A-1636/2006 - Abteilung I - Mehrwertsteuer","Schwerverkehrsabgabe - Mehrwertsteuer (1/1998-4/2002); Ermessenseinschätz...
Karar Dilini Çevir:
A-1636/2006 - Abteilung I - Mehrwertsteuer","Schwerverkehrsabgabe - Mehrwertsteuer (1/1998-4/2002); Ermessenseinschätz...
Abtei lung I
A-1636/2006 und A-1637/2006
{T 0/2}
U r t e i l v o m 2 . J u l i 2 0 0 8
Richter Daniel Riedo (Vorsitz), Richter Pascal Mollard,
Richter Markus Metz,
Gerichtsschreiberin Iris Widmer.
X._______ AG,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50,
3003 Bern,
Vorinstanz.
Mehrwertsteuer
(1/1998 – 4/2002);
Ermessenseinschätzung.
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Besetzung
Parteien
Gegenstand
A-1636/2006 und A-1637/2006
Sachverhalt:
A.
Die X._______ AG (Steuerpflichtige, Beschwerdeführerin) betreibt ein
Restaurant in Wangenried. Seit dem 1. Januar 1995 ist sie im Register
der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen.
B.
Anlässlich einer Kontrolle durch die Eidgenössische Steuerverwaltung
(ESTV) am 7. und 8. Mai 2003 betreffend die Steuerperioden 1. Quar-
tal 1998 bis 4. Quartal 2002 wurde eine den gesetzlichen Anfor-
derungen nicht genügende Buchführung festgestellt. Aufgrund der
vorgefundenen Mängel und angesichts des Umstands, dass die von
der Steuerpflichtigen erwirtschafteten Bruttogewinne unterhalb des
durchschnittlichen Bruttogewinnes gemäss den Erfahrungszahlen der
ESTV lagen, wurde der Umsatz ermessensweise kalkuliert. Sodann
wurde die Vorsteuerdeklaration wegen mangelhafter Rechnungen und
Belege berichtigt. Die ESTV forderte mit Entscheiden vom 28. Mai
2003 für die Steuerperioden 1. Quartal 1998 bis 4. Quartal 2000
Fr. 16'904.-- (Ergänzungsabrechnung [EA] Nr. 280'773) und für das
1. Quartal 2001 bis 4. Quartal 2002 Fr. 9'331.-- (EA Nr. 280'774) – je-
weils zuzüglich Verzugszinse – nach.
C.
Die Steuerpflichtige erhob mit am 10. Juni 2003 bei der Post aufge-
gebenen Schreiben Einsprache gegen diese Entscheide. Sie bean-
standete hauptsächlich die von der ESTV bei der Ermessensveran-
lagung angewandte Bruttogewinnmarge. Aus der Buchhaltung sei
ersichtlich, dass sie immer etwa die gleiche Bruttogewinnmarge in der
Höhe von plus bzw. minus 60% erzielt habe, was auf ihre kosten-
günstigen Preise zurückzuführen sei. Hinsichtlich der zum Vorsteuer-
abzug berechtigenden Belege brachte sie vor, es sei ihr nicht immer
möglich, für ihre Einkäufe eine Rechnung zu erhalten. Die zahlreichen
bar getätigten Einkäufe würden deshalb einfach "an der Kasse ge-
tippt".
Mit Einspracheentscheiden vom 16. August 2006 wurde die Ein-
sprache im Umfang von Fr. 1'217.-- (betreffend das 1. Quartal 1998 bis
4. Quartal 2000) bzw. Fr. 875.-- (betreffend das 1. Quartal 2001 bis
4. Quartal 2002) gutgeheissen, im Übrigen jedoch abgewiesen. Zur
Gutheissung führten die zwischenzeitlich geänderten und rückwirkend
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anwendbaren Bestimmungen betreffend die Anforderungen an die Vor-
steuerbelege gemäss Art. 15a der Verordnung vom 29. März 2000
zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTGV, SR 641.201)
in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 und 3 des Mehrwertsteuergesetzes
vom 2. September 1999 (MWSTG, SR 641.20). Darauf basierend
wurde die Vorsteuerrückbelastung zu Gunsten der Steuerpflichtigen
korrigiert. Dabei wurde die für das Jahr 2002 ermittelte
Vorsteuerkorrektur auf die restlichen Jahre der Kontrollperiode um-
gelegt. Im Übrigen hielt die ESTV jedoch daran fest, dass die
Buchführung gravierende Mängel aufweise. Die von der Steuerpflichti-
gen vorgebrachten Argumente, weshalb eine gegenüber den Ver-
gleichsbetrieben unterdurchschnittliche Marge erzielt worden sein soll,
seien nicht begründet und belegt. Die Beschwerde sei deshalb in
diesem Punkt abzuweisen.
D.
Mit Eingabe vom 8. September 2006 (Postaufgabe 11. September
2006) erhob die Steuerpflichtige bei der Eidgenössischen Steuerre-
kurskommission (SRK) Beschwerde sinngemäss mit dem Rechtsbe-
gehren, die Einspracheentscheide seien aufzuheben. Es wurde haupt-
sächlich geltend gemacht, die vorgeworfenen Buchführungsmängel
könne sie weder verstehen noch akzeptieren. Die aufgrund von
statistischen Zahlen und Erfahrungswerten veranschlagte Bruttoge-
winnmarge von 65% sei für ihren Betrieb keinesfalls zutreffend.
In ihren Vernehmlassungen je vom 25. Oktober 2006 beantragte die
ESTV die Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf weitere
Ausführungen.
E.
Per 31. Dezember 2006 hat die SRK die Verfahrensakten dem
Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Sache übergeben.
Dieses forderte mit Instruktionsverfügung vom 2. Mai 2008 die ESTV
auf, die Erfahrungszahlen einzureichen, auf die sie sich in ihren
Einspracheentscheiden gestützt hat. Die Beschwerdeführerin hat zu
den ihr in anonymisierter Form zugestellen Erfahrungszahlen innert
Frist Stellung genommen.
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Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Bis zum 31. Dezember 2006 unterlagen Einspracheentscheide der
ESTV der Beschwerde an die SRK. Das Bundesverwaltungsgericht
übernimmt beim Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005
über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG,
SR 173.32) am 1. Januar 2007 die bei der SRK hängigen Rechtsmittel,
sofern es zuständig ist und keine Ausnahme vorliegt. Die Beurteilung
erfolgt nach neuem Verfahrensrecht (Art. 31 – Art. 33 und Art. 53
Abs. 2 VGG). Soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich
gemäss dessen Art. 37 das Verfahren nach dem Bundesgesetz vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR
172.021). Vorliegend ist keine Ausnahme gegeben und gegen die Ein-
spracheentscheide der Vorinstanz ist die Beschwerde beim Bundes-
verwaltungsgericht zulässig (Art. 32 e contrario und Art. 33 Bst. d
VGG). Dieses ist mithin zur Beurteilung in der Sache sachlich wie
funktionell zuständig. Auf die im Übrigen form- und fristgerecht
eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
1.2 Die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts richtet sich nach
dem MWSTG, soweit er sich in dessen zeitlichen Geltungsbereich
ereignet hat (1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002). Soweit sich
hingegen der Sachverhalt vor Inkrafttreten dieses Gesetzes zuge-
tragen hat (1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2000), ist auf die vor-
liegende Beschwerde grundsätzlich noch die Verordnung vom 22. Juni
1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV, AS 1994 1464) anwendbar
(Art. 93 und 94 MWSTG).
1.3 Grundsätzlich bildet jeder vorinstanzliche Entscheid ein selb-
ständiges Anfechtungsobjekt und ist deshalb einzeln anzufechten. Es
ist gerechtfertigt, von diesem Grundsatz abzuweichen und die An-
fechtung in einem gemeinsamen Verfahren mit einem einzigen Urteil
zuzulassen, wenn die einzelnen Sachverhalte in einem engen in-
haltlichen Zusammenhang stehen und sich in allen Fällen gleiche oder
ähnliche Rechtsfragen stellen (vgl. BGE 123 V 215 E. 1; statt vieler:
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1435/2006 vom 8. Februar
2007 E. 1.2). Unter den gleichen Voraussetzungen können auch ge-
trennt eingereichte Beschwerden in einem Verfahren vereinigt werden.
Ein solches Vorgehen dient der Verfahrensökonomie und liegt im
Interesse aller Beteiligten (ANDRÉ MOSER, in André Moser/Peter
Uebersax, Prozessieren vor eidgenössischen Rekurskommissionen,
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Basel und Frankfurt am Main 1998, Rz. 3.12).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, sind die
beiden umstrittenen Ergänzungsabrechnungen doch das Resultat
derselben Steuerkontrolle, deren Besonderheit einzig die Tatsache ist,
dass die betroffenen Steuerperioden einerseits die MWSTV und
andererseits das MWSTG betreffen. Zudem beziehen sich die
Einspracheentscheide auf dasselbe Steuersubjekt und die der Be-
schwerdeführerin vorgeworfenen Verfehlungen sind übereinstimmend.
Dementsprechend hat die Beschwerdeführerin die besagten Ein-
spracheentscheide auch in einem einzigen Schreiben mit den
identischen Argumenten angefochten. Aus diesen Gründen sind die
Verfahren A-1636/2006 und A-1637/2006 zusammenzulegen.
1.4 Das Bundesverwaltungsgericht kann die angefochtenen Ein-
spracheentscheide grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen. Die
Beschwerdeführerin kann neben der Verletzung von Bundesrecht
(Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Fest-
stellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG)
auch die Rüge der Unangemessenheit erheben (Art. 49 Bst. c VwVG;
vgl. MOSER, a.a.O., Rz. 2.59; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 1758 ff.).
2.
2.1 Die Veranlagung und Entrichtung der Mehrwertsteuer erfolgt nach
dem Selbstveranlagungsprinzip (Art. 37 f. MWSTV, Art. 46 f. MWSTG;
vgl. ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des Schweizerischen
Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 421 ff.). Dies bedeutet, dass die
Mehrwertsteuerpflichtige selbst und unaufgefordert über ihre Umsätze
und Vorsteuern abzurechnen und innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf
der Abrechnungsperiode den geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag
(Steuer vom Umsatz abzüglich Vorsteuern) an die ESTV abzuliefern
hat. Die Verwaltung ermittelt die Höhe des geschuldeten Mehrwert-
steuerbetrages nur dann an Stelle der Steuerpflichtigen, wenn diese
ihren Pflichten nicht nachkommt (Art. 48 MWSTV, Art. 60 MWSTG; vgl.
ALOIS CAMENZIND/NIKLAUS HONAUER/KLAUS A. VALLENDER, Handbuch zum
Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], 2. Aufl., Bern 2003, Rz. 1680 ff.). Ein
Verstoss der Steuerpflichtigen gegen diesen Grundsatz ist als schwer-
wiegend anzusehen, da sie durch die Nichteinhaltung dieser Vorschrift
die ordnungsgemässe Erhebung der Mehrwertsteuer gefährdet (vgl.
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom 6. März
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2008 E. 2.1, A-1531/2006 vom 10. Januar 2008 E. 2.2, A-1397/2006
vom 19. Juli 2007 E. 2.2, je mit weiteren Hinweisen; Entscheid der
SRK vom 19. Mai 2004, veröffentlicht in Verwaltungspraxis der
Bundesbehörden [VPB] 68.131 E. 2b).
2.2 Die Mehrwertsteuerpflichtige hat ihre Geschäftsbücher ordnungs-
gemäss zu führen und so einzurichten, dass sich aus ihnen die für die
Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht sowie für die Berechnung der
Steuer und der abziehbaren Vorsteuern massgebenden Tatsachen
leicht und zuverlässig ermitteln lassen (Art. 47 Abs. 1 MWSTV, Art. 58
Abs. 1 MWSTG). Die ESTV kann hierüber nähere Bestimmungen auf-
stellen. Von dieser Befugnis hat sie mit dem Erlass von "Wegleitungen"
für Mehrwertsteuerpflichtige Gebrauch gemacht (vgl. betreffend
MWSTV die "Wegleitung 1997 für Mehrwertsteuerpflichtige" [im Fol-
genden: Wegleitung 1997] bzw. betreffend MWSTG "Wegleitung 2001
zur Mehrwertsteuer" [im Folgenden: Wegleitung 2001]). Darin sind ge-
nauere Angaben enthalten, wie eine Buchhaltung auszugestalten ist
(Wegleitung 1997 Rz. 870 ff., Wegleitung 2001 Rz. 878 ff.). Alle Ge-
schäftsfälle müssen fortlaufend, chronologisch und lückenlos aufge-
zeichnet werden (Wegleitung 1997 Rz. 874, Wegleitung 2001 Rz. 890)
und alle Eintragungen haben sich auf entsprechende Belege zu
stützen, so dass die einzelnen Geschäftsvorfälle von der Eintragung in
die Hilfs- und Grundbücher bis zur Steuerabrechnung und bis zum
Jahresabschluss sowie umgekehrt leicht und genau verfolgt werden
können (sog. "Prüfspur"; vgl. Wegleitung 1997 Rz. 879, Wegleitung
2001 Rz. 890). Nach der Rechtsprechung ist die Steuerpflichtige
selbst bei geringem Barverkehr zur Führung zumindest eines ein-
fachen ordentlichen Kassabuches verpflichtet. Sie ist zwar mehrwert-
steuerlich nicht gehalten, kaufmännische Bücher im Sinne des
Handelsrechts zu führen; die Bücher müssen die erzielten Umsätze
jedoch lückenlos erfassen und die entsprechenden Belege sind aufzu-
heben (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.693/2006 vom 26. Juli 2007
E. 3.1; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom
6. März 2008 E. 2.2, A-1531/2006 vom 10. Januar 2008 E. 2.3,
A-1397/2006 vom 19. Juli 2007 E. 2.3; Entscheid der SRK vom
24. Oktober 2002, veröffentlicht in Archiv für Schweizerisches
Abgaberecht [ASA] 73 S. 233 E. 2c.aa, mit Hinweisen). Damit befinden
sich die mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Aufzeichnungs-
pflicht auch im Einklang mit den bei den direkten Steuern geltenden
Regelungen (vgl. Wegleitung 1997 Rz. 877, Wegleitung 2001 Rz. 888).
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Die detaillierte und chronologische Führung eines Kassabuches muss
besonders hohen Anforderungen genügen (vgl. dazu auch HANS GER-
BER, Die Steuerschätzung [Veranlagung nach Ermessen], in Steuer
Revue [StR] 1980 S. 306). Soll also ein Kassabuch für die Richtigkeit
des erfassten Bargeldverkehrs Beweis erbringen, ist zu verlangen,
dass darin die Bareinnahmen und -ausgaben fortlaufend, lückenlos
und zeitnah aufgezeichnet werden und durch Kassenstürze regel-
mässig – in bargeldintensiven Betrieben täglich – kontrolliert werden.
Nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass die erfassten Barein-
nahmen vollständig sind, d.h. den effektiven Bareinnahmen ent-
sprechen (vgl. etwa Urteile des Bundesgerichts 2A.693/2006 vom
26. Juli 2007 E. 3.1, 2A.569/2006 vom 28. Februar 2007 E. 3.1; Urteile
des Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom 6. März 2008
E. 2.2, A-1397/2007 vom 19. Juli 2007 E. 2.3).
2.3 Die ESTV hat eine Schätzung nach pflichtgemässem Ermessen
vorzunehmen, wenn keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen
vorliegen oder die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen
Sachverhalt offensichtlich nicht übereinstimmen (Art. 48 MWSTV,
Art. 60 MWSTG).
2.3.1 Auseinanderzuhalten sind somit zwei unterschiedliche Kon-
stellationen, die zu einer Ermessenseinschätzung führen: Zum einen
geht es um diejenige der ungenügenden Aufzeichnungen. Insbe-
sondere muss eine Schätzung dann erfolgen, wenn die Verstösse
gegen die formellen Buchhaltungsregeln derart gravierend sind, dass
sie die materielle Richtigkeit der Buchhaltungsergebnisse in Frage
stellen (Urteil des Bundesgerichts 2A.437/2005 vom 3. Mai 2006
E. 3.1; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom
6. März 2008 E. 2.3, A-1531/2006 vom 10. Januar 2008 E. 2.4,
A-1397/2006 vom 19. Juli 2007 E. 2.4; Entscheid der SRK vom
24. Oktober 2002, veröffentlicht in ASA 73 S. 233 E. 2c.aa). Zum
andern kann selbst eine formell einwandfreie Buchführung die Durch-
führung einer Schätzung erforderlich machen, wenn die in den
Büchern enthaltenen Geschäftsergebnisse mit dem wirklichen Sach-
verhalt nicht übereinstimmen. Dies ist nach der Rechtsprechung der
Fall, wenn die in den Büchern enthaltenen Geschäftsergebnisse von
den von der Steuerverwaltung erhobenen branchenspezifischen Er-
fahrungszahlen wesentlich abweichen, vorausgesetzt die Steuer-
pflichtige ist nicht in der Lage, allfällige besondere Umstände, auf-
grund welcher diese Abweichung erklärt werden kann, nachzuweisen
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oder zumindest glaubhaft zu machen (Urteil des Bundesgerichts vom
28. August 1985, veröffentlicht in ASA 58 S. 380 E. 3; Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom 6. März 2008 E. 2.3,
A-1397/2006 vom 19. Juli 2007 E. 2.4; Entscheid der SRK 2003-094
vom 10. August 2005 E. 2d).
2.3.2 Sind die Voraussetzungen für eine Ermessenstaxation erfüllt, ist
die ESTV nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, eine solche
vorzunehmen. Ihr Ermessen hat sie dabei pflichtgemäss auszuüben.
2.4
2.4.1 In Ausübung dieses pflichtgemässen Ermessens hat die Verwal-
tung diejenige Schätzungsmethode zu wählen, die den individuellen
Verhältnissen im Betrieb der Steuerpflichtigen soweit als möglich
Rechnung trägt, auf plausiblen Angaben beruht und deren Ergebnis
der wirklichen Situation möglichst nahe kommt (Urteile des Bundes-
gerichts 2C_426/2007 vom 22. November 2007 E. 3.2, 2A.253/2005
vom 3. Februar 2006 E. 4.1; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
A-1527/2006 vom 6. März 2008 E. 2.3, A-1397/2006 vom 19. Juli 2007
E. 2.4). In Betracht fallen einerseits Methoden, die auf eine Ergänzung
oder Rekonstruktion der ungenügenden Buchhaltung hinauslaufen,
andererseits Umsatzschätzungen aufgrund unbestrittener Teil-Rech-
nungsergebnisse in Verbindung mit Erfahrungssätzen. Die Anwendung
von Erfahrungszahlen kommt namentlich in Betracht, wenn die Lohn-
summe unbestritten feststellbar ist. Bei der Anwendung von Er-
fahrungszahlen ist allerdings deren Streubreite zu beachten, wenn
eine den individuellen Verhältnissen gerecht werdende Schätzung er-
folgen soll (Urteile des Bundesgerichts vom 4. Mai 1983, veröffentlicht
in ASA 52 S. 234 E. 4, vom 31. März 1983, veröffentlicht in ASA 50
S. 669 E. 2; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom
6. März 2008 E. 2.3, A-1397/2007 vom 19. Juli 2007 E. 2.4; Entscheid
der SRK vom 24. Oktober 2005, veröffentlicht in VPB 70.41 E. 2d.aa
und E. ; vgl. zum Ganzen auch PASCAL MOLLARD, TVA et
taxation par estimation, in ASA 69 S. 526 ff., 557). Die brauchbaren
Teile der Buchhaltung und allenfalls vorhandene Belege sind soweit
als möglich bei der Schätzung mitzuberücksichtigen. Sie können
durchaus als Basiswerte der Ermessenstaxation fungieren (vgl.
GERBER, a.a.O., S. 307). Auch eine Schätzung durch Umlage von einem
oder mehreren Geschäftsjahren auf die übrigen kontrollierten
Steuerperioden ist gemäss konstanter Praxis des Bundesgerichts
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grundsätzlich zulässig (Urteil des Bundesgerichts vom 3. Mai 2006,
veröffentlicht in ASA 76 S. 773 E. 3.2 und E. 4.3.2).
2.4.2 Der ESTV obliegt im Rahmen einer Ermessensveranlagung
bloss, den pflichtwidrig nicht oder falsch deklarierten Umsatz der
Steuerpflichtigen zu ermitteln. Die Geltendmachung der eventuell
angefallenen Vorsteuern ist demgegenüber ein Recht der Steuer-
pflichtigen; ihr ist es anheim gestellt, ob sie davon Gebrauch machen
will. Es ist nicht die Aufgabe der ESTV, ein Recht, das der Steuer-
pflichtigen zusteht, für diese auszuüben. Da es sich bei den Vor-
steuern um steuermindernde Tatsachen handelt, obliegt der form-
gerechte Beweis für deren Vorliegen der Steuerpflichtigen (BLUMENSTEIN/
LOCHER, a.a.O., S. 379). Abzüge sind deshalb grundsätzlich nicht zu
schätzen (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Mai 2006, veröffentlicht in
ASA 76 S. 682 E. 2.3; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts
A-1353/2006 vom 7. April 2008 E. 3.1, A-1374/2006 vom 21. Januar
2008 E. 3.2). Hingegen ist eine Umlage mangelhaft belegter Vor-
steuerbeträge eines Teils der Kontrollperiode auf den gesamten kon-
trollierten Zeitraum nicht unzulässig (Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts A-3069/2007 vom 29. Januar 2008 E. 3.1; Entscheid der SRK
2003-167 vom 12. Mai 2005 E. 4b.bb.ccc und 5b.aa). Werden also die
Abzüge von der Steuerpflichtigen nicht deklariert bzw. auf Auf-
forderung hin nicht nachgewiesen, sind sie vollumfänglich zu ver-
weigern, ohne dass eine Schätzung Platz greifen würde. Es bleibt aber
darauf hinzuweisen, dass es der Steuerpflichtigen unbenommen ist,
sogar noch im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Schätzung,
mittels Belegen den Nachweis für angefallene Vorsteuern zu erbringen
(Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-3069/2007 vom 29. Januar
2008 E. 3.1, A-1535/2006 vom 14. März 2007 E. 2.5.4; Entscheid der
SRK 2003-186 vom 10. Oktober 2005 E. 4f; zum Ganzen: Entscheid
der SRK vom 15. Oktober 1999, veröffentlicht in VPB 64.47 E. 5b).
2.5 Ob die Voraussetzungen für die Vornahme einer Ermessensveran-
lagung gegeben sind, überprüft das Bundesverwaltungsgericht un-
eingeschränkt. Bei der Kontrolle von zulässigerweise erfolgten Er-
messensveranlagungen auferlegt es sich allerdings eine gewisse
Zurückhaltung und führt so die gefestigte Praxis der SRK fort (vgl.
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom 6. März
2008 E. 1.4, A-1531/2006 vom 10. Januar 2008 E. 2.1; vgl. auch
Entscheid der SRK vom 24. Oktober 2005, veröffentlicht in VPB 70.41
E. ). Die Rechtmässigkeit dieser Praxis wurde höchstrichterlich
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bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 2C_426/2007 vom 22. November
2007 E. 4.3).
Sind die Voraussetzungen einer Ermessenstaxation erfüllt, obliegt es
der Steuerpflichtigen, den Beweis für die Unrichtigkeit der Schätzung
zu erbringen. Erst wenn ihr der Nachweis gelingt, dass der Vorinstanz
dabei erhebliche Ermessensfehler unterlaufen sind, nimmt das
Bundesverwaltungsgericht eine Korrektur der vorinstanzlichen
Schätzung vor (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1531/2006
vom 10. Januar 2008 E. 2.5.2, A-1429/2006 vom 29. August 2007
E. 2.4, A-1397/2006 vom 19. Juli 2007 E. 2.5.2; vgl. Entscheid der
SRK vom 5. Januar 2000, veröffentlicht in VPB 64.83 E. 2). Insoweit
erfolgt eine Abkehr von der allgemeinen Beweislastregel, wonach die
Steuerbehörde die Beweislast für Tatsachen trägt, welche die Steuer-
pflicht als solche begründen oder die Steuerforderung erhöhen (sog.
steuerbegründende und -mehrende Tatsachen), währenddem die
Steuerpflichtige für die steueraufhebenden und -mindernden Tat-
sachen beweisbelastet ist, das heisst für solche Tatsachen, welche
eine Steuerbefreiung oder Steuerbegünstigung bewirken (statt vieler:
Urteil des Bundesgerichts vom 14. Juli 2005, veröffentlicht in ASA 75
S. 495 ff. E. 5.4; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1503/2007
vom 5. Dezember 2007 E. 1.3, A-1373/2006 vom 16. November 2007
E. 2.1 und A-1429/2006 vom 29. August 2007 E. 2.4, je mit Hinweisen;
Entscheid der SRK vom 18. November 2002, veröffentlicht in VPB
67.49, E. ).
3.
Im vorliegenden Fall ist zunächst darüber zu befinden, ob die ESTV zu
Recht die von der Beschwerdeführerin geführte Buchhaltung abge-
lehnt und damit die Voraussetzungen für eine Ermessenstaxation als
erfüllt erachtet hat. Falls dies zu bejahen ist, gilt es in einem zweiten
Schritt zu überprüfen, ob die Ermessensveranlagung sich als recht-
mässig erweist (E. 4 hienach).
3.1 Die ESTV nahm die Ermessenseinschätzung aufgrund der
mangelhaften Buchführung vor. So sei kein Kassabuch geführt
worden, sondern bloss ein Journal, welches Eintragungen über die
Bareinnahmen und -ausgaben in nicht chronologischer Reihenfolge
und ohne Saldierungen ausweise. Die darin eingetragenen, jeweils auf
zehn oder hundert Franken gerundeten Tageseinnahmen würden nicht
mit den verbuchten Einnahmen übereinstimmen. Das Konto "Kasse"
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weise verschiedentlich Minussaldi auf. Das von der ESTV anhand des
Journals und der vorgelegten Belege teilweise rekonstruierte Kassa-
buch belege ebenfalls Minussaldi. Zudem seien in den Jahren 2001
und 2002 unverbuchte Aufwendungen festgestellt worden. Als weiteren
Grund für die Ermessenseinschätzung nennt die ESTV den Umstand,
dass das von der Beschwerdeführerin ausgewiesene Verhältnis
zwischen Warenaufwand und Umsatz stark von den Erfahrungswerten
der ESTV abweiche.
3.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die bemängelten Minussaldi
seien einerseits durch den Zusammenzug von Tageseinnahmen ent-
standen, andererseits könne bei genauer Datumsüberprüfung auch ein
buchmässiger Minussaldo entstehen, wenn ein Familienmitglied Bar-
auslagen zuerst von Privat bezahle und ein oder zwei Tage später die
Belege zum Eintragen in die Kasse bringe.
3.3 Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin im vor-
liegenden Verfahren bis auf die Auszüge aus den Erfolgsrechnungen
keine die Buchführung betreffenden Unterlagen eingereicht hat. Ohne
Zweifel ist beim Restaurant der Beschwerdeführerin von einem so
genannten "bargeldintensiven Betrieb" auszugehen. Im Gastgewerbe-
betrieb der Beschwerdeführerin erfolgte ein Grossteil des Umsatzes in
bar, weswegen unter keinen Umständen auf das korrekte Führen eines
Kassabuches verzichtet werden kann (vgl. oben, E. 2.2). Gemäss un-
widersprochener Ausführungen der Vorinstanz hat die Beschwerde-
führerin aber kein Kassabuch geführt, sondern lediglich ein Journal, in
welchem die Einnahmen und Ausgaben nicht – wie erforderlich (vgl.
oben, E. 2.2) – chronologisch erfasst und periodisch saldiert worden
sind. Die darin eingetragenen Tageseinnahmen stimmen nach
unwidersprochen gebliebener Darstellung der Vorinstanz zudem nicht
mit den verbuchten Einnahmen überein und es sind in den Jahren
2001 und 2002 verschiedentlich Aufwendungen unverbucht geblieben.
Da die Beschwerdeführerin die Tageseinnahmen in gerundeten Be-
trägen in dieses Journal eingetragen hat, führt dies sodann dazu, dass
ein Teil des tatsächlich vereinnahmten Entgelts von der Buchhaltung
nicht erfasst wird. Die ausgewiesenen Ergebnisse können deshalb
offensichtlich nicht mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmen
(vgl. oben, E. 2.3). Ebenfalls von der Beschwerdeführerin nicht be-
stritten wurde die Rekonstruktion des Kassabuches für die Monate Juli
2000 und Januar 2002 durch die ESTV. Dieses weist per Tagesende
an zahlreichen Tagen Fehlbeträge aus (Jahr 2000: 3.7.: Fr. -1'400.--,
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4.7.: Fr. -730.30, 12.7.: Fr. -1'851.55 etc.; Jahr 2002: 10.1.: Fr. -350.--,
17.1.: Fr. -501.20, 24.1.: Fr. -1'664.--, 25.1.: Fr. -254.--). Die Be-
schwerdeführerin hält dafür, die vorgeworfenen Minussaldi seien durch
den Zusammenzug von Tageseinnahmen bzw. aufgrund der Reihen-
folge der Verbuchung der einem bestimmten Tag zuzuordnenden
Einnahmen und Ausgaben entstanden. Sie hat diese Behauptung
allerdings nicht im Detail und in nachvollziehbarer Weise dargelegt und
nachgewiesen. Aus dem rekonstruierten Kassabuch ist solches
jedenfalls nicht ersichtlich. Wie die ESTV in diesem Zusammenhang
vielmehr zu Recht bemerkt, kann sich ohnehin nicht "weniger als
nichts" in der Kasse befinden.
Hinsichtlich des Vorwurfs, der Bruttogewinn der Beschwerdeführerin
weiche stark von den Erfahrungswerten der ESTV ab, ist festzuhalten,
dass die Beschwerdeführerin in der Tat Bruttogewinne ausweist, die
konstant unter dem Erfahrungswert der ESTV von 65% liegen.
Gemäss ihren Erfolgsrechnungen erzielte die Beschwerdeführerin
folgende Bruttogewinne: Jahr 2002: 62.8% (Abweichung vom
Erfahrungswert 2.2%); Jahr 2001: 60% (Abweichung 5%); Jahr 2000:
60.9% (Abweichung 4.1%); Jahr 1999: 58.9% (Abweichung 6.1%); Jahr
1998: 60.5% (Abweichung 4.5%). Wenn auch allenfalls gesagt werden
darf, die Beschwerdeführerin weiche in Einzelfällen mit 5% (Jahr 2001)
und 6.1% (Jahr 1999) wohl erheblich vom Erfahrungswert der ESTV
ab, so kann nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dies von
der durchschnittlichen Diskrepanz von 4.38% zum Erfahrungswert –
betrachtet über die gesamte Kontrollperiode hinweg – nicht ohne
Weiteres angenommen werden; liegt sie damit doch durchaus inner-
halb der Streubreite von Erfahrungszahlen (vgl. dazu E. 4.3.1 hie-
nach). Da die Beschwerdeführerin jedoch ohne Zweifel gegen die
Buchführungsvorschriften verstossen hat, durfte die Verwaltung den-
noch die konstant tiefen Bruttogewinne insofern beanstanden, als sie
zur Annahme berechtigt war, dass ein Teil der Bareinnahmen unver-
bucht geblieben sind (und auf diese Weise zu einem tiefen Brutto-
gewinn führte).
3.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Verstösse gegen die
formellen Buchhaltungsvorschriften, die die Beschwerdeführerin zu
verantworten hat, dazu führen, dass die Vorinstanz mit Recht die
materielle Richtigkeit der anlässlich der Kontrolle vorhandenen
Buchhaltungsergebnisse in Abrede stellte. Die Verwaltung war unter
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diesen Umständen dazu berechtigt und verpflichtet, die erzielten
Umsätze durch Schätzung zu ermitteln.
4.
Sind, wie im vorliegenden Fall, die Voraussetzungen einer Ermessens-
taxation erfüllt, obliegt es der Beschwerdeführerin, den Nachweis zu
erbringen, dass die Schätzung der Vorinstanz unrichtig ist bzw. dieser
dabei erhebliche Ermessensfehler unterlaufen sind. Sie hat sich mit
den Elementen der vorgenommenen Ermessenseinschätzung im Ein-
zelnen zu befassen und – unter Hinweis auf Beweismittel – die Schät-
zung der Verwaltung zu widerlegen (vgl. oben E. 2.5).
4.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet die von der ESTV gestützt auf
ihre Erfahrungszahlen angewandte Bruttogewinnmarge von 65%. Kon-
kret bringt sie gegen die Schätzung vor, ihr Bruttogewinn habe über
die Jahre hinweg tatsächlich nie generell gleich gehalten werden
können. Dieser schwanke je nach Einkauf, Angeboten, Lebens-
mittelpreisen und Anlässen. Auch biete sie ihre Leistungen von guter
Qualität und mit guter Bedienung zu günstigen Preisen an. Wie die
Erfolgsrechnungen der Jahre 1998 bis 2002 belegen würden, habe ihr
Betrieb nie einen Bruttogewinn von 65% erwirtschaftet. Nicht weiter
bestritten hat die Beschwerdeführerin die durch Umlage ermittelten
Rückbelastungen der Vorsteuerkorrekturen, weshalb im Rahmen
dieses Verfahrens nicht weiter darauf einzugehen ist (vgl. E. 2.4.2).
4.2 Die ESTV hat sich bei der kalkulatorischen Umsatzermittlung auf
ihre Erfahrungszahlen abgestützt, welche ihr für Vergleichsbetriebe zur
Verfügung standen. Gestützt auf diese Erhebungen ist sie von einer
Bruttogewinnmarge von 65% und einem entsprechenden Material-
anteil von 35% ausgegangen. Bei der Ermittlung des Materialanteils
hat sie betragsmässig den Warenaufwand zu Grunde gelegt, wie er
der Buchhaltung der Beschwerdeführerin entnommen werden konnte,
bereinigt um die unverbuchten Aufwendungen (für die Jahre 1998 –
2001 im Umlageverfahren ermittelt).
4.3
4.3.1 Die Festsetzung des Bruttogewinns der Beschwerdeführerin ba-
siert – wie erwähnt – auf den durch die Verwaltung erhobenen Er-
fahrungszahlen. Die ESTV hat hierfür zwischen 1994 bis 2004 die
entsprechenden (unbestrittenen) Zahlen von insgesamt 63 Landgast-
höfen mit einem Umsatz von zwischen Fr. 300'000.-- und Fr. 500'000.--
aus der ganzen Schweiz während jeweils zwischen zwei bis sechs
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Jahren erfasst und ausgewertet. Gemäss diesen Erhebungen beträgt
der durchschnittliche Materialaufwand eines Landgasthofes 35%. Der
durchschnittliche Bruttogewinn liegt somit bei 65%. Dieser (exakte)
Mittelwert wird von 11 Betrieben erreicht; 29 Betriebe liegen darüber,
wovon deren 6 sogar einen Bruttogewinn von 70% und mehr
ausweisen. Somit erzielen 40 Landgasthöfe (und damit die grosse
Mehrheit der Betriebe) einen Bruttogewinn von 65% und mehr. 23
Betriebe weisen einen Bruttogewinn von unter 65% aus; wovon 4
Betriebe genau 60% und nur wenige Betriebe (nämlich deren 5) einen
Bruttogewinn von unter 60% erzielen.
4.3.2 Beim Restaurant der Beschwerdeführerin handelt es sich be-
züglich Lage (ländliches Gebiet) und Umsatzhöhe um einen mit den
ausgewerteten Gasthöfen vergleichbaren Betrieb. Wenn die Vorinstanz
nun bei der Beschwerdeführerin für die gesamte beanstandete Kon-
trollperiode, die innerhalb des Erhebungszeitraumes für die Er-
fahrungszahlen liegt, als Bruttogewinn den Mittelwert von 65% ein-
setzt, so befindet sie sich damit ohne Zweifel innerhalb des Rahmens
ihres pflichtgemässen Ermessens.
Was die Beschwerdeführerin gegen die Annahme des (durch-
schnittlichen) Bruttogewinns von 65% vorbringt, vermag die Schätzung
der ESTV nicht zu widerlegen. Zunächst ist festzuhalten, dass die von
ihr eingereichten Ergebnisse der Erfolgsrechnungen, die einen jährli-
chen Bruttogewinn von jeweils unter 65% ausweisen, nicht mass-
gebend sein können, beruhen diese doch auf der Buchführung, die
von der ESTV gerade zu Recht beanstandet worden ist (vgl. E. 3.3 und
E. 3.4). Mit ihrem bloss generellen und allgemeinen Hinweis auf ihre
"Philosophie", das heisst "gute Qualität und gute Bedienung zu einem
günstigen Preis", hat die Beschwerdeführerin nicht das Vorliegen
besonderer Umstände nachgewiesen, die die Abweichungen vom
Durchschnittswert rechtsgenügend zu erklären und damit die
Schätzung der ESTV zu widerlegen vermöchten. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass das genannte, allgemein formulierte Geschäftsziel
wohl auch von zahlreichen anderen Betrieben verfolgt wird und also
nicht allein der Beschwerdeführerin zu eigen sein dürfte. Nicht unge-
wöhnlich ist zudem, dass der Bruttogewinn gewissen Schwankungen
unterliegt, die – wie die Beschwerdeführerin vorbringt – u.a. vom Ein-
kauf, den Angeboten und Anlässen abhängen. Solches gehört aber
zum üblichen Geschäftsverlauf und trifft für die anderen Gastronomie-
betriebe ebenso zu. Gerade durch die Berechnung und Anwendung
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eines Durchschnittswerts, der sich vorliegend aus einem Zeitraum von
über 10 Jahren und von Betrieben aus der gesamten Schweiz er-
rechnet, sollen derartige Schwankungen aufgefangen werden. Dass
bei der Beschwerdeführerin während der Kontrollperiode indes
darüber hinausgehende, speziell zu berücksichtigende Verhältnisse
vorgelegen haben, die die Anwendung eines unter dem Durchschnitt
liegenden Bruttogewinnes geradezu erforderlich machen würden, sind
aber weder aktenkundig noch hat die Beschwerdeführerin – wie eben
ausgeführt – solche nachgewiesen.
4.3.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Vorgehen der
ESTV nicht zu beanstanden ist. Inwiefern sie dadurch ihr pflichtge-
mässes Ermessen verletzt haben soll, ist nicht ersichtlich. Die Schät-
zungsgrundlagen und -methoden erscheinen nicht als sachwidrig oder
unvereinbar mit den aktenkundigen Verhältnissen des Einzelfalles.
5.
Diesen Ausführungen zufolge ist die Beschwerde abzuweisen. Die
Verfahrenskosten für das vereinigte Verfahren in der Höhe von insge-
samt Fr. 1'500.-- sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63
Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 4 des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) und mit den ge-
leisteten Kostenvorschüssen in gleicher Höhe zu verrechnen.
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerdeverfahren A-1636/2006 und A-1637/2006 werden
vereinigt.
2.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
3.
Die Verfahrenskosten für das (vereinigte) Beschwerdeverfahren von
Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Sie werden mit
den geleisteten Kostenvorschüssen von gesamthaft Fr. 1'500.--
verrechnet.
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4.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
- die Vorinstanz (Ref-Nr. _______; Gerichtsurkunde)
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Daniel Riedo Iris Widmer
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-recht-
lichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die
Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die
Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die
Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die
Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat,
beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).
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