A-7032/2010 - Abteilung I - Amts- und Rechtshilfe - Amtshilfe (DBA-USA)
Karar Dilini Çevir:
A-7032/2010 - Abteilung I - Amts- und Rechtshilfe - Amtshilfe (DBA-USA)
Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung I
A-7032/2010
Teilurteil vom 7. Februar 2011
Besetzung Richterin Charlotte Schoder (Vorsitz),
Richter Pascal Mollard, Richter Daniel de Vries Reilingh,
Gerichtsschreiberin Gabriela Meier.
Parteien X._______,
vertreten durch …,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV, Amtshilfe USA,
Eigerstrasse 65, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand Amtshilfe (DBA-USA).
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Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,
dass die Schweizerische Eidgenossenschaft (Schweiz) und die
Vereinigten Staaten von Amerika (USA) am 19. August 2009 ein
Abkommen über ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue Service der
USA betreffend UBS AG, einer nach schweizerischem Recht errichteten
Aktiengesellschaft (AS 2009 5669, Abkommen 09), schlossen,
dass sich die Schweiz darin verpflichtete, anhand im Anhang zum
Abkommen festgelegter Kriterien und gestützt auf das geltende
Abkommen vom 2. Oktober 1996 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen (SR 0.672.933.61, DBA-USA 96) ein Amtshilfegesuch der
USA zu bearbeiten,
dass die amerikanische Einkommenssteuerbehörde (Internal Revenue
Service in Washington, IRS) am 31. August 2009 unter Berufung auf das
Abkommen 09 ein Ersuchen um Amtshilfe an die Eidgenössische
Steuerverwaltung (ESTV) richtete,
dass das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil A-7789/2009 vom
21. Januar 2010 eine Beschwerde gegen eine Schlussverfügung der
ESTV, welche einen Fall der Kategorie 2/A/b gemäss dem Anhang des
Abkommens 09 betraf, guthiess mit der Begründung, das Abkommen 09
sei eine Verständigungsvereinbarung und habe sich an das
Stammabkommen (DBA-USA 96) zu halten, welches Amtshilfe nur bei
Steuer- oder Abgabebetrug, nicht aber bei Steuerhinterziehung vorsehe,
dass in der Folge der Bundesrat nach weiteren Verhandlungen mit den
USA am 31. März 2010 ein Protokoll zur Änderung des Abkommens
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten
Staaten von Amerika über ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue
Service der Vereinigten Staaten von Amerika betreffend UBS AG, einer
nach schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft,
unterzeichnet in Washington am 19. August 2009 (Änderungsprotokoll
Amtshilfeabkommen, AS 2010 1459), unterschrieb und die vorläufige
Anwendung des Vertrages beschloss,
dass die Bundesversammlung mit Bundesbeschluss vom 17. Juni 2010
über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und den
Vereinigten Staaten von Amerika über ein Amtshilfegesuch betreffend
UBS AG sowie des Änderungsprotokolls (AS 2010 2907) das
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Abkommen 09 und das Änderungsprotokoll Amtshilfeabkommen
genehmigte und den Bundesrat ermächtigte, diese zu ratifizieren, und
der eben genannte Bundesbeschluss nicht dem
Staatsvertragsreferendum unterstellt wurde,
dass das Bundesverwaltungsgericht im Pilotfall A-4013/2010 vom 15. Juli
2010 über die Gültigkeit des Abkommens vom 19. August 2009 zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten
von Amerika über ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue Service der
Vereinigten Staaten von Amerika betreffend UBS AG, einer nach
schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft, (mit Anhang und
Erkl.; SR 0.672.933.612), entschied,
dass die ESTV mit Schlussverfügung vom 23. August 2010 entschied,
dem IRS betreffend X._______ (nachfolgend: Beschwerdeführerin)
Amtshilfe zu leisten, weil sie (aus näher dargelegten Gründen) zum
Schluss kam, es handle sich um einen Fall der Kategorie 2/A/b, für den
gemäss dem Abkommen 09 in der Fassung vom 31. März 2010
(SR 0.672.933.612, Staatsvertrag 10) Amtshilfe zu gewähren sei,
dass die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 27. September 2010
gegen die vorerwähnte Schlussverfügung der ESTV beim
Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und im Wesentlichen
beantragte, die angefochtene Verfügung aufzuheben und das Verfahren
zur Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Vorinstanz
zurückzuweisen – alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge,
dass sie überdies die Beschränkung des Verfahrens auf die Frage der
Wahrung des rechtlichen Gehörs verlangte,
dass das Bundesverwaltungsgericht mit Zwischenverfügung vom
4. Oktober 2010 das Verfahren antragsgemäss vorerst auf die Frage der
Verletzung des rechtlichen Gehörs beschränkte und im Folgenden
deshalb nur auf diesen Punkt einzugehen ist,
dass die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 3. Dezember 2010 die
Abweisung der Beschwerde beantragte,
dass die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 20. Dezember 2010
unaufgefordert eine Replik einreichte,
dass die Vorinstanz mit Eingabe vom 5. Januar 2011 auf eine Duplik
verzichtete,
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dass das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist zur Beurteilung von
Beschwerden gegen Schlussverfügungen der ESTV betreffend die
Amtshilfe gestützt auf Art. 26 DBA-USA (vgl. Art. 20k Abs. 1 und 4 der
Verordnung vom 15. Juni 1998 zum schweizerisch-amerikanischen
Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 [Vo DBA-USA,
SR 672.933.61] i.V.m. Art. 31 - 33 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32] i.V.m. Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG, SR
172.021]),
dass die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Verfügung
besonders berührt ist und an deren Aufhebung ein schutzwürdiges
Interesse hat (Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde somit
einzutreten ist,
dass gemäss Art. 20e Abs. 3 Vo DBA-USA die vom Amtshilfeverfahren
betroffene Person sich am vorinstanzlichen Verfahren beteiligen und
Einsicht in die Akten nehmen kann,
dass letztere Regelung auch dem in Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR
101) festgehaltenen und in den Art. 26 – 33 VwVG exemplarisch
konkretisierten Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs
entspricht, wonach Parteien ein Recht haben, in einem vor einer
Verwaltungs- oder Justizbehörde geführten Verfahren sich vor Erlass
eines belastenden Entscheids zur Sache zu äussern, Begehren zu
stellen, Einblick in die Akten zu erhalten, erhebliche Beweise
beizubringen und mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden
(BGE 135 II 286 E. 5.1; 132 II 485 E. 3.2, 129 I 232 E. 3.2; Urteil des
Bundesgerichts 1P.26/2007 vom 4. Juli 2007 E. 3.1; BVGE 2009/36
E. 7.1; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-4034/2010 vom
11. Oktober 2010, A-4936/2010 vom 21. September 2010 E. 4.2,
A-3786/2010 vom 15. Juli 2010 und A-3123/2008 vom 27. April 2010
E. 2.2),
dass aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV
ausserdem die Pflicht der Behörde fliesst, ihren Entscheid zu begründen;
dass die Begründungspflicht auch in Art. 35 VwVG vorgesehen ist; dass
nicht erforderlich ist, dass die Behörde sich mit allen Parteistandpunkten
einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich
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widerlegt, sondern sie sich vielmehr auf die für den Entscheid
wesentlichen Punkte beschränken kann; dass die Begründung so
abgefasst sein muss, dass sich der Betroffene über die Tragweite des
Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an
die höhere Instanz weiterziehen kann (BGE 134 I 83 E. 4.1 mit weiteren
Hinweisen);
dass die Beschwerdeführerin vorbringt, die Vorinstanz habe ohne jegliche
Begründung die Kalkulationsfaktoren für gewisse Transaktionen
gegenüber den ihr offen gelegten Akten geändert; dass sie diesbezüglich
rügt, sie habe sich nicht zu diesen veränderten Kalkulationsfaktoren
äussern können, weshalb das rechtliche Gehör verletzt worden sei,
dass der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen Einsicht in die Akten
gewährt und ihr auch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde,
dass aus den Akten hervorgeht, dass die ESTV zwar zur Berechnung der
Einkünfte teilweise andere Prozentsätze anwendete als die UBS AG;
dass sie dabei aber von den gleichen Beträgen der Einkünfte ausging,
dass sich die Beschwerdeführerin damit zu den sachverhaltlichen
Grundlagen der angefochtenen Schlussverfügung vorgängig äussern
konnte,
dass die Berechnung der Einkünfte nach den Vorgaben im Anhang zum
Staatsvertrag 10 zu erfolgen hat (vgl. Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts A-4013/2010 vom 15. Juli 2010 E. 8.3.3),
dass damit keine Veranlassung bestand, die Beschwerdeführerin vorab
zu einer weiteren Stellungnahme einzuladen;
dass das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin insoweit nicht verletzt
wurde;
dass die Beschwerdeführerin des Weiteren eine Verletzung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör darin sieht, dass die mit ihrer
Stellungnahme vom 4. Juni 2010 eingereichten Beweismittel von der
Vorinstanz nicht gewürdigt worden seien; dass die Beschwerdeführerin
dazu vorbringt, die betreffenden Beweismittel hätten insbesondere belegt,
dass die Transaktionen mit Geldmarktfonds als Rückzahlungen und nicht
als Verkäufe zu betrachten seien,
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dass die Vorinstanz sich in der Schlussverfügung vom 23. August 2010
zu den Vorbringen der Beschwerdeführerin vom 4. Juni 2010 äusserte
und insbesondere ausführte, die Beschwerdeführerin rüge, die "money
market funds" seien "falsch behandelt worden", indem Rückzahlungen
von Geldmarktfonds als Verkaufserlöse qualifiziert worden seien,
dass die Vorinstanz sodann erwog, die Argumentation der
Beschwerdeführerin gehe fehl; sie habe sich an die im Anhang zum
Abkommen vorgesehene Berechnungsweise der Kapitalgewinne zu
halten,
dass damit davon auszugehen ist, dass die Vorinstanz die angebotenen
Beweismittel nicht überging, jedoch andere rechtliche Schlussfolgerun-
gen als die Beschwerdeführerin zog, indem sie die Transaktionen aus
Geldmarktsfonds als Einkünfte im Sinne des Staatsvertrags 10 qualifi-
zierte;
dass somit auch in diesem Punkt nicht ersichtlich ist, inwieweit das
rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt sein soll;
dass die Beschwerdeführerin schliesslich als Gehörsverletzung rügt, die
Vorinstanz habe es mit Verfügung vom 13. September 2010 abgelehnt,
die angefochtene Schlussverfügung in Wiedererwägung zu ziehen, ob-
wohl mehrere von der Beschwerdeführerin unterzeichnete W-9-Formulare
nicht berücksichtigt worden seien; dass der Vorinstanz nach Ansicht der
Beschwerdeführerin die Pflicht oblegen hätte, den Sachverhalt vor Erlass
der angefochtenen Schlussverfügung vollständig zu ermitteln und die in
den Akten liegenden W-9-Formulare zu berücksichtigen,
dass die betreffenden Unterlagen in den der Schlussverfügung zugrunde
liegenden UBS-Akten nicht zu finden sind; dass diese von der
Beschwerdeführerin erst nach Erlass der Schlussverfügung vom
23. August 2010, nämlich erst mit Wiedererwägungsgesuch vom
8. September 2010, beigebracht wurden,
dass die genannten Beweismittel im vorinstanzlichen Verfahren verspätet
eingereicht wurden und der Vorinstanz damit kein Vorwurf gemacht
werden kann, dass sie diese in der Schlussverfügung nicht
berücksichtigte,
dass das rechtliche Gehör damit auch in diesem Punkt nicht verletzt
wurde;
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dass entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auch nicht
ersichtlich ist, inwiefern die Vorinstanz ihre Pflicht zur Begründung des
angefochtenen Entscheids verletzt haben soll, da für die
Beschwerdeführerin daraus ohne weiteres ersichtlich ist, von welchen
Überlegungen sich die Vorinstanz leiten liess;
dass die Beschwerde damit in Bezug auf die Verletzung des rechtlichen
Gehörs abzuweisen ist,
dass die unterliegende Beschwerdeführerin die Kosten für das
vorliegende, auf die Frage der Verletzung des Gehörsanspruchs
beschränkte Verfahren zu tragen hat (Art. 63 Abs. 1 VwVG),
dass diese auf Fr. 5'000.-- festzulegen (vgl. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 des
Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) und mit dem
geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen sind,
dass keine Parteientschädigungen zuzusprechen sind (vgl. Art. 64 Abs. 1
VwVG e contrario und Art. 7 Abs. 1 VGKE e contrario sowie Art. 7 Abs. 3
VGKE),
dass dieser Entscheid nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann
(Art. 83 Bst. h BGG).
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird in Bezug auf die Frage der Verletzung des
rechtlichen Gehörs im Sinn der Erwägungen abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss
verrechnet.
3.
Die Beschwerdeführerin wird aufgefordert, einen Kostenvorschuss von
Fr. 15'000.-- in der Höhe der mutmasslichen Kosten des weiteren
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Verfahrens zu leisten. Dieser Betrag ist bis 3. März 2011 zu Gunsten der
Gerichtskasse zu überweisen.
4.
Wird der Kostenvorschuss nicht innert Frist bezahlt, wird auf die
Beschwerde unter Kostenfolge nicht eingetreten. Die Frist gilt als
gewahrt, wenn der Betrag rechtzeitig zu Gunsten der Behörde der
Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in
der Schweiz belastet worden ist.
5.
Dieser Teilentscheid geht an:
– die Beschwerdeführerin (Einschreiben mit Rückschein; Beilage:
Einzahlungsschein)
– die Vorinstanz (Ref-Nr. _______; Einschreiben)
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Charlotte Schoder Gabriela Meier
Versand:
Aus Vertraulichkeitsgründen wird auf dem Einzahlungsschein nicht der
Name der Beschwerdeführerin genannt, sondern derjenige des
Vertreters.