BStGer - BB.2020.296 - Ausstand der Bundesanwaltschaft (Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 56 StPO). - Beschwerdekammer: Strafverfahren
Karar Dilini Çevir:



Beschluss vom 30. April 2021
Beschwerdekammer
Besetzung Bundesstrafrichter
Roy Garré, Vorsitz,
Cornelia Cova und Stephan Blättler,
Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja


Parteien

Gianni INFANTINO, FIFA-Strasse 20, Postfach,
8044 Zürich, vertreten durch Rechtsanwalt David
Zollinger, Poststrasse 9, 8620 Wetzikon,
Gesuchsteller

gegen

Stefan KELLER, a.o. Bundesanwalt, Poststrasse 6,
6060 Sarnen,
Gesuchsgegner


Gegenstand Ausstand der Bundesanwaltschaft (Art. 59 Abs. 1
lit. b i.V.m. Art. 56 StPO)

B u n d e s s t r a f g e r i c h t
T r i b u n a l p é n a l f é d é r a l
T r i b u n a l e p e n a l e f e d e r a l e
T r i b u n a l p e n a l f e d e r a l


Geschäftsnummer: BB.2020.296



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Sachverhalt:


A. Am 11. Juni 2020 überwiesen die Ratspräsidien der Bundesversammlung
der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (nachfolgend «AB-BA»)
drei Strafanzeigen gegen den (damaligen) Bundesanwalt Michael Lauber
(nachfolgend «Lauber»), den Präsidenten der Fédération Internationale de
Football Association (FIFA) Gianni Infantino (nachfolgend «Infantino») sowie
weitere Personen mit der Aufforderung, eine ausserordentliche Staatsanwäl-
tin des Bundes oder einen ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes zu
ernennen.


B. Am 29. Juni 2020 ernannte die AB-BA Stefan Keller (nachfolgend «Keller»)
zum ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes zur Prüfung der obge-
nannten Strafanzeigen (vgl. supra lit. A; https://www.ab-ba.admin.ch/wp-
content/uploads/2020/09/MM_AB-BA_03_07_2020_de.pdf).


C. Mit Verfügung vom 29. Juli 2020 teilte Keller Infantino die Eröffnung eines
Strafverfahrens wegen Anstiftung zu Amtsmissbrauch (Art. 312 StGB), An-
stiftung zu Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB) und Anstiftung zu Be-
günstigung (Art. 305 StGB) mit (act. 1.1; nachfolgend Sachverhalt «Nicht
protokollierte Treffen»).


D. Mit Medienmitteilung vom 30. Juli 2020 gab die AB-BA bekannt, dass Keller
den zuständigen parlamentarischen Kommissionen im Zusammenhang mit
den Treffen von Lauber mit Infantino und einer weiteren Person die Erteilung
der Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen Lauber be-
antrage und gleichzeitig ein Strafverfahren gegen Infantino eröffne
(https://293a355c-7d2a-4655-ba17-d8d77fb08488.filesusr.com/ugd/4fcc7e_
52be74e3a1a24098a57f92ac1315933b.pdf).


E. Am 23. September 2020 wählte die Vereinigte Bundesversammlung Keller
zum ausserordentlichen Bundesanwalt im Wesentlichen für die Eröffnung
und Leitung des Vorverfahrens sowie allenfalls die Betreuung des Haupt-
verfahrens und allfälliger Rechtsmittelverfahren in Sachen Strafverfahren
gegen Lauber sowie allfällige Mittäter und Teilnehmer wegen Verdacht
auf Amtsmissbrauch (Art. 312 StGB), Verletzung des Amtsgeheimnisses
(Art. 320 StGB) und Begünstigung (Art. 305 StGB) durch das Abhalten von
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mehreren nicht protokollierten Treffen mit FIFA-Präsident Infantino und wei-
teren Personen (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtliches-bulle-
tin/amtliches-bulletin-die-verhandlungen?SubjectId=50274 sowie Bericht
der Gerichtskommission vom 9. September 2020: https://www.parlament.ch/
centers/kb/Documents/2020/Kommissionsbericht_GK-V_20.211_2020-09-
09.pdf).


F. Am 10. Dezember 2020 veröffentlichte Keller auf seiner Website www.sta-
keller.ch unter dem Titel «Der a.o. Bundesanwalt sieht Anzeichen für straf-
bare Handlungen von FIFA-Chef Infantino» folgende Medienmitteilung
(https://293a355c-7d2a-4655-ba17-d8d77fb08488.filesusr.com/ugd/4fcc7e_
10a669258b024e2d81253b4788691978.pdf; act. 1.11):

«Der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes hat die Prüfung der Straf-
anzeigen gegen FIFA-Präsident Gianni Infantino wegen ungetreuer Geschäfts-
besorgung im Zusammenhang mit der Benutzung eines Privatjets abgeschlos-
sen. Es gibt deutliche Anzeichen für ein strafbares Verhalten des FIFA-Präsi-
denten. Das eigentliche Strafverfahren fällt aber in die Kompetenz der Bundes-
anwaltschaft.

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hatte den von ihr als
ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes eingesetzten Stefan Keller mit der
Prüfung verschiedener Strafanzeigen beauftragt, die im Zusammenhang mit der Be-
nutzung eines Privatjets von Surinam in die Schweiz gegen Gianni Infantino einge-
gangen waren. Aufgrund von Befragungen und Recherchen erscheint Stefan Keller
eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung angezeigt. Für die
Eröffnung dieses Strafverfahrens ist er allerdings nicht zuständig.

Mit seiner Wahl zum ausserordentlichen Bundesanwalt am 24. September 2020 hat
die Bundesversammlung Stefan Keller mit dem Strafverfahren wegen der nicht pro-
tokollierten Treffen zwischen dem früheren Bundesanwalt Michael Lauber, FIFA-
Präsident Gianni Infantino und weiteren Personen beauftragt. Da am Flug mit dem
Privatjet lediglich Gianni Infantino sowie weitere Privatpersonen beteiligt waren,
nicht aber der frühere Bundesanwalt Michael Lauber, fällt dieser Sachverhaltskom-
plex nicht unter das Mandat der Bundesversammlung. Sie kann dieses daher auch
nicht erweitern. Stefan Keller hat das Ergebnis seiner Prüfung der Strafanzeigen
deshalb der Bundesanwaltschaft übermittelt, die sich der Sache nun mit eigenen
personellen Ressourcen annehmen will.

Neben dem erwähnten Mandat der Bundesversammlung als ausserordentlicher
Bundesanwalt wird Stefan Keller im Auftrag der AB-BA weitere Strafanzeigen zu
verschiedenen Sachverhalten prüfen.»
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G. Mit Eingabe vom 14. Dezember 2020 gelangte Infantino an die Beschwerde-
kammer des Bundesstrafgerichts. Er beantragt Folgendes (act. 1 S. 2):

«1. Es sei der Gesuchsgegner anzuweisen, in Bezug auf die Ermittlungen sämt-
licher Sachverhaltskomplexe, in denen der Gesuchsteller beschuldigt oder
verdächtigt wird, in den Ausstand zu treten;

2. Sämtliche vom Gesuchsgegner bisher durchgeführten Amtshandlungen, so-
weit sie den Gesuchsteller als beschuldigte oder verdächtigte Person betref-
fen, seien für nichtig zu erklären.

unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse.»


H. Keller beantragt in seiner Gesuchsantwort vom 23. Dezember 2020 die Ab-
weisung des Ausstandsgesuchs, soweit darauf einzutreten sei (act. 3 S. 7).


I. Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels halten Infantino und Keller mit
Eingaben vom 8. und 21. Januar 2021 jeweils an den im Gesuch bzw. der
Gesuchsantwort gestellten Anträgen fest (act. 5 und 7).


J. Mit unaufgeforderter Eingabe vom 2. Februar 2021 reichte Infantino der Be-
schwerdekammer einen Artikel der Januar-Ausgabe (1/2021) der juristi-
schen Fachzeitschrift «Plädoyer» ein. Bei diesem Artikel handle es sich um
ein Portrait über die Person Kellers. Dieser habe darin Äusserungen unter
anderem zu Tatsachen gemacht, die ihm in Ausübung seiner amtlichen Tä-
tigkeit zur Kenntnis gelangt seien bzw. diese betreffen würden, wie zum Bei-
spiel zum laufenden, nicht öffentlichen Beschwerdeverfahren BB.2020.245.
Aufgrund dieser jüngsten öffentlichen Aussagen des Gesuchsgegners er-
scheine es offensichtlich, dass nicht nur der blosse Anschein einer mögli-
chen Befangenheit bestehe, sondern dass er tatsächlich dem Gesuchsteller
gegenüber voreingenommen sei (act. 9, 9.1.).


K. Mit Beschluss BB.2020.245 vom 5. Februar 2021 hiess die Beschwerdekam-
mer eine Beschwerde Infantinos vom 15. Oktober 2020 gegen die Weige-
rung Kellers, die für das vorliegende Strafverfahren beigezogenen bzw. bei-
zuziehenden Hilfspersonen zu bezeichnen, teilweise gut, soweit sie darauf
eintrat. Die Beschwerdekammer erwog unter anderem, dass Keller Infantino
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die Namen und Funktion sämtlicher im Verfahren beigezogener bzw. beizu-
ziehender Hilfspersonen im Sinne von Art. 311 Abs. 1 StPO bekannt zu ge-
ben habe.


L. Noch bevor das Bundesstrafgericht den Beschluss BB.2020.245 vom 5. Feb-
ruar 2021 in anonymisierter Form veröffentlichte, publizierte Keller am
10. Februar 2021 auf seiner Website www.sta-keller.ch unter dem Titel
«Keine Einsicht in Kommissionsprotokoll, Arbeitsverträge und Korrespon-
denz» eine Medienmitteilung mit folgendem Wortlaut (https://293a355c-
7d2a-4655-ba17-d8d77fb08488.filesusr.com/ugd/4fcc7e_397261016ba341
7387564888947f9d56.pdf):

«FIFA-Präsident Gianni Infantino erhält weder Einsicht in die Verträge und
Abmachungen des a.o. Bundesanwalt noch in die Wortprotokolle der Gerichts-
kommission. Laut Urteil des Bundesstrafgerichts müssen ihm einzig die
Namen allfälliger Hilfspersonen bekannt gegeben werden, an die Untersu-
chungshandlungen delegiert werden.

FIFA-Präsident Infantino hatte im Strafverfahren im Zusammenhang mit nicht proto-
kollierten Gesprächen zwischen ihm und dem ehemaligen Bundesanwalt Michael
Lauber in einer Beschwerde an das Bundesstrafgericht Einsicht in sämtliche Unter-
lagen verlangt, die im Zusammenhang mit dem Beizug von Hilfspersonen durch den
a.o. Bundesanwalt Stefan Keller stehen. Weiter forderte er Einsicht in Abmachungen
mit den Einsetzungs- und Aufsichtsbehörden, Verträge und Aufträge mit den Hilfs-
personen, Arbeitsergebnisse der Hilfspersonen, Aktennotizen über Besprechungen
oder Telefonate, Rechnungen und Abrechnungen. Zudem hätte der a.o. Bundesan-
walt eine lückenlose Zusammenstellung aller Kontakte mit den von ihm für die Straf-
untersuchung beigezogenen Hilfspersonen, den Zeitpunkt und die Art der Kontakte,
die behandelten Themen, die erteilten Aufträge sowie die Ergebnisse der von den
Hilfspersonen erledigten Aufträge herausgeben sollen. Schliesslich verlangte Infan-
tino die Wortprotokolle der Gerichtskommission anlässlich der Bewerbung des
a.o. Bundesanwalts. Diese Forderungen hat das Bundestrafgericht abgewiesen,
soweit es überhaupt auf die Beschwerde Infantinos eintreten konnte.

Im Übrigen bestätigte das Bundesstrafgericht ausdrücklich die Zulässigkeit des Bei-
zugs von Hilfspersonen durch den a.o. Bundesanwalt. Eine Delegation einzelner
Untersuchungshandlungen sei nicht nur zulässig, sondern aus Effizienzüberlegun-
gen sogar geboten. Zudem bestehen aus Sicht des Bundesstrafgerichts keine An-
haltspunkte dafür, dass der a.o. Bundesanwalt seine Aufsichtsfunktion gegenüber
von ihm eingesetzten Mitarbeitern nicht korrekt wahrnehmen würde.

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In einem Punkt erachtete das Gericht Infantinos Beschwerde teilweise als begrün-
det: Damit allfällige Ausstandsgründe geltend gemacht werden könnten, müssen die
Namen von Mitarbeitern bekannt gegeben werden, die zumindest einen indirekten
Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens haben können. Der a.o. Bundesanwalt
Stefan Keller erachtet das ebenfalls als gerechtfertigt. Nachdem die Rechtslage in
Bezug auf die sehr viel weitergehenden Einsichtsforderungen Infantinos geklärt ist,
stehen einer Bekanntgabe der Namen keine Hindernisse mehr entgegen.

Das Urteil ist rechtskräftig und wird in den nächsten Tagen unter der Referenz
BB.2020.245 auf www.bstger.ch abrufbar sein.»


M. Mit Schreiben vom 19. Februar 2021 nahm Keller im vorliegenden Aus-
standsverfahren zur Eingabe Infantinos vom 2. Februar 2021 (vgl. supra
lit. G) Stellung. Er hält an seinem in der Gesuchsantwort vom 23. Dezem-
ber 2020 gestellten Antrag fest (act. 11), was Infantino am 22. Februar 2021
zur Kenntnis gebracht wurde (act. 12).


N. Mit Beschluss BB.2020.278 vom 4. März 2021 wies die Beschwerdekammer
eine Beschwerde Infantinos vom 12. November 2020 ab, soweit sie darauf
eintrat. Die Beschwerde richtete sich gegen ein Schreiben Kellers vom 9. No-
vember 2020, mit welchem dieser zumindest sinngemäss die Einsicht Infan-
tinos in die Einvernahmeprotokolle verweigert und dessen Teilnahmerechte
einstweilen beschränkt hatte. Die Beschwerdekammer erwog, dass in der
Verweigerung der Einsicht in die Einvernahmeprotokolle mit der Begrün-
dung, die erste Einvernahme Infantinos sei noch nicht durchgeführt worden,
keine Überschreitung oder gar ein Missbrauch des Ermessens durch Keller
vorliege.


O. Wiederum publizierte Keller am 8. März 2021 noch bevor das Bundesstraf-
gericht den Beschluss BB.2020.278 vom 4. März 2021 in anonymisierter
Form veröffentlichte auf seiner Website www.sta-keller.ch eine Medienmit-
teilung mit dem Titel «Weitere Beschwerde Infantinos abgewiesen»
(https://293a355c-7d2a-4655-ba17-d8d77fb08488.filesusr.com/ugd/4fcc7e_
4ff7fa367e814e8abb6541aea86a8742.pdf):

«Im Strafverfahren wegen der Gespräche zwischen ihm und dem ehemaligen
Bundesanwalt Lauber erhält FIFA-Präsident Infantino im jetzigen Zeitpunkt
keine Akteneinsicht. Das Bundesstrafgericht hat seine Beschwerde abgewie-
sen, soweit es darauf eintrat.

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FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte im Strafverfahren wegen der nicht protokollier-
ten Gespräche zwischen ihm und dem ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber
mit Beschwerde an das Bundesstrafgericht Einsicht in die Protokolle von Einvernah-
men verlangt. Das war vom a.o. Bundesanwalt Stefan Keller mit der Begründung
abgelehnt worden, dass der Beschuldigte Infantino keinen Anspruch auf Aktenein-
sicht habe, bevor er selbst einvernommen worden ist. Diese Auffassung wird vom
Bundesstrafgericht bestätigt.

Auf alle anderen Begehren in der Beschwerde Infantinos ist das Bundesstrafgericht
gar nicht eingetreten. Unter anderem war verlangt worden, dass der a.o. Bundesan-
walt bekannt gebe, welche Beweiserhebungen er bereits durchgeführt hat oder noch
durchzuführen gedenkt. Ebenso erfolglos blieb Infantinos Forderung, die Beweiser-
hebungen zu wiederholen und ihm dabei die strafprozessualen Teilnahmerechte zu
gewähren.

Das Urteil ist rechtskräftig und wird in den nächsten Tagen unter der Referenz
BB.2020.278 auf www.bstger.ch abrufbar sein.»


P. Eine weitere Beschwerde Infantinos vom 7. Dezember 2020 hiess die Be-
schwerdekammer mit Beschluss BB.2020.291 vom 10. März 2021 insofern
gut, als sie die Nichtigkeit der Einvernahme einer Auskunftsperson durch
Keller vom 17. November 2020 feststellte. Sie erwog, dass sich Keller mit
der förmlichen Vorladung und der anschliessenden Einvernahme der betref-
fenden Auskunftsperson im Sachverhalt «Privatflüge des heutigen FIFA-Prä-
sidenten Gianni Infantino» (nachfolgend «Sachverhalt Privatflüge») im Sinne
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit der Sache zu befassen begon-
nen habe, sodass diesbezüglich die Strafuntersuchung als durch ihn eröffnet
gelte. Zur Eröffnung und Führung der Strafuntersuchung in dieser Angele-
genheit sei er jedoch nicht zuständig gewesen, sodass sich die betreffende
Einvernahme der Auskunftsperson vom 17. November 2020 als nichtig er-
weise.


Q. Bereits tags drauf veröffentlichte Keller eine Medienmitteilung auf seiner
Website www.sta-keller.ch. Unter dem Titel «Zuständigkeitsfragen geklärt»
hielt er Folgendes fest https://293a355c-7d2a-4655-ba17-d8d77fb08488.fi-
lesusr.com/ugd/9f8da6_46d00e46db8e4446bb39346746fb9922.pdf):

«Das Bundesstrafgericht hat die Einvernahme einer Person im Umfeld des
FIFA-Präsidenten Infantino wegen fehlender Zuständigkeit des a.o. Staatsan-
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walt des Bundes beanstandet. Unabhängig davon wird die damals unklare Zu-
ständigkeit zur Untersuchung der Benutzung eine Privatjets durch Infantino
nun in einer Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und dem a.o. Staatsanwalt des Bundes geregelt.

In einem gestern gefällten Entscheid hat das Bundesstrafgericht eine im Dezember
2020 eingereichte Beschwerde des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino in einem
Punkt gutgeheissen und verlangt, dass das Protokoll der Befragung einer Auskunfts-
person im Umfeld Infantinos aus den Akten entfernt wird. Das Gericht stellt sich auf
den Standpunkt, dass es sich bei der Befragung um eine eigentliche Einvernahme
gehandelt habe, für die der a.o. Staatsanwalt des Bundes im November 2020 nicht
zuständig war. Auf drei weitere Begehren von Gianni Infantino ist das Gericht nicht
eingetreten.

Unabhängig davon haben sich die involvierten Behörden in den vergangenen Wo-
chen um eine Klärung der Zuständigkeit bemüht. Die Aufsichtsbehörde über die
Bundesanwaltschaft (ABBA) hatte den von ihr als a.o. Staatsanwalt des Bundes ein-
gesetzten Stefan Keller im Juli 2020 mit der Prüfung verschiedener Strafanzeigen
beauftragt, die im Zusammenhang mit der Benutzung eines Privatjets von Surinam
in die Schweiz gegen Gianni Infantino eingegangen waren. Im Februar 2021 wies
die AB-BA, den a.o. Staatsanwalt des Bundes darauf hin, dass er auch für die Durch-
führung und Leitung eines allfälligen Strafverfahrens zuständig sei, sofern die Vor-
gänge rund um den fraglichen Privatflug in die Strafkompetenz des Bundes fallen.

Da aufgrund des Sitzes der FIFA grundsätzlich auch der Kanton Zürich zuständig
sein könnte, haben die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und der a.o.
Staatsanwalt des Bundes die Zuständigkeitsfrage analysiert und sich darauf ver-
ständigt, dass die Justiz des Bundes zuständig ist. Beide Seiten sind sich weiter
darin einig, dass es aus verschiedenen Gründen (Mitarbeiter, die noch alt Bundes-
anwalt Lauber unterstellt waren, laufende Strafverfahren gegen wichtige Mitglieder
der Bundesanwaltschaft sowie Verflechtungen mit anderen Verfahren) unzweck-
mässig wäre, das Verfahren der ordentlichen Bundesanwaltschaft zu übertragen.

Damit muss das Verfahren entsprechend dem erwähnten Entscheid der AB-BA vom
Februar 2021 einstweilen vom a.o. Staatsanwalt des Bundes übernommen werden.
Die Vereinbarung zwischen ihm und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
kann allerdings beim Bundesstrafgericht angefochten werden, das diesfalls die Zu-
ständigkeit definitiv festzulegen hat.

Neben dem Sachverhaltskomplex "Benutzung eines Privatjets" führt Stefan Keller
sein Mandat der Bundesversammlung als ausserordentlicher Bundesanwalt für den
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Sachverhaltskomplex "nicht protokollierte Gespräche" des ehemaligen Bundesan-
walts Michael Lauber und FIFA Präsident Gianni Infantino plangemäss weiter. Aus-
serdem prüft Stefan Keller im Auftrag der AB-BA weitere Strafanzeigen zu verschie-
denen anderen Sachverhalten.

Das Urteil ist rechtskräftig und wird in den nächsten Tagen unter der Referenz
BB.2020.291 auf www.bstger.ch abrufbar sein.»


R. Infantino macht in seiner Eingabe vom 12. März 2021 unter Bezugnahme auf
die Medienmitteilungen Kellers vom 10. Februar, 8. und 11. März 2021 wei-
tere Ausstandsgründe geltend (act. 13). Dazu nimmt Keller am 20. März
2021 Stellung, was Infantino am 21. März 2021 zur Kenntnis gebracht wurde
(act. 15 und 16).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit
erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen eingegangen.



Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person ver-
langen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes
Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat. Nach der
Rechtsprechung muss der Gesuchsteller den Ausstand in den nächsten Ta-
gen nach Kenntnis des Ausstandsgrunds verlangen. Andernfalls verwirkt er
den Anspruch (BGE 143 V 66 E. 4.3 m.w.H.). Ein sechs bis sieben Tage
nach Kenntnis des Ausstandsgrunds gestelltes Ausstandsgesuch ist recht-
zeitig. Wartet der Gesuchsteller damit zwei Wochen zu, ist es dagegen ver-
spätet (Urteil des Bundesgerichts 1B_47/2019 vom 20. Februar 2019 E. 3.3
mit Hinweis). Bei der Annahme der Verwirkung des Rechts, den Ausstand
zu verlangen, ist Zurückhaltung geboten (Urteil des Bundesgerichts
1B_418/2014 vom 15. Mai 2015 E. 4.5 mit Hinweis; vgl. zum Ganzen das
Urteil des Bundesgerichts 1B_22/2019 vom 17. April 2019 E. 3.2). Im Einzel-
fall kann es zulässig sein, in Verbindung mit zeitnah vorgebrachten Aus-
standsgründen auch früher beanstandete Prozesshandlungen in eine ange-
messene «Gesamtwürdigung» einfliessen zu lassen. Der klare Wortlaut des
Gesetzes schliesst jedoch ein Vorgehen aus, bei dem eine Partei über einen
längeren Zeitraum bzw. verschiedene separate Strafverfahren hinweg
gleichsam ein «Privatdossier» über angebliche Prozessfehler einer Jus-
tizperson anlegt, diese Rügen aber nicht unverzüglich vorbringt, sondern erst
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in einem späteren, selbst gewählten Zeitpunkt einem Ausstandsbegehren
pauschal zugrunde legt (Urteile des Bundesgerichts 1B_357/2013 vom
24. Januar 2014 E. 5.3.1 und 1B_149/2019 vom 3. September 2019 E. 3.2).

Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind dabei glaubhaft zu ma-
chen. Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung (Art. 58 StPO).
Wird ein Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. a oder f StPO geltend gemacht
oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Aus-
standsgesuch einer Partei, das sich auf Art. 56 lit. b–e StPO abstützt, so
entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig die Beschwerde-
kammer des Bundesstrafgerichts, wenn die Bundesanwaltschaft betroffen ist
(Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Der Entscheid ergeht
schriftlich und ist zu begründen (Art. 59 Abs. 2 StPO). Bis zum Entscheid übt
die betroffene Person ihr Amt weiter aus (Art. 59 Abs. 3 StPO).


2. Der Gesuchsteller ist beschuldigte Person im obgenannten Strafverfahren
(vgl. supra lit. C.). Er macht geltend, der Gesuchsgegner sei befangen im
Sinne von Art. 56 lit. f StPO. Zum Anlass seines Gesuchs nimmt der Gesuch-
steller die Medienmitteilung des Gesuchsgegners vom 10. Dezember 2020
(vgl. act. 1 S. 9). Das Gesuch stellte er vier Tage später. Es ist rechtzeitig
eingereicht worden. Auf das Gesuch ist einzutreten.


3.
3.1 Gemäss Art. 56 lit. f StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den
Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freund-
schaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befan-
gen sein könnte. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine General-
klausel, welche alle Ausstandsgründe erfasst, die in Art. 56 lit. a–e StPO
nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Sie entspricht Art. 30 Abs. 1 BV und
Art. 6 Abs. 1 EMRK. Danach hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre
Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen
Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Recht-
sprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Um-
stände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in
die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können na-
mentlich in einem bestimmten Verhalten des Richters begründet sein. Dabei
ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Miss-
trauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise be-
gründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver
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Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit er-
wecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich
befangen ist (BGE 144 I 234 E. 5.2; 141 IV 178 E. 3.2.1; 140 I 326 E. 5.1;
138 IV 142 E. 2.1; je mit Hinweisen). Das Misstrauen in die Unvoreingenom-
menheit kann auch in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und
organisatorischer Natur begründet sein (Urteil des Bundesgerichts
1B_457/2018 vom 28. Dezember 2018 E. 2).

3.2 Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK sind bei der Ablehnung eines
Staatsanwalts nur anwendbar, wenn er ausnahmsweise in richterlicher
Funktion tätig wird, wie das bei Erlass eines Strafbefehls zutrifft. Amtet er
jedoch als Strafuntersuchungsbehörde, beurteilt sich die Ausstandspflicht
nach Art. 29 Abs. 1 BV. Wohl darf der Gehalt von Art. 30 Abs. 1 BV nicht
unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV über-
tragen werden. Hinsichtlich der Unparteilichkeit des Staatsanwalts im Sinne
von Unabhängigkeit und Unbefangenheit kommt Art. 29 Abs. 1 BV allerdings
ein mit Art. 30 Abs. 1 BV weitgehend übereinstimmender Gehalt zu. Auch
ein Staatsanwalt kann abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die ob-
jektiv geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken. Das gilt
allerdings nur für das Vorverfahren. Gemäss Art. 61 lit. a StPO leitet die
Staatsanwaltschaft das Verfahren bis zur Anklageerhebung. Die Staatsan-
waltschaft gewährleistet insoweit eine gesetzmässige und geordnete Durch-
führung des Verfahrens (Art. 62 Abs. 1 StPO). Sie untersucht die belasten-
den und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt (Art. 6 Abs. 2 StPO).
Zwar verfügt sie bei ihren Ermittlungen über eine gewisse Freiheit. Sie ist
jedoch zu Zurückhaltung verpflichtet. Sie hat sich jeden unlauteren Vorge-
hens zu enthalten und sowohl die belastenden als auch die entlastenden
Umstände zu untersuchen. Sie darf keine Partei zum Nachteil einer anderen
bevorteilen (BGE 141 IV 178 E. 3.2.2 S. 179 f. m.w.H.). Allgemeine Verfah-
rensmassnahmen, seien sie nun richtig oder falsch, vermögen als solche
keine Voreingenommenheit der verfahrensleitenden Justizperson zu be-
gründen (BGE 138 IV 142 E. 2.3) und sind im Rechtsmittelverfahren zu rü-
gen (Urteil des Bundesgerichts 1B_233/2019 vom 25. September 2019
E. 2.1). Anders verhält es sich, wenn besonders krasse oder wiederholte Irr-
tümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen
(BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74 f.; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3) und
die sich einseitig zu Lasten einer der Prozessparteien auswirken (Urteil des
Bundesgerichts 1B_164/2015 vom 5. August 2015 E. 3.2). Bei Äusserungen
des Staatsanwalts gegenüber Medien ist grundsätzlich noch keine Befan-
genheit anzunehmen, wenn lediglich offensichtliche Tatsachen erwähnt wer-
den, ohne dass sich der Staatsanwalt über die damit verbundenen Folgen
geäussert hätte. Ebenso vermögen ungeschickte Äusserungen eines
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Staatsanwalts gegenüber der Presse den Ausgang einer durch den Beschul-
digten gegen seine Anordnungen erhobene Beschwerde keine Befangenheit
des Staatsanwalts zu begründen, wenn sich diese nicht gegen die Person
des Beschuldigten richten und sofern es sich nicht um eine schwere Verfeh-
lung handelt. Auch scherzhafte Äusserungen des Staatsanwalts genügen in
der Regel nicht, einen Verdacht der Parteilichkeit zu begründen, selbst wenn
sie deplatziert sind und vom Betroffenen als negativ empfunden werden (vgl.
BGE 127 I 196 S. 200 m.w.H.). Objektive Anzeichen der Befangenheit wur-
den vom Bundesgericht jedoch beispielsweise bejaht, als der Untersu-
chungsrichter (heute nunmehr Staatsanwalt, vgl. dazu MICHLIG, Öffentlich-
keitskommunikation der Strafbehörden unter dem Aspekt der Amtsgeheim-
nisverletzung, 2013, S. 104, FN 407) das Verhalten des Angeschuldigten im
Verfahren voreilig als strafbar qualifizierte, und er ohne besonderen Anlass
über den Untersuchungsgegenstand hinausgehende Verdächtigungen ge-
gen den Angeschuldigten geäussert hatte (Urteil des Bundesgerichts
1P.766/2000 vom 18. Mai 2001). In einem anderen Fall bejahte das Bundes-
gericht die Befangenheit, als der Staatsanwalt Beweismittel ohne besonde-
ren Anlass gegenüber Dritten und gegenüber der Öffentlichkeit würdigte und
den Angeschuldigten dabei indirekt der Lüge bezichtigte, was tendenziell auf
eine Vorverurteilung hinauslief (Urteil des Bundesgerichts 8G.36/2000 vom
25. September 2000).


4. Die Beurteilung der Befangenheit eines Staatsanwalts im Zusammenhang
mit Äusserungen der Öffentlichkeit gegenüber hat vor folgendem Hinter-
grund zu erfolgen:

4.1 Die Mitglieder von Strafverfolgungsbehörden haben hinsichtlich Tatsachen,
die ihnen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit zur Kenntnis gelangt sind,
Stillschweigen zu bewahren (Art. 73 Abs. 1 StPO). Die Geheimhaltungs-
pflicht gilt in sämtlichen Etappen eines Strafverfahrens, von den Ermittlun-
gen, über das Vorverfahren, die Untersuchung und die Anklageerhebung bis
zur Hauptverhandlung und allfälligen Rechtsmittelverfahren (SAXER/THURN-
HEER, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 73 StPO). Nicht geheim
zu halten sind – in Anlehnung an den Geheimnisbegriff von Art. 320 StGB –
allgemein bekannte Tatsachen (BBl 2006 1153). Mit Bezug auf das Vorver-
fahren sieht ferner Art. 69 Abs. 3 lit. a StPO ausdrücklich vor, dass dieses
nicht öffentlich ist. Eine Durchbrechung der Geheimhaltungspflicht während
laufender Strafuntersuchung ist jedoch dann zulässig, soweit dies erforder-
lich ist und durch ein öffentliches Interesse nach Art. 74 Abs. 1 lit. a-d StPO
gedeckt ist. Ein öffentliches Interesse kann wegen der besonderen Bedeu-
- 13 -


tung des Straffalles vorliegen. Dabei handelt es sich vorab um Fälle, die be-
reits von den Medien aufgegriffen wurden und von denen zu erwarten ist,
dass sie ein besonderes öffentliches Interesse wecken (SAXER, Basler Kom-
mentar, 2. Aufl. 2014, N. 9 und 16 zu Art. 74 StPO). An das Informationsbe-
dürfnis der Öffentlichkeit sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen;
es genügt, dass von einem überdurchschnittlichen Interesse auszugehen ist,
das sich nicht in einer blossen Sensationslust erschöpft (SAXER, a.a.O.,
N. 17 zu Art. 74 StPO). Unabhängig vom Grund für die Orientierung der
Öffentlichkeit ist jedoch stets dem Grundsatz der Unschuldsvermutung und
den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen Rechnung zu tragen (Art. 74
Abs. 3 StPO). Dies bedeutet zunächst, dass nur jene Informationen publik
zu machen sind, welche zur Erreichung des mit der Orientierung anvisierten
Ziels notwendig sind. M.a.W. ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit
streng zu wahren; namentlich ist sodann von Schuldzuweisungen und vorei-
ligen Qualifikationen des Verhaltens von Beteiligten abzusehen und während
des Ermittlungs- und Untersuchungsverfahrens klarzustellen, dass es sich
erst um einen Verdacht handelt und die Gerichte über eine allfällige Schuld
zu befinden haben (BRÜSCHWEILER/NADIG/SCHNEEBELI, Zürcher Kommen-
tar, 3. Aufl. 2020, N. 5 zu Art. 74 StPO). Der Schutzmechanismus der Un-
schuldsvermutung ist gerade im Vorverfahren, wo die Abklärungen erst am
Anfang stehen, besonders bedeutend (SCHOBER, Der Anspruch der Öffent-
lichkeit auf Information während des Vorverfahrens, ZStrR 133 [2015] S. 318
ff., S. 324, m.w.H.). Zur Feststellung, ob eine Verletzung der Unschuldsver-
mutung vorliegt, wird nicht auf die Formulierung alleine, sondern stets auf
den Gesamtzusammenhang, in dem die Äusserung erfolgte, abgestellt. Bei
einer Öffentlichkeitsorientierung durch die Staatsanwaltschaft via Medien ist
immer die ganze Stellungnahme zu beachten, um festzustellen, ob die Per-
son vorverurteilt wurde oder ob nur sachgemäss über den Stand laufender
Ermittlungen informiert wurde. Die staatlichen Behörden sollten ihr Verhalten
im Allgemeinen und so auch bei der Öffentlichkeitskommunikation daran ori-
entieren, dass ein möglicher Freispruch der beschuldigten Person im Raum
steht, und somit die Schuld eines Beschuldigten nicht als erwiesen bezeich-
nen. Die Bezeichnung eines Beschuldigten als Täter oder eine voreilige
juristische Qualifikation des Geschehens kann nicht durch ein öffentliches
Interesse gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a-d StPO gerechtfertigt sein. Die Staats-
anwaltschaft hat in ihren Medienmitteilungen explizit auf die Unschuldsver-
mutung hinzuweisen (SCHOBER, a.a.O., S. 324 f.; STREBEL, Grenzen media-
ler Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft, 2011, S. 126; TOPHINKE,
Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 26 ff. zu Art. 10 StPO). Zu unterbleiben
haben auch verdeckte Schuldvorwürfe im Sinne von Schuldvermutungen.
Insbesondere sind wertende Äusserungen in Bezug auf den Täter ohne Hin-
weis auf die Unschuldsvermutung sind zu unterlassen (SCHOBER, a.a.O.,
- 14 -


S. 325). Äussert sich der orientierende Staatsanwalt gegenüber der Öffent-
lichkeit schuldzuweisend und damit vorverurteilend, ist dies zugleich auch
immer eine Beeinträchtigung der sozialen Geltung des Betroffenen. Der Per-
sönlichkeitsschutz in Art. 74 Abs. 3 StPO umfasst alle Rechtsgebiete, wobei
der privatrechtliche Persönlichkeitsschutz (Art. 28 ZGB) grundsätzlich einen
weiterreichenden Schutz bietet als der strafrechtliche. Eine Äusserung, wel-
che die soziale Geltung einer Person beeinträchtigt, beinhaltet regelmässig
bereits eine zivilrechtliche Persönlichkeitsverletzung. Daraus folgt, dass eine
Vorverurteilung immer auch eine Persönlichkeitsverletzung im privatrechtli-
chen Sinne darstellt (STREBEL, a.a.O., S. 153).

4.2 Für die Medienarbeit der Strafverfolgungsbehörden des Bundes gelten fer-
ner auch die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz der Informati-
onsbeauftragten der Staatsanwaltschaften (SKIS) vom 7. November 2014
(nachfolgend «Empfehlungen SKIS»), worauf die Bundesanwaltschaft auf
ihrer Website ausdrücklich hinweist https://www.bundesanwaltschaft.ch/
mpc/de/home/medien/rechtliche-grundlagen-der-kommunikationsabteilung-
.html; JÄGER, Strafuntersuchung und Medien im Spannungsfeld der Interes-
sen, 2010, Rz. 328 ff.). Gemäss den Empfehlungen SKIS ist eine aktive Me-
dienarbeit angezeigt, wenn sie im Interesse der Untersuchung liegt oder/und
bei Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interessens (Ziff. 4 Abs. 2
Empfehlungen SKIS). Wann von einem überwiegenden Interesse der Öffent-
lichkeit, die eine Information rechtfertigt, auszugehen ist, wird in Ziff. 4 Abs. 4
der Empfehlungen beispielhaft aufgelistet. Zum Zeitpunkt und Inhalt der
Kommunikation wird in den Empfehlungen der SKIS festgehalten, dass eine
aktive Information in der Regel mit Anhebung des Vorverfahrens erfolgt. Auf
Nachfrage von Medienschaffenden können auch wichtige Zwischenschritte
mit der gebotenen Zurückhaltung kommuniziert werden (Ziff. 5). Bei Medien-
auskünften ist stets die bis zur Verurteilung hin geltende Unschuldsvermu-
tung zu beachten. Es ist nur über gesicherte Fakten zu informieren, Speku-
lationen, Mutmassungen und Wertungen sind zu unterlassen (Ziff. 6). Die
Veröffentlichung von identifizierenden Merkmalen von beschuldigten Perso-
nen (Namen / Bilder) ist nur zulässig bei Verbrechen und schweren Verge-
hen zwecks Fahndung oder ausnahmsweise um Verwechslungen auszu-
schliessen oder zu korrigieren sowie wenn die identifizierenden Merkmale in
den Medien bereits publik gemacht worden sind oder es sich um eine wich-
tige Person des öffentlichen Lebens handelt oder die beschuldigte Person
ihre Einwilligung erteilt hat (Ziff. 6.4). Die Parteien bzw. deren Rechtsvertre-
tung können über die geplante aktive Medienarbeit sowie über den Inhalt der
Information rechtzeitig in geeigneter Form orientiert werden. Vorbehalten
bleiben die Fälle, in denen eine solche Orientierung innert nützlicher Frist
nicht möglich ist. Sofern die Persönlichkeitsrechte erheblich tangiert werden,
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ist eine Orientierung der Parteien auch bei einzelnen Anfragen von Medien-
schaffenden angezeigt. Es empfiehlt sich zudem, die Information aktenkun-
dig zu machen (Ziff. 7.2).

4.3 Die Strafbehörden sind schliesslich bei ihrem Handeln stets auch an den
Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV
gebunden (vgl. Art. 3 Abs. 2 StPO). Daraus folgt generell, dass die Kommu-
nikation der Strafbehörden wahr, einheitlich, rechtzeitig, sachlich und trans-
parent zu sein hat (MICHLIG, a.a.O., S. 128). Die Kommunikation ist so zu
dosieren, dass die Interessen aller Betroffenen nur minimal tangiert werden
und der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird. Auch die Verteidigung
sollte rechtzeitig über eine bevorstehende Medieninformation oder Presse-
konferenz der Strafverfolgungsbehörden informiert werden. Der Fairness-
grundsatz (Art. 3 StPO) gebietet, dass sich die Verteidigung auf die bevor-
stehende Pressekonferenz frühzeitig vorbereiten kann (BGE 130 IV 140
E. 3). Die Kommunikation der Strafbehörden hat zudem sachlich und neutral
zu erfolgen. Unzulässig sind deshalb verzerrende, verletzende, irreführende
oder tatsachenwidrige Informationen sowie reine Polemik und Propaganda.
Es gilt der Grundsatz, dass die Behörden argumentativ überzeugen dürfen,
aber nicht überreden (MICHLIG, a.a.O.).


5. Medienmitteilung vom 10. Dezember 2020 (vgl. supra lit. F)
5.1 Der Gesuchsteller macht zunächst geltend, der Gesuchsgegner verstosse
mit der Medienmitteilung vom 10. Dezember 2020 gegen die Unschuldsver-
mutung. Darin habe er mitgeteilt, es gäbe deutliche Anzeichen für ein straf-
bares Verhalten des Gesuchstellers mit Bezug auf den Sachverhaltskomplex
«Privatflüge». Der Gesuchsteller sei der Weltöffentlichkeit gegenüber als
mutmasslich schuldig bezeichnet worden. Es sei daher zu erwarten, dass
der Gesuchsgegner auch im Sachverhaltskomplex um die nicht protokollier-
ten Treffen von Lauber und dem Gesuchsteller mit derselben Voreingenom-
menheit handeln werde (act. 1 S. 7 ff.).

5.2 Demgegenüber hält der Gesuchsgegner fest, die Medienmitteilung vom
10. Dezember 2020 stelle keine Vorverurteilung dar. Darin werde lediglich
festgehalten, dass deutliche Anzeichen für ein strafbares Verhalten beste-
hen würden. Dies bedeute nichts anderes als eine Parallel-Übersetzung für
Nichtjuristen von Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO, wonach die Staatsanwaltschaft
eine Untersuchung eröffne, wenn sich aus den Informationen und Berichten
der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein
hinreichender Tatverdacht ergäbe. Deutliche Anzeichen stellten nichts an-
deres als einen hinreichenden Tatverdacht dar. Jeder Staatsanwalt müsse
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sich bei jeder Sachverhaltsprüfung ein solches Urteil gebildet haben, damit
er ein Strafverfahren eröffnen könne. Er verfolge bezüglich Kommunikation
im Übrigen eine konstante Praxis, wonach die Ergebnisse seiner Prüfauf-
träge den Medien mitgeteilt würden. Er beabsichtige, auch in Zukunft die
Öffentlichkeit zu informieren, wenn die Prüfung einzelner der ihm vorliegen-
den Strafanzeigen abgeschlossen sei. Ebenfalls werde er wichtige Verfah-
rensschritte kommunizieren. Es bestehe ferner ein öffentliches Interesse am
Fortgang der Behandlung der Strafanzeigen des spätestens im Mai 2020
weltweit von zahlreichen Medien aufgegriffenen Privatjetfluges von Surinam
in die Schweiz durch den Gesuchsteller (act. 1 S. 4 ff.; act. 7 S. 2 ff.).

5.3
5.3.1 Die Beurteilung einer allfälligen Befangenheit des Gesuchsgegners mit Be-
zug auf die in der Medienmitteilung vom 10. Dezember 2020 gegenüber der
Öffentlichkeit getätigten Äusserungen ist vor dem Hintergrund der in E. 4 er-
wähnten einschlägigen Bestimmungen und Prinzipien vorzunehmen. Wird
festgestellt, dass sich der Staatsanwalt gegenüber Medien widerrechtlich
verhält, weil er gegen die Unschuldsvermutung handelt oder sich persönlich-
keitsverletzend äussert, und damit die in Art. 74 StPO statuierten Grunds-
ätze der Orientierung der Öffentlichkeit verletzt, wird nicht mehr dessen
grundsätzliche Unbefangenheit, sondern seine Befangenheit vermutet (JÄ-
GER, a.a.O., Rz. 177; STREBEL, a.a.O., S. 220 und 831).

5.3.2 In seiner Medienmitteilung vom 10. Dezember 2020 teilte der Gesuchsgeg-
ner der Öffentlichkeit mit, dass er die Prüfung von Strafanzeigen gegen den
Gesuchsteller wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung im Zusammenhang
mit der Benützung eines Privatjets abgeschlossen habe. Er hielt dabei fest,
dass es «deutliche Anzeichen für ein strafbares Verhalten» des Gesuchstel-
lers gäbe und dass aufgrund von «Befragungen und Recherchen» dem
Gesuchsgegner «eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbe-
sorgung angezeigt» erscheine. Diese Äusserungen sind insbesondere vor
dem Hintergrund, dass der Gesuchsgegner eigenen Angaben zufolge für die
Eröffnung und Führung der Strafuntersuchung in der Angelegenheit rund um
den Privatflug des Gesuchstellers von Surinam in die Schweiz nicht zustän-
dig war, sondern lediglich die «Prüfung» der entsprechenden Strafanzeigen
vornehmen musste, äusserst fragwürdig. Dem Gericht ist zwar der Inhalt des
Mandats der AB-BA betreffend die «Prüfung der Strafanzeigen» nicht be-
kannt. In Anbetracht dessen, dass bereits die Entgegennahme einer Straf-
anzeige oder die Feststellung eines Anfangstatverdachts zur Einleitung des
Vorverfahrens und damit zur Strafuntersuchung genügt, bewegt sich ein
Mandat, welches nur die Prüfung von Strafanzeigen zum Inhalt haben soll,
- 17 -


zwingend in einem sehr begrenzten Rahmen und dürfte nur eine erste Prü-
fung darüber beinhalten, ob die Strafanzeigen nicht von vornherein völlig
haltlos sind oder ob die örtlichen und sachlichen Zuständigkeiten der Straf-
verfolgungsbehörden gegeben sind (vgl. BGE 121 IV 38 E. 2; 116 IV 83 E. 3;
Art. 299 Abs. 2 StPO). Die Frage, ob ein genügender Anfangstatverdacht
vorliegt, kann mithin von einem derartigen Mandat, welches sich nur auf die
Prüfung von Strafanzeigen beschränkte, gar nicht erfasst sein. Mit seinen in
der Medienmitteilung getätigten Äusserungen, wonach deutliche Anzeichen
für ein strafbares Verhalten des Gesuchstellers bestünden und eine Strafun-
tersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung angezeigt sei, machte
der Gesuchsgegner hingegen gerade Aussagen zum Bestehen des hinrei-
chenden Tatverdachts. Damit ging er klar über ein erstes Prüfen der Straf-
anzeigen im dargelegten Sinne hinaus. Aus dem Grundsatz, dass die Kom-
munikation funktionell auf den eigenen Zuständigkeitsbereich beschränkt ist
(MICHLIG, a.a.O., S. 156) und vor der Prämisse, dass der Gesuchsgegner
zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Medienmitteilung keine Kompetenz
zur Eröffnung und Durchführung eines Strafverfahrens betreffend den Sach-
verhalt Privatflüge hatte, folgt, dass die fragliche Medienmitteilung zum Vor-
liegen eines Anfangstatverdachts durch den hierfür sachlich und funktionell
unzuständigen Gesuchsgegner erfolgte. Der Gesuchsgegner hätte sich über
das Bestehen des hinreichenden Tatverdachts nicht äussern dürfen; ob ein
solcher nämlich vorliegend gegeben war, hätte durch die dafür zuständige
Strafuntersuchungsbehörde erst noch festgestellt werden müssen. Er hat
damit voreilig eine juristische Qualifikation vorweggenommen und Schuld-
vermutungen geäussert, was zwingend zu unterlassen gewesen wäre. Zum
Zeitpunkt der Medienmitteilung war nämlich – aufgrund der damals herr-
schenden Zuständigkeitsverhältnisse – gänzlich offen, ob überhaupt mit Be-
zug auf den Sachverhaltskomplex «Privatflüge» eine Strafuntersuchung ge-
gen den Gesuchsteller eröffnet werden würde. Die Formulierungen in der
Medienmitteilung lassen demgegenüber keine Zweifel offen, dass der Ge-
suchsteller Beschuldigter im genannten Sachverhaltskomplex ist. Dies gilt
umso mehr als zusätzlich kommuniziert wird, der Gesuchsgegner habe das
Ergebnis seiner Prüfung der Strafanzeigen deshalb der Bundesanwaltschaft
übermittelt, die sich der Sache nun mit eigenen personellen Ressourcen an-
nehmen wolle. Damit suggerierte er, dass die Bundesanwaltschaft tatsäch-
lich ein Strafverfahren eröffnen würde. Damit wird in klarer Weise die Un-
schuldsvermutung verletzt. Für den Gesuchsteller, der in der Medienmittei-
lung namentlich genannt wurde, stellt die Verletzung der Unschuldsvermu-
tung zweifelsohne auch eine schwere Beeinträchtigung der sozialen Geltung
und damit zumindest seiner zivilrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte
dar. Hinzu kommt, dass die in der Öffentlichkeit kommunizierte Einleitung
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einer Strafuntersuchung regelmässig mit dem Nachweis der Schuld gleich-
gesetzt wird und deshalb auch im Fall einer späteren Einstellung des Unter-
suchungsverfahrens nicht ausgeschlossen ist, dass «etwas vom Schuldvor-
wurf hängen bleibt», zumal wie – vorliegend – ein Hinweis auf die Unschulds-
vermutung gänzlich unterblieben ist (vgl. LEHR, Grenzen für die Öffentlich-
keitsarbeit der Ermittlungsbehörden, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht,
29/2009, S. 409 ff., 414). Wie sich aus den Akten und auch den im Rahmen
des vorliegenden Verfahrens gemachten Äusserungen des Gesuchsgeg-
ners selber ergibt, wurden in der Folge denn auch weder die Akten der Bun-
desanwaltschaft überwiesen noch hat diese in der Folge eine Strafuntersu-
chung eröffnet. Damit hat der Gesuchsgegner nicht nur die Unschuldsver-
mutung verletzt, sondern auch irreführende und tatsachenwidrige Informati-
onen kommuniziert. Abschliessend ist zudem festzustellen, dass es der Ge-
suchsgegner unterlassen hatte, den Gesuchsteller über die bevorstehende
Medienmitteilung zu informieren. Dies, obschon in den Empfehlungen SKIS
in Ziffer 7.2 ausdrücklich festgehalten wird, dass die Parteien nach Möglich-
keit über eine bevorstehende Medienmitteilung orientiert werden sollen, ins-
besondere, wenn – wie vorliegend – durch die Vorverurteilung Persönlich-
keitsrechte erheblich tangiert werden.

Zusammenfassend ergibt sich, dass berechtigte Zweifel an der Unbefangen-
heit des Gesuchsgegners dem Gesuchsteller gegenüber bestehen. Dies ist
insofern von grundlegender Bedeutung, als der Gesuchsgegner – wie er in
seiner Eingabe vom 20. März 2021 dem Gericht mitgeteilt hat – seit dem
Entscheid der AB-BA vom 25. Januar 2021 nun doch für die Führung der
Strafuntersuchung im Sachverhaltskomplex «Privatflüge» zuständig sei (vgl.
act. 15 S. 5). Daraus folgt, dass der Gesuchsgegner in den Strafuntersu-
chungen gegen den Gesuchsteller in den Ausstand zu treten hat.


6. Januar-Ausgabe 1/2021 Plädoyer (vgl. supra lit. J)
6.1 Der Gesuchsteller sieht sodann im in der Januar-Ausgabe 1/2021 der Fach-
zeitschrift «Plädoyer» veröffentlichten Portrait über die Person des Gesuchs-
gegners einen weiteren Ausstandsgrund. Darin habe sich der Gesuchsgeg-
ner insbesondere zu Tatsachen geäussert, die ihm in Ausübung einer amtli-
chen Tätigkeit zur Kenntnis gelangt seien bzw. diese betreffen. So habe er
Aussagen zu einem nicht öffentlichen Aufsichtsverfahren vor den Geschäfts-
prüfungskommissionen der Bundesversammlung sowie zum ebenfalls nicht
öffentlichen Beschwerdeverfahren BB.2020.245 gemacht. Der Gesuchsgeg-
ner habe ferner ausgesagt, dass der Gesuchsteller im Parlament interveniert
habe, um jenen als Sonderermittler zu verhindern. Ausserdem würde der
- 19 -


Gesuchsteller sämtliche Netzwerke in Bewegung setzen, um den Gesuchs-
gegner zu diskreditieren. Das Verhalten des Gesuchstellers mit Bezug auf
die Beschwerdeverfahren habe der Gesuchsgegner sodann als Verzöge-
rungstaktik betitelt und im Interview erneut festgehalten, dass es deutliche
Anzeichen für ein strafbares Verhalten des Gesuchstellers mit Bezug auf den
Flug von Surinam in die Schweiz gäbe. Aufgrund dieser neuen öffentlichen
Aussagen erscheine es offensichtlich, dass der Gesuchsgegner voreinge-
nommen sei (act. 9).

6.2 Der Gesuchsgegner hält in seiner Stellungnahme vom 19. Februar 2021 fest,
dass die Aussage, wonach der Gesuchsteller versucht habe, ihn zu diskre-
ditieren, vom Journalisten stammen würde. Ebenso der Hinweis auf die Ver-
zögerungstaktik. Er habe keine Möglichkeit gehabt, auf den gesamten Text
Einfluss zu nehmen. Zudem sehe er in seiner Äusserung zum Verfahren
BB.2020.245 keinen Ausstandsgrund. Schliesslich sei auch die Aussage
zum Privatflug des Gesuchstellers nicht neu (act. 11).

6.3
6.3.1 Der weitere, mit Eingabe vom 2. Februar 2021 erhobene Ausstandsgrund ist
am Tag der Zustellung der Januar-Ausgabe 1/2021 des «Plädoyers», mithin
am Tag der Kenntnisnahme desselben und damit rechtzeitig gestellt worden,
weshalb darauf einzutreten ist. Beim betreffenden Artikel handelt es sich um
ein Porträt des Gesuchsgegners unter dem Titel «Ein Mann mit harten Geg-
nern», welches vor dem Hintergrund seines Mandats als a.o. Bundesanwalt
im Strafverfahren gegen Lauber und den Gesuchsteller gemacht worden ist.
In diesem Zusammenhang soll der Gesuchsgegner Aussagen zum Kosten-
dach für sein Mandat gemacht haben sowie zum Umstand, dass er seine
Mitarbeiter selbst einstellen musste. Der Gesuchsgegner habe nicht preis-
geben wollen, wer zu seinem juristischen Team zähle. Dabei wird er wie folgt
zitiert: «Am Bundesstrafgericht laufen mehrere Verfahren in dieser Sache.
Infantino will genau wissen, wer meine Hilfspersonen sind» (vgl. act. 9.1).
Der Gesuchsgegner bestreitet im vorliegenden Ausstandsverfahren nicht,
diese Äusserung gemacht zu haben. Er ist jedoch der Ansicht, er habe abs-
trakt auf laufende Verfahren verwiesen, ohne die Journalistenfrage inhaltlich
zu beantworten (act. 11 S. 3). Offenbar bezog sich der Gesuchsgegner mit
der Äusserung, Infantino wolle wissen, wer seine Hilfspersonen seien, auf
das bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum damaligen
Zeitpunkt unter der Geschäftsnummer BB.2020.245 hängige Verfahren
(vgl. supra lit. K). Die in diesem Verfahren erhobene Beschwerde des Ge-
suchstellers richtete sich unter anderem gegen die Weigerung des Gesuchs-
gegners, die vom ihm beigezogenen bzw. beizuziehenden Hilfspersonen
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im Strafverfahren gegen den Gesuchsteller zu bezeichnen (BB.2020.245
act. 1).

6.3.2 Das Beschwerdeverfahren ist nicht öffentlich (Art. 69 Abs. 3 lit. c StPO).
Adressat dieser Bestimmung ist nicht nur die Beschwerdekammer selbst,
sondern vorliegend ebenfalls der Gesuchsgegner in seiner Funktion als Mit-
glied der Strafverfolgungsbehörde (vgl. Art. 73 Abs. 1 StPO sowie Art. 69
Abs. 3 lit. a StPO). Dies bedeutet, dass keine Publikumsöffentlichkeit be-
steht, die Medien aber allenfalls im Rahmen von Art. 74 StPO orientiert
werden können. Zuständiger Geheimnisherr war im hängigen Beschwerde-
verfahren BB.2020.245 ausschliesslich die Verfahrensleitung der Beschwer-
dekammer. Für die Information ist dabei Art. 63 StBOG zu beachten, samt
Reglement des Bundesstrafgerichts über die Grundsätze der Information
vom 24. Januar 2012 (SR 173.711.33). Der Gesuchsgegner hat im Rahmen
des über ihn erschienenen Artikels in der Januar-Ausgabe des «Plädoyers»
den Gegenstand und damit den Inhalt des nicht öffentlichen und zu jenem
Zeitpunkt noch hängigen Beschwerdeverfahrens BB.2020.245 preisgege-
ben, zu dessen Geheimhaltung er als Geheimnisträger verpflichtet gewesen
wäre und zu dessen Offenbarung er als nicht zuständiger Geheimnisherr
nicht befugt gewesen ist. Die Geheimhaltungspflicht im Sinne von Art. 73
Abs. 1 StPO gehört zu den konkreten Amtspflichten des Gesuchsgegners.
Wie den Akten zu entnehmen ist, wurde der Gesuchsgegner denn auch
explizit von der AB-BA im Dienstleistungsvertrag vom 7. bzw. 8. Juli 2020
auf die Wahrung des Amtsgeheimnisses im Sinne von Art. 320 StGB hinge-
wiesen (act. 15.3). Die Preisgabe eines unter Art. 73 Abs. 1 StPO fallenden
Geheimnisses ohne Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ist mit den
Amtspflichten des Gesuchsgegners nicht vereinbar. Dass ein Rechtferti-
gungsgrund vorgelegen hätte, wird weder geltend gemacht noch ist ein
solcher ersichtlich. Damit sind die vom Gesuchsteller erhobene Zweifel an
der Unbefangenheit des Gesuchsgegners ohne Weiteres begründet.

Ob die weiteren, vom Gesuchsteller monierten Äusserungen im besagten
Artikel der Januar-Ausgabe des «Plädoyers» tatsächlich vom Gesuchsgeg-
ner oder aus einer anderen dem Journalisten bekannten Quelle stammen,
lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, sodass darauf nicht weiter einzu-
gehen ist.



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7. Medienmitteilungen vom 10. Februar, 8. und 11. März 2021 (vgl. supra
lit. L, O und Q)
7.1 Der Gesuchsteller macht in seiner Eingabe vom 12. März 2021 weitere Aus-
standsgründe geltend: Mit seinen Medienmitteilungen vom 8. und 11. März
2021 bringe der Gesuchsgegner klar zum Ausdruck, dass er in den Kriterien
von Obsiegen und Unterliegen denke und nicht mehr als zu Neutralität und
Objektivität verpflichteter Verfahrensleiter, sondern sich als einseitige, auf
den eigenen Erfolg erpichte Gegenpartei verstehe. In den genannten Medi-
enmitteilungen sowie in jener des 10. Februar 2021 sei die Kommentierung
ohne Anonymisierung und unter voller Namensnennung des Gesuchstellers
erfolgt und noch bevor die akkreditierten Journalisten den anonymisierten
Entscheid erhalten hätten. Die Medienmitteilungen zum Ausgang der Be-
schwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
seien nicht nur selektiv und teilweise faktenwidrig, sondern enthielten auch
eigene, den subjektiven Vorstellungen des Gesuchsgegners entsprechende
Wertungen (act. 13).

7.2 Der Gesuchsgegner wendet demgegenüber ein, es bestehe ein grosses
Interesse am Strafverfahren betreffend die nicht protokollierten Treffen. Die
Aufschaltung einer persönlichen Website mit kurzen persönlichen Angaben,
einer Kontaktadresse und einer Sammlung von Pressemitteilungen diene vor
diesem Hintergrund dem Zweck, immer wiederkehrende ähnliche Anfragen
zu kanalisieren, den Beantwortungsaufwand im Sinne der Verfahrenseffi-
zienz in Grenzen zu halten und gleichzeitig alle Medien zeit- und inhalts-
gleich (deutsch und französisch) informieren zu können. Einzelne Medien-
schaffende würden dadurch nicht bevorzugt, sondern gleichbehandelt. Dem
Gesuchsgegner stünden keine personell gut dotierten Kommunikationsab-
teilungen wie einer ordentlichen Staats- oder Bundesanwaltschaft zur Verfü-
gung, die Dutzende von Anfragen innert kurzer Zeit und in der notwendigen
Qualität beantworten könnten. Vielmehr besorge er die Kommunikation
selber und werde nur bei Bedarf durch einen professionellen Kommunikati-
onsberater, insbesondere bei Medienmitteilungen, unterstützt. Er sei daher
darauf angewiesen, dass möglichst wenige Fragen individuell zu beantwor-
ten seien, sondern sich die Mehrheit bereits gestützt auf die Website selber
beantworten und sich die Medienschaffenden selber informieren könnten.
Entgegen der Auffassung des Gesuchstellers seien die Medienmitteilungen
ausgewogen, würden sich innerhalb der rechtsstaatlichen Leitlinien behörd-
licher Kommunikation bewegen und hätten sämtliche Punkte der bundes-
strafgerichtlichen Entscheidungen berücksichtigt. Ein Ausstandsgrund sei
daher nicht erkennbar (act. 15 S. 5 ff.).


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7.3
7.3.1 Der Gesuchsteller sah in den Medienmitteilungen vom 10. Februar, 8. und
11. März 2021 das Vorliegen weiterer Ausstandsgründe. Diese sind mit Ein-
gabe vom 12. März 2021 rechtzeitig geltend worden, sodass darauf ohne
Weiteres einzutreten ist. Dies gilt auch insoweit damit die Äusserungen in
der Medienmitteilung vom 10. Februar 2021 gerügt werden. Entgegen der
Ansicht des Gesuchsgegners bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der
Gesuchsteller über einen längeren Zeitraum ein «Privatdossier» über angeb-
liche Prozessfehler des Gesuchsgegners angelegt und diese Rügen nicht
rechtzeitig vorgebracht hätte. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, hat erst
die Kumulation der Medienmitteilungen Anlass zur Annahme der Befangen-
heit gegeben, sodass dem Gesuchsteller nicht vorgeworfen werden kann, er
habe die Ausstandsgründe mit Hinblick auf die Medienmitteilung vom
10. Februar 2021 zu spät gestellt.

7.3.2 Zunächst ist festzuhalten, dass sich die drei fraglichen Medienmitteilungen
auf abgeschlossene Beschwerdeverfahren bezogen haben. Wie bereits
supra unter E. 6.3.2 ausgeführt, liegt die Verfahrensleitung und damit auch
die Zuständigkeit für die öffentliche Kommunikation hängiger Beschwerde-
verfahren beim Bundesstrafgericht. Nach Abschluss des Verfahrens veröf-
fentlicht das Bundesstrafgericht ihren Endentscheid in seiner im Internet ein-
sehbaren Datenbank (Art. 63 Abs. 1 StBOG, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1
des Reglements des Bundesstrafgerichts über die Grundsätze der Informa-
tion). Das Gericht veröffentlicht seine Entscheide grundsätzlich in anonymi-
sierter Form, es sei denn, es handle sich um einen bekannten Fall («causes
célèbres») und die Namen sind der Öffentlichkeit schon bekannt (Art. 6
Abs. 1 und 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts über die Grundsätze
der Information).

Vor dem Hintergrund, dass die Staatsanwaltschaft auch Zwischenschritte
des Vorverfahrens veröffentlichen kann (Ziff. 5 Empfehlungen SKIS), war es
dem Gesuchsgegner nicht grundsätzlich untersagt, sich über die Ergebnisse
der Beschwerdeverfahren mittels Medienmitteilungen zu äussern. Eine Ver-
öffentlichung von Zwischenschritten hat aber äusserst zurückhaltend und in
der Regel nur als reaktive Kommunikation zu erfolgen (vgl. Ziff. 5 Empfeh-
lungen SKIS). Der Gesuchsgegner hat die Medienmitteilungen veröffentlicht,
noch bevor die Beschwerdekammer ihre Entscheide in anonymisierter Form
auf ihrer Website aufschaltete. Ein derartiges Vorgehen ist äusserst fragwür-
dig. Zum einen wurde damit nicht nur die Veröffentlichungspraxis des Bun-
desstrafgerichts vollständig hintergangen, es bestand insbesondere mit der
Medienmitteilung vom 11. März 2021, welche nur einen Tag nach Versand
des Beschlusses BB.2020.291 vom 10. März 2021 veröffentlicht worden ist,
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auch die Gefahr, dass dem Gesuchsteller der betreffende Beschluss noch
gar nicht hatte zugestellt werden können und er über die Medien von dessen
Inhalt erfahren hätte. Der Gesuchsgegner hätte aber auch aus einem ande-
ren Grund auf eine voreilige Medienmitteilung verzichten müssen: Während
seine Medienmitteilungen zu den abgeschlossenen Beschwerdeverfahren
jedesmal unverzüglich von der Presse aufgegriffen wurden, fanden an-
schliessend die auf der Website des Bundesstrafgerichts veröffentlichten
Beschlüsse in den Medien praktisch keine Beachtung mehr. Dies ist umso
schwerwiegender, als – wie nachfolgend zu zeigen sein wird – die Medienin-
formation durch den Gesuchsgegner zu den abgeschlossenen Beschwerde-
verfahren nicht in der gehörigen objektiven Art und Weise erfolgt ist. Wenn
der Gesuchsgegner seine Medienmitteilungen damit zu rechtfertigen meint,
dass der Gesuchsteller – angeblich – selber auch an die Medien gelangt sei,
verkennt er, dass der Gesuchsteller als beschuldigte Person im Gegensatz
zum Gesuchsgegner nicht an die Grundsätze von Art. 73 und 74 StPO ge-
bunden ist.

7.3.3 Der Gesuchsgegner titelte in der Medienmitteilung vom 10. Februar 2021
«Keine Einsicht in Kommissionsprotokoll, Arbeitsverträge und Korrespon-
denz». In fett hervorgehobener Schrift heisst es ferner «FIFA-Präsident
Gianni Infantino erhält weder Einsicht in die Verträge und Abmachungen des
a.o. Bundesanwalts noch in die Wortprotokolle der Gerichtskommission.
Laut Urteil des Bundesstrafgerichts müssen ihm einzig die Namen allfälliger
Hilfspersonen bekannt gegeben werden, an die Untersuchungshandlungen
delegiert werden». Im ersten und längsten Abschnitt des nachfolgenden Tex-
tes führt der Gesuchsgegner aus, wie der Gesuchsteller Einsicht in sämtliche
Unterlagen verlangt habe, die im Zusammenhang mit dem Beizug von Hilfs-
personen durch den Gesuchsgegner gestanden hätten. Ausserdem habe
der Gesuchsteller die Wortprotokolle der Gerichtskommission anlässlich der
Bewerbung des Gesuchsgegners verlangt. Diese Forderungen habe das
Bundesstrafgericht abgewiesen, soweit es überhaupt auf die Beschwerde
des Gesuchstellers eingetreten sei. Im letzten und weitaus kürzeren Absatz
teilt der Gesuchsgegner mit, dass die Beschwerde in einem Punkt teilweise
als begründet erachtet worden sei, nämlich mit Bezug auf die Bekanntgabe
von Namen von Mitarbeitern, die zumindest einen indirekten Einfluss auf den
Ausgang des Verfahrens haben könnten.

Der Titel und die fett hervorgehobene Textstelle suggerieren zunächst, dass
es im Beschwerdeverfahren BB.2020.245 primär um die Einsicht in diverse
Unterlagen durch den Gesuchsteller gegangen sei. Wie den Beschwerde-
anträgen jedoch eindeutig zu entnehmen ist, ging es dem Gesuchsteller in
erster Linie darum, die Namen und die genauen Funktionen der vom
- 24 -


Gesuchsgegner beigezogenen Hilfspersonen in Erfahrung zu bringen (vgl.
Beschluss BB.2020.245 vom 5. Februar 2021 lit. G; Beschwerdeantrag 1).
In diesem Zusammenhang verlangte der Gesuchsteller Einsicht in verschie-
dene Unterlagen (Beschwerdeantrag 2) und replicando auch Einsicht in das
Protokoll der Anhörung des Gesuchsgegners durch die Gerichtskommission
der Bundesversammlung vom 26. August 2020. Auf diese letztgenannten
Anträge ist die Beschwerdekammer in ihrem Beschluss BB.2020.245 vom
5. Februar 2021 jedoch gar nicht eingetreten. Die Formulierung in der Medi-
enmitteilung, das Gericht habe diese Forderungen abgewiesen, soweit es
darauf eingetreten sei, ist daher falsch. Auch mit dem Titel «Keine Einsicht
in Kommissionsbericht, Arbeitsverträge und Korrespondenz» und der For-
mulierung am Ende der Medienmitteilung, wonach die Rechtslage nun in
Bezug auf die Einsichtsforderungen Infantinos «geklärt» sei, wird der Ein-
druck erweckt, das Gericht habe die Anträge zur Einsicht in diverse Unterla-
gen materiell behandelt, was jedoch nicht zutrifft. Solche irreführenden und
zum Teil unzutreffenden Äusserungen sind in jedem Fall zu unterlassen und
haben in einer korrekten Medienmitteilung keinen Platz. Wesentlicher Inhalt
des Beschlusses BB.2020.245 war ohnehin die Frage nach der Zulässigkeit
des Beizugs von Hilfspersonen ausserhalb der Bundesanwaltschaft durch
einen ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes bzw. einen ausseror-
dentlichen Bundesanwalt sowie die Frage, ob der Gesuchsgegner zu Recht
die Namensnennung der von ihm beigezogenen Hilfspersonen verweigert
hatte. Insofern ist nur schon die Titelwahl, aber auch der nachfolgende Text
in der Medienmitteilung nicht mit einer objektiven Kommunikation durch den
Gesuchsgegner zu vereinbaren.

7.3.4 Die Medienmitteilung vom 8. März 2021 bezog sich auf den Beschluss des
Bundesstrafgerichts BB.2020.278 vom 4. März 2021, mit welchem die Be-
schwerdekammer eine Beschwerde des Gesuchstellers abgewiesen hatte,
soweit sie darauf eintrat. Anlass zu Bemerkungen gibt der Titel, unter wel-
chem der Gesuchsgegner die Medienmitteilung veröffentlicht hat: «Weitere
Beschwerde Infantinos abgewiesen». Vorgängig zur Beschwerde im Verfah-
ren BB.2020.278 hatte die Beschwerdekammer zum Zeitpunkt der Medien-
mitteilung erst über eine Beschwerde des Gesuchstellers befunden, nämlich
die Beschwerde im Verfahren BB.2020.245, und diese Beschwerde hatte die
Kammer, wie bereits dargelegt, gutgeheissen, soweit sie darauf eingetreten
war. Der Titel «Weitere Beschwerde Infantinos abgewiesen» ist vor diesem
Hintergrund tatsachenwidrig. Darüber hinaus ist ein derartiger Titel, der wie
eine Schlagzeile anmutet, reisserisch und verletzt das Sachlichkeitsgebot.

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7.3.5 Die Medienmitteilung vom 11. März 2021 schliesslich erfolgte unter dem Titel
«Zuständigkeitsfragen geklärt». Der Gesuchsgegner bezog sich darin zu-
nächst auf den tags zuvor gefällten Beschluss BB.2020.291 des Bundes-
strafgerichts und hielt fest, das Gericht hätte die Einvernahme einer Person
aus dem Umfeld des Gesuchstellers wegen fehlender Zuständigkeit des
a.o. Staatsanwalts des Bundes beanstandet und verlangt, dass das Protokoll
der Befragung aus den Akten entfernt werde. Zudem informierte er die
Öffentlichkeit, dass die «damals unklare Zuständigkeit zur Untersuchung der
Benutzung eine[s] Privatjets durch Infantino nun in einer Vereinbarung zwi-
schen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem a.o. Staats-
anwalt des Bundes geregelt sei».

Die Aussage der «damals» unklaren Zuständigkeit steht nicht nur im Wider-
spruch zur Medienmitteilung vom 10. Dezember 2020, sondern auch zu den
im Beschwerdeverfahren BB.2020.291 gemachten Aussagen des Gesuchs-
gegners: Er hielt klar fest, dass er für die Eröffnung des Strafverfahrens im
Sachverhaltskomplex «Privatflüge» nicht zuständig sei. Dies bestätigte er
auch noch im vorliegenden Ausstandsverfahren in der Gesuchsantwort vom
23. Dezember 2020 und Duplik vom 16. Februar 2021. Mit keinem Wort
wurde je erwähnt, dass die Zuständigkeit mit Bezug auf die Eröffnung des
Strafverfahrens im Komplex «Privatflüge» unklar gewesen sei. Die Aussage,
die Zuständigkeit sei schon «damals» – gemeint ist zum Zeitpunkt der Ver-
öffentlichung der Medienmitteilung vom 10. Dezember 2020 – unklar gewe-
sen, ist vor diesem Hintergrund befremdend und einer vertrauenswürdigen
Kommunikation abträglich.

7.3.6 Gesamthaft betrachtet entsteht der Eindruck, dass es dem Gesuchsgegner
mit den Medienmitteilungen nicht um eine objektive Kommunikation von
wichtigen Zwischenschritten im Rahmen des Vorverfahrens gegangen ist,
sondern vielmehr um einseitige Berichterstattung. Abgesehen davon, dass
einige Fakten nicht den Tatsachen entsprechen, werden andere Fakten so
dargelegt, dass der Gesuchsgegner dabei ausschliesslich in einem guten
Licht dasteht und jede mögliche Kritik neutralisiert wird. Dies hat jedoch mit
einer sachlichen, neutralen, korrekten und im öffentlichen Interesse stehen-
den Kommunikation nichts tun. Damit kann nicht mehr ohne Zweifel davon
ausgegangen werden, der Gesuchsgegner sei dem Gesuchsteller gegen-
über unbefangen.


8. Soweit der Gesuchsteller schliesslich in seiner Replik vom 8. Januar 2021
weitere Umstände geltend macht, die darauf hinweisen würden, dass der
Gesuchsgegner befangen sei und sich dabei auf Äusserungen bezieht, die
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der Gesuchsgegner in seinen Eingaben vom 15. und 21. Dezember 2020 in
den Verfahren BB.2020.245 und BB.2020.291 gemacht habe, ist darauf nicht
weiter einzugehen, da diese verspätet gestellt worden sind (vgl. supra E. 1.).


9.
9.1 Zusammenfassend ist das Ausstandsgesuch gegen den a.o. Bundesanwalt
bzw. den a.o. Staatsanwalt des Bundes Stefan Keller gutzuheissen. Dieser
hat in den Verfahren gegen den Gesuchsteller in den Ausstand zu treten.

9.2 Die Feststellung von Ausstandsgründen hat nicht zur Folge, dass die den
Ausstand feststellende Behörde die Amtshandlungen, an denen eine zum
Ausstand verpflichtete Person mitgewirkt hat, aufhebt oder für nichtig erklärt.
Die Aufhebung und Wiederholung solcher Amtshandlungen erfolgt nur, wenn
dies von einer Partei innert 5 Tagen verlangt wird, nachdem sie vom Ent-
scheid über den Ausstand Kenntnis erhalten hat (Art. 60 Abs. 1 StPO). Auf
das Begehren des Gesuchstellers um Nichtigerklärung der bisher durchge-
führten Amtshandlungen ist daher nicht einzutreten.


10.
10.1 Wird das Ausstandsgesuch gutgeheissen, so gehen die Verfahrenskosten
zu Lasten des Bundes (Art. 59 Abs. 4 StPO). Soweit auf das Begehren um
Feststellung der Nichtigkeit der bisher durchgeführten Amtshandlungen nicht
eingetreten wird, rechtfertigt es sich, auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr
zu verzichten.

10.2 Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Bundesanwaltschaft
dem Gesuchsteller eine Entschädigung für seine diesbezüglichen Aufwen-
dungen auszurichten (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO analog; siehe hierzu das
Urteil des Bundesgerichts 6B_118/2016 vom 20. März 2017 E. 4.5.2 m.w.H.
sowie der Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2018.197 vom 17. Juni
2019 E. 11.1).

10.3 Da der Rechtsvertreter des Gesuchstellers der Beschwerdekammer keine
Kostennote eingereicht hat, ist die Parteientschädigung ermessensweise auf
Fr. 5'000.-- festzusetzen (vgl. Art. 10 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 des Reglements
des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren
und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).


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Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das gegen den a.o. Bundesanwalt bzw. den a.o. Staatsanwalt des Bundes
Stefan Keller gerichtete Ausstandsgesuch wird gutgeheissen. Dieser hat in
den Verfahren gegen den Gesuchsteller in den Ausstand zu treten.

2. Auf das Begehren um Feststellung der Nichtigkeit der bisher durchgeführten
Amtshandlungen wird nicht eingetreten.

3. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

4. Die Bundesanwaltschaft hat dem Gesuchsteller für das vorliegende Verfahren
eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.-- zu bezahlen.


Bellinzona, 4. Mai 2021

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:






Zustellung an

- Rechtsanwalt David Zollinger, Poststrasse 9, 8620 Wetzikon
- Stefan Keller, ausserordentlicher Bundesanwalt, Poststrasse 6, 6060 Sarnen
- Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft, Bundesgasse 3, 3003 Bern
(in Kopie)



Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.


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