Aussagen von B. im Rahmen des Vorverfahrens s. E. 3.2.5. B. hat keine
Aussagen zur Sache gemacht.
Anlässlich der Hauptverhandlung hat er auf den Bericht verwiesen und in seinem
Schlusswort zusammenfassend Stellung genommen (siehe dazu E. 4.1.3).
4.2.4 Zu den Aussagen von A. und C. im Vorverfahren s. E. 3.2.4, E. 3.2.4.1-3 und
E. 3.2.6 sowie E. 3.3.5, E. 3.3.5.1 und E. 3.3.6.
- 70 -
An der gerichtlichen Hauptverhandlung verwiesen auch A. und C. auf den Bericht
(s. auch Bst. O; E. 3.2.4 und E. 3.2.6).
4.2.5 Zu den Äusserungen von B., A. und C. ausserhalb des Strafverfahrens (so auch
betr. Äusserungen von C. in einem am 13. November 2015 auf der Internetseite
des Vereins D. veröffentlichten Interviews) s. oben E. 3.2.7 und E. 3.2.7.1.
4.2.6 Zum Bericht und dessen Inhalt wird auf die Zusammenfassung in E. 3.2.8,
E. 3.2.8.1-3.2.8.5 verwiesen. Ferner auf deren in E. 3.2.9, E. 3.2.9.1-3.2.9.2 be-
schriebenen Beilagen.
B., A. und C. liessen den Bericht einreichen und verwiesen in ihren gerichtlichen
Stellungnahmen darauf (s. E. 3.2.4, E. 3.2.5, E. 3.2.6). Inhaltlich entspricht der
Bericht somit den von B., A. und C. vertretenen Positionen.
4.2.7 Von B. anerkannt sind – wie insbesondere aus dem Bericht und dem Schlusswort
von B. zu entnehmen ist – die öffentliche Vorführung des Videos „Die wahrhaftige
Morgendämmerung“ und seine Teilnahme am fraglichen Anlass in Z.
4.2.7.1 Zu den weiteren in dieser Anklageziffer festgehaltenen Vorwürfen äusserte sich
B. nicht spezifisch bzw. wurde er nicht befragt.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sich mehrere angeklagte Handlungen
auf einen von M. verfassten Zeitungsartikel der Wochenzeitung (WoZ) vom
25. August 2016 mit dem Titel „Die Dschihadisten von Bümpliz“ (nachfolgend:
Zeitungsartikel WoZ vom 25.08.2016) beziehen.
So verweist die Anklageschrift beim Vorwurf, wonach B. das Interview mit C. vom
13. November 2015 produziert habe, auf den genannten Zeitungsartikel WoZ
vom 25.08.2016 (s. AS Fussnote 129).
Auf diesen Zeitungsartikel verweist die Anklageschrift auch bei den Vorwürfen,
wonach B. an der Organisation des Anlasses vom 5. Dezember 2015 „beteiligt,
wenn nicht dafür verantwortlich“ gewesen sei (s. AS Fussnote 130).
Weiter bezieht sich die Anklage ausschliesslich auf diesen Artikel beim angeklag-
ten Vorwurf, dass B. einem Journalisten der WoZ ein Flugblatt für den Anlass in
Z. gegeben habe (s. Anklageschrift Fussnote 133).
Neben einem Amtsbericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) vom
11. März 2016 verweist die Anklageschrift schliesslich auch auf den Zeitungsar-
tikel WoZ vom 25.08.2016 bei der Angabe, wonach am Anlass vom 5. Dezember
2015 rund 200 Personen teilgenommen hätten (s. Anklageschrift Fussnote 131).
4.2.7.2 Als Zeuge anlässlich der Hauptverhandlung befragt, bestätigte M. grundsätzlich
die Richtigkeit des Inhalts des Zeitungsartikels WoZ vom 25.08.2016 (TPF pag.
- 71 -
6.934.3 f.). Hinweise, die an der Richtigkeit der Aussagen den Zeugen zweifeln
lassen, bestehen nicht. Dass B. am Anlass vom 5. Dezember 2015 teilgenom-
men und dass er als Presseverantwortlicher des Vereins D. amtet, ist anerkannt.
Somit erscheint es plausibel, dass er sich als Produzent des fraglichen Interviews
bezeichnet hat. Zur Herausgabe des Flugblattes über den Anlass vom 5. Dezem-
ber 2015 an den Journalisten der WoZ oder zur Anzahl Teilnehmer an diesem
Anlass finden sich weder im Bericht noch im Schlusswort von B. entgegenge-
setzte oder anderslautende Angaben. Die Schilderungen von M. dazu sind glaub-
würdig und glaubhaft, es ist darauf abzustellen.
4.2.8 Durch B. bestritten ist, Propaganda für eine verbotene Organisation getätigt zu
haben.
4.2.8.1 Dieser Vorwurf wird in der Anklageschrift nicht konkret umschrieben. Keine den
Videos zu entnehmende Gedankenäusserung ist als Propaganda bezeichnet.
Im Zusammenhang mit dem Exklusivinterview zitiert die Anklageschrift Äusse-
rungen von C. im Interview vom 13. Dezember 2015. Diese sind nicht als Propa-
gandasubjekt (gemäss AQ/IS-Gesetz) angeklagt, sondern als Werbung dafür. B.
soll mit der Produktion des Interviews Werbung für (verbotene und in Videos ent-
haltene) Propaganda betrieben haben. Worin die im Exklusivinterview enthaltene
(verbotene) Propaganda bestehen soll und wozu B. eine Einwirkung auf die Zu-
schauer habe ausüben wollen, ist nicht ausgeführt.
Im Zusammenhang mit dem Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ er-
wähnt die Anklageschrift, B. habe zum Anlass vom 5. Dezember 2015 einem
Journalisten ein Flugblatt ausgehändigt. B. habe sich am Anlass vom 5. Dezem-
ber 2015 beteiligt oder er sei dafür verantwortlich gewesen. Er sei an diesem
Anlass aufgetreten, er habe ihn organisiert und promoviert. Am 12. Januar 2016
habe er sodann in seinem Twitter-Konto die Übersetzung des Videos „Die wahr-
haftige Morgendämmerung“ auf Bosnisch bekanntgegeben und die Verlinkung
dazu angebracht. Worin die im Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ ent-
haltene (verbotene) Propaganda bestehen soll und wozu B. eine Einwirkung auf
die Zuschauer habe ausüben wollen, ist nicht angegeben.
Die Anklageschrift führt aus, durch die Handlungen von B. habe dieser beigetra-
gen, dem führenden Al Qaida-Vertreter in Syrien, E., eine prominente, mehrspra-
chige und multimediale Plattform zu bieten, um seine Person und die Ideologie,
der von ihm vertretenen Al Qaida vorteilhaft darzustellen und zu propagieren.
Damit wird eine Propagandaaktion behauptet, aber nicht umschrieben. Wie oben
dargelegt, hat die Anklageschrift den tatsächlichen, konkreten Vorgang, welcher
den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, darzustellen. Es sind also nicht nur die ge-
setzlichen Merkmale aufzulisten oder aufzuführen, sondern es ist anzugeben,
- 72 -
welche einzelnen Umstände und Sachverhalte den einzelnen rechtlichen Merk-
malen entsprechen (zum Ganzen siehe oben E. 1.2). Bezogen auf den Anklage-
vorwurf der Propaganda im Sinne von Art. 2 AQ/IS-Gesetz ist daher namentlich
zu umschreiben, welche Gedankenäusserung Werbung darstellt, wozu genau
und warum bzw. mit welcher Mitteilung der Beschuldigte Werbung (z.B.) für Al
Qaida getätigt hat oder wozu der Beschuldigte Einfluss auf die Mitmenschen aus-
üben wollte und wie. Ein Paraphrasieren des Gesetzestextes oder eine blosse
Wiedergabe der Tatbestandselemente genügt den Subsumtionsanforderungen
und dem Anklageprinzip nicht.
4.2.8.2 Die Anklageschrift verweist im objektiven Anklagevorwurf gegen B. auf die Ak-
tenstellen pag. 10.01.8; 13.02.43-44; 13.02.49 ff.; 22.1.1 ff.. Dabei handelt es
sich um den Amtsbericht des NDB vom 11. März 2016, wonach am Anlass vom
5. Dezember 2015 rund 200 Personen teilgenommen hätten; einen Bildschirm-
ausdruck der Twitter-Meldung vom Konto „B.“ vom 12. Januar 2016 bezüglich
Videoübersetzung auf Bosnisch; den Zeitungsartikel WoZ vom 25.08.2016 und
um das Interview von C. vom 13. November 2015. Diese Aktenstellen geben den
Inhalt der Videos bzw. die zur Anklage gebrachte Propaganda nicht wieder.
Die dem Beschuldigten B. in den Anklageziffern 1.2.1, 1.2.1.2 (und 1.2.1.3) als
Verstoss gegen Art. 2 des AQ/IS-Gesetz bzw. „Bewerbung der Propaganda-Vi-
deos“ vorgeworfenen Taten, umschreiben und erfüllen somit keine nach
Art. 2 AQ/IS-Gesetz strafbare Handlung.
4.2.8.3 Zur Hypothese, wonach die in der Anklage gegen A. dargelegten Anklagesach-
verhalte auch gegen B. gelten sollen bzw. die in der Anklage gegen A. dargelegte
Anklagesachverhalte, als gegen B. „miterhoben“ betrachtet bzw. die Vorwürfe
gegen B. „virtuell“ ergänzen könnten, wird auf E. 4.1.8.3 verwiesen. Dieses Vor-
gehen ist nicht rechtmässig und im Übrigen auch nicht praktikabel.
B. ist somit vollumfänglich freizusprechen.
Zur Anklage gegen C. (AS Ziffer 1.3)
AS Ziffer 1.3.1 und 1.3.1.1 und 1.3.1.3
„Bewerbung der Propaganda-Videos“
5.1.1 Zusammengefasst wirft die Anklageschrift dem Beschuldigten C. vor, sich als
Präsident des Vereins D. in einem auf der Internetseite des Vereins D. publizier-
ten Interview vom 13. November 2015 zur Entstehung des „Exclusive Interview“
(nachfolgend Exklusivinterview) und zu E. geäussert zu haben, was dazu gedient
habe, Werbung für das Exklusivinterview zu betreiben, welches bis zum 20. Juli
- 73 -
2017 109‘243 Mal angesehen worden sei (AS Ziffer 1.3.1.1). Ferner habe C., als
Präsident des Vereins D., am Anlass vom 5. Dezember 2015 in Z., in Anwesen-
heit von rund 200 Personen, eine Ansprache gehalten und mit seinem Auftritt
darauf hingewirkt, dass das Video „al-Fajr as-Sâdiq“ (nachfolgend gemäss Titel
auf Deutsch: „Die wahrhaftige Morgendämmerung“) ein möglichst grosses Pub-
likum erreiche (AS Ziffer 1.3.1.1).
Dadurch habe C. (vorsätzlich, AS Ziffer 1.3.1.2) Propagandaaktionen organisiert
(AS Ziffer 1.3.1) bzw. aktiv dazu beigetragen, dass E. eine prominente, mehr-
sprachige und multimediale Plattform geboten worden sei, um seine eigene Per-
son sowie die Ideologie der von ihm vertretenen Al Qaida vorteilhaft darzustellen
und zu propagieren, wodurch die Aktivitäten der Al Qaida resp. einer verwandten
Organisation (AS Ziffer 1.3.1) gefördert, die Al Qaida in ihrer Anziehungskraft
gegenüber bestehenden und potentiellen Mitgliedern resp. Unterstützern welt-
weit gestärkt und somit in der Entfaltung ihrer kriminellen Aktivitäten gefördert
worden sei (AS Ziffer 1 und AS Ziffer 1.3.1.1).
5.1.2 Zur Person von E. führt die Anklageschrift aus, er sei führender Al Qaida-Vertre-
ter in Syrien bzw. die Al Qaida werde von ihm vertreten (AS Ziffer 1 und AS Ziffer
1.3.1.1).
Bei der Umschreibung des Vorsatzes von C. führt die Anklageschrift zudem aus,
dass E. der Al Qaida zugehörig sei, intensive Kontakte zum engsten Führungs-
zirkel der Al Qaida in Syrien gepflegt habe, sich früher als „Bewunderer“ des ISI
gesehen habe und zum Ziel gehabt habe, insbesondere die Al Nusra mit dem IS
zu versöhnen (AS Ziffer 1.3.1.2).
5.1.3 Zu den Aussagen von C. im Vorverfahren s. E. 3.2.6.
Anlässlich der Hauptverhandlung verwies C. grundsätzlich auf die durch die Ver-
teidigung eingereichte schriftliche Stellungnahme des Vereins D. vom 21. April
2018 (nachfolgend Bericht; TPF pag. 6.523.9 ff.).
In seinem Schlusswort erklärte C. erneut, bei den in Frage stehenden Publikati-
onen sei es um die Bekämpfung des extremistischen Gedankenguts des IS und
seiner Methode gegangen. Der Verein D. halte jede Art von Gewalt oder Sabo-
tage gegen die Schweiz als illegitim, er habe die Schweizer Rechtsordnung nie
in Frage gestellt und die Sicherheit der Schweiz nie kompromittiert (TPF pag.
6.925.118 f.).
Zu den Aussagen von A. und B. im Vorverfahren wird auf die obigen E. 3.2.4,
E. 3.2.4.1-3; E. 3.2.5 und E. 3.3.5.1 verwiesen. Konfrontationseinvernahmen er-
folgten keine.
- 74 -
Anlässlich der Hauptverhandlung verwiesen auch A. und B. auf den durch deren
Verteidigung eingereichten Bericht (s. auch E. 3.2.4 und E. 3.2.5).
5.1.4 C., A. und B. äusserten sich ausserhalb des Strafverfahrens und teilweise auch
vor Eröffnung der Voruntersuchung, als Vorstandsmitglieder des Vereins D., zu
den durch A. hergestellten Videos oder zu den Vorwürfen der Strafuntersu-
chungsbehörde (s. auch E. 3.2.7, E. 3.2.7.1-5).
Zu den Äusserungen von C. in einem am 13. November 2015 auf der Internet-
seite des Vereins D. veröffentlichten Interviews vgl. E. 3.2.7.1 und pag. 10.02.10
Im Rahmen eines vom Verein D. organisierten Anlasses vom 5. Dezember 2015
in Z., an welchem ein von A. hergestelltes Video vorgeführt wurde, unterhielt sich
B. mittels Skype-Übertragung aus dem Ausland mit A., u.a. auch zum Vorwurf
der Al Qaida-Propaganda (zum Ganzen s. E. 3.2.7.2). Zur Ansprache, welche C.
an diesem Anlass hielt, vgl. E. 3.2.7.3 und TPF pag. 6.522.128a; …129 ff. Am
21. Dezember 2015 lud der Verein D. zu einer Pressekonferenz, an welcher auch
A. und C. teilnahmen (s. E. 3.2.7.4), wogegen B. gleichentags einen Tweet ver-
öffentlichte (s. dazu auch E. 3.2.7.5).
5.1.5 Zum Bericht und dessen Inhalt wird auf die Zusammenfassung in E. 3.2.8,
E. 3.2.8.1-5 verwiesen. Ferner auf deren in E. 3.2.9, E. 3.2.9.1-2 beschriebenen
Beilagen.
C., A. und B. liessen den Bericht einreichen und verwiesen in ihren gerichtlichen
Stellungnahmen darauf (s. E. 3.2.4, E. 3.2.5, E. 3.2.6). Inhaltlich entspricht der
Bericht somit den von C., A. und B. vertretenen Positionen.
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Anklagevorwurf bezieht sich der Be-
richt auf die Internet-Publikation (via Youtube) zweier Videos mit den Titeln
„AR/EN/FR/DE al-Fajr as-Sâdiq - The True Dawn in Syria (12/2015)“ („Die wahr-
haftige Morgendämmerung“) und „AR/EN/FR/DE - Exclusive Interview with E. -
«The Islamic State and I»“ (Exklusivinterview; TPF pag. 6.523.9 ff.).
C., A. und B. hätten in guter Absicht und im Rahmen der Präventionsarbeit des
Vereins D. gegen den IS-Extremismus gehandelt (vgl. Bericht Ziffer I.1).
Wie vor jeder Publikation habe sich der Vorstand summarisch vergewissert, dass
keine geltenden Gesetze verletzt würden. Dass eine Propaganda für Al Qaida
vermutet werden könne sei dem Vorstand gar nicht in den Sinn gekommen, zu-
mal diese Organisation bzw. ihre lokale Filiale Al Nusra, in den Produktionen
nicht erwähnt würden und sich darüber hinaus die allgemeinere Kritik des Vereins
D. am theologischen Extremismus über weite Teile auch auf die Ideologie der Al
Qaida anwenden liesse (vgl. Bericht Ziffer I.3). Sie hätten auch nach bestem Wis-
sen und Gewissen Abklärungen getroffen, ob E. oder die Jaysh al Fath in der
Schweiz als terroristisch eingestuft seien (TPF pag. 6.523.9 ff., insb. …13).
- 75 -
Sie würden das Strafverfahren als politisch motiviert verstehen, mit dem Ziel, den
Verein D. zu stigmatisieren (TPF pag. 6.523.9 ff., insb. …13).
A. verwehre sich gegen den Vorwurf, wonach es sich beim Dokumentarfilm und
dem Exklusivinterview um verbotene Propaganda im Sinne des Bundesgesetzes
über das Verbot der Gruppierungen Al-Qaida und Islamischer Staat sowie ver-
wandter Organisationen handle. Dies zumal beide Erzeugnisse vor und während
ihrer Veröffentlichung kontextualisiert worden seien. Am Tag vor der Publikation
des Exklusivinterviews habe der Verein D. ein Interview mit C. veröffentlicht, in
welchem dieser sich unter anderem zu den Beweggründen für das Interview ge-
äussert habe. Das Exklusivinterview selbst sei auf der Plattform Youtube publi-
ziert worden. In der Video-Beschreibung sei die Intention des Produzenten – ei-
nen authentisch wirkenden Akteur zu Wort kommen zu lassen, der sich selbst
vor Ort gegen den IS-Extremismus einsetze – erneut unterstrichen worden (vgl.
Bericht Ziffer I.2).
Die Veröffentlichung des Videos „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ sei zu-
nächst im Rahmen einer Filmvorführung in Z. erfolgt. Unter dem Titel „Formen
des theologischen Extremismus“ habe C., Präsident des Vereins D., das Phäno-
men analysiert und eindringlich vor jeder Form des theologischen Extremismus
gewarnt (vgl. Bericht Ziffer I.2). B. habe erklärt warum der Verein D. es ablehne,
sich bei jedem Anschlag einer extremistischen Organisation wie dem „IS oder
ähnlich verbrämten Zeitgenossen“ förmlich zu distanzieren (vgl. Bericht
Ziffer I.2).
5.1.6 C. anerkennt – wie die obigen Angaben im Bericht und sein Schlusswort indizie-
ren – ein am 13. November 2015 auf der Internetseite des Vereins D. publiziertes
Interview erteilt und am 5. Dezember 2015 an einem Anlass des Vereins D. in Z.
aufgetreten zu sein. Das Interview vom 13. November 2015 ist aktenkundig (pag.
10.02.10). C. hat ein Transkript seiner Rede vom 5. Dezember 2015 eingereicht
(TPF pag. 6.522.127; …128a und …129 ff.). Der äussere Sachverhalt ist insofern
erstellt.
C. bestreitet indessen den Vorwurf, für die Gruppierung Al Qaida oder für eine
mit dieser verwandten Organisation Propagandaaktionen organisiert (resp. deren
Aktivitäten auf andere Weise gefördert) zu haben.
5.1.6.1 Dieser Vorwurf wird in der Anklageschrift damit umschrieben, dass das Interview
von C. als Werbung für das Exklusivinterview gedient habe und sein Auftritt vom
5. Dezember 2015 dazu gedient habe, dass das Video „Die wahrhaftige Morgen-
dämmerung“ ein möglichst grosses Publikum erreiche, womit E. eine Plattform
für die vorteilhafte Darstellung und Propagierung seiner Person und der Ideologie
der Al Qaida erhalten habe (AS Ziffer 1.3.1.1).
- 76 -
Im Anklagetext werden somit einzig die Grundmerkmale des Gesetzestextes wie-
dergegeben (Propaganda / vorteilhafte Darstellung / Propagierung). Welche Bil-
der, Texte, Äusserungen, Gebärden usw. Propaganda für E. und für die Dachor-
ganisation Jaysh al-Fath vom Vorwurf erfasst sein sollen, worin die vorteilhafte
Darstellung der Ideologie von Al Qaida, worin jene von E. bestehe, inwiefern E.
Vertreter der Al Qaida sei und wozu der Beschuldigte Dritte habe beeinflussen
wollen, ist nicht umschrieben.
Wie oben dargelegt, hat die Anklageschrift den tatsächlichen, konkreten Vor-
gang, welcher den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, darzustellen. Es sind also
nicht nur die gesetzlichen Merkmale aufzulisten oder aufzuführen, sondern es ist
anzugeben, welche einzelnen Umstände und Sachverhalte den einzelnen recht-
lichen Merkmalen entsprechen (zum Ganzen siehe oben E. 1.2). Bezogen auf
den Anklagevorwurf der Propaganda im Sinne von Art. 2 AQ/IS-Gesetz ist daher
namentlich zu umschreiben, welche Gedankenäusserung Werbung darstellt,
wozu genau und warum bzw. mit welcher Mitteilung der Beschuldigte Werbung
(z.B.) für Al Qaida getätigt hat oder wozu der Beschuldigte Einfluss auf die Mit-
menschen ausüben wollte und wie. Es existieren unzählige Bücher, Artikel, Be-
richte, Interviews, Vorträge usw. über Al Qaida oder über Führungspersonen von
Al Qaida. Wird z.B. dem Produzenten/Autor dieser Erzeugnisse vorgeworfen, da-
mit verbotene Propaganda betrieben zu haben, sind diese und deren gesetzli-
chen Elemente klar anzugeben. Ein Paraphrasieren des Gesetzestextes oder
eine blosse Wiedergabe der Tatbestandselemente genügt den Subsumptionsan-
forderungen und dem Anklageprinzip nicht.
5.1.6.2 Die Anklageschrift verweist im objektiven Anklagevorwurf gegen C. auf die Ak-
tenstellen pag.10.01.8; 10.02.512 ff. und …514; 13.02.49 ff. und 22.01.1 ff. Dabei
handelt es sich um den Bericht des NDB vom 11. März 2016 aus welchem her-
vorgeht, dass am Anlass vom 5. Dezember 2015 rund 200 Personen teilgenom-
men haben; um den Schlussbericht der BKP vom 20. Juli 2017 aus welchem u.a.
hervorgeht, dass das Exklusivinterview bis am 20. Juli 2017 109‘243 Mal aufge-
rufen worden sei; um das Interview von C. vom 13. November 2015 und um einen
Zeitungsartikel der WoZ vom 25. August 2016. Welche in den fraglichen Videos
enthaltenen Gedankenäusserungen genau Werbung für Al Qaida darstellen und
aufgrund welcher Zusammenhänge, wird mit diesen Verweisen nicht spezifiziert
und erklärt. Im Übrigen dienen solche Verweise grundsätzlich der Referenzie-
rung konkreter Beweismittel in Bezug auf den umschriebenen Tatvorwurf. Sie
treten daher nicht an die Stelle der erforderlichen Umschreibung des Tatvorwur-
fes (s. dazu auch Urteile des Bundesgerichts 6B_248/2011 vom 27. Juli 2012
E. 4.2 und 4.4.1; 6B_609/2009 vom 22. Februar 2011 E. 2.3 und 2.4;
6B_107/2010 vom 22. Februar 2011 E. 3.4.1; 6B_238/2013 vom 22. November
2013 E. 5.1).
- 77 -
Die dem Beschuldigten C. als Verstoss gegen Art. 2 des AQ/IS-Gesetz vorge-
worfenen Taten umschreiben und erfüllen somit keine nach Art. 2 AQ/IS-Gesetz
strafbare Handlung.
5.1.6.3 Das Gericht hat sich auch mit der Auffassung auseinandergesetzt, wonach die in
der Anklage gegen A. dargelegten Anklagesachverhalte auch gegen C. gelten
sollen.
Mittäterschaft ist nicht angeklagt. Eine grundsätzliche Miterhebung der gegen
eine beschuldigte Person erhobenen Vorwürfe gegenüber einer Drittperson darf
nicht angenommen werden, das widerspräche dem Gebot des Anklageprinzips.
Eine beschuldigte Person hat sich mit dem gegen sie erhobenen Anklagevorwurf
zu befassen. Sie hat nicht die gegen andere beschuldigte Personen erhobenen
Anklagevorwürfe zu prüfen und abzuwägen, ob allenfalls und inwiefern diese
auch gegen sie „miterhoben“ sein könnten. Die in der Anklageschrift gegen A.
beschriebenen Sachverhalte (AS Ziffern 1.1.1.1 bis 1.1.1.6, in mancher Hinsicht
auch AS Ziffer 1.1.1.7) unterscheiden sich von jenen in der Anklage gegen C.
und weisen teilweise auch keinen Zusammenhang dazu auf. Abgesehen davon,
können Vorwürfe gegen A., ohne präzisen Verweis, genau so wenig gleichzeitig
als Vorwürfe gegen C. gelten, wie die Schilderungen in der Anklage gegen C.
grundsätzlich auch als Vorwürfe gegen A. herangezogen werden können. Auch
würde es nicht angehen, Anklagevorwürfe gegen B. als gegen C. „miterhoben“
zu betrachten oder jene gegen C. als Vorwürfe gegen B. zu behandeln. In den
Anklagevorwürfen gegen A. finden sich sodann Tatbestandsmerkmale in ver-
schiedenen Sachverhaltsumschreibungen unterschiedlich verstreut und teil-
weise unterschiedlich formuliert, wobei nicht alle zu einer Verurteilung führen.
Eine Übertragung auf den Vorwurf gegen einen Dritten, ohne klaren, eingrenzen-
den Verweis und logisch vollziehbaren Konnex, ist nicht rechtmässig und im Üb-
rigen auch nicht praktikabel.
Aufgrund des Obgesagten ist C. vom Vorwurf der Widerhandlung gegen
Art. 2 AQ/IS-Gesetz freizusprechen.
Strafzumessung

6.1.1 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden
des Täters. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse
sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Das Verschulden wird
nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts,
- 78 -
nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Tä-
ters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren
Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden
(Art. 47 Abs. 2 StGB).
Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für
mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der
schwersten Tat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der
angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das
gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).
6.1.2 Bei der Bildung der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB ist nach der Recht-
sprechung vorab der Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und
alsdann die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens
festzusetzen. Schliesslich ist die Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straf-
taten in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen. Das Ge-
richt hat mithin in einem ersten Schritt, unter Einbezug aller straferhöhenden und
strafmindernden Umstände, gedanklich die Einsatzstrafe für das schwerste De-
likt festzulegen. In einem zweiten Schritt hat es diese Einsatzstrafe unter Einbe-
zug der anderen Straftaten zu einer Gesamtstrafe zu erhöhen, wobei es ebenfalls
den jeweiligen Umständen Rechnung zu tragen hat (Urteile des Bundesgerichts
6B_405/2011 und 6B_406/2011 vom 24. Januar 2012 E. 5.4; 6B_1048/2010 vom
6. Juni 2011 E. 3.1; 6B_218/2010 vom 8. Juni 2010 E. 2.1; 6B_865/2009 vom
25. März 2010 E. 1.2.2; 6B_297/2009 vom 14. August 2009 E. 3.3.1;
6B_579/2008 vom 27. Dezember 2008 E. 4.2.2, je m.w.H.). Nach der Festlegung
der Gesamtstrafe für sämtliche Delikte sind die allgemeinen Täterkomponenten
zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts 6B_466/2013 E. 2.3.2). Die Strafe
ist grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens der (schwersten) an-
zuwendenden Strafbestimmung festzusetzen. Der Täter soll aufgrund mehrfa-
cher Tatbegehung nicht von einer Strafrahmenreduzierung profitieren, weshalb
der Strafrahmen für die schwerste Straftat anhand der abstrakten Strafandro-
hung und nicht der konkret höchsten verwirkten Strafe zu bestimmen ist. Die Ein-
satzstrafe für die schwerste Tat kann demnach durchaus niedriger sein als an-
dere im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigende verwirkte Ein-
zelstrafen (Urteil des Bundesgerichts 6B_483/2016 vom 30. April 2018 E. 3.5.1).
Der ordentliche Strafrahmen wird bei Vorliegen von Strafschärfungs- bzw. Straf-
milderungsgründen nicht automatisch erweitert; er ist nur zu verlassen, wenn
aussergewöhnliche Umstände vorliegen und die für die betreffende Tat ange-
drohte Strafe im konkreten Fall zu hart bzw. zu milde erscheint (BGE 136 IV 55
E. 5.8). Mit der Gesamtstrafe ist die für das schwerste Delikt gesetzlich festge-
legte Mindeststrafe in jedem Fall zu überschreiten (ACKERMANN, in: Basler Kom-
mentar, Strafrecht I, 3. Auflage, 2013, Art. 49 StGB N 121). Wenn qualifizierende
- 79 -
oder privilegierende Umstände vorliegen, ist für die Bestimmung der schwersten
Tat nicht auf den Grundtatbestand, sondern auf den entsprechend abgewandel-
ten Tatbestand abzustellen.
6.1.3 Die Strafschärfungsregel von Art. 49 Abs. 1 StGB greift nur, wenn im konkreten
Fall mehrere gleichartige Strafen ausgesprochen werden. Geldstrafen und Frei-
heitsstrafen sind ungleichartige Strafen (BGE 137 IV 57 E.4.3.1; vgl. ACKERMANN,
a.a.O., Art. 49 StGB N. 90). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abs-
trakt gleichartige Strafen vorsehen, genügt nicht (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2;
138 IV 120 E. 5.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_483/2016 vom 30. April 2018).
6.1.4 Am 1. Januar 2018 traten die Änderungen der Art. 34 sowie Art. 40 bis 43 StGB
in Kraft, womit das Sanktionenrecht revidiert wurde. Sofern es für den Beschul-
digten das mildere Recht ist, beurteilt sich die Sanktion nach den neuen Normen
(Art. 2 Abs. 2 StGB). Ob das neue im Vergleich zum alten Gesetz milder ist, be-
urteilt sich nicht nach einer abstrakten Betrachtungsweise, sondern in Bezug auf
den konkreten Fall (Grundsatz der konkreten Vergleichsmethode; BGE 135 IV
113 E. 2.2; BGE 134 IV 82 E. 6.2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_115/2011 vom
26. Juli 2011 E. 3.5). Wie nachfolgend ausgeführt wird (vgl. E. 6.2.10), hält das
Gericht für die von A. begangene mehrfache Widerhandlung gegen Art. 2 i.V.m.
Art. 1 lit. a IS/AQ-Gesetz, eine Freiheitsstrafe von gesamthaft 20 Monaten für
angemessen. Die Reduzierung der Höchstanzahl Tagessätze der Geldstrafe von
360 gemäss aArt. 34 Abs. 1 StGB auf 180 gemäss nArt. 34 Abs. 1 StGB wirkt
sich somit nicht auf die Strafe aus. Da die vorliegend auszufällende Sanktion in
einen Bereich fällt, in welchem das alte und das neue Recht gleichwertige Strafen
vorsehen, sind sämtliche Taten nach dem zum Zeitpunkt der Tatbegehung gel-
tenden Recht, dem StGB nach seiner bis zum 31. Dezember 2017 geltenden
Fassung, zu beurteilen (vgl. BGE 134 IV 121 E. 3.1).

6.2.1 A. hat sich der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 2 i.V.m. Art. 1 lit. a des
IS/AQ-Gesetzes schuldig gemacht (s. E. 3.2.13 und 3.3.13), welche jeweils mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft wird.
Wie unter Erwägungen 6.2.7 und 6.2.10 ausgeführt wird, ist vorliegend für alle
Straftaten eine Freiheitsstrafe auszusprechen, weshalb das Asperationsprinzip
greift. Folglich ist zunächst die Einsatzstrafe zu bestimmen, welche angemessen
zu erhöhen ist (Art. 49 Abs. 1 StGB; vgl. E. 6.2.10 hiernach). Der obere Strafrah-
men erhöht sich dabei auf 7 ½ Jahren Freiheitsstrafe.
6.2.2 Der heute fast 27-jährige A. ist ledig, deutscher Staatsangehöriger und verfügt
über die Niederlassungsbewilligung C. Er ist in Bern geboren und aufgewachsen.
Nach der obligatorischen Schule hat er verschiedene Ausbildungen begonnen,
- 80 -
jedoch keine abgeschlossen. Um sich im Journalismus und in der Videoproduk-
tion zu spezialisieren, hat er unterschiedliche Kurse besucht. Seit 2009 ist er Mit-
glied des Vereins D., wo er gegenwärtig als Kulturproduzent tätig ist. Gemäss
den Angaben von A. finanzieren seine Eltern dessen Lebensunterhalt. Die Spe-
sen seiner Produktionen würden vom Verein D. übernommen. Diese Einnahmen
würden ihm zum Leben ausreichen (pag. 13.01.8). Gemäss Steuererklärung aus
dem Jahre 2016 und der Veranlagungsverfügung 2015 weist A. weder ein steu-
erbares Einkommen noch Vermögen aus (TPF pag. 6.261.12 ff.). Gemäss Aus-
zug aus dem Betreibungsregister vom 22. November 2017 sind gegen A. Betrei-
bungen im Betrag von Fr. 17‘301.15 offen, wobei bei Fr. 14‘369.-- Verlustscheine
vorliegen (TPF pag. 6.261.8). Dem Strafregisterauszug sind keine Vorstrafen zu
entnehmen (TPF pag. 6.221.2). Der Leumundsbericht der Kantonspolizei Bern
vom 30. November 2017 gibt zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass.
Die persönlichen Verhältnisse und das Vorleben von A. sind insgesamt eher
neutral zu werten, obschon keine finanzielle Selbständigkeit vorliegt. Es handelt
sich beim Beschuldigten um einen Mann ohne Erwerbstätigkeit, der Schulden
und Verlustscheine aufweist und dessen Lebensunterhalt von Dritten finanziert
wird. Eine besondere Strafempfindlichkeit liegt nicht vor.
6.2.3 Die Straftatbestände, die vorliegend zu einer Verurteilung führen, sind identisch,
somit auch der ordentliche Strafrahmen. Die zur Verurteilung führenden Taten
unterscheiden sich in der Schwere kaum. Ein Video ist eher im Stil des Inter-
views/der Rede gehalten; das andere erscheint eher als Dokumentation/Erzäh-
lung. Deshalb spricht das eine Video eher das Publikum an, welches Inter-
views/Reden favorisiert und sich gerne vom Protagonisten angesprochen fühlt
und das andere eher das Publikum, das Erzählungen, bewegte Bilder und akus-
tische Betonungen mag. Beide Videos zielen auf dieselbe Propaganda/Botschaft
hin und sind daher jedes auf seine Weise gleich gewichtig. Indessen wurde das
Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ nicht nur im Internet verbreitet, son-
dern auch im Rahmen einer Veranstaltung, in einem hiezu gemieteten Saal in Z.,
den persönlich Anwesenden vorgeführt. Damit wurde eine zusätzliche Nähe zum
Zuschauer und Empfänger der Propaganda geschaffen. Wie aus dem Beginn
des Videos hervorgeht, beabsichtigte A. die Produktion dieses Videos schon vor
seiner Abreise nach Syrien. Es wird somit von der Propagandaaktion im Zusam-
menhang mit dem Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ als schwerste Tat
ausgegangen und die Einsatzstrafe im Zusammenhang mit dem Schuldspruch
gem. E. 3.3.13 festgesetzt.
6.2.4 Hinsichtlich der objektiven und subjektiven Tatkomponenten ist zu berücksichti-
gen, dass die angestrebte Konsequenz die Radikalisierung und/oder Rekrutie-
rung für den gewaltsamen Jihad im Sinne der Al Qaida ist, einer Gruppierung,
- 81 -
die auch für Terroranschläge gegen westliche Ziele bekannt ist und somit die
öffentliche Sicherheit gefährdet, was schwer wiegt. Die durch A. dafür aufgewen-
deten Mittel und Zeit waren beachtlich. Er reiste in ein Kriegsgebiet, führte auf-
wändige und professionelle Ausrüstung mit sich, kümmerte sich um die Organi-
sation und die Durchführung der Dreharbeiten und um die fachkundige Bearbei-
tung des Filmmaterials. Aufgrund der angespannten Lage in den bereisten Ge-
bieten nahm er auch Risiken auf sich. Für das Filmmaterial des Videos „Die wahr-
haftige Morgendämmerung“ bewegte sich A. zwischen verschiedenen Ortschaf-
ten, was aufgrund der Lage vor Ort einen besonderen Aufwand erforderte und
nur aufgrund der Unterstützung von E. und bewaffneter Milizen möglich war. Ins-
gesamt hatte A. ein sehr grosses Mass an Entscheidungsfreiheit. Er hat aus ei-
genem Antrieb und ohne jeglichen Druck sowie über eine Zeit von mehreren Wo-
chen die Planung, Durchführung, Vertonung und Fertigstellung des Propaganda-
videos vorangetrieben. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, von dieser Tat ab-
zusehen, auf die Produktion zu verzichten oder im Videoerzeugnis eine eindeu-
tige Ablehnung der rechtswidrigen propagandistischen Botschaft in den Vorder-
grund zu stellen und sich der Verherrlichung des gewaltsamen Jihads entgegen-
zusetzen. Hingegen hat er diese Botschaft akustisch und visuell selbst so zu-
sammengestellt und hervorgehoben, wie sie verbreitet wurde. Das Video „Die
wahrhaftige Morgendämmerung“ wurde mit seiner Beteiligung zunächst in der
Schweiz (Z.) vorgeführt, und zwar zu einem Zeitpunkt als A. die ersten medialen
Vorwürfe der Al Qaida-Propaganda im Zusammenhang mit dem Video „Exklusiv-
interview“ bereits bekannt waren. Schliesslich wurde das Video in mehreren
Sprachen (Untertitel) im Internet publiziert, womit A. der dadurch betriebenen
Propaganda bedeutende Verbreitungsreichweite verschaffte. Zu Gunsten des
Beschuldigten ist gewichtig zu berücksichtigen, dass das Propagandavideo nicht
Attentate auf schweizerischem Gebiet oder gegen Ziele mit Verbindung oder Be-
ziehungen zu schweizerischen Interessen betraf.
6.2.5 Angesichts dieser Faktoren ist liegt das Verschulden eher im mittleren Bereich.
6.2.6 Der Beschuldigte ist zum äusseren Sachverhalt grundsätzlich geständig, was
leicht strafmindernd gewertet werden kann. Im Rahmen des Strafverfahrens war
A. stets respektvoll und korrekt, was sich neutral auswirkt.
6.2.7 Im Ergebnis führen die genannten Strafzumessungsgründe für das fragliche De-
likt zu einer hypothetischen Einsatzstrafe von 14 Monaten Freiheitsstrafe.
6.2.8 Auch beim weiteren Video, das „Exklusivinterview“, ist hinsichtlich der objektiven
und subjektiven Tatkomponenten zu berücksichtigen, dass die Propaganda für
Al Qaida, einer Gruppierung, die auch für Terroranschläge gegen westliche Ziele
bekannt ist, die öffentliche Sicherheit gefährdet, was schwer wiegt. Die durch A.
- 82 -
dafür aufgewendeten Mittel und Zeit waren beachtlich. Bei seiner Reise in ein
Kriegsgebiet handelte es sich jedoch um dieselbe, die zur Produktion des Videos
„Die wahrhaftige Morgendämmerung“ führte; das Drehmaterial beider Videos
wurde daher im Rahmen einer Reise gesammelt. Mit der Publikation im Internet
in mehreren Sprachen (Untertitel) verschaffte A. dem propagandistischen Video
eine bedeutende Verbreitungsreichweite. Insgesamt hatte A. ein sehr grosses
Mass an Entscheidungsfreiheit. Er hat aus eigenem Antrieb und ohne jeglichen
Druck die Planung, Durchführung und Fertigstellung des Propagandavideos vo-
rangetrieben. Zwar war das „Exklusivinterview“ nicht von vornherein bzw. vor der
Abreise aus der Schweiz geplant, die spätere Fertigstellung wurde von A. jedoch
im selben Ausmass vorangetrieben wie beim Video „Die wahrhaftige Morgen-
dämmerung“. Es wäre für A. ein Leichtes gewesen, von dieser Tat abzusehen,
auf die Produktion zu verzichten oder im Videoerzeugnis eine eindeutige Ableh-
nung der rechtswidrigen propagandistischen Botschaft in den Vordergrund zu
stellen und sich der den Jugendlichen in der Schweiz und in Europa gerichteten
Aufforderung, sich in Syrien in den Jihad zu begeben, entgegenzusetzen. Zu
Gunsten des Beschuldigten ist gewichtig zu berücksichtigen, dass das Propa-
gandavideo nicht Attentate auf schweizerischem Gebiet oder gegen Ziele mit
Verbindung oder Beziehungen zu schweizerischen Interessen betraf.
6.2.9 Das Verschulden liegt diesbezüglich somit nicht mehr leicht, sondern knapp im
mittleren Bereich. Im Übrigen unterscheiden sich die Strafzumessungsfaktoren
nicht von jenen, die beim Video „Die wahrhaftige Morgendämmerung“ berück-
sichtigt wurden.
6.2.10 Zwischen den Widerhandlungen ist ein enger sachlicher, zeitlicher und örtlicher
Gesamtzusammenhang gegeben, eine identische Rechtsgutverletzung und auch
Parallelen der Begehungsart und der Protagonisten. Aufgrund der Tatschwere
und der Beweggründe des Beschuldigten ist aus spezialpräventiven Überlegun-
gen und zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit auch in Bezug auf die
Propagandaaktion durch das Video „Exklusivinterview“ auf eine Freiheitsstrafe
und nicht auf eine Geldstrafe zu erkennen (BGE 134 IV 97 E. 4.2; MATHYS, Leit-
faden Strafzumessung, Basel 2016, Rz. 352 ff.). Es ist eine Gesamtfreiheitsstrafe
zu bestimmen. In Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB ist in Würdigung der ob-
genannten Strafzumessungsfaktoren eine asperierte Strafe von 6 Monaten Frei-
heitsstrafe angemessen. Daraus ergibt sich eine Gesamtfreiheitsstrafe von 20
Monaten. Das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse, die sich als neutrale
allgemeine Täterkomponenten darstellen, führen zu keinem anderen Ergebnis.
6.2.11 A. hat mehrfach Medienberichte der Bundesanwaltschaft zum vorliegenden Ver-
fahren moniert und dabei das Verfahren als politisch motiviert bezeichnet (vgl.
TPF pag. 6.931.2 f.; 6.925.108; pag. B10.0201-314, pag. 13.01.59). Gemäss
- 83 -
Rechtsprechung des Bundesgerichts sind vorverurteilende Medienberichte, je
nach Schwere der Rechtsverletzung, als Strafzumessungsgrund zu gewichten
(BGE 128 IV 97 E. 3b/aa und Urteil des Bundesgerichts 6B_271/2011 vom
31. Mai 2011 E. 2.3, jeweils mit weiteren Hinweisen). Indessen findet dies vorlie-
gend keine Anwendung. A. macht keine Vorverurteilung bzw. Verletzung der Un-
schuldsvermutung geltend, sondern moniert zusammengefasst die öffentliche
Beurteilung bzw. Wertung der Gesetzeslage durch die Bundesanwaltschaft.
Diese habe in den Medienberichten offenbart, dass sie mit dem vorliegenden
Strafverfahren testen wolle, wie weit die Meinungsfreiheit gehe bzw. dass sie da-
mit überprüfen wolle, ob die aktuelle Gesetzeslage genüge oder angepasst wer-
den müsse, was nicht Aufgabe der Bundesanwaltschaft sei (pag. 13.1.59 und
TPF 6.925.108).
Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Mo-
naten und höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe
nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen
oder Vergehen abzuhalten (aArt. 42 Abs. 1 StGB). Der Strafaufschub ist die Re-
gel, von welcher grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden
darf (SCHNEIDER/GARRÉ, Basler Kommentar Strafrecht I, 3. Aufl., 2013, aArt. 42
N. 38 mit Hinweisen). Als Warnstrafe erfüllt eine bedingt ausgesprochene Strafe
vorliegend die gesetzlichen Voraussetzungen von aArt. 42 Abs. 1 StGB. A. weist
keine Vorstrafen auf, weshalb ihm der bedingte Vollzug der Strafe zu gewähren
ist.
Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz oder teilweise auf, so bestimmt
es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren (Art. 44 Abs. 1 StGB).
Die Bemessung der Probezeit richtet sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens
nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Persönlichkeit und
dem Charakter des Verurteilten sowie der Rückfallgefahr. Je grösser diese Ge-
fahr, desto länger muss die Probezeit sein, damit der Verurteilte von weiteren
Delikten abgehalten wird. Ihre Dauer muss mit anderen Worten so festgelegt
werden, dass sie die grösste Wahrscheinlichkeit zur Verhinderung eines Rück-
falls bietet. Keine Rolle spielt insoweit die Schwere der Tat (Urteil des Bundes-
gerichts 6B_140/2011 vom 17. Mai 2011 E. 7.1).
Bei A. handelt es sich um einen Ersttäter. Konkrete Hinweise auf eine erhöhte
Rückfallgefahr liegen nicht vor, die Probezeit ist demnach auf 2 Jahre anzuset-
zen.

- 84 -
Verfahrenskosten

7.1.1 Wird eine beschuldigte Person verurteilt, trägt sie die Verfahrenskosten (Art. 426
Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Haftung der verurteilten Person kann nicht weiter ge-
hen, als ein adäquater Zusammenhang zwischen dem zur Verurteilung führen-
den tatbestandsmässigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten einerseits
und den dadurch verursachten Verfahrenskosten andererseits besteht (DOMEI-
SEN, Basler Kommentar, 2. Aufl., 2014, Art. 426 StPO N. 3). Sie hat lediglich
diejenigen Kosten zu tragen, die mit der Abklärung des zur Verurteilung führen-
den Delikts entstanden sind (Urteil des Bundesgerichts 6B_1053/2014 vom
3. Dezember 2015 E. 1.2 m.w.H; GRIESSER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber
[Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl., 2014,
Art. 426 StPO N. 3).
Wird eine beschuldigte Person nur teilweise schuldig und im Übrigen freigespro-
chen, sind ihr nach der Rechtsprechung die Verfahrenskosten anteilsmässig auf-
zuerlegen, jedenfalls soweit sich die verschiedenen Anklagekomplexe klar aus-
einanderhalten lassen. Sie ist kostenpflichtig, wenn die ihr zur Last gelegten
Handlungen in einem engen und direkten Zusammenhang zu den Kosten stehen
und alle Untersuchungshandlungen hinsichtlich der entsprechenden Anklage-
punkte notwendig waren. Die anteilsmässig auf die mit einem Freispruch enden-
den Anklagepunkte entfallenden Kosten verbleiben beim Staat (Art. 426
Abs. 2 StPO). Bei der Aufteilung der Verfahrenskosten steht der Behörde ein
gewisser Ermessensspielraum zu (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_151/2014
vom 4. Dezember 2014 E. 3.2 mit Hinweisen).
Sodann können einer beschuldigten Person, die freigesprochen wurde oder de-
ren Verfahren eingestellt wurde, die Verfahrenskosten ganz oder teilweise aufer-
legt werden, wenn sie rechtswidrig oder schuldhaft die Einleitung des Verfahrens
bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO).
Gemäss Art. 426 Abs. 3 StPO trägt die beschuldigte Person die Verfahrenskos-
ten nicht, die der Bund oder der Kanton durch unnötige oder fehlerhafte Verfah-
renshandlungen verursacht hat. Die Verfahrenshandlungen müssen bei objekti-
ver Betrachtungsweise schon im Voraus unnötig oder fehlerhaft sein (Urteil des
Bundesgerichts 6B_1255/2016 vom 24. Mai 2017 E. 1.3 mit Hinweis auf Urteil
6B_523/2014 vom 15. Dezember 2014 E. 5.3). Die angefallenen Kosten sind in
diesem Fall nicht mehr adäquate Folge der Straftat und können der beschuldig-
ten Person nicht auferlegt werden. Genügt beispielsweise ein Strafbefehl dem
Anklageprinzip nicht bzw. sind die konkreten Tatumstände nicht rechtsgenügend
aufgeführt, ist er mangelhaft und stellt eine fehlerhafte Verfahrenshandlung dar
(vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_936/2015 E. 3.2.1 und 3.2.2).
- 85 -
7.1.2 Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung
des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall (Art. 422 Abs. 1 StPO;
Art. 1 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über
die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR;
SR 173.713.162]). Bund und Kantone regeln die Berechnung der Verfahrenskos-
ten und legen die Gebühren fest. Sie können für einfache Fälle Pauschalgebüh-
ren festlegen, die auch die Auslagen abgelten (Art. 424 StPO).
Die Gebühren sind für die Verfahrenshandlungen geschuldet, die im Vorverfah-
ren von der Bundeskriminalpolizei und von der Bundesanwaltschaft sowie im
erstinstanzlichen Hauptverfahren von der Strafkammer des Bundesstrafgerichts
durchgeführt oder angeordnet worden sind (Art. 1 Abs. 2 BStKR). Die Höhe der
Gebühr richtet sich nach Bedeutung und Schwierigkeit der Sache, der Vorge-
hensweise der Parteien, ihrer finanziellen Situation und dem Kanzleiaufwand
(Art. 5 BStKR); sie bemisst sich nach Art. 6 und Art. 7 BStKR.
Die Auslagen umfassen die vom Bund vorausbezahlten Beträge, namentlich die
Kosten für die amtliche Verteidigung, Übersetzungen, Gutachten, Mitwirkung an-
derer Behörden, Porti, Telefonspesen und andere entsprechende Kosten
(Art. 422 Abs. 2 StPO und Art. 1 Abs. 3 BStKR). Die Übersetzungskosten, soweit
Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK nicht anwendbar ist, gehören zu den Verfahrenskosten,
die grundsätzlich vom Verurteilten zu tragen sind (BGE 133 IV 324 E. 5.2). Wie
Art. 6 Ziff. 3 lit. e EMRK sichert auch Art. 426 Abs. 3 lit. b StPO bei Fremdspra-
chigkeit der beschuldigten Person (Art. 68 StPO) in jedem Fall die unentgeltliche
Beiziehung eines Übersetzers, also selbst wenn die beschuldigte Person nicht
mittellos ist (DOMEISEN, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar,
2. Aufl., 2014, Art. 426 StPO N 17). Gemäss Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs hat der Staat unabhängig vom Verfahrensausgang die Dolmet-
scherkosten stets endgültig zu tragen (EuGRZ 6 [1979] 34 f.; GRIESSER, in: Do-
natsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozess-
ordnung, 2. Aufl., 2014, Art. 422 StPO N. 9). Die Unentgeltlichkeit des Überset-
zers gilt indessen nur für die beschuldigte Person und nur soweit, wie sie die
Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder nicht spricht. War die
Übersetzung notwendig, da ansonsten die Strafverfolgungsbehörde Schriftstü-
cke oder mündliche Äusserungen nicht verstanden hätte, ist Art. 6 Ziff. 3 lit. e
EMRK nicht anwendbar, weshalb die Übersetzungskosten der beschuldigten
Person auferlegt werden können (BGE 133 IV 324 E. 5.1; DOMEISEN, a.a.O.,
Art. 426 StPO N. 17 m.w.H.).

7.2.1 Die Bundesanwaltschaft beantragt für das Vorverfahren eine Gebühr von
Fr. 14‘000.--, welche die Gebühren der Bundesanwaltschaft (Fr. 5‘000.--) sowie
der Bundeskriminalpolizei (Fr. 9‘000.--) umfasst (TPF pag. 6.100.28). Die Gebühr
- 86 -
liegt im gesetzlichen Rahmen (Art. 6 Abs. 3 lit. b, Abs. 4 lit. c und Abs. 5 BStKR)
und erscheint angemessen. Sie ist daher in der beantragten Höhe festzusetzen.
Die Gebühr für das erstinstanzliche Hauptverfahren ist aufgrund der Bedeutung
und Schwierigkeit der Sache und des angefallenen Aufwands auf Fr. 7‘500.--
festzusetzen (Art. 5 i.V.m. Art. 7 lit. b BStKR).
7.2.2 Die Bundesanwaltschaft macht Auslagen für Übersetzungen im Gesamtbetrag
von Fr. 13‘460.-- geltend (pag. 24.01.1). Nachdem die dazu gehörenden Aufträge
und/oder Übersetzungen in den Akten nicht eruiert werden konnten, ersuchte das
Gericht am 10. Oktober 2017 die Bundesanwaltschaft um Mitteilung der entspre-
chenden Aktenstellen (TPF pag. 6.300.1). Mit Eingabe vom 31. Oktober 2017
teilte die Bundesanwaltschaft mit, dass sie die Unterlagen nicht zu den Akten
gelegt hatte und reichte diese nach (TPF 6.510 1 ff.). Daraus geht hervor, dass
die Positionen 1 und 2 der Auslagenauflistung (pag. 24.01.1) sich auf Überset-
zungsaufträge beziehen, die wegen teilweise mangelhafter Ausführung wieder-
holt werden mussten. Sie sind somit nicht einer beschuldigten Person auferleg-
bar. Der Auftrag gemäss Position 4 des Kostenverzeichnisses ist weiterhin nicht
eruierbar und somit ebenfalls nicht einer beschuldigten Person auferlegbar.
Damit verbleiben für das Vorverfahren die Auslagen gemäss Position 3 des Kos-
tenverzeichnisses der Bundesanwaltschaft in der Höhe von Fr. 7‘699.55, welche,
gemäss nachgereichten Akten, mit der Transkription und Übersetzung der ver-
fahrensgegenständlichen Videos in Zusammenhang stehen (TPF pag.
6.510.11 ff.). Die Auslagen des Gerichts belaufen sich auf Fr. 86.50 und sind im
Zusammenhang mit der Zeugeneinvernahme entstanden (TPF pag. 6.761.1).

7.3.1 A. wird teilweise schuldig gesprochen. Er hat grundsätzlich die rechtswidrig und
schuldhaft verursachten Verfahrenskosten zu tragen.
Zur Gebühr: Der Aufwand im Zusammenhang mit dem Vorverfahren und dem
Gerichtsverfahren bezog sich auf drei beschuldigte Personen im gleichen Um-
fang. Die Gebühren betreffen den jeweiligen Beschuldigten somit im Umfang von
je 1/3. Der Freispruch von A. bezieht sich auf die Anklageziffer 1.1.1.1. Bezogen
auf das Gesamtverfahren hat dieser Vorwurf kaum einen Mehraufwand verur-
sacht. A. sind somit rund 1/3 der Gebühren von insgesamt
Fr. 21‘500.-- bzw. Fr. 7‘160.-- aufzuerlegen.
Zu den Auslagen: Die Transkribierung und Übersetzung der von A. hergestellten
Videos mit Aussagen in arabischer Sprache stehen in kausalem Zusammenhang
mit der Untersuchung der Straftaten für welche er verurteilt wird. In Anwendung
von Art. 426 Abs. 1 und 2 StPO hat A., welcher der Verfahrenssprache mächtig
ist, diese Auslagen (Fr. 7‘699.55) zu tragen. Hingegen sind die Gerichtsauslagen
- 87 -
in der Höhe von Fr. 86.50 nicht A. auferlegbar, denn die sie verursachende Zeu-
geneinvernahme stand im Zusammenhang mit dem Vorwurf gegen B.
Zusammengefasst sind A. Verfahrenskosten im Umfang von Fr. 14‘859.55 (Ge-
bühren von insgesamt Fr. 7‘160.-- und Auslagen von Fr. 7‘699.55) aufzuerlegen.
7.3.2 Die auf B. und C. entfallenen Verfahrenskosten sind aufgrund der Freisprüche
von der Eidgenossenschaft zu tragen (Art. 426 Abs. 1 StPO e contrario).
Entschädigung der amtlichen Verteidiger
Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung wird in Bundesstrafverfahren
nach dem Anwaltstarif des Bundes – gemäss Reglement des Bundesstrafge-
richts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in
Bundesstrafverfahren (BStKR; SR 173.713.162) – festgesetzt (Art. 135
Abs. 1 StPO).
Die Anwaltskosten umfassen das Honorar und die notwendigen Auslagen, na-
mentlich für Reise, Verpflegung und Unterkunft sowie Porti und Telefonspesen
(Art. 11 Abs. 1 BStKR). Das Honorar wird nach dem notwendigen und ausgewie-
senen Zeitaufwand bemessen. Der Stundenansatz beträgt mindestens 200 und
höchstens 300 Franken (Art. 12 Abs. 1 BStKR). Die Auslagen werden im Rahmen
der Höchstansätze aufgrund der tatsächlichen Kosten vergütet (Art. 13 BStKR).
Bei besonderen Verhältnissen kann ein Pauschalbetrag vergütet werden (Art. 13
Abs. 4 BStKR). Bei Fällen im ordentlichen Schwierigkeitsbereich, d.h. für Verfah-
ren ohne hohe sachliche oder rechtliche Komplexität, beträgt der Stundenansatz
gemäss ständiger Praxis der Strafkammer Fr. 230.-- für Arbeitszeit und
Fr. 200.-- für Reise- und Wartezeit (Beschluss des Bundesstrafgerichts
BK.2011.21 vom 24. April 2012 E. 2.1; Urteil des Bundesstrafgerichts
SN.2011.16 vom 5. Oktober 2011 E. 4.1). Der Stundenansatz für Praktikanten
beträgt praxisgemäss Fr. 100.-- (Urteile des Bundesstrafgerichts SK.2010.28
vom 1. Dezember 2011 E. 19.2; SK.2010.3 vom 5. Mai 2010 E. 8.4; Urteil des
Bundesgerichts 6B_118/2016 vom 20. März 2017 E. 4.4.1).

8.2.1 Fürsprecher Burkard wurde mit Verfügung vom 26. April 2017 (recte 2018) als
amtlicher Verteidiger eingesetzt (TPF pag. 6.952.1ff.). Für die Zeit vom 29. April
2018 bis zum 25. Mai 2018 (recte 15. Juni 2018, bzw. Datum Urteilseröffnung)
macht Fürsprecher Burkard einen Honoraraufwand von Fr. 14‘645.85 sowie Aus-
lagen in der Höhe von Fr. 2‘220.-- geltend, wobei er einen Stundenansatz von
Fr. 250.-- berechnet (TPF pag. 6.925.96 ff.). Die Urteilseröffnung vom 15. Juni
2018 von rund 60 Minuten wurde mit 240 Minuten zu hoch geschätzt, weshalb
der Aufwand um 180 Minuten zu kürzen ist. Im Übrigen ist der geltend gemachte
- 88 -
Zeitaufwand angemessen. Das vorliegende Verfahren weist keinen grossen Ak-
tenumfang auf und stellte in rechtlicher Hinsicht keine überdurchschnittliche An-
forderung an die Verteidigung in einem Bundesstrafverfahren. Gründe für die Ge-
währung eines Fr. 230.-- übersteigenden Stundenansatzes für den Arbeitsauf-
wand liegen nicht vor (s. oben E. 8.1). Die geltend gemachten Auslagen sind
nicht zu beanstanden. Somit ist Fürsprecher Burkard für die amtliche Verteidi-
gung in der Zeit vom 26. April 2018 bis und mit 15. Juni 2018 von der Eidgenos-
senschaft mit insgesamt Fr. 15‘120.-- zu entschädigen (inkl. Fr. 2‘200.-- Ausla-
gen).
8.2.2 Rechtsanwalt Hirni wurde mit Verfügung vom 30. November 2017 mit Wirkung
ab 13. November 2017 als amtlicher Verteidiger von B. bestellt (TPF pag. 6.952.1
ff.). Für die Zeit vom 15. November 2017 bis zum 15. Juni 2018 macht Rechts-
anwalt Hirni einen Honoraraufwand von Fr. 26‘410.95 und Auslagen in der Höhe
von Fr. 2‘970.20 geltend. Der geltend gemachte Zeitaufwand erscheint ange-
messen. Die geschätzte Zeit für die Urteilseröffnung im Umfang von 120 Minuten
wird inkl. Nachbesprechung gutgeheissen. Das vorliegende Verfahren weist kei-
nen grossen Aktenumfang auf und stellte in rechtlicher Hinsicht keine überdurch-
schnittliche Anforderung an die Verteidigung in einem Bundesstrafverfahren.
Gründe für die Gewährung eines Fr. 230.-- übersteigenden Stundenansatzes für
den Arbeitsaufwand liegen nicht vor. Daher ist der geltend gemachte Stundean-
satz in der Höhe von Fr. 250.-- auf Fr. 230.-- zu kürzen. Ferner ist die Reise-
/Wartezeit mit einem Stundenansatz von Fr. 200.-- und die Tätigkeit des Prakti-
kanten nicht mit Fr. 125.--, sondern mit Fr. 100.-- pro Stunde zu entschädigen
(s. oben E. 8.1). Die geltend gemachten Auslagen sind nicht zu beanstanden.
Somit ist Rechtsanwalt Hirni für die amtliche Verteidigung in der Zeit vom 13. No-
vember 2017 bis zum 15. Juni 2018 von der Eidgenossenschaft mit insgesamt
Fr. 24‘547.20 (inkl. MWSt) zu entschädigen.
8.2.3 Fürsprecher Bürge wurde durch die Bundesanwaltschaft als amtlicher Verteidi-
ger von C. mit Wirkung ab 19. September 2016 bestellt (pag. 16.02.3 f.). Die
Strafkammer ist zur Festlegung seiner Entschädigung zuständig (Art. 135
Abs. 2 StPO). Der Verteidiger beantragt mit Kostennote vom 15. Mai 2018 die
Ausrichtung eines Honorars von total Fr. 34‘973.65 (TPF pag. 6.925.102 ff.). Das
vorliegende Verfahren weist keinen grossen Aktenumfang auf und stellte in recht-
licher Hinsicht keine überdurchschnittliche Anforderung an die Verteidigung in
einem Bundesstrafverfahren. Gründe für die Gewährung eines Fr. 230.-- über-
steigenden Stundenansatzes für den Arbeitsaufwand liegen nicht vor (s. oben
E. 8.1). Daher ist der geltend gemachte Stundenansatz in der Höhe von
Fr. 250.-- auf Fr. 230.-- zu kürzen. Die geltend gemachten Leistungen einer Dritt-
person (ev. Praktikanten) sind nicht umschrieben bzw. ausgewiesen und somit
nicht zu entschädigen. Die Honorarnote weist auffallend viele Besprechungen,
- 89 -
Telefonate und E-Mails auf, nicht nur mit dem Klienten, sondern auch mit Mitar-
beitern oder Mitarbeiterinnen des Vereins D. und mit den übrigen Parteienvertre-
tern. Diese sind um 4 Stunden angemessen zu kürzen. Der geltend gemachte
Zeitaufwand im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung und der Nachbespre-
chung des Urteils ist überhöht. Bei einem Freispruch kann eine Stunde Nachbe-
sprechungszeit anerkannt werden. Insgesamt ist der Zeitaufwand für die Haupt-
verhandlung inklusive Nachbesprechungszeit somit um 6 Stunden zu kürzen Die
geltend gemachten Auslagen sind nicht zu beanstanden. Somit ist Fürsprecher
Bürge für die amtliche Verteidigung von der Eidgenossenschaft insgesamt mit
rund Fr. 29‘600.-- (inkl. MWSt) zu entschädigen.
Entschädigung bei Freispruch
Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das
Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer
Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte sowie für
wirtschaftliche Einbussen, die ihr aus notweniger Beteiligung am Strafverfahren
entstanden sind (Art. 429 Abs. 1 lit. a und lit. b StPO). Gemäss Art. 429
Abs. 2 StPO prüft die Strafbehörde den Anspruch auf Entschädigung von Amtes
wegen.

9.2.1 A. wird im Anklagepunkt 1.1.1.1 freigesprochen. Im Verhältnis zu den Anklage-
ziffern, die zu einem Schuldspruch geführt haben, betrifft diese Anklageziffer we-
niger als einen Zehntel des Gesamtverfahrens, weshalb in Berücksichtigung des
angemessenen Aufwandes der amtlichen Verteidigung (s. oben E. 8.2.1) und der
Honorarnote von Fürsprecher Burkard für die Zeit vor dem 27. April 2018 (auch
diese angepasst auf den Stundenansatz von Fr. 230.--), der Entschädigungsan-
spruch von A. auf pauschal Fr. 2‘120.-- festzulegen ist.
Nach Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO hat die beschuldigte Person, welche zu den
Verfahrenskosten verurteilt wird, dem Bund die Entschädigung der amtlichen
Verteidigung zurückzuzahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlau-
ben. Bei reduzierter Auferlegung der Verfahrenskosten ist der Beschuldigte zu
verpflichten, die Kosten der amtlichen Verteidigung bloss im reduzierten Umfang
der Eidgenossenschaft zurückzuzahlen. Bei günstigen wirtschaftlichen Verhält-
nissen eines Beschuldigten kann die Rückzahlungspflicht im Urteil bedingungs-
los angeordnet werden, sodass sie nach Rechtskraft des Urteils vollstreckbar ist.
Wie oben festgehalten (E. 8.2.1) ist Fürsprecher Burkard für die amtliche Vertei-
digung in der Zeit vom 26. April 2018 bis und mit 15. Juni 2018 von der Eidge-
nossenschaft mit insgesamt Fr. 15‘120.-- zu entschädigen. Grundsätzlich ist A.
- 90 -
hiefür rückzahlungspflichtig (Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO). In Berücksichtigung des
Entschädigungsanspruchs in der Höhe von Fr. 2‘120.-- ist die Rückzahlungs-
pflicht in diesem Umfang bzw. auf Fr. 13‘000.-- zu reduzieren. A. ist somit zu
verpflichten, der Eidgenossenschaft vom Betrag von Fr. 15‘120.-- Ersatz im Um-
fang von Fr. 13‘000.-- zu leisten. Damit ist die zu entrichtende Entschädigung von
Fr. 2‘120.-- für die Ausübung seiner Verfahrensrechte abgegolten.
9.2.2 Rechtsanwalt Hirni macht für die Zeit vor dem 13. November 2017 ein Honorar
von Fr. 2‘289.77 (inkl. 7.7% MWSt) geltend (vgl. TPF pag. 6.722.1 ff.). Die Aus-
lagen und der Zeitaufwand erscheinen angemessen. Indessen ist der Stunden-
ansatz für anwaltliche Tätigkeit auf Fr. 230.-- und für die Tätigkeit des Praktikan-
ten auf Fr. 100.-- zu setzen (s. oben E. 8.1 und 8.2.2). Zusammengefasst betra-
gen die zu entschädigenden Positionen für die Wahlverteidigung Fr. 1‘888.50.
Zuzüglich Mehrwertsteuer von 7.7% ist die Entschädigung für die erbetene Ver-
teidigung auf total Fr. 2‘033.90 (inkl. MWSt) festzusetzen.
B. beantragt ferner eine Entschädigung / Genugtuung in der Höhe von
Fr. 200.--, bestehend aus Fr. 100.-- Entschädigung für wirtschaftliche Einbussen
und Fr. 100.-- Genugtuung (TPF pag. 6.925.79). Die beantragte Entschädigung
für Auslagen (Reise- und Übernachtungskosten) in der Höhe von Fr. 100.-- sind
zwar nicht belegt, aber nachvollziehbar.
Somit ist B. in Anwendung von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO für die Ausübung seiner
Verfahrensrechte durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 2‘033.90 zu entschädigen.
Ferner ist ihm in Anwendung von Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO eine Entschädigung
für wirtschaftliche Einbussen von Fr. 100.-- auszurichten.
Genugtuung bei Freispruch
Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das
Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie Anspruch auf Genugtuung für beson-
ders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei
Freiheitsentzug (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO).
Die für die Kostenauflage bei Freispruch erwähnten Grundsätze gelten auch bei
der Beurteilung, ob eine Entschädigung oder Genugtuung im Sinne von Art. 430
Abs. 1 lit. a StPO herabzusetzen oder zu verweigern ist (BGE 120 Ia 147 E. 3b;
112 Ia 371 E. 2a in fine; Urteil des Bundesgerichts 6B_67/2014 vom 2. Septem-
ber 2014 E. 2.3; je mit Hinweisen). Eine Kostenauflage nach Art. 426 Abs. 2 StPO
schliesst in der Regel einen Anspruch auf Entschädigung aus. Der Kostenent-
scheid präjudiziert die Entschädigungsfrage. Bei Auferlegung der Kosten ist
- 91 -
grundsätzlich keine Entschädigung auszurichten (Botschaft vom 21. Dezem-
ber 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1329 f.
Ziff. 2.10.3.1; BGE 137 IV 352 E. 2.4.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_586/2013
vom 1. Mai 2014 E. 2.4; Urteil des Bundesgerichts 6B_802/2015 vom 9. Dezem-
ber 2015 E. 5.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_414/2016 vom 29. Juli 2016
E. 2.5; je mit Hinweisen).
Materiellrechtlich beurteilt sich der Genugtuungsanspruch nach Art. 28a
Abs. 3 ZGB und Art. 49 OR. Der Verletzte kann – bei widerrechtlicher Verletzung
in seiner Persönlichkeit (Art. 28 Abs. 1 ZGB) – Genugtuung verlangen (Art. 28a
Abs. 3 ZGB). Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat An-
spruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der
Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist
(Art. 49 Abs. 1 OR). Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch
auf eine andere Art der Genugtuung erkennen (Art. 49 Abs. 2 OR). Die Genug-
tuung nach Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO gewährt den Anspruch schon aufgrund der
Tatsache, dass ein Freispruch bzw. eine Einstellungsverfügung erfolgte (WEH-
RENBERG/FRANK, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar,
2. Aufl., 2014, Art. 429 StPO N. 26). Vorausgesetzt ist nach dem Gesetz eine
besonders schwere Verletzung der persönlichen Verhältnisse. Die Botschaft
weist diesbezüglich auf Art. 28 (recte wohl: Art. 28a) Abs. 3 ZGB und Art. 49 OR
hin (BBl 2006 1329). Art. 49 Abs. 1 OR setzte in der bis 30. Juni 1985 geltenden
Fassung eine besondere Schwere der Verletzung voraus. Der geltende Art. 49
Abs. 1 OR verlangt nur mehr eine "Schwere der Verletzung". Begrifflich stellt eine
„besonders schwere“ Verletzung eine grössere Beeinträchtigung dar als eine
„schwere“ Verletzung. Der Unterschied ist aber nicht grundsätzlicher, vielmehr
gradueller Art. Jedenfalls darf ein Genugtuungsanspruch durch eine so verlangte
qualifizierte Verletzung nicht verunmöglicht werden (Urteil des Bundesgerichts
2A.350/2003 vom 5. August 2004 E. 5.4.1, betreffend eine Haftungsnorm nach
kantonalem Verantwortlichkeitsgesetz). Mit dem Hinweis in der Botschaft u.a. auf
Art. 49 OR ist davon auszugehen, dass die zu dieser Bestimmung bestehende
Lehre und Rechtsprechung massgeblich ist. Art. 49 OR gilt als Rechtsregel für
die Bemessung der Genugtuung (BREHM, Berner Kommentar, 4. Aufl., 2013,
Art. 49 OR N. 13). Es muss mithin eine gewisse Intensität der Verletzung vorlie-
gen, damit eine Genugtuung zugesprochen werden kann; nicht jede beliebige
Verletzung der Persönlichkeit gibt Anspruch auf Genugtuung (WEHREN-
BERG/FRANK, a.a.O., Art. 429 StPO N. 27; BREHM, a.a.O., Art. 49 OR N. 14a). Je
grösser das Interesse des Betroffenen am verletzten Rechtsgut ist, desto schwe-
rer wiegt auch die Verletzung (BREHM, a.a.O., Art. 49 OR N. 20). Als Beispiele
für eine Persönlichkeitsverletzung können etwa eine publik gewordene Haus-
durchsuchung, eine sehr lange Verfahrensdauer, eine breite Darlegung in den
- 92 -
Medien oder persönlichkeitsverletzende Äusserungen von Strafbehörden ge-
nannt werden (WEHRENBERG/FRANK, a.a.O., Art. 429 StPO N. 27). Die mit jedem
Strafverfahren in grösserem oder kleinerem Ausmass verbundene psychische
Belastung, Demütigung und Blossstellung gegen aussen genügt im Regelfall
nicht (SCHMID, Handbuch, N. 1816). Die Schwere einer Unbill kann nicht direkt
bewiesen werden, weil sie von der Empfindung des Geschädigten abhängt. Den-
noch gibt es aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung Anhaltspunkte für die
Gerichte. Damit sich das Gericht ein Bild von der Entstehung und Wirkung der
Verletzung machen kann, hat der Kläger die Umstände darzutun, die auf subjek-
tiv schweres Empfinden schliessen lassen. Wird die Verletzung durch den Ge-
schädigten nicht als schwer empfunden, dann fällt die Anspruchsberechtigung
auf Genugtuung weg (BREHM, a.a.O., Art. 49 OR N. 22 und 30 mit Hinweis auf
BGE 120 II 97 S. 98 f.).
Erforderlich ist, dass die erlittene Persönlichkeitsverletzung mit dem Strafverfah-
ren in einem Kausalzusammenhang im Sinne des Haftpflichtrechts steht (Urteil
des Bundesgerichts 6B_129/2016 vom 2. Mai 2016 E. 4.2 mit Hinweisen; WEH-
RENBERG/FRANK, a.a.O., Art. 429 StPO N. 9; Botschaft, BBl 2006 1329).
Die Festlegung der Genugtuungssumme beruht auf richterlichem Ermessen. Bei
der Ausübung des Ermessens kommt den Besonderheiten des Einzelfalles ent-
scheidendes Gewicht zu (Urteil des Bundesgerichts 6B_1342/2016 vom 12. Juli
2017 E. 4.2).

10.2.1
10.2.1.1 A. beantragt eine Genugtuung von Fr. 200.--. Zur Begründung führt er aus, er sei
durch das Strafverfahren und insbesondere durch die über das übliche Mass hin-
ausgehende mediale Aufmerksamkeit gegenüber seiner Person in seinen per-
sönlichen Verhältnissen verletzt worden (TPF pag. 6 925 34).
10.2.1.2 A. wird im Anklagepunkt 1.1.1.1 freigesprochen und im Übrigen schuldig gespro-
chen. Die Kostenauflage im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen präjudiziert
die Entschädigungsfrage, ein Anspruch auf Genugtuung besteht nicht (s. oben
E. 10.1). In Bezug auf die Anklageziffer 1.1.1.1 ist nicht ersichtlich worin die über
das übliche Mass hinausgehende mediale Aufmerksamkeit bestanden haben
soll. Im Übrigen werden Verfahren im Zusammenhang mit terroristischen Grup-
pierungen im Allgemeinen medial behandelt, eine besonders schwere Verletzung
der persönlichen Verhältnisse von A. liegt nicht vor. Es ist ihm keine Genugtuung
zu entrichten.

- 93 -
10.2.2
10.2.2.1 B. beantragt eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 100.-- (TPF pag. 6.925.79).
Zur Begründung führt er aus, er habe durch das Verfahren immateriellen Unbill
erlitten: Der Verein D. sei stigmatisiert und sämtliche Bankkonten des Vereins
aufgelöst worden. Veranstaltungen und Lokalitäten seien verwehrt worden und
B. habe Beschimpfungen via soziale Medien erdulden müssen, die weit über das
erträgliche Mass hinausgegangen seien. Die Bundesanwaltschaft habe sich in
den öffentlichen Äusserungen während des Verfahrens in einer weit über nor-
male Medienmitteilungen hinausgehenden Art und Weise über den Verein D. und
die Angeklagten vernehmen lassen und dazu beigetragen, dass B. schon von
Beginn weg als Schwerverbrecher und der Verein D. als verbotene Organisation
behandelt worden seien (TPF pag. 6.925.79).
10.2.2.2 B. substantiiert die obigen Angaben nicht. Auffassungen über den Verein D. oder
Abschlüsse und Kündigungen von Verträgen mit diesem, betreffen den Verein.
Im vorliegenden Strafverfahren wurden keine Bankkonti beschlagnahmt. Zudem
bestanden die Schwierigkeiten des Vereins bei Geschäftsbeziehungen, wie die
Miete von Räumlichkeiten, schon mehrere Jahre vor der Eröffnung des vorlie-
genden Strafverfahrens (s. z.B. pag. 22-01-12). Daher ist auch der erforderliche
Kausalzusammenhang nicht offensichtlich. Allfällige Beschimpfungen von B., die
überdies von der vorliegenden Strafuntersuchung ausgelöst worden wären, sind
nicht dargelegt. Mangels besonders schwerer Verletzung seiner persönlichen
Verhältnisse, ist B. keine Genugtuung auszurichten.
10.2.3
10.2.3.1 C. beantragt eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 200.--. Es sei augenscheinlich,
wie sehr sein Renommee unter dem laufenden Strafverfahren gelitten habe, wie
er in den Medien verunglimpft worden sei (TPF pag. 6.925.93). Die Bundesan-
waltschaft habe öffentlich bekannt gemacht, dass ein Strafverfahren gegen ein
Vorstandsmitglied des Vereins D. geführt wurde und den Verein D. öffentlich an
den Pranger gestellt. Durch die frühe öffentliche Bekanntmachung seien der Ver-
ein D. und seine Exponenten in der Öffentlichkeit vorverurteilt worden. Der Verein
D. sei öffentlich diffamiert und stigmatisiert worden. Damit sei die Grundlage für
die Einschränkung seiner Handlungsfähigkeit gelegt worden. Sämtliche Bank-
konten des Vereins seien aufgelöst worden, zahlreiche Bewilligungen für Veran-
staltungen seien dem Verein mit Verweis auf das vorliegende Verfahren verwei-
gert worden und Lokalitäten für Vereinsaktivitäten seien systematisch verwehrt
worden. Wegen dem Verfahren hätten verschiedene Staaten Exponenten des
Vereins D. die Einreise verweigert (TPF pag. 6.925.116 ff.).
- 94 -
10.2.3.2 Die Medienmitteilung der Bundesanwaltschaft vom 19. Dezember 2015 betraf A.
Eine Vorverurteilung von C. durch die in der NZZ vom 15. November 2016 ent-
nehmbaren Äusserungen des Bundesanwalts ist nicht ersichtlich. Der Bundes-
anwalt äussert seinen Wunsch nach Klarheit darüber, ob die Internetverbreitung
des Videos „Exklusivinterview“ strafbar sei oder nicht. Die Handlung selbst, na-
mentlich die Videoverbreitung, erfolgte auf einem allgemein zugänglichen Inter-
netportal, und war somit bereits öffentlich gemacht worden. Die Frage nach der
rechtlichen Würdigung stellt keine Vorverurteilung dar. Wo, wann und warum
Drittstaaten C. die Einreise verweigert hätten, ist nicht bekannt. Im Rahmen die-
ses Strafverfahrens erfolgten keine Pass- oder Schriftensperren ihm gegenüber.
Allfällige dem Verein D. gekündigten Bankbeziehungen, entzogenen Bewilligun-
gen oder verweigerten Lokalverwendungen wie auch einen allfälligen Kausalzu-
sammenhang zum vorliegenden Verfahren sind nicht erstellt und würden den
Verein betreffen. Die Schwierigkeiten des Vereins D. bei Geschäftsbeziehungen,
wie die Miete von Räumlichkeiten, bestanden schon mehrere Jahre vor der Er-
öffnung des vorliegenden Strafverfahrens (s. z.B. pag. 22-01-12.). Mangels be-
sonders schwerer Verletzung seiner persönlichen Verhältnisse ist C. keine Ge-
nugtuung auszurichten.

- 95 -
Die Strafkammer erkennt:
I. A.
1. A. wird freigesprochen in Bezug auf Anklageziffer 1.1.1.1.
2. A. wird schuldig gesprochen der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 2 des
Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen "Al-Qaïda" und "Islami-
scher Staat" sowie verwandter Organisationen gemäss Anklageziffern 1.1.1.2 bis
1.1.1.7.
3. A. wird bestraft mit 20 Monaten Freiheitsstrafe.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben unter Ansetzung einer Probe-
zeit von 2 Jahren.
4. A. werden Verfahrenskosten im Umfang von Fr. 14‘859.55 auferlegt.
5. Es wird keine Genugtuung ausgerichtet.
6. Fürsprecher Michael Burkard wird für die amtliche Verteidigung von A. mit
Fr. 15‘120.-- von der Eidgenossenschaft entschädigt.
A. hat vom Betrag von Fr. 15‘120.-- der Eidgenossenschaft im Umfang von Fr.
13‘000.-- Ersatz zu leisten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlau-
ben, womit eine aufgrund des Freispruchs gemäss Ziff. 1 zu entrichtete Entschä-
digung für die Ausübung der Verfahrensrechte in der Höhe von Fr. 2‘120.-- ab-
gegolten ist.
II. B.
1. B. wird freigesprochen.
2. Die auf B. anfallenden Verfahrenskosten trägt die Eidgenossenschaft.
3. B. wird durch die Eidgenossenschaft mit Fr. 2‘033.90 für die Aufwendungen im
Zusammenhang mit der erbetenen Verteidigung entschädigt.
4. B. wird von der Eidgenossenschaft für die Beteiligung am Strafverfahren mit
Fr. 100.-- entschädigt.
5. Es wird keine Genugtuung ausgerichtet.
- 96 -
6. Rechtsanwalt Lorenz Hirni wird für die amtliche Verteidigung von B. mit
Fr. 24‘547.20 (inkl. MWSt) von der Eidgenossenschaft entschädigt.
III. C.
1. C. wird freigesprochen.
2. Die auf C. anfallenden Verfahrenskosten trägt die Eidgenossenschaft.
3. Es wird keine Genugtuung ausgerichtet.
4. Fürsprecher Lukas Bürge wird für die amtliche Verteidigung von C. mit
Fr. 29‘600.-- (inkl. MWSt) von der Eidgenossenschaft entschädigt.

Dieses Urteil wird in der Hauptverhandlung eröffnet und durch den Vorsitzenden mündlich
begründet. Den Parteien wird das Urteilsdispositiv ausgehändigt.
Im Namen der Strafkammer
des Bundesstrafgerichts


Die Vorsitzende Die Gerichtsschreiberin
- 97 -
Eine vollständige schriftliche Ausfertigung wird zugestellt an
− Bundesanwaltschaft
− Fürsprecher Michael Burkard (Verteidiger)
− Rechtsanwalt Lorenz Hirni (Verteidiger)
− Fürsprecher Lukas Bürge (Verteidiger)
Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an
− Bundesanwaltschaft als Vollzugsbehörde (vollständig)

Rechtsmittelbelehrung

Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafge-
richts als erstinstanzliches Gericht, ausgenommen verfahrensleitende Entscheide, kann innert 10 Tagen
schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts geführt werden
(Art. 393 Abs. 1 lit. b und Art. 396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG).
Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung innert 10 Tagen schriftlich und begrün-
det Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts führen (Art. 135 Abs. 3 lit. a und Art.
396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG).
Mit der Beschwerde können gerügt werden: a. Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Miss-
brauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung; b. die unvollständige oder unrichtige
Feststellung des Sachverhalts; c. Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 StPO).

Beschwerde an das Bundesgericht
Gegen verfahrensabschliessende Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts kann beim Bundes-
gericht, 1000 Lausanne 14, innert 30 Tagen nach der Zustellung der vollständigen Ausfertigung Beschwerde
eingelegt werden (Art. 78, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG).
Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b
BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).



















Versand: 12. Dezember 2018


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