A-1694/2006 - Abteilung I - Zölle - Zollerlass
Karar Dilini Çevir:
A-1694/2006 - Abteilung I - Zölle - Zollerlass

Abtei lung I
A-1694/2006
{T 0/2}
Urteil vom 7. Februar 2007
Mitwirkung: Richter Daniel Riedo; Michael Beusch; Thomas Stadelmann;
Gerichtsschreiberin Iris Widmer.
X. _______GmbH,
gegen
Eidgenössische Oberzolldirektion, Monbijoustrasse 40, 3003 Bern,
Vorinstanz
betreffend
Zollnachlass.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
2Sachverhalt:
A. Am 7. November 2003 meldete die X._______ GmbH beim Zollinspektorat
Basel/Weil-Autobahn eine Sendung Decken aus synthetischen Chemiefa-
sern zur provisorischen Einfuhrverzollung an. Die Abfertigung mit provisori-
scher Verzollung wurde mangels vollständiger Angaben im Ursprungs-
zeugnis EUR.1 A 491957 vom 10. Oktober 2003 vorgenommen. Das Zoll-
inspektorat fertigte die Ware antragsgemäss ab und setzte der X.
_______GmbH Frist bis zum 14. Januar 2004, um die notwendigen Nach-
weise für die Gewährung der Präferenzbehandlung beizubringen. Nach un-
benutztem Ablauf der Frist verzollte das Zollinspektorat die Sendung defi-
nitiv zum Normalansatz.
B. Mit Eingabe vom 9. Februar 2004 beantragte die X._______GmbH beim
Zollinspektorat gestützt auf das Formular EUR.1 A 351663 vom 2. Februar
2004 nachträglich die definitive Abfertigung der Sendung zum Präferen-
zansatz. Das Zollinspektorat leitete das Gesuch an die zuständige Zoll-
kreisdirektion Basel weiter. Diese gab der X._______GmbH am 24. März
2004 schriftlich bekannt, dass das Gesuch um nachträgliche Anerkennung
des Ursprungsnachweises aufgrund dessen verspäteter Einreichung nicht
berücksichtigt werden könne. Zur Vermeidung zusätzlicher Verfahrenskos-
ten gab sie der X._______GmbH die Gelegenheit, ihr Gesuch bis zum 14.
April 2004 zurückzuziehen, was diese mit Schreiben vom 1. April 2004 tat.
C. Das Schreiben der X._______GmbH vom 23. November 2004 nahm die
Zollkreisdirektion Basel als Antrag um Erlass des mit Zollquittung vom 14.
Januar 2004 definitiv erhobenen Betrages in der Höhe von Fr. 12'653.40.-
entgegen. Die zuständige Oberzolldirektion (OZD) wies mit Entscheid vom
10. Januar 2005 den Antrag hauptsächlich mit der Begründung ab, im vor-
liegenden Fall käme höchstens Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4 des Zollgesetzes
(besondere Härte) in Frage. Allerdings könnten nur jene Härtefälle in den
Genuss eines Erlasses kommen, bei denen der Antrag auf Präferenzabfer-
tigung irrtümlich unterlassen und dadurch eine finanzielle Härte verursacht
worden sei. Die materiellen und formellen Voraussetzungen für eine Präfe-
renzabfertigung müssten aber bereits im Zeitpunkt der Wareneinfuhr tat-
sächlich gegeben gewesen sein. Im vorliegenden Fall sei die provisorische
Zollabfertigung wegen des mangelhaft ausgestellten EUR.1 A 491957 vor-
sorglich beantragt worden und nicht etwa irrtümlich unterblieben. Aus die-
sem Grund seien die Voraussetzungen für einen Erlass nicht gegeben.
D. Gegen den Entscheid der OZD führt die X._______GmbH (Beschwerde-
führerin) mit Eingabe vom 10. Februar 2005 Beschwerde an die Eidgenös-
sische Zollrekurskomission (ZRK) und beantragt sinngemäss dessen Auf-
hebung. Sie bringt im Wesentlichen vor, das Ursprungszeugnis habe bei
der Abfertigung gefehlt. Die Gründe, die zu der verspäteten Eingabe ge-
führt hätten, seien nicht von ihr zu vertreten. Überdies könne sie den ange-
fallenen Zoll nicht weiterbelasten. Die damit verbundenen Kosten seien für
die Beschwerdeführerin erheblich und würden zu einer besonderen Härte
führen. Schliesslich verletze die Nicht-Berücksichtigung des nachgereich-
ten Ursprungszeugnisses das Freihandelsabkommen zwischen der
3Schweiz und der Europäischen Wirtschafsgemeinschaft (EWG).
In ihrer Vernehmlassung vom 11. Mai 2005 beantragt die OZD die kosten-
pflichtige Abweisung der Beschwerde. Sie macht insbesondere geltend,
das für die Präferenzabfertigung erforderliche Formular habe nicht gefehlt,
sondern das EUR.1 A 491957 sei vielmehr mangelhaft ausgefüllt gewe-
sen, weshalb es nicht zu einer definitiven Abfertigung zum Präferenzan-
satz berechtigt habe. Die Beschwerdeführerin sei also keinem Irrtum un-
terlegen, sondern habe mit der provisorischen Abfertigung ihren Anspruch
auf die Präferenzbehandlung aufrecht erhalten wollen. Da die fehlende
Möglichkeit der Weiterbelastung nicht direkt mit dem Zollverfahren zusam-
menhänge, sei die Anwendung der Härtefallklausel ausgeschlossen. Im
Übrigen würden die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den gesetz-
lichen Bestimmungen des Freihandelsabkommens Schweiz-EWG fehl ge-
hen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1. Bis zum 31. Dezember 2006 unterlagen erstinstanzliche Verfügungen oder
Beschwerdeentscheide der OZD der Beschwerde an die ZRK (aArt. 109
Abs. 1 Bst. c des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 [ZG; SR 631.0]). Das
Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die am
1. Januar 2007 bei der ZRK hängigen Rechtsmittel. Die Beurteilung erfolgt
nach neuem Verfahrensrecht (Art. 53 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom
17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsge-
setz, VGG; SR 173.32]). Soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet
sich gemäss Art. 37 VGG das Verfahren nach dem Bundesgesetz vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021).
Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht sind zulässig gegen Ver-
fügungen im Sinne von Art. 5 VwVG (Art. 31 VGG). Die den Zollnachlass
gemäss Art. 127 ZG abweisende Verfügung der OZD an die Beschwerde-
führerin stützt sich auf öffentliches Recht des Bundes. Entscheide der OZD
betreffend den Zollerlass unterliegen der Beschwerde an das Bundesver-
waltungsgericht (Art. 109 Abs. 1 Bst. c ZG in Verbindung mit Art. 33
Bst. d VGG). Dieses ist somit zur Behandlung der Beschwerde sachlich
wie funktionell zuständig.
2.
2.1 Jede Wareneinfuhr über die schweizerische Zollgrenze unterliegt grund-
sätzlich der Zollpflicht (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZG). Gemäss Art. 1 Abs. 2 ZG
umfasst die Zollpflicht die Befolgung der Vorschriften über den Verkehr
über die Grenze (Zollmeldepflicht; vgl. Art. 6 ff. ZG) und die Entrichtung
der gesetzlichen Abgaben (Zollzahlungspflicht; vgl. Art. 10 ff. ZG).
2.2 Die Ein- und Ausfuhrzölle werden nach Art. 21 ZG gemäss dem Zoll-
tarif (Anhang zum Zolltarifgesetz vom 9. Oktober 1986 [ZTG; SR 632.10])
erhoben. Art. 1 ZTG bestimmt, dass alle Waren, die über die schweizeri-
sche Zollgrenze ein- und ausgeführt werden, unter Vorbehalt abweichen-
der Bestimmungen namentlich aus Staatsverträgen (Art. 1 ZTG und Art. 14
Ziff. 1 ZG), nach dem Generaltarif zu verzollen sind. Eine solche Ausnah-
4me gilt insbesondere für Zollpräferenzen, die gestützt auf ein Freihandels-
abkommen bei der Einfuhr von Ursprungswaren gewährt werden (vgl. dazu
REMO ARPAGAUS, Das schweizerische Zollrecht, in: Koller/Müller/Rhinow/Zim-
merli [Hrsg.], Das Schweizerische Bundesverwaltungsrecht,
Basel/Genf/München 1999, Rz. 111). Dies gilt gemäss dem Abkommen
zwischen der Schweiz und der EWG (Abkommen vom 22. Juli 1972 zwi-
schen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft [SR 0.632.401]) für bestimmte Waren, die Ur-
sprungserzeugnisse der Gemeinschaft im Sinne von Art. 2 des Protokolls
Nr. 3 zum Abkommen (Protokoll Nr. 3 vom 28. April 2004 über die Bestim-
mung des Begriffs «Ursprungserzeugnisse» und über die Methoden der
Zusammenarbeit der Verwaltungen [SR 632.401.3]) sind. Gegen den ent-
sprechenden Nachweis wird die Zoll-Präferenzbehandlung bzw. Zollfreiheit
gewährt. Der Nachweis erfolgt in Form einer Warenverkehrsbescheinigung
EUR.1 (Art. 16 Abs. 1 Bst. a des Protokolls Nr. 3).
2.3 Das Zollgesetz sieht verschiedene Arten der Zollabfertigung vor. Erscheint
im Zeitpunkt der Anmeldung zur Einfuhr eine endgültige Abfertigung nicht
tunlich, kann die provisorische Verzollung vorgenommen werden
(Art. 40 ZG). Namentlich bei Fehlen der notwendigen Belege bzw. Anga-
ben die zur Zollpräferenz berechtigen, kann die provisorische Verzollung
beantragt und dürfen die erforderlichen Dokumente bzw. Nachweise inner-
halb einer von der Verwaltung bestimmten Frist nachgereicht bzw. ergänzt
werden (vgl. Art. 68 Abs. 2 der Verordnung vom 10. Juli 1926 zum Zollge-
setz [ZV; SR 631.01]). Da das schweizerische Zollrecht die nachträgliche
Präferenzverzollung für Waren, die bereits aus der Zollkontrolle erlassen
worden sind, nicht zulässt, kommt der provisorischen Abfertigung beson-
dere Bedeutung zu (vgl. Art. 49 Abs. 2 ZV sowie Art. 20 der Verordnung
über die Zollabfertigung mit elektronischer Datenübermittlung vom 3. Feb-
ruar 1999 [ZEDV; SR 631.071]; ARPAGAUS, a.a.O., Rz. 172 f., insbesondere
Fn. 529).
2.4 Die zollmeldepflichtige Person unterliegt besonderen gesetzlichen Mit-
wirkungspflichten (Art. 29 ff. ZG). Art. 31 Abs. 1 ZG verlangt, dass sie bei
der Einfuhr den Abfertigungsantrag stellt und je nach der Bestimmung der
Waren die Zolldeklaration unter Vorlegung der für die beantragte Abferti-
gungsart erforderlichen Belege, Bewilligungen und anderen Ausweise in
der vorgeschriebenen Anzahl, Form und Frist einreicht. Insbesondere hat
die Pflichtige selber eine allfällige Präferenzbehandlung geltend zu ma-
chen. Damit überbindet das Zollgesetz den Zollmeldepflichtigen die volle
Verantwortung für den eingereichten Abfertigungsantrag und stellt hohe
Anforderungen an ihre Sorgfaltspflicht (zum Selbstdeklarationsprinzip vgl.
Urteil des Bundesgerichts vom 7. Februar 2001 [2A.457/2000], E. 2c, publ.
in: Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 70 330; Entscheid der
ZRK vom 28. Oktober 2003 i.S. O. [ZRK 2003-016], E. 3c., publ. in: ASA
73 576; ARPAGAUS, a.a.O., Rz. 21 ff. und 147 f.; ERNST BLUMENSTEIN/PETER
LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Auflage, Zürich
2002, S. 426 f.).
3.
53.1 Steht nach Abschluss des Veranlagungsverfahrens die Zollschuld rechts-
kräftig fest, kann diese aus den in Art. 127 ZG festgelegten Gründen erlas-
sen werden. Der Zollerlass bildet den Verzicht auf einen bestehenden
Zollanspruch; er setzt begriffsnotwendig voraus, dass eine Zollabfertigung
in Rechtskraft erwachsen ist (Entscheid der ZRK vom 18. September 2002
i.S. G. [ZRK 2001-044], E. 4a).
3.2 Ein ganzer oder teilweiser Zollnachlass ist, abgesehen von den hier nicht
interessierenden besonderen Fällen von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 1 bis 3 ZG, in
Ziff. 4 dieses Absatzes vorgesehen. Diese Härteklausel ist als allgemeiner
Auffangtatbestand konzipiert. Ein Zollnachlass muss gewährt werden,
wenn aussergewöhnliche, nicht die Bemessung der Abgaben betreffende
Verhältnisse den Bezug als besondere Härte erscheinen lassen. Die drei
Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit einem Zollerlassge-
such stattgegeben werden kann. Liegen sie vor, greift kein behördliches
Ermessen, sondern es besteht ein Anspruch auf Nachlass.
3.2.1 Wann aussergewöhnliche Verhältnisse im Sinne von Art. 127 Abs. 1
Ziff. 4 ZG mit Bezug auf das Zollverfahren vorliegen, bedarf der Ausle-
gung. In Weiterführung der bisherigen Praxis der ZRK stellt ein lediglich
fehlendes oder mangelhaftes Ursprungszeugnis in der Regel keine ausser-
ordentliche Situation im Sinne der genannten Bestimmung dar. Ist keine
provisorische Abfertigung verlangt worden, ist diesfalls ein Zollerlass nur
zulässig, wenn die formellen Voraussetzungen für eine Präferenzbehand-
lung im Zeitpunkt der Zollabfertigung tatsächlich erfüllt gewesen sind (Ent-
scheid der ZRK vom 28. Oktober 2003 i.S. M. AG [ZRK 2002-099], E.
2c.aa, Urteil des Bundesgerichts vom 9. Juni 2004 [2A.566/2003], E. 4.1,
publ. in: ASA 74 246 ff.). Im Rahmen einer allgemeinen Härteklausel kon-
krete Definitionen für das Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände anzu-
führen, bereitet Schwierigkeiten; eine fallweise Aufzählung kann höchstens
einen ungefähren Eindruck vermitteln (vgl. dazu HANS BEAT NOSER, Der Zoll-
nachlass nach Art. 127 ZG  wozu, wie, wann?, in: Zollrundschau 3/90, S.
48).
3.2.2 Die aussergewöhnlichen Verhältnisse dürfen zudem nicht die Bemessung
der Abgaben betreffen; ein Zollerlass darf nicht zur Korrektur des Zolltarifs
führen (Entscheid der ZRK vom 28. Oktober i.S. M. AG [ZRK-2002-099],
E. 2c/bb). Wer ein Gesuch um Zollnachlass stellt, hat daher nachzuwei-
sen, dass die Gründe, das heisst die aussergewöhnlichen Verhältnisse,
ausserhalb der Bemessung der Abgaben liegen.
3.2.3 Der Bezug der Abgabe muss sodann eine besondere Härte darstellen.
Dieses Kriterium betrifft die persönliche Lage der zahlungspflichtigen Per-
son (Entscheid der ZRK vom 18. September 2002 i.S. A. SA [ZRK
2002-020], E. 2b/cc).
3.3 Der Zollerlass bildet eine Massnahme der Vollstreckung an sich rechtskräf-
tiger Zollentscheide und nicht der Veranlagung. Die Begründetheit der Zoll-
erhebung ist dabei nicht ausschlaggebend. Eine allfällige Unbegründetheit
bzw. eine fehlerhafte Veranlagung ist im Abfertigungs- und dem daran an-
schliessenden Rechtsmittelverfahren geltend zu machen. Das auf dem
Prinzip der Selbstdeklaration beruhende schweizerische Zollverfahren
6überträgt der zollpflichtigen Person die entsprechenden Verfahrens- und
Sorgfaltspflichten (vgl. E. 2.4). Kann die Steuerpflichtige ihre Pflichten
nicht vollständig erfüllen, steht ihr, wie erläutert, die Möglichkeit der provi-
sorischen Abfertigung offen. Das verlangt jedoch, dass sie sich vorweg
über die Zollpflicht informiert und die für die Einfuhr beigezogenen Perso-
nen wie Spediteure entsprechend anweist. Unterlässt sie dies, hat sie da-
für prinzipiell selber die Verantwortung zu tragen. Allfällige Rückforderun-
gen können grundsätzlich nur auf dem Beschwerdeweg geltend gemacht
werden (Art. 125 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 109 ZG; vgl. Urteil des Bun-
desgerichts vom 9. Juni 2004, a.a.O., E. 3.3).
3.4 Mit der Möglichkeit der provisorischen Verzollung stellt das Zollgesetz ein
Veranlagungssystem zur Verfügung, bei dem sich Unsicherheiten im Zeit-
punkt der Abfertigung berücksichtigen lassen. Diese Abfertigungsart kann
auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die formellen Voraussetzungen
für eine Präferenzbehandlung, wie das Vorhandensein von Ursprungs-
zeugnissen, fehlen. Falls notwendig, können die entsprechenden Mass-
nahmen getroffen werden, um eine nachträgliche Kontrolle der Waren zu
gewährleisten. Wenn das Gesetz in diesem Sinne bereits bei der Veranla-
gung eine Korrekturmöglichkeit vorsieht, rechtfertigt dies eine einschrän-
kende Auslegung der als Auffangbestimmung konzipierten Erlassregelung
von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4 ZG bei der Vollstreckung (vgl. Urteil des Bun-
desgerichts vom 9. Juni 2004, a.a.O., E. 3.4).
3.5 Daran ändert auch das Abkommen zwischen der Schweiz und der EWG
nichts. Zwar ist vorgesehen, dass die erforderliche Ursprungsbescheini-
gung ausnahmsweise nach der Ausfuhr ausgestellt werden kann, insbe-
sondere dann, wenn sie infolge eines Irrtums, eines unverschuldeten Ver-
sehens oder besonderer Umstände bei der Ausfuhr nicht entrichtet worden
ist (Art. 18 Abs. 1 Bst. a des Protokolls Nr. 3). Dieser Anforderung wird
aber das schweizerische Zollgesetz gerecht, indem es im Verfahren der
Veranlagung in solchen Fällen die Möglichkeit der provisorischen Verzol-
lung anbietet. Mehr, namentlich die Berücksichtigung nachträglich ausge-
stellter Bescheinigungen im Verfahren der Vollstreckung, verlangt das Ab-
kommen nicht (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 9. Juni 2004, a.a.O.,
E. 3.7).
3.6 Im vorliegenden Fall lagen die für eine Präferenzbehandlung notwendigen
Belege im Zeitpunkt der Einfuhr nicht vollständig vor. Im Formular EUR.
1 A 491957 fehlten die Angaben über Herkunfts- und Bestimmungsstaat
(Ziffern 4 und 5 des Formulars). Die Beschwerdeführerin hat das Verfah-
ren der provisorischen Zollabfertigung beantragt, um die Möglichkeit der
Abfertigung nach dem Präferenzzolltarif aufrecht zu halten. Die provisori-
sche Abfertigung ist demzufolge nicht etwa irrtümlich unterblieben. Entge-
gen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hat das Ursprungszeugnis
bei der Einfuhr nicht gänzlich gefehlt. Das EUR.1 A 491957 hätte innert
der dafür von der Zollbehörde angesetzten Frist ergänzt und beglaubigt
werden müssen. Um ihren Mitwirkungspflichten nachkommen zu können,
hätte die Beschwerdeführerin um eine Fristverlängerung nachsuchen müs-
sen. Da sie dies unterlassen hat, wurde die Sendung nach Fristablauf
7rechtmässig definitiv zum Normaltarif verzollt. Die aus diesem Versäumnis
für die Beschwerdeführerin sich nun ergebenden Kostenfolgen hat sie sich
selber zuzuschreiben. Eine Abrechnung nach dem Präferenzzolltarif kann
nach verpasster Frist für die provisorische Präferenzabfertigung nun nicht
über den Weg eines nachträglich ausgestellten EUR.1 A 351663 erlangt
werden. Die angeblich von der Post zu verantwortende Verzögerung der
Zustellung des Ursprungszeugnisses ist deshalb nicht relevant; abgesehen
davon wäre das Verhalten der Deutschen Post als Hilfsperson ohnehin der
Beschwerdeführerin zuzurechnen. Somit liegen keine aussergewöhnlichen
Umstände im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4 ZG vor, die einen Zollnach-
lass rechtfertigen könnten.
3.7 Damit entfällt ein Zollerlass, ohne dass zu prüfen ist, ob die weiteren ge-
setzlichen Anforderungen erfüllt wären. Namentlich ist nicht zu prüfen, ob
sich durch die fehlende Möglichkeit der Weiterbelastung des Zollbezuges
eine besondere Härte ergibt. Die Voraussetzung der Härte allein schafft
keinen Anspruch auf einen Zollerlass.
3.8 Die Beschwerdeführerin stützt ihr Begehren auch auf das Abkommen zwi-
schen der Schweiz und der EWG. Sofern diese Bestimmungen überhaupt
direkt anwendbar sind, betreffen sie das Veranlagungsverfahren. Ihre dies-
bezüglichen Einwände hätte diese allenfalls im entsprechenden Rechtsmit-
telverfahren geltend machen müssen. Im Vollstreckungsverfahren können
diese nicht berücksichtigt werden.
4. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen und der Entscheid
der Oberzolldirektion vom 10. Januar 2005 zu bestätigen. Die Verfahren-
skosten in der Höhe von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin aufer-
legt (Art. 63 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 37 VGG).
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 800.- werden der Beschwerdefüh-
rerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von
Fr. 800.- verrechnet.
3. Dieses Urteil wird eröffnet:
- der Beschwerdeführerin (mit Gerichtsurkunde)
- der OZD (Ref-Nr. 391/04.051) (mit Gerichtsurkunde)
Bern, 7. Februar 2007
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtschreiberin:
8Riedo Daniel Widmer Iris
Rechtsmittelbelehrung
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts können innert 30 Tagen seit der Eröffnung beim
Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne angefochten werden. Die Beschwerde ist
unzulässig gegen Entscheide über die Zollveranlagung, wenn diese aufgrund der
Tarifierung oder des Gewichts der Ware erfolgt; sowie gegen Entscheide über die
Stundung oder den Erlass von Abgaben. Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache
abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und
die Unterschrift zu enthalten. Sie muss spätestens am letzten Tag der Frist beim
Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer
schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (vgl.
Art. 42, 48, 54, 83 Bst. l, m und 100 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht [BGG; SR 173.110]).
Versand am: 7.Februar 2007
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