BStGer - BG.2020.35 - Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO). - Beschwerdekammer: Strafverfahren
Karar Dilini Çevir:



Beschluss vom 27. August 2020
Beschwerdekammer
Besetzung Bundesstrafrichter
Roy Garré, Vorsitz,
Cornelia Cova und Stephan Blättler,
Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien
KANTON BASEL-LANDSCHAFT, Staatsanwalt-
schaft Basel-Landschaft,
Gesuchstellerin

gegen

KANTON AARGAU, Oberstaatsanwaltschaft,
Gesuchsgegner


Gegenstand Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO)


B u n d e s s t r a f g e r i c h t
T r i b u n a l p é n a l f é d é r a l
T r i b u n a l e p e n a l e f e d e r a l e
T r i b u n a l p e n a l f e d e r a l


Geschäftsnummer: BG.2020.35


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Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft Baden führt gegen A. und B. wegen Raubüberfällen
ein Sammelverfahren. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, zwischen dem
16. September 2019 und dem 11. November 2019 zusammen insgesamt
vier bandenmässige Raubüberfälle auf Tankstellen im Kanton Aargau be-
gangen zu haben. A. soll zudem am 25. Juli 2019 eine Tankstelle in Z. (BL)
überfallen und am 28. Dezember 2019 in Basel eine Gefährdung des Lebens
und Drohung sowie Widerhandlung gegen das Waffen- und Heilmittelgesetz
begangen haben.

Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt gegen C. ein Strafverfahren.
Ihm wird vorgeworfen, am 11. Oktober 2019 mit zwei weiteren Mittätern (wo-
von einer mutmasslich A. ist) einen versuchten Raum auf die Postfiliale in
Z. (BL), einschliesslich Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte,
sowie am 17. Oktober 2019 als Einzeltäter einen vollendeten Raub auf die
Filiale der Bank D. in Y. (SO) begangen zu haben. Zudem soll er sich vom
9. Oktober 2019 bis zu seiner Verhaftung am 13. Januar 2020 rechtswidrig
in der Schweiz aufgehalten haben. Schliesslich wird C. vorgeworfen, an einer
versuchten Erpressung Mitte November 2019 in St. Gallen beteiligt gewesen
zu sein (act. 1 S. 3 f).


B. Mit Schreiben vom 4. Juni 2020 gelangte die Staatsanwaltschaft Basel-Land-
schaft an die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und ersuchte um
Übernahme des Strafverfahrens gegen C., was diese mit Schreiben vom
11. Juli 2020 ablehnte. Gleichzeitig teilte die Staatsanwaltschaft Rheinfel-
den-Laufenburg mit, dass die Staatsanwaltschaft Baden ein Sammelverfah-
ren gegen A. und B. führe (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-Land-
schaft, Ordner 3/3, Lasche 9, nicht paginiert und Verfahrensakten Staatsan-
waltschaft Baden, Ordner 4/4, Lasche 9, nicht paginiert).


C. Mit Schreiben vom 24. Juni 2020 gelangte die Staatsanwaltschaft Basel-
Land an die Staatsanwaltschaft Baden und ersuchte um Übernahme des
Strafverfahrens gegen C. Die Staatsanwaltschaft Baden liess das Gesuch
um Verfahrensübernahme der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft der
Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg zur Beantwortung zukommen.
Diese lehnte die Verfahrensübernahme mit Schreiben vom 6. Juli 2020 er-
neut ab (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Ordner 3/3,
Lasche 9, nicht paginiert).

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Im abschliessenden Meinungsaustausch zwischen der Staatsanwaltschaft
Basel-Landschaft und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau ver-
neinten diese ihre jeweilige Zuständigkeit, zuletzt der Kanton Aargau mit
Schreiben vom 28. Juli 2020 (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-
Landschaft, gelbes Mäppchen; act. 4.1).


D. Mit Gesuch vom 10. August 2020 gelangt die Staatsanwaltschaft Basel-
Landschaft an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und bean-
tragt, es seien die Strafbehörden des Kantons Aargau für berechtigt und ver-
pflichtet zu erklären, die strafrechtliche Verfolgung und Beurteilung der be-
schuldigten Personen zu übernehmen (act. 1).

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verneint in ihrer Gesuchs-
antwort vom 13. August 2020 ihre Zuständigkeit. Ihrer Ansicht nach sei der
Kanton Basel-Landschaft zuständig, das Strafverfahren gegen A. und die
weitere Beteiligten zu führen (act. 6), was dem Kanton Basel-Landschaft am
18. August 2020 zur Kenntnis gebracht wird (act. 7).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit
erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.



Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwi-
schen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Frist und Form,
vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.7 vom 21. März 2014 E. 1)
sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.


2.
2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Or-
tes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem
der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden
dieses Ortes zuständig (Art. 31 Abs. 1 StPO). Der Ausführungsort befindet
sich dort, wo der Täter gehandelt hat (BGE 86 IV 222 E. 1).

Ist eine Straftat von mehreren Mittätern verübt worden, so sind die Behörden
des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen
worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere
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Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und
Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die
mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher
Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfol-
gungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO).

Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen
mehrere Delikte, so sind Art. 33 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu
kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt wer-
den, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt
worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichts-
stand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo die Verfolgungshandlungen zu-
erst vorgenommen worden sind (vgl. hierzu u. a. die Beschlüsse des Bun-
desstrafgerichts BG.2011.49 vom 19. Januar 2012 E. 2.1; BG.2011.33 vom
28. September 2011 E. 2.2.1; BG.2011.4 vom 10. August 2011 E. 2.2.2).

2.2 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Ver-
dachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachge-
wiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Unter-
suchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos
oder sei sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht
nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorge-
worfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage
kommt. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf
den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das
schwerere Delikt anzunehmen ist (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts
BG.2014.10 vom 10. Juni 2014 E. 2.1).


3.
3.1 Unter den Parteien ist zunächst unbestritten, dass A. in der Zeit vom 16. Sep-
tember 2019 bis 11. November 2019 zusammen mit B. in bandenmässiger
Begehung vier Raubüberfälle auf Tankstellen im Kanton Aargau verübt hat.
Ebenso ist unbestritten, dass C. zusammen mit A. am 11. Oktober 2019
einen versuchten Raub auf die Postfiliale in Z. (BL) verübt hat. Unter den
Parteien ist jedoch umstritten, ob der erste Raub der Serie, nämlich der am
25. Juli 2019 verübte Raubüberfall auf eine Tankstelle in Z. (BL), unter den
qualifizierten Tatbestand des bandesmässigen Raubes (Art. 140 Ziff. 3
Abs. 2 StGB) und/oder der besonderen Gefährlichkeit (Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3
StGB) zu subsumieren ist. Der Kanton Basel-Landschaft stellt sich auf den
Standpunkt, A. habe den Raub am 25. Juli 2019 alleine und unter Verwen-
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dung eines Feuerzeugs in Form einer Pistole begangen (act. 1 S. 4 f.). Dem-
gegenüber ist der Kanton Aargau der Ansicht, es sei nicht gesichert, dass A.
den Raubüberfall auf den Tankstellenshop am 25. Juli 2019 alleine durchge-
führt habe. Auch sei nicht geklärt, ob es sich bei der fraglichen Waffe um
eine geladene Schusswaffe oder bloss um eine Schreckschusswaffe gehan-
delt habe. Das vorliegende Tatvorgehen müsse jedoch auch bei blosser Ver-
wendung einer nicht geladenen Schusswaffe oder einer täuschend ähnlich
aussehenden Attrappe als besonders kühn, verwegen, heimtückisch oder
skrupellos im Sinne der einschlägigen Bundesgerichtspraxis zur Frage der
besonderen Gefährlichkeit erachtet werden. Denn die vermeintlich gefährli-
che Waffe sei dem Opfer von hinten in den Nacken gedrückt worden, sodass
diesem der Eindruck vermittelt werden sollte, schon eine kleine abrupte Be-
wegung werde zu einer tödlichen Schussauslösung führen (act. 6 S. 2 f.).

3.2 Nach Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB ist der qualifizierte Tatbestand des Raubes
gegeben, wenn der Täter den Raub als Mitglied einer Bande ausführt, die
sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefun-
den hat.

Nach der Rechtsprechung liegt Bandenmässigkeit vor, wenn zwei oder meh-
rere Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen
zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger Straftaten
zusammenzuwirken. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob zwei oder
mehrere Täter vorhanden sind. Haben sich nur zwei Personen zur fortge-
setzten Begehung von Straftaten zusammengefunden, so kann eine ban-
denmässige Tatbegehung nicht ausgeschlossen werden, wenn gewisse
Mindestansätze einer Organisation und die Intensität des Zusammenwirkens
ein derartiges Ausmass erreichen, dass von einem bis zu einem gewissen
Grade fest verbundenen und stabilen Team gesprochen werden kann
(BGE 135 IV 158). Ist demgegenüber schon die Zusammenarbeit derart lo-
cker, dass von Anfang an nur ein sehr loser und damit völlig unbeständiger
Zusammenhalt besteht, liegt keine Bande vor (BGE 124 IV 86 E. 2b).

3.3 Was den Raubüberfall vom 25. Juli 2019 auf die Tankstelle in Z. (BL) anbe-
langt, ist zunächst festzuhalten, dass A. bestreitet, diese Tat begangen zu
haben. Der Verdacht stützt sich auf Aussagen von B. anlässlich seiner Ein-
vernahme durch die Kantonspolizei Aargau vom 19. Februar 2020. Er führte
aus, A. habe ihm erzählt, die Tankstelle in Z. (BL) überfallen zu haben. A.
habe ihm gesagt, dass er der Angestellten, als sie den Laden geöffnet habe,
gefolgt sei. Sie habe ihm das Geld in einer Tasche ausgehändigt; danach sei
er direkt nach Hause geflüchtet. Beim Überfall habe sich A. einen Strumpf
über den Kopf gezogen und eine Feuerzeugpistole benützt, die metallisch
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sei. B. wisse nicht mehr genau, wie hoch die Beute gewesen sei, er schätze
zwischen CHF 15‘000.-- und 20‘000.--. Nach dem Überfall sei A. zusammen
mit ihm in den Kosovo in die Ferien gefahren. Er habe dabei viel Geld in der
Hosentasche gehabt und habe sich sehr spendabel gezeigt. B. führte ferner
aus, er vermute, dass A. den Überfall alleine ausgeführt hätte. A. habe ihm
gesagt, dass er es hingekriegt habe und dass es mega einfach sei, so etwas
zu machen. A. habe ihn wohl überzeugen wollen, bei zukünftigen Raubüber-
fällen mitzumachen (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Baden, Ordner
3/4, Lasche 12). Die Angestellte der Tankstelle, E., führte gegenüber der
Polizei Basel-Landschaft am 25. Juli 2019 und als Auskunftsperson anläss-
lich der Einvernahme durch Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft vom
26. Juli 2019 aus, sie sei kurz vor 04.30 Uhr mit dem Auto zur Arbeit gekom-
men. Als sie die Eingangstür am Öffnen gewesen sei, sei eine unbekannte
Person erschienen und habe eine Schusswaffe auf sie gerichtet. Der unbe-
kannte Mann habe sie am Nacken/an den Haaren gepackt und sie vor sich
hin Richtung Büro/Lager gestossen. Im Büro habe sie den Tresor öffnen und
das Notengeld in eine vom Täter mitgebrachte weisse Plastiktüte mit roter
Aufschrift packen müssen. Danach habe er sie wieder am Nacken/an den
Haaren gepackt und sie zum Ausgang gestossen. Dort habe sie den Türöff-
ner drücken und neben dem Eingang auf dem Boden sitzen müssen. Als die
Türe wieder geschlossen gewesen sei, habe sie sich vergewissert, dass der
Täter wirklich weg sei (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Basel-Land-
schaft, grünes Mäppchen, nicht paginiert). Hinweise dafür, dass der Täter
den Raub zusammen mit allfälligen Mittätern ausgeführt hätte, ergeben sich
gestützt auf die Aussagen des Opfers E. keine. Auch auf den Video-Aufnah-
men zum Raubüberfall ist nur ein Täter erkennbar (vgl. Kamera 5). Liegen
keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass A. den Raubüberfall vom
25. Juli 2019 in Mittäterschaft ausgeübt haben könnte, besteht auch kein
Raum, gestützt auf den Grundsatz in dubio pro duriore vom qualifizierten
Tatbestand der bandenmässigen Begehung des Raubes im Sinne von
Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB auszugehen. Alleine gestützt auf den Umstand,
dass A. die weiteren Raubüberfälle in Mittäterschaft verübt hat, zu schlies-
sen, dass er auch den Raubüberfall auf die Tankstelle vom 25. Juli 2019 mit
weiteren Tätern begangen hat, erweist sich – zumindest gestützt auf die ge-
genwärtige Aktenlage – als haltlos. Damit bleibt zu prüfen, ob es sich beim
Raubüberfall vom 25. Juli 2019 um einen Fall besonderer Gefährlichkeit im
Sinne von Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB handelt.

3.4 Nach Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB ist der qualifizierte Tatbestand des Raubes
gegeben, wenn der Täter sonst wie, durch die Art, wie er den Raub begeht,
seine besondere Gefährlichkeit offenbart.

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Nach der Rechtsprechung ist diese Qualifikation nur mit Zurückhaltung an-
zunehmen. Dies ergibt sich daraus, dass bereits der Grundtatbestand des
Raubes einen Angriff auf das Opfer und damit begriffsnotwendig dessen
mehr oder weniger grosse Gefährdung voraussetzt. Die besondere Gefähr-
lichkeit ist nur zu bejahen, wenn die konkrete Tat nach ihrem Unrechts- oder
Schuldgehalt besonders schwer wiegt. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich auf-
grund der gesamten Tatumstände. Die besondere Gefährlichkeit lässt sich
namentlich begründen mit der professionellen Vorbereitung der Tat, dem
Überwinden moralischer und technischer Hindernisse sowie der ausgeprägt
kühnen, verwegenen, heimtückischen, hinterlistigen oder skrupellosen Art
ihrer Begehung (BGE 117 IV 135 E. 1a; 116 IV 312 E. 2e zu aArt. 139 Ziff. 2
Abs. 3 StGB; Urteile des Bundesgericht 6B_296/2017, 6B_330/2017 vom
28. September 2017 E. 8.2; 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.4.1). Nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt zur Erfüllung der besonde-
ren Gefährlichkeit nach Art. 140 Ziff. 3 Abs. 3 StGB, dass der Täter eine
konkrete Gefahr für das Opfer schafft, auch wenn es dadurch keine Verlet-
zungen davonträgt. Wer aus kurzer Distanz eine Pistole auf den Kopf des
Opfers richtet, schafft beispielsweise eine solche Gefahr, auch wenn die
Waffe dabei gesichert bzw. nicht durchgeladen ist. Eine besondere Gefähr-
lichkeit liegt sodann vor, wenn das Opfer erheblich verletzt wird, so dass die
Schwelle für das Vorliegen einer schweren Körperverletzung knapp nicht er-
reicht wird oder wenn dem Opfer erhebliche Schmerzen zugefügt werden,
ohne dass eine grausame Behandlung vorliegt (NIGGLI/RIEDO, Basler Kom-
mentar, 4. Aufl. 2019, N. 110 f. zu Art. 140 StGB). Im Rahmen der Qualifika-
tion der besonderen Gefährlichkeit berücksichtigt die Rechtsprechung auch
das Zusammenwirken mehrerer Täter sowie einen allfälligen Konsum von
Alkohol oder Betäubungsmitteln und die sich daraus ergebende Möglichkeit
unkontrollierter Handlungen (Urteil 6B_988/2013 vom 5. Mai 2014 E. 1.4.1
mit Hinweisen).

3.5 Gemäss Aussagen von B. habe A. ihm erzählt, beim Raubüberfall vom
25. Juli 2019 eine Feuerzeugpistole verwendet zu haben. Eine solche hätten
sie auch bei den Überfällen vom 16. und 20. September 2019 in X. (AG) und
W. (AG) verwendet. Dabei soll es sich um ein Feuerzeug in Form einer Pis-
tole gehandelt haben. Sie sei schwarz und aus Metall und soll vom Gewicht
her ähnlich schwer wie eine richtige Pistole sein. Nach dem Überfall in
W. (AG) habe B. die Pistole in die Lüssel geworfen, wo sie später von einem
Kind aufgefunden und von den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Ba-
sel-Landschaft sichergestellt worden sei (vgl. Einvernahmen von B. vom
19. Februar 2020 und 11. Juni 2020; Verfahrensakten Staatsanwaltschaft
Baden, Ordner 3/4, Lasche 12). A. gab anlässlich der Hafteinvernahme vom
17. Februar 2020 zu, im Jahre 2019 wiederholt im Besitze einer Schreck-
schusspistole gewesen zu sein (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft Baden,
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Ordner 2/4, Lasche 6). Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Aktenlage
bestehen gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass A. beim Raubüberfall
25. Juli 2019 eine echte Schusswaffe verwendet haben könnte. Vielmehr be-
rechtigen die Aussagen von B. und A. zur Annahme, beim Überfall sei eine
Pistolenattrappe (Feuerzeugpistole) verwendet worden. Schliesslich finden
sich in den Akten auch keinerlei Hinweise für ein besonders skrupelloses
oder brutales Vorgehen im Sinne der zitierten Rechtsprechung noch hat sich
E. dahingehend geäussert, dass ihr durch das Packen am Nacken und an
den Haaren erhebliche Schmerzen oder Verletzungen zugefügt worden wä-
ren. Derartiges ist auch nicht ohne Weiteres anzunehmen.

3.6 Damit ist der zeitlich erste Raubüberfall vom 25. Juli 2019 als einfacher Raub
im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zu qualifizieren und für die Beurtei-
lung des Gerichtsstandes der Raubserie folglich nicht relevant. Vielmehr ist
der (versuchte) Raubüberfall vom 16. September 2019 in X. (AG) als ban-
denmässig begangener Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 3 Abs. 2 StGB der
erste qualifizierte Raub der Serie und daher im Sinne von Art. 34 Abs. 1 StPO
gerichtsstandsbestimmend.


4. Nach dem Gesagten liegt der gesetzliche Gerichtsstand hinsichtlich der vor-
liegenden Delikte im Kanton Aargau. Der Antrag des Gesuchstellers ist da-
her gutzuheissen, und es sind die Strafverfolgungsbehörden des Kantons
Aargau für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die A., C. und B. zur Last
gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.


5. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO).


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Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Aargau sind berechtigt und ver-
pflichtet, die A., C. und B. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beur-
teilen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.


Bellinzona, 27. August 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:













Zustellung an

- Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft
- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau



Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.


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