BStGer - RR.2019.33, RR.2019.34, RR.2019.35 - Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Brasilien. Wiederherstellung (Art. 24 Abs. 1 VwVG; Art. 80n Abs. 2 IRSG). - Beschwerdekammer: Rechtshilfe
Karar Dilini Çevir:



Entscheid vom 26. Februar 2019
Beschwerdekammer
Besetzung Bundesstrafrichter
Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz,
Andreas J. Keller und Patrick Robert-Nicoud,
Gerichtsschreiber Stephan Ebneter


Parteien

1. A.,
2. B. LTD.,
3. D. LTD.,

alle vertreten durch Rechtsanwalt Timo Fenner,

Gesuchsteller

gegen

BUNDESANWALTSCHAFT,

Gesuchsgegnerin



Gegenstand Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Brasi-
lien

Wiederherstellung (Art. 24 Abs. 1 VwVG; Art. 80n
Abs. 2 IRSG)

B u n d e s s t r a f g e r i c h t
T r i b u n a l p é n a l f é d é r a l
T r i b u n a l e p e n a l e f e d e r a l e
T r i b u n a l p e n a l f e d e r a l


Geschäftsnummer: RR.2019.33–35




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Die Beschwerdekammer hält fest, dass:

- die Bundesanwaltschaft (nachfolgend «BA») mit Schlussverfügung in
Rechtshilfesachen vom 9. Januar 2019 die Herausgabe von Kontounterla-
gen betreffend Bankverbindungen lautend auf A., B. Ltd. und C. Ltd., alle
geführt bei der Bank D., und die Aufrechterhaltung der Kontosperren betref-
fend die Bankverbindungen lautend auf A. und B. Ltd. verfügte (act. 1.5); die
Schlussverfügung am 10. Januar 2019 dem Bankinstitut zugestellt wurde
(act. 1.6);

- A., B. Ltd. und C. Ltd., alle vertreten durch Rechtsanwalt Timo Fenner, mit
vom 19. Februar 2019 datiertem (Poststempel 21. Februar 2019) Gesuch um
Fristwiederherstellung an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
gelangten mit dem Antrag, ihnen sei die Frist zur Einreichung einer Be-
schwerde gegen die Schlussverfügung sowie die Zwischenverfügungen in
Rechtshilfesachen der BA vom 9. Januar 2019 unter Erteilung der aufschie-
benden Wirkung wiederherzustellen (act. 1).



Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:

- die Verfügung der ausführenden kantonalen Behörde oder der ausführenden
Bundesbehörde, mit der das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, zu-
sammen mit den vorangehenden Zwischenverfügungen der Beschwerde an
die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts unterliegt (Art. 80e Abs. 1
IRSG); die Zuständigkeit der Beschwerdekammer auch die Beurteilung von
Gesuchen um Wiederherstellung von Fristen umfasst, bei denen sie im Falle
der Wiederherstellung über die nachgeholte Rechtshandlung zu befinden hat
(vgl. EGLI, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG,
2. Aufl. 2016, Art. 24 VwVG N. 6);

- auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten die
Bestimmungen des VwVG anwendbar sind (Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37
Abs. 2 lit. a StBOG), wenn das IRSG nicht anderes bestimmt (Art. 12 Abs. 1
IRSG);

- nach Art. 24 Abs. 1 VwVG eine ungenutzt verstrichene Frist wiederherge-
stellt wird, wenn der Gesuchsteller oder dessen Vertreter unverschuldeter-
weise abgehalten worden ist, binnen Frist zu handeln (materielle Vorausset-
zung), sofern er unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall
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des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nach-
holt (formelle Voraussetzung);

- der Gesuchsteller den Nachweis zu erbringen hat, dass die Frist wegen
eines unverschuldeten Hindernisses nicht gewahrt werden konnte, wobei die
entsprechenden Umstände zu beweisen sind und ein blosses Glaubhaftma-
chen insoweit nicht genügt (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
E-2738/2016 vom 17. Mai 2016; E-1505/2016 vom 17. März 2016; je m.w.H.;
vgl. auch EGLI, a.a.O., Art. 24 VwVG N. 7; VOGEL, in: Auer/Müller/Schindler
[Hrsg.], Kommentar zum VwVG, 2008, Art. 24 VwVG N. 18);

- vorliegend die Gesuchsteller zusammen mit dem Gesuch keine Beschwerde
erheben, womit sie – entgegen der Forderung von Art. 24 Abs. 1 VwVG –
die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt haben (vgl. Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts E-2254/2016 vom 20. April 2016; vgl. auch Urteil
des Bundesgerichts 2C_699/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 3.1, wonach die
versäumte Rechtshandlung gleichzeitig nachzuholen sei; vgl. ferner – zu
Art. 50 Abs. 1 BGG – etwa Urteil des Bundesgerichts 6B_1154/2016 vom
1. November 2016 E. 3);

- unabhängig davon nach der Rechtsprechung die Wiederherstellung nur bei
klarer Schuldlosigkeit der betroffenen Prozesspartei und ihrer Vertretung zu
gewähren ist; also auch keine bloss leichte Fahrlässigkeit vorliegen darf; ob-
jektive Unmöglichkeit zeitgerechten Handelns wie beispielsweise bei Natur-
katastrophen, Militärdienst oder schwerwiegender Erkrankung, oder subjek-
tive Unmöglichkeit in Frage kommt, wenn zwar die Vornahme einer Hand-
lung, objektiv betrachtet, möglich gewesen wäre, die betroffene Person aber
durch besondere Umstände, die sie nicht zu vertreten hat, am Handeln ge-
hindert worden ist (Urteil des Bundesgerichts 9C_821/2016 vom 2. Feb-
ruar 2017 E. 2.2);

- vorliegend die Gesuchsteller das Gesuch damit begründen, dass sie keiner-
lei Verschulden treffe, nicht in Kenntnis des Rechtshilfeverfahrens gekom-
men zu sein und bis dato nichts unternommen zu haben, da ihnen keine
Verfügungen zugestellt worden seien und sie die Bank nicht informiert habe
(act. 1);

- die Gesuchsgegnerin nicht gehalten war, den im Ausland ansässigen Ge-
suchstellern ohne Zustellungsdomizil in der Schweiz Verfügungen zuzustel-
len (vgl. Art. 80m IRSG, Art. 9 IRSV; BGE 124 II 124 E. 2d);

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- indes die Schlussverfügung der Bank zuzustellen war (vgl. BGE 130 II 505
E. 2); es an der Bank lag, die Gesuchsteller über das Vorliegen des Rechts-
hilfeersuchens und alle damit zusammenhängenden Tatsachen zu informie-
ren, um diesen die rechtzeitige Ausübung ihres Beschwerderechts zu ermög-
lichen (vgl. BGE 136 IV 16 E. 2.2; Entscheid des Bundesstrafgerichts
RR.2012.43 vom 13. Juni 2012 E. 1.3.1); sich die Gesuchsteller das Verhal-
ten ihrer Hilfspersonen, vorliegend der Bank, anrechnen lassen müssen und
sie aus deren Unterlassen somit nichts zu ihren Gunsten ableiten können
(vgl. BGE 114 Ib 67 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 1A.212/2003 vom
30. August 2004 E. 7.1; vgl. auch EGLI, a.a.O., Art. 24 VwVG N. 17; VOGEL,
a.a.O., Art. 24 VwVG N. 17);

- Art. 80n Abs. 2 IRSG, wonach der Berechtigte, der in ein hängiges Verfahren
eintritt, eine rechtskräftige Schlussverfügung nicht mehr anfechten kann,
dem Beschwerderecht der Gesuchsteller eine absolute zeitliche Grenze
setzt, die 30 Tage nach Zustellung der Schlussverfügung an die Bank am
10. Januar 2019, mithin am 11. Februar 2019 endete (vgl. Urteil des Bun-
desgerichts 1A.108/2000 vom 12. September 2000 E. 2c; vgl. auch BGE 136
IV 16 E. 2.4; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2012.43 vom
13. Juni 2012 E. 1.3.2; EYMANN, Basler Kommentar Internationales Straf-
recht, 2015, Art. 80n IRSG N. 6);

- die Gesuchsteller einräumen, dass sie von ihrem Beschwerderecht innert
Frist keinen Gebrauch machten und erst mit Schreiben vom 13. Feb-
ruar 2019 bei der Gesuchsgegnerin vorstellig wurden; sie nicht nachzuwei-
sen vermögen, dass sie unverschuldeterweise abgehalten worden wären,
binnen Frist zu handeln;

- das von vornherein unbegründete Fristwiederherstellungsgesuch ohne
Schriftenwechsel abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist (vgl. Art. 57
Abs. 1 VwVG e contrario);

- bei diesem Ausgang des Verfahrens die Gerichtskosten den Gesuchstellern
unter solidarischer Haftung aufzuerlegen sind (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG); die
Gerichtsgebühr auf Fr. 500.– festzusetzen ist (vgl. Art. 65 Abs. 5 VwVG
i.V.m. Art. 73 StBOG und Art. 5 sowie Art. 8 Abs. 3 des Reglements des
Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und
Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]);

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und erkennt:

1. Das Fristwiederherstellungsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutre-
ten ist.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.– wird den Gesuchstellern unter solidarischer
Haftung auferlegt.


Bellinzona, 26. Februar 2019

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:







Zustellung an

- Rechtsanwalt Timo Fenner
- Bundesanwaltschaft
- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe



Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn
Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde
eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die
Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von
Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem
Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1
BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme
bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im
Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG).





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