A-6619/2008 - Abteilung I - Zölle - Zollerlass
Karar Dilini Çevir:
A-6619/2008 - Abteilung I - Zölle - Zollerlass
Abtei lung I
A-6619/2008
{T 0/2}
U r t e i l v o m 1 9 . O k t o b e r 2 0 0 9
Richter Daniel Riedo (Vorsitz), Richter Pascal Mollard,
Richter Markus Metz,
Gerichtsschreiberin Iris Widmer.
X._______ AG,
vertreten durch _______,
Beschwerdeführerin,
gegen
Oberzolldirektion (OZD),
Hauptabteilung Recht und Abgaben, Monbijoustrasse 40,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Zollerlass.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
A-6619/2008
Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,
1. dass die Oberzolldirektion (OZD, Vorinstanz) mit Nachbezugs-
verfügung vom 6. Dezember 2005 von der X._______AG (Zoll-
pflichtige, Beschwerdeführerin) den Betrag von Fr. 123'980.40
(inkl. anteilige Mehrwertsteuer) für zu Unrecht zum
Ausserkontingentszollansatz (AKZA) anstatt zum Kontingents-
zollansatz (KZA) verzollte Einfuhren von Käse nachforderte,
2. dass die Zollpflichtige im dagegen eingeleiteten Rechtsmittel-
verfahren vor Bundesverwaltungsgericht unterlag (Urteil
A-1730/2006 vom 4. Februar 2008); dass die Zollpflichtige
gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel einlegte,
3. dass die Zollpflichtige mit Schreiben vom 15. Mai 2008 bei der
OZD um Nachlass der Zollabgaben ersuchte,
4. dass die OZD mit Entscheid vom 17. September 2008 das Ge-
such abwies,
5. dass die Zollpflichtige mit Eingabe vom 18. Oktober 2008 beim
Bundesverwaltungsgericht gegen diesen Entscheid Beschwer-
de einreichte; dass sie sinngemäss die Aufhebung des vorins-
tanzlichen Entscheides beantragte,
6. dass die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 28. Januar
2008 auf Abweisung der Beschwerde schloss,
7. dass Entscheide der OZD betreffend den Erlass von Einfuhrab-
gaben beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden
können (Art. 31 und Art. 33 Bst. d des Bundesgesetzes vom
17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [Verwal-
tungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32] in Verbindung mit
Art. 116 Abs. 4 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 [ZG, SR
631.0]); dass das Verfahren sich – soweit das VGG nichts
anderes bestimmt – nach den Vorschriften des Bundesgesetzes
vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren
(VwVG, SR 172.021) richtet; dass die Beschwerdeführerin
durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutz-
würdiges Interesse an dessen Aufhebung hat (Art. 48 VwVG);
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dass auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde
deshalb einzutreten ist,
8. dass das ZG sowie die dazugehörige Verordnung vom 1. No-
vember 2006 (ZV, SR 631.01) am 1. Mai 2007 in Kraft getreten
sind; dass Zollveranlagungsverfahren, die zu diesem Zeitpunkt
hängig waren, nach dem bisherigen Recht und innerhalb der
nach diesem gewährten Frist abgeschlossen werden (Art. 132
Abs. 1 ZG); dass das vorliegende Verfahren deshalb der (alten)
Zollrechtsordnung (vgl. Zollgesetz vom 1. Oktober 1925 [aZG,
AS 42 287 und BS 6 465] sowie Verordnung vom 10. Juli 1926
zum Zollgesetz [aZV, AS 42 339 und BS 6 514]) untersteht,
9. dass nach Abschluss des Veranlagungsverfahrens die Zoll-
schuld aus den in Art. 127 aZG festgelegten Gründen erlassen
werden kann,
10. dass der Zollerlass eine Massnahme der Vollstreckung an sich
rechtskräftiger Zollentscheide bildet, weshalb eine allfällige Un-
begründetheit der Zollerhebung bzw. die Fehlerhaftigkeit des
Veranlagungsverfahrens sowie allfällige Verfahrensfehler im
entsprechenden Rechtsmittelverfahren geltend zu machen sind
(Urteil des Bundesgerichts vom 9. Juni 2004, veröffentlicht in
Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 74 S. 246 ff.
E. 3.3; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-5264/2008
vom 27. August 2009 E. 2.1, A-1676/2006 vom 9. Oktober 2007
E. 3.1),
11. dass ein ganzer oder teilweiser Zollnachlass – abgesehen von
den hier nicht zutreffenden, besonderen Fällen von Art. 127
Abs. 1 Ziff. 1 und 2 aZG – in Ziff. 3 dieses Absatzes vorge-
sehen ist; dass gemäss dieser Bestimmung ein Zollbetrag er-
lassen werden kann, „wenn eine Nachforderung mit Rücksicht
auf besondere Verhältnisse den Zollpflichtigen unbillig belasten
würde“; dass unter der „Nachforderung“ im Sinne dieser Be-
stimmung der aufgrund des Art. 126 aZG erhobene Anspruch
der Zollverwaltung zu verstehen ist (BGE 94 I 475 E. 2 mit wei-
teren Hinweisen; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-1714/2006 vom 11. August 2008 E. 2.3; vgl. HANS BEAT NOSER,
Der Zollnachlass nach Art. 127 ZG - wozu, wie, wann?, in: Zoll-
rundschau 3/90, S. 47); dass auf dieser Grundlage die zu-
ständige Zollbehörde binnen Jahresfrist seit der Zollabfertigung
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oder Abgabefestsetzung eine Zollabgabe nachfordern kann,
wenn infolge Irrtums der Zollverwaltung bei der Zollabfertigung
eine nach Gesetz geschuldete Abgabe nicht oder zu niedrig,
oder ein rückvergüteter Abgabebetrag zu hoch festgesetzt
worden ist (Art. 126 Abs. 1 aZG); dass der Irrtum sich auf die
für die Zollfestsetzung massgebenden Tatsachen, insbesondere
die Beschaffenheit der zollpflichtigen Ware, beziehen muss
(z.B. Fehler bei der Festsetzung des Zollabgabebetrages, Irr-
tümer bei der Wahl der Position des Zolltarifs [vgl. BGE 106 Ib
218 E. 2b, 82 I 251 E. 2; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-1676/2006 vom 9. Oktober 2007 E. 3.2]); dass gemäss
Rechtsprechung ein Irrtum auch in einer unrichtigen rechtlichen
Würdigung bestehen oder sich auf die subjektive Zollzahlungs-
pflicht beziehen kann (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
A-1676/2006 vom 9. Oktober 2007 E. 3.2),
12. dass Ziff. 4 von Art. 127 Abs. 1 aZG ferner eine Härteklausel
enthält, welche als allgemeiner Auffangtatbestand konzipiert ist;
dass danach ein Zollnachlass gewährt werden muss, „wenn
aussergewöhnliche, nicht die Bemessung der Abgaben be-
treffende Verhältnisse den Bezug als besondere Härte erschei-
nen liessen“; dass die drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt
sein müssen; dass im Falle ihres Vorliegens ein Anspruch auf
Nachlass besteht (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.534/2005
vom 17. Februar 2006 E. 2.1; Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts A-5264/2008 vom 27. August 2009 E. 2.3 mit Hinwei-
sen),
13. dass die aussergewöhnlichen Verhältnisse erstens mit Bezug
auf das Zollverfahren vorliegen müssen (Urteile des Bundesver-
waltungsgerichts A-5264/2008 vom 27. August 2009 E. 2.3.1,
A-1676/2006 vom 9. Oktober 2007 E. 3.3.1); dass mit Blick auf
Sinn und Zweck dieser Härteklausel festzuhalten ist, dass
solche Verhältnisse nicht leichthin anzunehmen sind, da eine
grosszügige Zulassung des Zollerlasses zu einer vom Gesetz-
geber nicht bezweckten Abschwächung der Rechtskraft von
Zollentscheidungen führen würde (Urteil des Bundesgerichts
vom 9. Juni 2004, veröffentlicht in ASA 74 S. 246 ff. E 3.5);
dass die Bestimmung namentlich nicht dazu dienen soll, die
unter Umständen erheblichen finanziellen Folgen früherer Frist-
versäumnisse bzw. von Pflichtverletzungen im Veranlagungsver-
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fahren wieder gut zu machen; dass ein Versäumnis, welches
mit entsprechender Vorbereitung und Instruktion hätte vermie-
den werden können, nicht als aussergewöhnlich im Sinne
dieser Bestimmung zu qualifizieren ist (vgl. dazu etwa auch Ur-
teil des Bundesverwaltungsgerichts A-1883/2006 vom 4. Sep-
tember 2007 E. 3.2); dass aussergewöhnliche Umstände nicht
durch die ordnungsgemässe Anwendung der zollrechtlichen
Bestimmungen begründet werden (vgl. Urteile des Bundesver-
waltungsgerichts A-5264/2008 vom 27. August 2009 E. 2.3.1,
A-1699/2006 vom 13. September 2007 E. 3.1),
14. dass die aussergewöhnlichen Verhältnisse zweitens nicht die
Bemessung der Abgaben betreffen dürfen; dass derjenige, der
ein Gesuch um Zollnachlass stellt, nachzuweisen hat, dass die
Gründe – das heisst die aussergewöhnlichen Verhältnisse –
ausserhalb der Bemessung der Abgaben liegen (statt vieler: Ur-
teil des Bundesverwaltungsgerichts A-5264/2008 vom 27. Au-
gust 2009 E. 2.3.2); dass ein Zollnachlass namentlich nicht zur
Korrektur des Zolltarifs führen darf (Urteile des Bundesverwal-
tungsgerichts A-1676/2006 vom 9. Oktober 2007 E. 3.3.2,
A-1699/2006 vom 13. September 2007 E. 2.3.4),
15. dass der Bezug der Abgabe drittens eine besondere Härte dar-
stellen muss; dass dieses Kriterium die persönliche Lage der
zahlungspflichtigen Person betrifft; dass der Zollnachlass aber
nicht die Aufgabe hat, finanzielle Schwierigkeiten zu lösen,
welche die Geschäftstätigkeit mit sich bringen kann, und inso-
weit das unternehmerische Risiko zu decken (Urteile des Bun-
desverwaltungsgerichts A-5264/2008 vom 27. August 2009
E. 2.3.3, A-1676/2006 vom 9. Oktober 2007 E. 3.3.3),
16. dass die Beschwerdeführerin sich auf „Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3
und/oder Ziff. 4“ beruft; dass sie hauptsächlich vorbringt,
„verschiedenste Beschwerdebegründungen“ hätten „im Be-
schwerdeverfahren nicht gehört und damit nicht gewürdigt“
werden können; dass diese Begehren jedoch immerhin einen
Erlass zu begründen vermöchten; dass sich das Einfuhrzollamt
der „Sache gar nicht sicher war“; dass die korrekte Abfertigung
von Käse „(auch) zollseits grösste Schwierigkeiten bereitet“
habe; dass die OZD erkannt habe, dass „zahlreiche offensicht-
liche Fehler“ vorhanden gewesen seien und dass je nach Art
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der Ware verschiedene Präferenzansätze möglich seien, was
ein „erhebliches Risikopotential“ darstelle; dass das Einfuhrzoll-
amt in einem Fall sogar selber eine Korrektur der provisorisch
abgefertigten Sendung vorgenommen habe; dass es bei dieser
Sachlage zu einfach sei, ihr vorzuwerfen, sie hätte die „Falsch-
deklaration“ und damit die „unrechtmässige Zollbegünstigung
erkennen müssen“; dass unter Berücksichtigung des Um-
standes, dass die „Zollbediensteten die unrechtmässigen, zoll-
begünstigten Abfertigungen selbst ausgearbeitet und damit
ausgelöst“ hätten, ein Erlass zu gewähren sei; dass sie im
Weiteren nicht in der Lage sei, den Abgabebetrag zu bezahlen;
dass ein „Fiskalvergehen“ nicht vorliege, hätten doch die Zoll-
bediensteten „ohne Dazutun der Beschwerdeführerin eigenhän-
dig den Abfertigungsantrag“ geändert und damit eine „güns-
tigste Abgabebelastung“ ausgelöst; dass dieses Vorgehen von
den beteiligten Zollbeamten „in schriftlicher Form“ bestätigt
worden sei,
17. dass die von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe sich
allesamt auf den die Zollforderung begründenden Sachverhalt
beziehen; dass derartige Einwände im Verfahren gegen die
Nachbezugsverfügung vorzubringen sind (und die Beschwerde-
führerin diese dort auch vorgebracht hat); dass diese im vor-
liegenden Verfahren um Erlass nicht mehr zu hören sind; dass
diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz
verwiesen werden kann,
18. dass das Bundesverwaltungsgericht sich im Beschwerdever-
fahren gegen die Nachbezugsverfügung im Übrigen einlässlich
mit den genannten Vorbringen der Beschwerdeführerin befasst
und die Beschwerde abgewiesen hat (vgl. Urteil A-1730/2006
vom 4. Februar 2008 E. 3.1.2 ff.),
19. dass die Beschwerdeführerin zu Unrecht die Anwendung des
KZA beansprucht hat, weil sie nicht über die notwendigen Kon-
tingentsanteile verfügte; dass der Zollnachbezug auf der Be-
richtigung der falschen Deklaration beruht und sich aus der Ab-
gabedifferenz zwischen dem privilegierten, tieferen KZA und
dem höheren AKZA berechnet,
20. dass angesichts dieser Sachlage die Zollabgabe weder auf-
grund eines sich auf die Beschaffenheit der Ware beziehenden
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Irrtums noch wegen einer unrichtigen rechtlichen Würdigung
durch die Verwaltung nicht erhoben worden ist, weshalb
Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 aZG nicht zur Anwendung gelangt (vgl.
Ziff. 11),
21. dass auch ein Erlass gestützt auf Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4 aZG
ausgeschlossen ist, da die ordnungsgemässe Anwendung zoll-
rechtlicher Bestimmungen keine aussergewöhnlichen Umstän-
de zu begründen vermag (vgl. Ziff. 13); dass – da es bereits am
Erfordernis des Vorliegens aussergewöhnlicher Verhältnisse
mangelt – nicht geprüft zu werden braucht, ob die Zollnachbe-
lastung bei der Beschwerdeführerin zu einer besonderen Härte
führt; dass die Erfüllung dieser Voraussetzung allein nämlich
keinen Anspruch auf einen Erlass schafft (vgl. Ziff. 15 und 12),
22. dass das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass der
nachgeforderte Abgabebetrag für die Beschwerdeführerin eine
nicht unerhebliche Belastung darstellt; dass diesbezüglich die
OZD sich bereit erklärt hat, mit der Beschwerdeführerin eine
angemessene Ratenzahlung zu vereinbaren, womit der Nach-
bezug ihre Existenzgrundlage nicht unmittelbar gefährden
dürfte,
23. dass entsprechend die Beschwerde abzuweisen ist; dass die
Verfahrenskosten im Betrage von Fr. 2'500.-- der Beschwerde-
führerin aufzuerlegen und mit dem von ihr geleisteten Kosten-
vorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen sind (Art. 63 Abs. 1
VwVG),
24. dass dieser Entscheid nicht mit Beschwerde in öffentlich-recht-
lichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen
werden kann (Art. 83 Bst. m des Bundesgesetzes vom 17. Juni
2005 über das Bundesgericht [BGG, SR 173.110]).
(Dispositiv nächste Seite)
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von
Fr. 2'500.-- verrechnet.
3.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin (Einschreiben)
- die Vorinstanz (Ref-Nr. _______; Einschreiben)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Daniel Riedo Iris Widmer
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