A-8641/2010 - Abteilung I - Energie (Übriges) - Kosten und Tarife 2011 für die Netznutzung Netzebe...
Karar Dilini Çevir:
A-8641/2010 - Abteilung I - Energie (Übriges) - Kosten und Tarife 2011 für die Netznutzung Netzebe...
B u n d e s v e rw a l t u ng s g e r i ch t
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i f f éd é r a l
T r i b u n a l e am m in i s t r a t i vo f e d e r a l e
T r i b u n a l ad m i n i s t r a t i v fe d e r a l








Abteilung I
A-8641/2010


U r t e i l v o m 2 . M a i 2 0 1 3
Besetzung

Richterin Kathrin Dietrich (Vorsitz),
Richter André Moser, Richterin Marianne Ryter,
Gerichtsschreiber Lars Birgelen.



Parteien

Kernkraftwerk Leibstadt AG, Eigen, 5325 Leibstadt,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Rechsteiner und
Rechtsanwalt lic. iur. Michael Waldner, VISCHER AG,
Schützengasse 1, Postfach 1230, 8021 Zürich,
Beschwerdeführerin,



gegen


swissgrid ag, Dammstrasse 3, Postfach 22, 5070 Frick,
Beschwerdegegnerin,

Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom,
3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Kosten und Tarife 2011 für die Netznutzung Netzebene 1
und Systemdienstleistungen.


A-8641/2010
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Sachverhalt:
A.
Am 3. Mai 2010 veröffentlichte die nationale Netzgesellschaft swissgrid
AG (swissgrid) als Betreiberin des schweizerischen Übertragungsnetzes
für elektrische Energie (Netzebene 1) die Kosten und Tarife 2011 für die
Netznutzung der Netzebene 1 und für die Systemdienstleistungen.
B.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2010 gab die Eidgenössische Elektrizitäts-
kommission (ElCom) gegenüber swissgrid, den Übertragungsnetzeigen-
tümern, den Netzbetreibern, den direkt am Übertragungsnetz ange-
schlossenen Endverbrauchern und den Betreibern von Kraftwerken mit
einer elektrischen Leistung von mindestens 50 MW bekannt, sie überprü-
fe die Kosten und Tarife 2011 der Netzebene 1 von Amtes wegen. Die
Kernkraftwerk Leibstadt AG nahm am 13. Oktober 2010 zu den Prüfer-
gebnissen der ElCom Stellung.
C.
In der Folge legte die ElCom (nachfolgend: Vorinstanz) mit Verfügung
vom 11. November 2010 für das Jahr 2011 insbesondere die allgemeinen
Tarife für die Netznutzung der Netzebene 1 fest (Ziff. 1 des Dispositivs). In
Ziff. 8 des Dispositivs wies sie die swissgrid an, den Bilanzgruppen, wel-
chen die Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt zugeordnet sind, je die
von ihnen verursachten Kosten für die Vorhaltung von positiver Tertiärre-
gelleistung in Rechnung zu stellen, wobei die während der Revision der
genannten Kraftwerke vorzunehmende Reduktion der Leistungsvorhal-
tung massgebend sei. Einer allfälligen Beschwerde entzog sie die auf-
schiebende Wirkung (Ziff. 10 des Dispositivs). Die Verfügung wurde der
swissgrid und den übrigen beteiligten Parteien (vgl. Bst. B) eröffnet.
D.
Mit Eingabe vom 15. Dezember 2010 erhebt die Kernkraftwerk Leibstadt
AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) Beschwerde beim Bundesverwal-
tungsgericht und beantragt die ersatzlose Aufhebung von Dispositivziffer
8 der Verfügung der Vorinstanz vom 11. November 2010. In prozessualer
Hinsicht stellt sie unter anderem den Antrag auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde in Bezug auf Dispositivziffer 8.
Zur Begründung bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die
Anlastung von Kosten für die Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung
auf die Bilanzgruppen, denen die Kernkraftwerke Leibstadt und Gösgen
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angehören, sei verfassungswidrig und finde weder in Art. 14 Abs. 3 des
Stromversorgungsgesetzes vom 23. März 2007 (StromVG, SR 734.7)
noch in Art. 15 Abs. 1 Bst. b der Stromversorgungsverordnung vom
14. März 2008 (StromVV, SR 734.71) eine genügende (gesetzliche)
Grundlage. Darüber hinaus verletze eine Kostenauferlegung auf bloss
zwei Kraftwerke bzw. deren Bilanzgruppenverantwortliche den Grundsatz
der Rechtsgleichheit sowie die Wirtschaftsfreiheit der Betroffenen.
E.
Mit Zwischenverfügung vom 21. Februar 2011 weist das Bundesverwal-
tungsgericht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung ab und sistiert das Verfahren vorerst bis
zum rechtskräftigen Abschluss der ebenfalls vor ihm anhängigen Be-
schwerdeverfahren betreffend Kosten und Tarife 2009 für die Netznut-
zung Netzebene 1 und Systemdienstleistungen.
F.
Mit Zwischenverfügung vom 20. März 2012 hebt das Bundesverwal-
tungsgericht die Sistierung von Amtes wegen auf.
G.
In ihrer Vernehmlassung vom 7. Mai 2012 schliesst die Vorinstanz auf
Abweisung der Beschwerde. Die Anlastung der Kosten für die Aus-
gleichsenergie inkl. Anteile der Leistungsvorhaltung für die Sekundär- und
Tertiärregelung auf Bilanzgruppen gemäss Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV
sei gesetzeskonform, handle es sich doch um individuell in Rechnung ge-
stellte Kosten für individuelle Systemdienstleistungen (SDL), welche nach
Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG von der Festlegung des Netznutzungstarifs
auszuschliessen seien. Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV sei so auszulegen,
dass die Kosten für die Anteile der Leistungsvorhaltung für Sekundär- und
Tertiärregelenergie nicht Bestandteil des Ausgleichsenergietarifs seien,
sondern entweder individuell verursachergerecht zugeordnet würden oder
in den Tarif für allgemeine SDL einflössen.
H.
In ihrer Beschwerdeantwort vom 7. Mai 2012 beantragt swissgrid (nach-
folgend: Beschwerdegegnerin) mit Verweis auf ihren (ursprünglich)
gleichlautenden Antrag (ersatzlose Aufhebung der Dispositivziffer 8 der
Verfügung der Vorinstanz vom 11. November 2010) im von ihr selber
beim Bundesverwaltungsgericht angehobenen Beschwerdeverfahren die
Gutheissung der Beschwerde.
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Seite 4
I.
Mit Replik vom 19. Juni 2012 hält die Beschwerdeführerin an ihrem
Rechtsbegehren fest. Soweit die Netzregelung zu den von der Be-
schwerdegegnerin zu erbringenden SDL gehöre, seien die dadurch ent-
stehenden Kosten gemäss dem Ausspeiseprinzip (Art. 14 Abs. 2
StromVG) als Teil der Netzkosten von den Endverbrauchern zu tragen.
Eine individuelle Anlastung von Netzkosten auf andere Akteure dürfe nur
gestützt auf eine formell-gesetzliche Grundlage erfolgen, welche von
Kantonen, Gemeinden oder Energieversorgungsunternehmen ausserhalb
des StromVG zu schaffen sei. Die auf diese Weise allenfalls individuell in
Rechnung gestellten Kosten im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG
seien gerade nicht Gegenstand einer "Überwälzung" gemäss Art. 15
Abs. 4 Bst. b StromVG und würden demnach auch nicht von dieser Dele-
gationsnorm erfasst. Die Vorhaltekosten für die mittelfristige Netzregelung
müssten gemäss Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV in die Preise für die Aus-
gleichsenergie einfliessen.
J.
In ihrer Duplik vom 2. August 2012 macht die Vorinstanz geltend, der Ge-
setzgeber habe bei Erlass von Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG ausdrück-
lich an Stromproduzenten gedacht. Demnach sei für eine individuelle An-
lastung von Kosten für die Vorhaltung von Tertiärregelleistung an die Bi-
lanzgruppen keine zusätzliche, über Art. 14 Abs. 3 Bst. d und Art. 15
Abs. 4 Bst. b StromVG hinausgehende Grundlage auf Gesetzesstufe er-
forderlich.
K.
Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf die Einreichung einer Duplik.
L.
In ihren Schlussbemerkungen vom 3. September 2012 unterstreicht die
Beschwerdeführerin, dass Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG weder einen
Auftrag noch eine gesetzliche Grundlage enthalte, um irgendjemandem
irgendwelche Kosten anzulasten.
M.
Auf die übrigen Ausführungen der Beteiligten und die sich bei den Akten
befindlichen Schriftstücke wird – soweit entscheidrelevant – im Rahmen
der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

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Seite 5
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom
20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Die ElCom gehört zu den Be-
hörden nach Art. 33 Bst. f VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bun-
desverwaltungsgerichtes. Eine Ausnahme nach Art. 32 VGG, was das
Sachgebiet angeht, ist nicht gegeben. Demnach ist das Bundesverwal-
tungsgericht für die Beurteilung der erhobenen Beschwerde zuständig
(vgl. auch Art. 23 StromVG).
1.2 Die Vorinstanz hat in Dispositivziffer 8 der angefochtenen Verfügung
die Beschwerdegegnerin angewiesen, den Bilanzgruppen, welchen die
Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt zugeordnet sind, je die von ihnen
verursachten Kosten für die Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung
in Rechnung zu stellen, wobei die während der Revision der genannten
Kraftwerke vorzunehmende Reduktion der Leistungsvorhaltung massge-
bend sei.
1.2.1 Der Entscheid über die (bloss) grundsätzliche Kostenpflicht der bei-
den betroffenen Bilanzgruppen gemäss Dispositivziffer 8 ist als Zwi-
schenentscheid im Sinne von Art. 46 VwVG zu qualifizieren, handelt es
sich doch um einen materiellrechtlichen Grundsatzentscheid, der bloss
einen Teilaspekt einer Streitsache beantwortet (vgl. Urteile des Bundes-
gerichtes 2C_450/2012 vom 27. März 2013 E. 1.3.2 sowie E. 1.4.3,
2C_412/2012 vom 27. März 2013 E. 1.3.2 sowie E. 1.4.3 und
2C_572/2012 vom 27. März 2013 E. 3.3.2 sowie E. 3.4.3). Gegen eine
solche selbständig eröffnete Zwischenverfügung ist die Beschwerde zu-
lässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachender Nachteil bewirken
kann oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endent-
scheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (vgl. Art. 46
Abs. 1 Bst. a und Bst. b VwVG). Wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird
(vgl. E. 9 ff.), ist eine Pflicht der Bilanzgruppe, welcher die Beschwerde-
führerin angehört, zur Übernahme von Kosten für die Vorhaltung von po-
sitiver Tertiärregelleistung zu verneinen. Mit der Gutheissung der Be-
schwerde ist demnach ein sofortiger Endentscheid möglich und es kann
ein erheblicher Aufwand an Zeit und Kosten vermieden werden (vgl. auch
FELIX UHLMANN/SIMONE WÄLLE-BÄR, in: Praxiskommentar VwVG, Wald-
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mann/Weissenberger [Hrsg.], Zürich 2009, Art. 46 N 21, wonach Zwi-
schenverfügungen, welche eine materiellrechtliche Vorfrage beantworten,
in der Regel über die Voraussetzung von Art. 46 Abs. 1 Bst. b VwVG an-
fechtbar sein dürften). Auf die Beschwerde ist somit – vorbehältlich der
Legitimation der Beschwerdeführerin (vgl. sogleich E. 1.2.2) – aus Grün-
den der Prozessökonomie einzutreten.
1.2.2 Zur Beschwerde ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren
teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch
die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und ein schutzwürdi-
ges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 48 Abs. 1
VwVG).
Art. 2 Abs. 1 Bst. e StromVV definiert "Bilanzgruppe" als rechtlicher Zu-
sammenschluss von Teilnehmern am Elektrizitätsmarkt, um gegenüber
der Beschwerdegegnerin eine gemeinsame Mess- und Abrechnungsein-
heit innerhalb der Regelzone Schweiz zu bilden. Die Bilanzgruppe
schliesst mit der Beschwerdegegnerin einen Vertrag ab und bezeichnet
einen beteiligten Teilnehmer, der sie gegenüber der Beschwerdegegnerin
und Dritten vertritt (sog. Bilanzgruppenverantwortlicher [BGV]; vgl. Art. 23
Abs. 3 und Abs. 4 StromVV). Da die Beschwerdegegnerin nur mit den
BGV in einem direkten Vertragsverhältnis steht (vgl. Standard-
Bilanzgruppenvertrag der swissgrid, Version 1.0, vom 5. August 2008)
und diese die jeweilige Bilanzgruppe ihr gegenüber im eigenen Namen
vertreten (MICHAEL WALDNER, Funktion und Rechtsnatur des Stromliefer-
vertrages im liberalisierten Strommarkt, AJP 2010, S. 1314), auferlegt die
Beschwerdegegnerin in der Praxis den BGV die strittigen Vorhaltekosten.
Unmittelbar ins Recht gefasst wird somit – so auch das Verständnis der
Vorinstanz – die A._______ AG als BGV der Bilanzgruppe, welcher die
Beschwerdeführerin zugeordnet ist. Diese ist demnach – neben der Be-
schwerdegegnerin – ebenfalls materielle Verfügungsadressatin, deren
Rechtsstellung durch den Entscheid direkt beeinträchtigt wird (vgl. VERA
MARANTELLI-SONANINI/SAID HUBER, in: Praxiskommentar VwVG, a.a.O.,
Art. 48 N 24).
Dritte, welche gleichgeartete Interessen wie der Verfügungsadressat ver-
folgen, können unter Umständen daran interessiert sein, eine den Verfü-
gungsadressaten belastende Verfügung anzufechten. Zu einer solchen
Anfechtung sind Dritte jedoch nur dann legitimiert, wenn sie ein eigenes
schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung dieser Verfü-
gung haben und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Bezie-
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hung zur Streitsache stehen. Soweit der belastete Verfügungsadressat
jedoch auf eine Anfechtung verzichtet, ist die Drittbeschwerde zugunsten
des Adressaten nicht zulässig, da der Dritte etwas anstreben würde, was
seiner Dispositionsbefugnis entzogen ist und nur dem Verfügungsadres-
saten selber zusteht. Blosse Rückwirkungen, welche eine Verfügung auf
ein Vertragsverhältnis zwischen dem Verfügungsadressaten und dem
Dritten zeitigen kann, begründen in der Regel noch kein schutzwürdiges
Anfechtungsinteresse des Dritten; für die erforderliche Beziehungsnähe
zur Streitsache wird praxisgemäss verlangt, dass die Drittperson einen
unmittelbaren Nachteil erleidet (MARANTELLI-SONANINI/HUBER, a.a.O.,
Art. 48 N 34 f.). Das schutzwürdige Interesse kann allgemein sowohl
rechtlicher als auch bloss tatsächlicher Natur sein, d.h. es genügt, wenn
rein tatsächliche, praktische, wirtschaftliche, ideelle oder andere Interes-
sen der beschwerdeführenden Person verletzt werden (ANDRÉ MO-
SER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bun-
desverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 2.65). Die A._______ AG hat als
(Mit-) Verfügungsadressatin im parallelen, derzeit noch sistierten Be-
schwerdeverfahren A-8642/2010 Dispositivziffer 8 der Verfügung der Vor-
instanz vom 11. November 2010 ebenfalls angefochten. Da – falls nicht
bereits geschehen – davon auszugehen ist, dass sie als BGV die ihr an-
gelasteten Vorhaltekosten der Beschwerdeführerin weiterverrechnen wird
(vgl. zumindest bzgl. der Rücküberwälzung des Ausgleichsenergierisikos
auf die Bilanzgruppenmitglieder: WALDNER, a.a.O., S. 1317), ist diese als
Drittbetroffene von der Anordnung in Dispositivziffer 8 mehr als jeder-
mann betroffen und hat ein unmittelbares und eigenes tatsächliches Inte-
resse an deren ersatzlosen Aufhebung. Nachdem sie zusätzlich am vor-
instanzlichen Verfahren (als Partei) teilgenommen hat und mit ihrem An-
trag unterlegen ist, mithin auch formell beschwert ist, ist sie zur Be-
schwerdeführung legitimiert.
1.3 Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde
(Art. 50 und Art. 52 VwVG) ist demnach einzutreten.
2.
Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die bei ihm angefochtenen Ver-
fügungen und Entscheide grundsätzlich mit uneingeschränkter Kognition,
das heisst auch auf eine allfällig unrichtige oder unvollständige Feststel-
lung des Sachverhaltes hin, ebenso auf Angemessenheit (Art. 49 VwVG).
Die Vorinstanz ist keine gewöhnliche Vollzugsbehörde, sondern eine ver-
waltungsunabhängige Kollegialbehörde mit besonderen Kompetenzen.
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Seite 8
Als Fachorgan ist sie Regulierungsinstanz mit besonderer Verantwortung.
Dies rechtfertigt eine gewisse Zurückhaltung des Bundesverwaltungsge-
richtes bei der Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides. Es befreit
das Bundesverwaltungsgericht aber nicht davon, die Rechtsanwendung
auf ihre Vereinbarkeit mit Bundesrecht zu überprüfen. Sodann amtet die
Vorinstanz in einem höchst technischen Bereich, in dem Fachfragen so-
wohl im Bereich der Stromversorgung als auch ökonomischer Ausrich-
tung zu beantworten sind. Ihr steht dabei – wie anderen Behördenkom-
missionen auch – ein eigentliches "technisches Ermessen" zu. In diesem
Rahmen darf der verfügenden Behörde bei der Beurteilung von ausge-
sprochenen Fachfragen ein gewisser Ermessens- und Beurteilungsspiel-
raum belassen werden, soweit sie die für den Entscheid wesentlichen
Gesichtspunkte geprüft und die erforderlichen Abklärungen sorgfältig und
umfassend durchgeführt hat (vgl. BGE 133 II 35 E. 3, BGE 132 II 257
E. 3.2, BGE 131 II 13 E. 3.4, BGE 131 II 680 E. 2.3.2 mit Hinweisen;
BVGE 2009/35 E. 4; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 2.155).
3.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die von der Vorinstanz angeordnete
Anlastung von Kosten für die Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung
auf die Bilanzgruppe, der sie angehöre, sei verfassungs- und gesetzes-
widrig.
3.1 Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit bedarf jedes staatliche
Handeln einer gesetzlichen Grundlage (Art. 5 Abs. 1 der Bundesverfas-
sung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR
101]). Werden Rechtsetzungskompetenzen des Gesetzgebers auf den
Verordnungsgeber (im Bund insbesondere auf den Bundesrat) übertra-
gen, spricht man von Gesetzesdelegation. Der Gesetzgeber ermächtigt
damit im formellen Gesetz die Exekutive zum Erlass von gesetzesvertre-
tenden Verordnungen. Reine Vollziehungsverordnungen sind dagegen
kein Delegationsfall, denn für den Erlass solcher Vorschriften verfügt der
Bundesrat über eine verfassungsunmittelbare Kompetenz (vgl. Art. 182
Abs. 2 BV; Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes A-2607/2009 vom
8. Juli 2010 E. 8.3 mit Hinweisen auf die Literatur [publiziert in: BVGE
2010/49]; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 6. Aufl. Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 408a mit Hinwei-
sen).
3.1.1 Die Gesetzesdelegation gilt als zulässig, wenn sie nicht durch die
Verfassung ausgeschlossen ist, in einem Gesetz im formellen Sinn ent-
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Seite 9
halten ist, sich auf ein bestimmtes, genau umschriebenes Sachgebiet be-
schränkt und die Grundzüge der delegierten Materie, d.h. die wichtigen
Regelungen, im delegierenden Gesetz selbst enthalten sind (Art. 164
Abs. 1 und Abs. 2 BV; BGE 134 I 322 E. 2.6 und BGE 128 I 113 E. 3c;
statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes A-3035/2011 vom
1. März 2012 E. 5.1.1 und A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 8.3.1 je mit
Hinweisen). Delegiert das Gesetz beispielsweise die Kompetenz zur
Festlegung einer Abgabe an den Verordnungsgeber, so muss es zumin-
dest den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand und die Bemes-
sungsgrundlagen der Abgabe selber festlegen (Art. 164 Abs. 1 Bst. d BV;
Urteil des Bundesgerichtes 2C_729/2008 vom 3. März 2009 E. 3.1 mit
Hinweisen, publiziert in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und
Verwaltungsrecht [ZBl] 5/2010, S. 280 ff.).
3.1.2 Das Bundesverwaltungsgericht kann auf Beschwerde hin vorfrage-
weise Verordnungen des Bundesrates auf ihre Gesetz- und Verfas-
sungsmässigkeit prüfen (konkrete Normenkontrolle). Der Umfang der
Kognitionsbefugnis hängt dabei davon ab, ob es sich um eine unselb-
ständige oder aber um eine selbständige Verordnung handelt (MO-
SER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 2.177). Bei unselbständigen Bun-
desratsverordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen,
prüft das Bundesverwaltungsgericht, ob sich der Bundesrat an die Gren-
zen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit
das Gesetz ihn nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen bzw.
seine Regelung nicht lediglich eine bereits im Gesetzesrecht angelegte
Verfassungswidrigkeit übernimmt, beurteilt es auch deren Verfassungs-
mässigkeit. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein
sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungs-
ebene eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 190 BV für das Bun-
desverwaltungsgericht verbindlich. Es darf in diesem Fall nicht sein Er-
messen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern hat
sich auf die Kontrolle zu beschränken, ob dessen Regelung den Rahmen
der ihm im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder
aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist. Dabei kann es
namentlich prüfen, ob sich eine Verordnungsbestimmung auf ernsthafte
Gründe stützt oder Art. 9 BV widerspricht, weil sie sinn- oder zwecklos ist,
rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den
tatsächlichen Verhältnissen fehlt, oder Unterscheidungen unterlässt, die
richtigerweise hätten getroffen werden sollen. Für die Zweckmässigkeit
der angeordneten Massnahme trägt der Bundesrat die Verantwortung; es
ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes, sich zu deren wirt-
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Seite 10
schaftlicher oder politischer Sachgerechtigkeit zu äussern (Urteile des
Bundesgerichtes 2C_246/2009 vom 22. März 2010 E. 7.1, 2C_735/2007
vom 25. Juni 2008 E. 4.2 und 2A.142/2005 vom 24. November 2005
E. 3.1; BGE 133 V 42 E. 3.1, BGE 131 II 562 E. 3.2 und BGE 130 I 26
E. 2.2.1, je mit weiteren Hinweisen; statt vieler: Urteile des Bundesverwal-
tungsgerichtes A-3479/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.4 und A-2607/2009
vom 8. Juli 2010 E. 8.3.2 je mit Hinweisen; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN,
a.a.O., Rz. 408a mit Hinweisen).
4.
Die Stromgesetzgebung bestimmt, dass das Entgelt für die Netznutzung
die anrechenbaren Kosten sowie die Abgaben und Leistungen an Ge-
meinwesen nicht übersteigen darf (Art. 14 Abs. 1 StromVG; sog. Kosten-
deckungsprinzip). Es ist von den Endverbrauchern je Ausspeisepunkt zu
entrichten (Art. 14 Abs. 2 StromVG; sog. Ausspeiseprinzip). Für die Fest-
legung der Netznutzungstarife gilt es gemäss Art. 14 Abs. 3 Bst. d
StromVG unter anderem zu beachten, dass individuell in Rechnung ge-
stellte Kosten auszuschliessen sind. Als anrechenbare (Netz-) Kosten im
Sinne von Art. 14 Abs. 1 StromVG gelten die Betriebs- und Kapitalkosten
eines sicheren, leistungsfähigen und effizienten Netzes. Sie beinhalten
einen angemessenen Betriebsgewinn (Art. 15 Abs. 1 StromVG). Als Be-
triebskosten gelten die Kosten für die mit dem Betrieb der Netze direkt
zusammenhängenden Leistungen. Dazu zählen insbesondere die Kosten
für SDL sowie für den Unterhalt der Netze (Art. 15 Abs. 2 StromVG). Der
Bundesrat legt die Grundlagen fest zur einheitlichen und verursacherge-
rechten Überwälzung der Kosten sowie der Abgaben und Leistungen an
Gemeinwesen. Dabei ist der Einspeisung von Elektrizität auf unteren
Spannungsebenen Rechnung zu tragen (Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG).
5.
Die Vorinstanz stützt sich bei der von ihr verfügten Anlastung von Kosten
für die Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung auf die Bilanzgruppe,
welcher die Beschwerdeführerin zugeordnet ist, auf Art. 15 Abs. 1 Bst. b
StromVV ab. Die Formulierung dieser Bestimmung lautet wie folgt:
Art. 15 Anlastung von Kosten des Übertragungsnetzes
1
Die nationale Netzgesellschaft [Anm.: die Beschwerdegegnerin] stellt individuell in Rechnung:
(…)
b. den Bilanzgruppen die Kosten für die Ausgleichsenergie (inklusive Anteile der Leistungsvorhaltung
für die Sekundär- und Tertiärregelung) und das Fahrplanmanagement, die sie verursacht haben;
(…)
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Seite 11
6.
In einem ersten Schritt ist der vom Verordnungsgeber in Art. 15 Abs. 1
Bst. b StromVV eingeführte Ausdruck "Leistungsvorhaltung für die Tertiär-
regelung" genauer zu definieren.
6.1 Nach Störeinwirkungen trägt die Primärregelung innerhalb von Se-
kunden zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes zwischen Produktion
und Verbrauch im Stromnetz bei. Der Einsatz der Sekundärregelung be-
ginnt nach wenigen Sekunden und ist typischerweise nach fünfzehn Mi-
nuten abgeschlossen. Wird die Regelleistungsabweichung auch nach
diesen fünfzehn Minuten nicht beseitigt, wird die Sekundärregelung von
der Tertiärregelung abgelöst. Die Tertiärregelleistung ist vor allem not-
wendig, um grössere, länger andauernde Regelabweichungen, insbeson-
dere nach Kraftwerkausfällen oder unvorhergesehenen, lang anhaltenden
Laständerungen, auszugleichen; die positive Tertiärregelleistung wird
durch regelfähige Kraftwerke erbracht, welche entsprechende Leistungs-
reserven vorhalten müssen, um im Bedarfsfall innerhalb des vorgegebe-
nen Zeitraums zusätzliche Leistung über einen längeren Zeitraum liefern
zu können (vgl. "Die im StromVG stipulierte Reservehaltung", Bericht des
Bundesrates in Beantwortung des Postulates 08.3757 der UREK-N vom
10. November 2008 [Bericht Reservehaltung], S. 7 f., sowie swissgrid,
Überblick Systemdienstleistungen vom 12. April 2010, Version 1.0 [Über-
blick SDL], S. 4 f.). Im von der Beschwerdegegnerin herausgegebenen
"Glossar für die Regeln des Schweizer Strommarktes", 1. Auflage 2010,
Version 1.0 (Glossar Strommarkt, abrufbar unter: ), S. 22,
wird Tertiärregelreserve definiert als "jene Leistung, die automatisch oder
manuell für die Tertiärregelung eingesetzt werden kann, um eine ange-
messene Sekundärregelreserve sicherzustellen".
6.2 Nach Art. 4 Abs. 1 Bst. g StromVG sind SDL "die für den sicheren Be-
trieb der Netze notwendigen Hilfsdienste. Diese umfassen insbesondere
Systemkoordination, Bilanzmanagement, Primärregelung, Schwarzstart-
und Inselbetriebsfähigkeit von Erzeugern, Spannungshaltung (inkl. Anteil
Blindenergie), betriebliche Messungen und Ausgleich der Wirkverluste".
Regelenergie wird umschrieben als "automatischer oder von Kraftwerken
abrufbarer Einsatz von Elektrizität zur Einhaltung des geplanten Elektrizi-
tätsaustausches und zur Gewährleistung des sicheren Netzbetriebes"
(Art. 4 Abs. 1 Bst. e StromVG). Die SDL schliessen die Bereitstellung von
Regelenergie im Allgemeinen ein, also nicht nur die Primär-, sondern
auch die Sekundär- und Tertiärregelung (vgl. Bericht Reservehaltung,
S. 6; Art. 20 Abs. 2 Bst. b Satz 1 StromVG; siehe auch Überblick SDL,
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Seite 12
S. 3). Die dafür benötigten Kraftwerkskapazitäten sind von der Be-
schwerdegegnerin als nationale Netzgesellschaft zu beschaffen (Art. 20
Abs. 2 Bst. b Satz 2 StromVG). Gemäss Medienmitteilung des Bundes-
amtes für Energie (BFE) vom 5. Dezember 2008 zur revidierten StromVV
handelt es sich bei den SDL vor allem um Energiereserven, die für Kraft-
werksausfälle oder Konsumschwankungen bereitgehalten werden müs-
sen.
6.3 Die Vorhaltung von (positiver) Tertiärregelleistung gehört somit nach
dem Verständnis von Gesetz- und Verordnungsgeber zu den SDL. Da der
Bundesrat die dadurch entstehenden Kosten in Art. 15 Abs. 1 Bst. b
StromVV zumindest teilweise den Bilanzgruppen individuell in Rechnung
stellen will, sind diese im entsprechenden Umfang den individuellen SDL-
Kosten zuzurechnen (vgl. auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes
A-2812/2010 vom 11. Februar 2013 E. 5.4.2.2 sowie E. 5.4.3 bzw.
A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 8.5 sowie E. 9.2, gemäss welchen
Art. 15 Abs. 1 StromVV – im Gegensatz zu Art. 15 Abs. 2 StromVV [all-
gemeiner SDL-Tarif] – den individuellen SDL-Tarif regelt und unter die
[insbesondere gemäss Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG] individuell in Rech-
nung gestellten Kosten die individuellen SDL fallen).
6.4 Daran ändert auch nichts, dass in der Botschaft zur Änderung des
Elektrizitätsgesetzes und zum Stromversorgungsgesetz vom
3. Dezember 2004 (Botschaft StromVG, BBl 2005 1619 f.) für die Bereit-
stellung der benötigten Energie zwischen kurz-, mittel- und langfristiger
Reservehaltung und Lieferung unterschieden wird: Gemäss dem Erläu-
ternden Bericht des BFE zum Entwurf des StromVG vom 30. Juni 2004
und zum Entwurf der Revision des Elektrizitätsgesetzes (Regelung für
den grenzüberschreitenden Stromhandel) (Erläuternder Bericht
StromVG), S. 27 f., fallen die Primär-, Sekundär- und Tertiärreserve näm-
lich unter die kurzfristige Reservehaltung (umschrieben als Verfügbarkeit
von Leistung und Energie im Sekundenbereich bis zu einem Tag). Bei
diesem Begriffsverständnis muss aber auf die von der Beschwerdeführe-
rin im Rahmen ihrer Replik vom 19. Juni 2012 erstmals aufgestellte Be-
hauptung, die Kosten der mittelfristigen Netzregelung (im Erläuternden
Bericht StromVG, S. 29, definiert als Elektrizitätsversorgung für den Zeit-
raum von einem Tag bis zu fünf Jahren) gehörten (im Gegensatz zu den-
jenigen der kurzfristigen Netzregelung) nicht zu den SDL-Kosten, nicht
weiter eingegangen werden.

A-8641/2010
Seite 13
7.
7.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass den Bilanzgrup-
pen bzw. letztlich ihr als Kraftwerksbetreiberin gestützt auf Art. 15 Abs. 1
Bst. b StromVV keine Kosten für die Leistungsvorhaltung von positiver
Tertiärregelenergie angelastet werden können, da es hierfür an einer
(formell-) gesetzlichen Grundlage fehle.
Der Gesetzgeber sei mit der Verankerung des Ausspeiseprinzips in
Art. 14 Abs. 2 StromVG bewusst zugunsten der Einspeiser (sprich der
Produzenten) vom Verursacherprinzip abgewichen. Die Endverbraucher
hätten daher grundsätzlich die gesamten (in das Netznutzungsentgelt ein-
fliessenden) Netzkosten zu bezahlen, während eine Kostenanlastung auf
die Produzenten nicht vorgesehen sei. Aus Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG
ergebe sich nicht, welche Kosten an wen individuell in Rechnung zu stel-
len seien, sondern nur, wie mit diesen individuell in Rechnung gestellten
Kosten umzugehen sei. Der Gesetzgeber sei mit dieser Bestimmung da-
von ausgegangen, dass eine individuelle Anlastung von Netzkosten auf
andere Akteure als Endverbraucher einzig gestützt auf eine separate ge-
setzliche Grundlage zulässig sei, welche durch Bund, Kantone, Gemein-
den und gegebenenfalls Energieversorgungsunternehmen – ohne ent-
sprechende Verpflichtung – ausserhalb des StromVG zu schaffen sei. Die
"individuell in Rechnung gestellten Kosten" im Sinne von Art. 14 Abs. 3
Bst. d StromVG bildeten nicht Gegenstand der Kostenüberwälzung ge-
mäss der Delegationsnorm von Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG. Wenn der
Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 3 Bst. a StromVG und in Art. 15 Abs. 4 Bst. b
StromVG auf die "Verursachung" Bezug nehme, beziehe sich diese einzig
auf die Kostenanlastung im Verhältnis zwischen den Endverbrauchern,
welche gemäss Ausspeiseprinzip die alleinigen Träger der Netzkosten
seien. Unter "Überwälzung" im Sinne von Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG
sei die Anlastung aller "anrechenbaren Kosten" im Sinne von Art. 15
Abs. 1 StromVG auf die Endverbraucher als einzige Kostenträger zu ver-
stehen.
Darüber hinaus sei der BGV, welcher seine Bilanzgruppe gegenüber der
Beschwerdegegnerin vertrete, im Gegensatz zu den Bilanzgruppenmit-
gliedern selber gar kein Netznutzer und somit auch kein Verursacher von
Netzkosten (insbesondere auch nicht von Vorhaltekosten für Tertiärregel-
leistung). Netzkosten, welche von Dritten verursacht würden, dürften da-
her ausserhalb des Ausgleichsenergiemechanismus nicht gestützt auf
das Verursacherprinzip auf ihn überwälzt werden. Wenn überhaupt,
A-8641/2010
Seite 14
müsste eine individuelle Kostenanlastung auf die Kernkraftwerke Leib-
stadt und Gösgen als jeweilige Verursacher erfolgen; eine solche ver-
stiesse jedoch gegen das in Art. 14 Abs. 2 StromVG verankerte Ausspei-
seprinzip. Dessen ungeachtet handle es sich bei den von der Vorinstanz
dem BGV auferlegten Vorhaltekosten für Tertiärregelleistung nicht um im
rechtlichen Sinn individuell zurechenbare Kosten, sondern lediglich um
eine abstrakte, rechnerische bzw. sich aufgrund von vertraglichen Verein-
barungen der Beschwerdegegnerin ergebende Grösse.
7.2 Die Beschwerdegegnerin stellt ebenfalls das Vorliegen einer gesetzli-
chen Grundlage für eine individuelle Anlastung von Tertiärregelreserve-
kosten auf ein einzelnes Kraftwerk bzw. formell auf die betreffende Bi-
lanzgruppe in Frage, da eine Kostenbelastung der Produzenten dem ge-
setzlich vorgegebenen Ausspeiseprinzip widerspreche.
7.3 Die Vorinstanz hält in ihrer Verfügung dagegen, zwar sei eine Kosten-
anlastung auf die Bilanzgruppen im StromVG nicht ausdrücklich vorgese-
hen. Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG lege jedoch fest, dass gewisse Kosten
individuell angelastet werden könnten. Da es sich bei der Leistungsvor-
haltung für die Sekundär- und Tertiärregelung um individuelle SDL hand-
le, bilde die in Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG angeführte "verursacherge-
rechte Überwälzung" eine hinreichend bestimmte formellgesetzliche
Grundlage für eine (individuelle) Kostenanlastung auf die Bilanzgruppen.
In ihren Stellungnahmen vor dem Bundesverwaltungsgericht macht sie
weiter geltend, die Verursachergerechtigkeit gelte nicht nur zwischen den
verschiedenen Endverbrauchergruppen, sondern sei ein allgemeiner
Grundsatz der Stromversorgungsgesetzgebung, welcher in verschiede-
nen Bestimmungen konkretisiert werde. Da die Beschwerdegegnerin nur
mit dem BGV der Bilanzgruppen, welchen die Kernkraftwerke Gösgen
und Leibstadt zugeordnet seien, in einem direkten Vertragsverhältnis ste-
he, würden die Kosten für die Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung
vorab diesem angelastet und anschliessend in der Regel über einen Bi-
lanzgruppenanschlussvertrag auf die einzelnen Bilanzgruppenmitglieder
überwälzt. Kostenträger gegenüber der Beschwerdegegnerin sei somit
der BGV. Nachdem unbestritten sei, dass die Bilanzgruppen über den
Preis für die Ausgleichsenergie Kosten der Tertiärregelung zu tragen hät-
ten, hätten die Endverbraucher schon heute nach Art. 14 Abs. 2 StromVG
nicht sämtliche anrechenbaren Kosten eines effizienten Netzbetriebes zu
entrichten. Individuelle SDL – um welche es sich bei der Leistungsvorhal-
tung für Sekundär- und Tertiärregelung handle – seien als individuell in
A-8641/2010
Seite 15
Rechnung gestellte Kosten gemäss Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG von
der Festlegung des Netznutzungstarifs auszuschliessen. Es gehe weder
aus dem StromVG noch aus dessen Materialien hervor, dass der Gesetz-
geber bewusst von jeglicher Anlastung von Netzkosten auf Produzenten
abgesehen habe. Vielmehr würden in der Botschaft zu Art. 14 Abs. 3
Bst. d StromVG als Beispiel für individuell angerechnete Kosten sogar
ausdrücklich Kosten für SDL genannt, welche von den Netzbetreibern für
unabhängige Erzeuger bzw. Einspeiser erbracht würden.
8.
Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung ist der Wortlaut einer Bestim-
mung (vgl. zu diesem auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz
Art. 1 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember
1907 [ZGB, SR 210]; HEINZ HAUSHEER/MANUEL JAUN, Die Einleitungstitel
des ZGB, Bern 2003, N. 6 zu Art. 1). Ist der Text nicht ohne Weiteres klar
und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss unter Berück-
sichtigung aller Auslegungsmethoden (grammatikalische, systematische,
historische und teleologische) nach seiner wahren Tragweite gesucht
werden; dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die
dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusam-
menhang an, in dem die Norm steht. Im Sinne eines pragmatischen Me-
thodenpluralismus ist es abzulehnen, einzelne Auslegungsmethoden ei-
ner hierarchischen Prioritätenordnung zu unterstellen (vgl. BGE 131 III 33
E. 2 und BGE 130 II 202 E. 5.1).
Die grammatikalische Auslegung stellt auf Wortlaut, Wortsinn und
Sprachgebrauch ab. Bei der systematischen Auslegung wird der Sinn ei-
ner Rechtsnorm bestimmt durch ihr Verhältnis zu anderen Rechtsnormen
und durch den systematischen Zusammenhang, in dem sie sich in einem
Gesetz präsentiert. Die historische Auslegung stellt auf den Sinn und
Zweck ab, den man einer Norm zur Zeit ihrer Entstehung gab. Insbeson-
dere bei jungen Erlassen – wie dem vorliegenden – muss dem Willen des
Gesetzgebers ein grosses Gewicht beigemessen werden. Dabei ist eine
Abgrenzung zur teleologischen Auslegung, die auf den Regelungszweck
abstellt, wegen der erst vor kurzer Zeit in Kraft getretenen Stromversor-
gungsgesetzgebung kaum möglich. Es gilt somit insgesamt, die mit den
Normen verbundenen Zweckvorstellungen (ratio legis) zu ermitteln (vgl.
Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes A-2812/2010 vom 11. Februar
2013 E. 5.3 und A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 9.3.1).
A-8641/2010
Seite 16
9.
Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG delegiert an den Bundesrat die Befugnis,
die Grundlagen zur einheitlichen und verursachergerechten Überwälzung
der Kosten sowie der Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen festzu-
legen.
9.1 Mit der "Überwälzung" von Kosten ist vom Wortlaut her deren Weiter-
gabe an eine andere Person zu verstehen. Sie setzt daher im Anwen-
dungsbereich von Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG begriffsnotwendig vor-
aus, dass die Netzkosten zuerst einem Akteur auf dem Strommarkt ange-
lastet werden und von diesem anschliessend einem Dritten weiterver-
rechnet werden können. Individuell in Rechnung gestellte Kosten werden
dagegen von Anfang an dem jeweiligen Kostenträger auferlegt. Dieses
Verständnis deckt sich auch mit der italienischen Fassung von Art. 15
Abs. 4 Bst. b StromVG, in welcher von "traslazione" (deutsch: Übertra-
gung) die Rede ist, während der französische Text wenig aussagekräftig
von "répercussion" (deutsch: Auswirkung) spricht.
9.2 Gemäss den Gesetzesmaterialien (vgl. Botschaft StromVG, BBl 2005
1654) hat der Bundesrat nach Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG die Grundla-
gen zur einheitlichen und verursachergerechten Überwälzung der Kosten
sowie der Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen auf die verschiede-
nen Spannungsebenen zu erarbeiten, "soweit eine direkte Zuordnung auf
die Netznutzer (d.h. nach Art. 14 Abs. 3 Bst. d individuell den Netznutzern
in Rechnung gestellte Kosten) nicht möglich ist". Die Ausführungen des
historischen Gesetzgebers lassen demnach darauf schliessen, dass er
mit dieser Bestimmung die Kosten, welche einem Netznutzer (zu dessen
Definition vgl. E. 10.2) direkt angelastet werden (können), gerade nicht
erfassen wollte.
9.3 Auch eine systematische Auslegung von Art. 15 Abs. 4 Bst. b
StromVG führt zu keinem anderen Ergebnis: Art. 15 StromVG trägt den
Titel "Anrechenbare Netzkosten". Unter die anrechenbaren Netz- bzw.
Betriebskosten, welche Bestandteil des Netznutzungsentgeltes bilden
(vgl. E. 4), fallen nur die allgemeinen, nicht aber die individuellen SDL
(vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes A-2812/2010 vom
11. Februar 2013 E. 5.4.3 sowie A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 9.2 in
fine). Handelt es sich mithin – wie bei den vorliegend im Streite stehen-
den Kosten der Leistungsvorhaltung für die Tertiärregelung nach Art. 15
Abs. 1 Bst. b StromVV – um individuelle SDL-Kosten (vgl. E. 6.3), können
diese von der Delegationsnorm gemäss Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG
A-8641/2010
Seite 17
gar nicht erfasst werden. Ohnehin schliesst Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG
die individuell in Rechnung gestellten Kosten von der Berechnung des
Netznutzungstarifes ausdrücklich aus; sie können daher keine "anre-
chenbare Netzkosten" und – als Folge davon – keine "Kosten" im Sinne
von Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG sein.
9.4 Aus dem Konzept des StromVG ergibt sich, dass unter der Überwäl-
zung im Sinne von Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG in Bezug auf die nicht
individuell anrechenbaren Kosten lediglich eine Weiterverrechnung der
Kosten, die der Beschwerdegegnerin entstanden sind, über die Verteil-
netzbetreiber auf die Endverbraucher zu verstehen ist (vgl. Urteil des
Bundesverwaltungsgerichtes A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 9.3.5). Im
Glossar Strommarkt, S. 14, wird die Kostenwälzung denn auch als Me-
thode für die Zuweisung der Netzkosten auf einen der beiden Kostenträ-
ger "Endverbraucher einer Netzebene" oder "nachgelagerte Netzebene"
in Abhängigkeit der jeweiligen Energie- und Leistungswerte definiert. Sinn
und Zweck von Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG besteht mit anderen Wor-
ten darin, den Bundesrat zu ermächtigen, den im StromVG verankerten
Grundsatz der Weitergabe der Netzkosten über die verschiedenen Span-
nungsebenen auf den Endverbraucher als letztlich Zahlungspflichtigen
(vgl. sogleich E. 10 ff.) auf Verordnungsebene umzusetzen und zu kon-
kretisieren. Davon nicht erfasst sind die individuell in Rechnung gestellten
Kosten, welche den jeweiligen Zahlstellen – ohne dass eine anschlies-
sende Überwälzung auf Dritte gesetzlich vorgesehen wäre – direkt ange-
lastet werden.
9.5 Als Zwischenfazit ist demnach festzuhalten, dass die in Art. 15 Abs. 1
Bst. b StromVV gegenüber den Bilanzgruppen vorgesehene individuelle
Rechnungsstellung von Kosten der Leistungsvorhaltung für die Tertiärre-
gelung in Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG keine hinreichende (formell-) ge-
setzliche Grundlage findet.
10.
Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG sieht vor, dass bei der Festlegung der
Netznutzungstarife individuell in Rechnung gestellte Kosten auszu-
schliessen sind. In einem nächsten Schritt ist nun zu untersuchen, ob al-
lenfalls gestützt auf diese Gesetzesbestimmung eine direkte Kostenan-
lastung auf Bilanzgruppen zulässig ist.
10.1 Die in Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG gewählte Formulierung ist sehr
unbestimmt gehalten und lässt offen, wer genau die "individuell in Rech-
A-8641/2010
Seite 18
nung gestellten Kosten" zu tragen hat und welche Kosten darunter fallen.
Auch die französische ("les tarifs d'utilisation du réseau doivent exclure
les coûts facturés individuellement") und die italienische Fassung des
Gesetzestextes ("i tariffari non devono includere costi fatturati individual-
mente") tragen nicht zur Klärung bei.
10.2 Gemäss den Gesetzesmaterialien soll Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG
präzisieren, dass bereits den Netznutzern in Rechnung gestellte Kosten
nicht Teil des Netznutzungstarifs sind (Botschaft StromVG, BBl 2005
1652). Im Glossar Strommarkt, S. 18, wird "Netznutzer" definiert als "Ak-
teur, der Elektrizität in das Übertragungsnetz oder das Verteilnetz ein-
speist oder daraus entnimmt". Diese Begriffsbestimmung lässt darauf
schliessen, dass der historische Gesetzgeber – entgegen seiner ur-
sprünglichen Absicht (vgl. Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 des Vernehm-
lassungsentwurfes des StromVG vom 30. Juni 2004 [VEStromVG], wo-
nach über individuelle Netzkosten- und Netzanschlussbeiträge der End-
verbraucher finanzierte Vermögenswerte bei der Berechnung des Netz-
nutzungsentgeltes auszunehmen sind) – gewisse Netzkosten sowohl den
Endverbrauchern als Ausspeiser (vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. b StromVG; siehe
auch Balancing Concept Schweiz, Branchenempfehlung Strommarkt
Schweiz [Hrsg: Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen
(VSE)], BC-CH, Ausgabe 2012 [BC-CH 2012], Ziff. 3.3.9, sowie Marktmo-
dell für die elektrische Energie – Schweiz, Branchenempfehlung Strom-
markt Schweiz [Hrsg: VSE], MMEE-CH, Ausgabe 2011 [MMEE-CH 2011],
Ziff. 4.2.3.3, jeweils abrufbar unter ) als auch den Produ-
zenten, mithin den Kraftwerksbetreibern, als Einspeiser (vgl. Glossar
Strommarkt, S. 19 und S. 11; siehe auch BC-CH 2012, Ziff. 3.3.6, sowie
MMEE-CH 2011, Ziff. 4.2.3.1) direkt in Rechnung stellen wollte. Die Bi-
lanzgruppen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Bst. e StromVV sowie E. 1.2.2 hiervor)
bzw. deren jeweiliger BGV, welcher gegenüber der Beschwerdegegnerin
lediglich für die ständige Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz in der von
ihm geführten Bilanzgruppe und die ordnungsgemässe Fahrplanabwick-
lung verantwortlich ist (vgl. BC-CH 2012, Ziff. 3.3.3), waren hingegen of-
fenbar nicht als Zahlungspflichtige vorgesehen.
Zusätzlich führt die Botschaft StromVG (BBl 2005 1652) als Beispiele für
individuell angerechnete Kosten im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Bst. d
StromVG die Kosten für den Netzanschluss und die Netzverstärkungen
von Liegenschaftseigentümern sowie unabhängigen Produzenten und die
Kosten für bestimmte SDL, welche von den Netzbetreibern für unabhän-
gige Erzeuger bzw. Einspeiser erbracht werden, an. Dies lässt zwar den
A-8641/2010
Seite 19
Schluss zu, dass die Kosten für gewisse SDL den Produzenten individuell
angelastet werden können; von einer individuellen Rechnungsstellung an
Bilanzgruppen (wie in Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV vorgesehen und von
der Vorinstanz in Dispositivziffer 8 der angefochtenen Verfügung ange-
ordnet) ist aber auch hier nicht die Rede.
10.3 In Art. 14 Abs. 2 StromVG wird als Grundsatz festgehalten, dass das
Netznutzungsentgelt von den Endverbrauchern je Ausspeisepunkt zu ent-
richten ist. Zahlungspflichtige des Netznutzungsentgeltes sind demnach –
vorbehältlich der individuell angerechneten Kosten gemäss Art. 14 Abs. 3
Bst. d StromVG – grundsätzlich die stromverbrauchenden Endverbrau-
cher (vgl. Botschaft StromVG, BBl 2005 1652; Art. 9 StromVV; MMEE-CH
2011, Ziff. 4.1.1; anders noch Art. 12 Abs. 4 VEStromVG, welcher allge-
meiner den Netznutzer als Kostenpflichtiger einführen wollte). Andere
Kostenträger werden im (hier interessierenden) "3. Kapitel: Netznutzung,
2. Abschnitt: Netzzugang und Netznutzungsentgelt" des StromVG nicht
aufgeführt. Wohl sieht das StromVG von seiner Grundkonzeption her vor,
dass die Verteilnetzbetreiber (zumindest vorübergehend) die Kosten für
die (allgemeinen) SDL zu bezahlen haben. Eine solche Kostenanlastung
steht jedoch nicht im Widerspruch zum Ausspeiseprinzip gemäss Art. 14
Abs. 2 StromVG, können doch diese Kosten anschliessend von ihnen auf
die unteren Spannungsebenen und letztlich auf die Endverbraucher
überwälzt werden (vgl. bereits E. 9.4 sowie Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichtes A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 9.3.5 in fine).
10.4 Bei den individuell in Rechnung gestellten Kosten im Sinne von
Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG kann es sich nur um solche Kosten han-
deln, die einem bestimmten Akteur eindeutig zugeordnet werden können.
Die individuellen Kosten sollen demnach demjenigen Akteur, der sie ver-
ursacht hat, jeweils direkt in Rechnung gestellt werden. Der Zweck dieser
Bestimmung erschöpft sich folglich darin, zu verhindern, dass die Kosten
zweimal – einmal individuell und einmal pauschal über das Netznut-
zungsentgelt – berechnet werden (Botschaft StromVG, BBl 2005 1652;
ROLF H. WEBER/BRIGITTA KRATZ, Stromversorgungsrecht, Ergänzungs-
band, Elektrizitätswirtschaftsrecht, Bern 2009, § 4 Rz. 62; Urteile des
Bundesverwaltungsgerichtes A-2812/2010 vom 11. Februar 2013
E. 5.4.2.1 sowie A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 9.2).
10.5 Eine Auslegung von Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG ergibt somit, dass
der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung zwar eine individuelle Anlastung
von Netzkosten auf gewisse Akteure des Strommarktes vorgesehen, den
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Seite 20
Kreis der davon Betroffenen jedoch im StromVG nicht umschrieben und
insbesondere die Bilanzgruppen bzw. ihre BGV nicht als Kostenträger
bezeichnet hat. Der Bundesrat hat mithin in Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV
mit den Bilanzgruppen eine neue Kategorie von Zahlungspflichtigen ein-
geführt, welche (etwa im Gegensatz zu den Endverbrauchern) auf Geset-
zesstufe so nicht vorgesehen ist. Da es sich beim Kreis der Kostenpflich-
tigen um eine wichtige rechtsetzende Bestimmung im Sinne von Art. 164
Abs. 1 BV handelt (vgl. E. 3.1.1), wäre dieser aber zwingend und ab-
schliessend in einem Gesetz im formellen Sinn zu bestimmen. Ob dabei
die konkrete Umsetzung auf Stufe Kanton oder Gemeinde (vgl. Botschaft
StromVG, BBl 2005 1618), im StromVG oder in einem anderen Bundes-
gesetz zu erfolgen hätte, kann an dieser Stelle offen gelassen werden
(vgl. dazu auch BGE 138 I 454 E. 3.6.5).
10.6 Bei diesem Ergebnis kann im Übrigen auch dahingestellt bleiben, ob
– wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Obiter dictum (vgl. Urteil
A-2607/2009 vom 8. Juli 2010 E. 10.2) bejahend festgehalten hat – den
Kraftwerksbetreibern aufgrund von Art. 14 Abs. 3 Bst. d StromVG indivi-
duell Kosten angelastet werden können. Denn für das vorliegende Ver-
fahren ist einzig entscheidend, dass gegenüber den Bilanzgruppen (vgl.
den Wortlaut in Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV sowie in der angefochtenen
Dispositivziffer 8) keine individuelle Rechnungsstellung von Kosten für die
Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung erfolgen kann. Daran ändert
nichts, dass diese Kosten von ihnen bzw. vom BGV de facto den Produ-
zenten, welche der entsprechenden Bilanzgruppe angehören, weiterver-
rechnet werden dürften (vgl. E. 1.2.2).
11.
Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass Art. 15 Abs. 1 Bst. b
StromVV weder in Art. 15 Abs. 4 Bst. b StromVG noch in Art. 14 Abs. 3
Bst. d StromVG eine genügende formell-gesetzliche Grundlage findet und
gegen Art. 164 Abs. 1 BV verstösst, mit anderen Worten verfassungs- und
gesetzeswidrig ist (betreffend Art. 15 Abs. 1 Bst. a StromVV ausdrücklich
noch offen gelassen: Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes A-2812/2010
vom 11. Februar 2013 E. 5.6). Bei diesem Ergebnis ist auf die Einwände
der Beschwerdeführerin betreffend die konkrete Anwendung von Art. 15
Abs. 1 Bst. b StromVV nicht weiter einzugehen.
12.
Ungeachtet vorstehender Ausführungen ist noch auf Folgendes hinzuwei-
sen:
A-8641/2010
Seite 21
12.1 Die Vorinstanz hat mit Dispositivziffer 8 der angefochtenen Verfü-
gung die Beschwerdegegnerin angewiesen, den Bilanzgruppen, welchen
die Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt zugeordnet sind, die Kosten für
die Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung im Umfang der während
der Revision der genannten Kraftwerke vorzunehmenden Reduktion der
Leistungsvorhaltung in Rechnung zu stellen. Begründet wird die Be-
schränkung auf die Bilanzgruppen der beiden besagten Kraftwerke damit,
dass die Beschwerdegegnerin nur während deren Revision tatsächlich
eine Reduktion der vorgehaltenen Menge positiver Tertiärregelleistung
vornehme bzw. vorgenommen habe. Die Kernkraftwerke Gösgen und
Leibstadt stellten denn aufgrund ihrer vergleichsweise grossen Leistung
auch ein Sonderfall dar: Werde bei der Berechnung der notwendigen Ge-
samtregelleistung nämlich eines dieser beiden Kraftwerke bzw. dessen
Ausfallwahrscheinlichkeit vernachlässigt, resultiere ein deutlich geringerer
Bedarf an Leistungsvorhaltung.
12.2 Die Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) als Gebot sachgerechter Dif-
ferenzierung verbietet den rechtsanwenden Behörden, zwei tatsächlich
gleiche Situationen ohne sachlichen Grund rechtlich unterschiedlich zu
behandeln (PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI/MARKUS MÜLLER, All-
gemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 2009, § 23 Rz. 11). Die Vorin-
stanz hat eine individuelle Kostenanlastung auf andere Bilanzgruppen als
auf diejenigen, welchen die Beschwerdeführerin und das Kernkraftwerk
Gösgen angehören, offenbar einzig deshalb nicht verfügt, weil die Be-
schwerdegegnerin bei der Revision anderer Kraftwerke resp. der vorü-
bergehenden Ausserbetriebnahme grosser Endverbraucher keine Reduk-
tion der Vorhaltemenge vornimmt bzw. vorgenommen hat, so dass bei
diesen eine eindeutige Zuordnung ihres Anteils an der Leistungsvorhal-
tung nicht möglich ist. Die fehlende Ermittlung des durch die Stilllegung
anderer Kraftwerke bzw. grosser Endverbraucher möglichen Reduktions-
potentials bei der vorgehaltenen Menge positiver Tertiärregelleistung stellt
jedoch kein hinreichender sachlicher Grund für eine Benachteiligung der
beiden ins Recht gefassten Bilanzgruppen gegenüber den anderen Bi-
lanzgruppen dar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sämtliche Kraft-
werke in der Regelzone Schweiz ausfallen können und alle Gross-
verbraucher unvorhergesehene Laständerungen verursachen, mithin den
Abruf von Tertiärregelleistung bewirken können. Eine rechtsgleiche Be-
handlung sämtlicher Bilanzgruppen würde daher voraussetzen, dass –
wenn überhaupt (vgl. E. 9 ff.) – ihnen allen die Kosten der Leistungsvor-
haltung für positive Tertiärregelung anteilsmässig und verursachergerecht
angelastet werden. Ist eine individuelle Zuordnung der Anteile an der ins-
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Seite 22
gesamt vorgehaltenen Menge je Bilanzgruppe jedoch nicht möglich, ist
darauf gänzlich zu verzichten. Auch aus diesem Grund ist die angefoch-
tene Dispositivziffer 8 mit Bezug auf die Beschwerdeführerin aufzuheben.
13.
Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde folglich
gutzuheissen und Ziff. 8 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung –
soweit die Beschwerdeführerin betreffend – aufzuheben.
14.
Bei diesem Verfahrensausgang gelten sowohl die Beschwerdeführerin als
auch die Beschwerdegegnerin als im Hauptpunkt obsiegend, so dass ih-
nen grundsätzlich keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind (Art. 63
Abs. 1 VwVG e contrario). Die Beschwerdeführerin hat allerdings Verfah-
renskosten im Umfang von Fr. 1'000.- für den Erlass der Zwischenverfü-
gung vom 21. Februar 2011, mit welcher ihrem Antrag um Wiederherstel-
lung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht entsprochen
wurde, zu tragen. Die Vorinstanz hat trotz ihres Unterliegens im Haupt-
punkt keine Verfahrenskosten zu entrichten (Art. 63 Abs. 2 VwVG).
15.
Obsiegende Parteien erhalten eine Entschädigung für ihnen erwachsene
notwendige und verhältnismässig hohe Kosten (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG
i.V.m. Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR
173.320.2]). Diese umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige wei-
tere Auslagen der Partei (Art. 8 Abs. 1 VGKE).
15.1 Da die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin keine Kostennote
eingereicht hat, ist die ihr zustehende Entschädigung aufgrund der Akten
festzusetzen (Art. 14 Abs. 2 VGKE): Es wurde ein doppelter Schriften-
wechsel durchgeführt und die Einarbeitung in die Thematik des vorlie-
genden Beschwerdeverfahrens erforderte einen gewissen zeitlichen Auf-
wand. Die Argumente in den Rechtsschriften wiederholen sich jedoch
teilweise. Zudem wurde der Antrag der Beschwerdeführerin um Wieder-
herstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde mit Zwischen-
verfügung vom 21. Februar 2011 abgewiesen. Hinzu kommt, dass ge-
stützt auf die aufzuhebende Dispositivziffer 8 der angefochtenen Verfü-
gung künftig sicherlich Vermögensinteressen der Beschwerdeführerin be-
rührt gewesen wären, es vorliegend jedoch um die Grundsatzfrage ging,
ob die Belastung der Bilanzgruppe, welcher die Beschwerdeführerin an-
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gehört, mit Kosten für die Vorhaltung von positiver Tertiärregelleistung an
sich rechtmässig ist und nicht bereits um eine konkrete ziffernmässige
Belastung. Daher handelt es sich nicht um eine typische Streitigkeit mit
Vermögensinteressen bzw. mit exaktem Streitwert (vgl. Art. 10 Abs. 3
VGKE). Es erscheint mithin angemessen, der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung von Fr. 30'000.- (inkl. Auslagen und MwSt.) zuzu-
sprechen. Diese Entschädigung ist ihr in Anwendung von Art. 64 Abs. 2
VwVG nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils durch die
Vorinstanz zu entrichten.
15.2 Der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin sind keine
verhältnismässig hohen Kosten entstanden, hat sie doch lediglich die Be-
schwerdeschrift aus dem von ihr selber beim Bundesverwaltungsgericht
angehobenen Beschwerdeverfahren als Beschwerdeantwort eingereicht.
Es ist daher von der Zusprechung einer Parteientschädigung abzusehen.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und Dispositivziffer 8 der Verfügung
der ElCom vom 11. November 2010 in Bezug auf die Beschwerdeführerin
aufgehoben.
2.
Der Beschwerdeführerin werden Verfahrenskosten im Umfang von
Fr. 1'000.- auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss
von Fr. 15'000.- verrechnet. Der Restbetrag von Fr. 14'000.- wird ihr nach
Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet. Hierzu
hat sie dem Bundesverwaltungsgericht ihre Post- oder Bankverbindung
anzugeben.
3.
Der Beschwerdeführerin wird eine Parteientschädigung von Fr. 30'000.-
(inkl. Auslagen und MwSt.) zugesprochen. Diesen Betrag hat ihr die Vor-
instanz nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils auszurich-
ten.
4.
Der Beschwerdegegnerin wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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5.
Dieses Urteil geht an:
– die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
– die Beschwerdegegnerin (Gerichtsurkunde)
– die Vorinstanz (Ref-Nr. 952-10-017; Einschreiben)
– das Generalsekretariat UVEK (Gerichtsurkunde)

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Kathrin Dietrich Lars Birgelen


Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bun-
desgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen An-
gelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift
ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Be-
gründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der
Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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