BStGer - BB.2020.46, BB.2020.47 - Nichtanhandnahmeverfügung (Art. 310 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO). - Beschwerdekammer: Strafverfahren
Karar Dilini Çevir:




Beschluss vom 9. April 2020
Beschwerdekammer
Besetzung Bundesstrafrichter
Roy Garré, Vorsitz,
Andreas J. Keller und Stephan Blättler,
Gerichtsschreiber Martin Eckner


Parteien

1. A.,
2. B.,
Beschwerdeführer

gegen

BUNDESANWALTSCHAFT,
Beschwerdegegnerin

Gegenstand Nichtanhandnahmeverfügung
(Art. 310 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO)

B u n d e s s t r a f g e r i c h t
T r i b u n a l p é n a l f é d é r a l
T r i b u n a l e p e n a l e f e d e r a l e
T r i b u n a l p e n a l f e d e r a l


Geschäftsnummer: BB.2020.46-47



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Sachverhalt:

A. A. und B. reichten am 25. März 2019 bei der Bundesanwaltschaft Strafan-
zeige und Strafantrag gegen C. ein. Sie hatten ihre Ursache in einem Vor-
gang vom 25. Oktober 2018, 14.30 Uhr, in Z. A. und B. hatten damals über
die Assistance den Pannendienst aufgeboten, da ihr Geländewagen in der
Ölzufuhr einen Pfropfen aufgewiesen habe. C. habe sie in der Folge gegen
ihren Willen am Seil abgeschleppt, in hohem Tempo. Dabei sei C. offenbar
in eine Stange gefahren, was einen Schaden an der Stossstange (Fahrer-
seite) des Geländewagens hinterlassen habe. Auch sei das Automatikge-
triebe beschädigt worden. Beim Losfahren habe zudem die geöffnete Bei-
fahrertüre den ausserhalb des Fahrzeuges mit der Versicherung telefonie-
renden A. zwei Mal an der Schulter getroffen. Daraufhin sei der rechte Fuss
von A. eingeknickt. Um nicht von der Autotüre erschlagen zu werden, habe
sich A. mit einem filmreifen Stunt ins Innere des Fahrzeugs schwingen müs-
sen, wobei er sich beide Kreuzbänder angerissen habe. Gemäss Strafan-
zeige bestünden in diesem Vorfall Merkmale, die auf einen terroristischen
Hintergrund hinwiesen.


B. Am 30. März 2019 reichte A. bei der Bundesanwaltschaft eine zweite Straf-
anzeige (mit Strafantrag) ein gegen D., E. und F. A. habe aufgrund von Mob-
bings seinen Job bei der G. aufgeben müssen und eine Rente erhalten. Die
G. habe angekündigt, diese ab April 2019 nicht mehr auszurichten. A. ver-
weist auf mehrere Straftatbestände, die dadurch erfüllt würden.


C. Die Bundesanwaltschaft erliess am 11. Februar 2020 bezüglich der ersten
Strafanzeige vom 25. März 2019 eine Nichtanhandnahmeverfügung
(SV.19.0412): Der Sachverhalt zum Abschleppvorgang schildere keine straf-
baren Handlungen und habe keine strafrechtliche Relevanz.

Am 4. Februar 2020 kontaktierte die Bundesanwaltschaft betreffend die
zweite Strafanzeige vom 30. März 2019 die Generalstaatsanwaltschaft des
Kantons Bern und bat sie, ihre Zuständigkeit zu prüfen. Die Generalstaats-
anwaltschaft antwortete am 6. Februar 2020: Hinsichtlich des Sachverhalts
der zweiten Strafanzeige habe sie bereits am 29. November 2017 eine Nicht-
anhandnahmeverfügung erlassen. Sie lag ihrem Antwortschreiben bei. Die
Bundesanwaltschaft nahm daraufhin gestützt auf die zweite Strafanzeige
vom 30. März 2019 am 11. Februar 2020 ebenfalls kein Strafverfahren an
die Hand (SV.19.0446). Es bestehe das Prozesshindernis der beurteilten Sa-
che.
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D. B. und A. gelangten mit Eingabe vom 29. Februar 2020 an die Beschwerde-
kammer des Bundesstrafgerichts. Sie beantragen (act. 1 S. 9):

1. Die angefochtene Verfügung SV 19.0446 ist umgehend aufzuheben. Auf die rechtsgenügend
dargelegte und begründete Beschwerde sei einzutreten und gutzuheissen. Ansonsten sei die
Zurückweisung an die Bundesanwaltschaft anzuordnen. Aufgrund der fehlenden Rechtssicher-
heit und der offensichtlichen Befangenheit sei eine ausserkantonale Staatsanwaltschaft mit der
vorliegenden Strafrechtssache zu betrauen.

2. Verlangt wird die Berichtigung und Ergänzung der willkürlichen Sachverhaltsbehauptungen und
absurden Fehlinterpretationen der Vorinstanz, diese beruhen auf Rechtsverletzungen im Sinne
vom Art. 106. Die aufgerufenen und in das Recht gelegten tauglichen Beweismittel sind recht-
lich zu würdigen. Verlangt wird die Aufbietung von Werkstattleiter Herr H., I. Garage in Y. Ver-
langt wird die Weiterführung der Strafanzeige und eine unabhängige Untersuchung nach
rechtsstaatlichen Grundsätzen.

3. Ansonsten sei ein Beschwerdeverfahren zu eröffnen, die Möglichkeit zur Stellungnahme sei
zwingend einzuräumen und Replik- und Duplikrecht zu gewährleisten. Verlangt wird eine Par-
teianhörung.

4. Verlangt wird eine angemessene Entschädigung, Genugtuung, Schadenersatz und eine Par-
teientschädigung nach richterlichem Ermessen für die erlittene materielle und immaterielle Un-
bill, zum Nachteil der Beschwerdeführer B./A. Die bezifferten Zivilansprüche sind gemäss un-
terschriebenem Strafantrag an die beiden Opfer Betriebsleiterin a.D. B./J. pp A. auszurichten.

5. Allfällige Kosten sind dem Kanton Bern aufzuerlegen Art. 423 StPO Staatshaftung.

Die Bundesanwaltschaft reichte auf Aufforderung des Gerichts die Akten am
5. März 2020 ein (act. 2, 4).

Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO im
Umkehrschluss).

Auf die Ausführungen der Partei und die eingereichten Akten wird, soweit
erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genom-
men.




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Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.
1.1 Eine Nichtanhandnahme-Verfügung können die Parteien innert 10 Tagen bei
der Beschwerdeinstanz anfechten (Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2
StPO; Art. 396 Abs. 1 StPO). Zur Beschwerdeführung berechtigt ist die Par-
tei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung
des angefochtenen Entscheides hat (Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 104 und 105
Abs. 2 StPO). Partei ist namentlich die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1
lit. b StPO). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrück-
lich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen
(Art. 118 Abs. 1 StPO).
Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen gerügt werden, einschliess-
lich Überschreitung und Missbrauchs des Ermessens, Rechtsverweigerung
und Rechtverzögerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a StPO), sowie die unvollständige
oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 393 Abs. 2 lit. b StPO)
und die Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 lit. c StPO).

1.2 Die Beschwerde wurde fristgerecht erhoben. Die Beschwerde bezeichnet im
Titel das Anfechtungsobjekt als "SV.19.0412" und nennt in den Anträgen das
Verfahren "SV 19.0446". Der Beschwerde waren beide Nichtanhandnahme-
verfügungen der BA beigelegt. Die Beschwerdeführer wollen offensichtlich
die Nichtanhandnahmeverfügungen in beiden Verfahren der Bundesanwalt-
schaft anfechten. Auf die Beschwerde von B. gegen die Nichtanhandnahme-
verfügung vom 25. März 2019 (SV.19.0412 betreffend den abgeschleppten
Geländewagen) ist einzutreten, sie könnte Geschädigte sein. Indessen hat
nur A. die zweite Strafanzeige vom 30. März 2019 eingereicht (SV.19.0446
betreffend der Rente der G.) und der Sachverhalt scheint B. nicht direkt zu
betreffen. Auf ihre Beschwerde ist diesbezüglich nicht einzutreten.
A. tritt unter der Bezeichnung "J. pp A." auf. Unter dieser Bezeichnung ist im
Handelsregister weder eine Gesellschaft noch eine Einzelfirma eingetragen.
Die Beschwerde schildert auch nicht, wie eine allfällige Gesellschaft, im Ge-
gensatz zur natürlichen Person A., in den Sachverhalt involviert wäre. Damit
ist von der natürlichen Person A. als Partei des Beschwerdeverfahrens aus-
zugehen. Die eingereichten Akten der Bundesanwaltschaft enthalten bezüg-
lich der zweiten Strafanzeige die Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kan-
tons Bern, Region Bern-Mittelland, vom 29. November 2017 (BM 17 45576 /
P36). Diese verweist (S. 2) auf einen Entscheid des Obergerichts des Kan-
tons Bern BK 17 226 vom 16. August 2017. Das Obergericht erachtete die
Prozessfähigkeit von A. im damals zu beurteilenden Fall als nicht gegeben,
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da auf Grund des Inhalts seiner Anzeigen sowie seinem bekannten langjäh-
rigen Prozessverhalten auch ohne Vorliegen eines Gutachtens von einer
manifesten ausgeprägten Querulanz auszugehen sei. Ob dies auch vorlie-
gend gilt, kann offenbleiben.
Zusammenfassend ist auf die Beschwerde von B. gegen die Nichtanhand-
nahmeverfügung vom 11. Februar 2020 (SV.19.0412) betreffend die erste
Strafanzeige einzutreten und hinsichtlich der Nichtanhandnahmeverfügung
vom 11. Februar 2020 (zweite Strafanzeige vom 30. März 2019) nicht einzu-
treten. Inwieweit im Übrigen auf die Beschwerde einzutreten ist, kann offen
bleiben, da sie, wie die folgende Erwägung zeigt, ohnehin abzuweisen ist.

2.
2.1 Die kantonalen Strafbehörden verfolgen und beurteilen die Straftaten des
Bundesrechts; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Ausnahmen (Art. 22
StPO). Eine Staatsanwaltschaft eröffnet eine Strafuntersuchung, wenn sich
aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder
aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt
(Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf die Eröff-
nung, wenn sie sofort eine Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Straf-
befehl erlässt (Art. 309 Abs. 4 StPO). Eine rechtskräftige Einstellungsverfü-
gung kommt einem freisprechenden Endentscheid gleich (Art. 320 Abs. 4
StPO). Wer in der Schweiz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wor-
den ist, darf wegen der gleichen Straftat nicht erneut verfolgt werden (Art. 11
Abs. 1 StPO).
2.2 Betreffend die erste Strafanzeige vom 25. März 2019 (SV.19.0412): Das Ver-
fahren ist spruchreif. Wie die Bundesanwaltschaft zutreffend festhielt, fehlt
es vorliegend an der Bundesgerichtsbarkeit (vgl. Art. 22–24 StPO). Die An-
zeigen schildern nicht nachvollziehbar einen Sachverhalt, der eine Strafnorm
in der Bundeskompetenz erfüllen würde (vgl. obige litera A). Die Beschwerde
ist insoweit offensichtlich unbegründet und abzuweisen, soweit darauf ein-
zutreten ist.
2.3 Der Sachverhalt der zweiten Strafanzeige vom 30. März 2019 war bereits
Gegenstand der Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom
29. November 2017 (BM 17 45576 / P36). Diese hatte damals kein Strafver-
fahren an die Hand genommen. Ihre Verfügung hat, was auch die Beschwer-
deführer nicht bestreiten, Rechtskraft erlangt. Eine zweite Strafverfolgung in
der gleichen Sache darf nicht erfolgen (vgl. Art. 11 und Art. 320 Abs. 2 StPO).
Die Bundesanwaltschaft hat demnach das Verfahren zurecht nicht an die
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Hand genommen und damit kein Strafverfahren eröffnet (SV.19.0446). Da-
mit ist die Beschwerde auch diesbezüglich offensichtlich unbegründet und
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

2.4 Die Bundesanwaltschaft hat die Ersuchen der Beschwerdeführer nicht erfüllt.
Das begründet entgegen den Beschwerdeführern keine Befangenheit und
dies umso weniger, als sich die Einstellungsverfügungen als rechtmässig er-
weisen. Demnach bestehen vorliegend auch keine Zivilansprüche (Entschä-
digung, Genugtuung, Schadenersatz) der Beschwerdeführer. Ist auf die Be-
schwerde nicht einzutreten und ist sie im Übrigen offensichtlich unbegründet,
so ist sodann von der Durchführung eines Schriftenwechsels abzusehen
(vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO im Umkehrschluss). Wurde die Bundesanwalt-
schaft nicht eingeladen, Stellung zu nehmen und hat sie auch keine solche
eingereicht, so sind die Beschwerdeführer neben ihrer Beschwerdeschrift
nicht erneut zu hören.

3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführer die Ge-
richtskosten zu tragen (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist auf
Fr. 1‘000.-- festzusetzen (vgl. Art. 73 StBOG i.V.m. Art. 5 und 8 Abs. 1 des
Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten,
Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR;
SR 173.713.162]).


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Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1’000.-- wird den Beschwerdeführern unter solida-
rischer Haftung auferlegt.


Bellinzona, 14. April 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:











Zustellung an

- A.
- B.
- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (vgl. Art. 79 BGG; SR 173.110).



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