9 W (pat) 8/16  - 9. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:181017B9Wpat8.16.0


BUNDESPATENTGERICHT




9 W (pat) 8/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung …
hier: Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe





hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
18. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Hilber und der
Richter Paetzold, Dr.-Ing. Baumgart und Dr.-Ing. Geier

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der
Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
30. März 2016 aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur weiteren Durchführung des Verfahrens-
kostenhilfeverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt
zurückverwiesen.


G r ü n d e

I.

Der Anmelder und Antragsteller hat am 2. Oktober 2014 eine Patentanmeldung
mit der Bezeichung

„…“

eingereicht und am selben Tag u. a. Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Prü-
fungsverfahren gestellt; hierfür wurde eine Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse mit Belegen eingereicht.

Mit dem Bescheid der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 13. Januar 2016 wurde bemängelt, dass die zusammen mit der Anmeldung
eingereichten Ansprüche nicht erkennen ließen, was mit diesen als patentfähig
unter Schutz gestellt werden soll und dass im Übrigen bei dem der Anmeldung
insgesamt entnehmbaren Gegenstand kein erfinderischer Überschuss gegenüber
dem vorläufigen Stand der Technik – hierfür wurde auf 4 Patentdokumente hinge-
wiesen – feststellbar sei.

Hierbei wurde unterstellt, dass die Anmeldung einen drehbaren, exzentrisch mit
einer Last versehenen Behälter betrifft, der aufgrund der potentiellen Energie in
einer zuvor verbrachten Stellung, bei der der Schwerpunkt oberhalb der horizonta-
len Achse liegt, einen Generator bei der Rückdrehung anzutreiben vermag.
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Hierauf hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 28. Februar 2016 neue Patentan-
sprüche 1 bis 8 eingereicht.

Mit dem am 30. März 2016 signierten Beschluss hat die Patentabteilung 15 des
Deutschen Patent- und Markenamts den Antrag unter Bezugnahme des Be-
scheids vom 13. Januar 2016 mit der Begründung zurückgewiesen, dass auch
diese Ansprüche in Anbetracht des Gesamtinhalts der Anmeldung, die keinen pa-
tentwürdigen Gehalt erkennen lasse, insoweit nicht geeignet seien, dieser eine
hinreichende Aussicht auf Erfolg zu verleihen.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 4. April 2016, ein-
gegangen am 6. April 2016, Beschwerde eingelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die Beschwerde ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat diese auch Erfolg, da eine hinreichende Aussicht auf Erteilung
eines Patents als weitere Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenskos-
tenhilfe nach § 130 PatG – neben der vom Senat vorliegend nicht nochmals über-
prüften Bedürftigkeit – insoweit besteht, als die Überprüfung ergeben hat, dass
unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Anmeldung ein erfinderischer Über-
schuss gegenüber dem vorläufig ermittelten Stand der Technik nicht ausgeschlos-
sen erscheint (vgl. SCHULTE, Patentgesetz, 10. Auflage, § 130, Rn. 41).

Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen des Verfahrenskostenhilfever-
fahrens handelt es sich um ein summarisches Verfahren, bei dem nur festzustel-
len ist, ob nach dem Gesamtinhalt der Anmeldeunterlagen eine hinreichende
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Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit besteht oder ob
sich hiergegen nachhaltige Bedenken ergeben (vgl. Beschluss des BPatG v.
13. Juli 2010 – 19 W (pat) 23/07, auch Beschluss des BPatG v. 13. Mai 2014
– 10 W (pat) 62/14).

Bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabs hat jedenfalls die Auseinandersetzung in
dem dem Beschluss zugrundeliegenden Bescheid der Patentabteilung mit den
relevanten tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen im Ergebnis
zu Unrecht zur Verneinung einer hinreichenden Aussicht auf Erteilung des nach-
gesuchten Patents geführt.

Denn anders als die Patentabteilung in dem angefochtenen Beschluss unter Be-
zugnahme auf ihren Bescheid vom 13. Januar 2016 dargelegt hat, ist bereits dem
ursprünglichen Anspruch 8 oder 9 in Verbindung mit den zur Bestimmung des
Sinngehalts heranzuziehenden Beschreibungsunterlagen eine Vorrichtung zu ent-
nehmen, die hinsichtlich dieser speziellen beanspruchten Ausgestaltung durch
den im Verfahren befindlichen Stand der Technik jedenfalls nicht nachgewiesen
ist.

So sind zwar rotatorisch gegen Erdschwerkraft arbeitende Vorrichtungen zur wie-
derholten Umsetzung potentieller in elektrische Energie, wie mit dem Anspruch 1
in der ursprünglichen Fassung umschrieben, u. a. aus der Druckschrift
DE 20 2013 009 664 U1 bekannt, die allerdings eine dauernd mit „geeignetem
Material“ befüllte Vorrichtung vorschreibt; ähnlich so die Druckschrift
DE 20 2013 100 375 U1, die zur Ballastierung Atommüll – verpackt in „schützen-
den Kapseln“ und insoweit für eine andauernde Aufbewahrung im Sinne einer
Speicherung vorgesehen – vorschlägt.

Hiervon unterscheidet sich eine zwar nach diesem bekannten Funktionsprinzip
arbeitende, jedoch wahl- und zeitweise ballastierbare „Kombi-Vorrichtung“ (vgl.
Bezeichnung der vorliegenden Patentanmeldung), die nach dem Vorschlag der
- 5 -
Anmeldung zur temporären Aufbewahrung vom Verbrauchsgut „Korn“ ausgebildet
ist (vgl. Abschnitt „Anwendungsgebiet“ in den ursprünglichen Unterlagen). Auch
die in der Anmeldung beschriebene Ballastierung mit „Lithium-Akkus“, deren
elektrischer Energievorrat zum Betrieb von Aggregaten der Vorrichtung vorgese-
hen sein soll (vgl. u. a. Abschnitt „Bezugsbeschreibung“, Sätze 1 bis 6), und der
beschriebene Aufbau von Lagerhallen (vgl. Abschnitt „Anwendungsgebiet“, vierter
Absatz) betreffen spezielle Ausgestaltungen, die aus dem im Verfahren berück-
sichtigen Stand der Technik nicht bekannt sind. Darüber hinaus findet sich in den
von der Prüfungsstelle benannten Dokumenten auch kein Anstoß, eine Anregung,
ein Hinweis oder gar sonstiger Anlass dafür, dass diese Ausgestaltungen für den
Fachmann, einen Maschinenbauingenieur, als nahegelegt anzusehen wären. Dies
wäre aber nötig (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 – XA ZR 92/05, Betrieb einer
Sicherheitseinrichtung). Insofern erscheint unter Berücksichtigung des Gesamtin-
halts der Anmeldung ein erfinderischer Überschuss gegenüber dem vorläufigen
Stand der Technik nicht ausgeschlossen (vgl. Beschluss des BPatG v.
13. Mai 2014 – 10 W (pat) 62/14).

Angesichts dieser Sachlage und bei der geltenden Rechtslage bestehen auch im
Übrigen keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich einer hinreichenden Wahr-
scheinlichkeit für die vorläufige Annahme einer erfinderischen Tätigkeit i. S. des
§ 130 Abs. 1 PatG i. V. m. § 114 ZPO.

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob der Beschluss der Patentab-
teilung i. S. des § 47 Abs. 1 (vgl. SCHULTE, Kommentar Patentgesetz, 10. Auf-
lage, § 47, Rn. 24) ausreichend begründet ist, in dem der Inhalt der Anmeldung
auf eine Anordnung zur Umsetzung potentieller Energie reduziert wird und auf die
vier genannten Entgegenhaltungen im Bescheid lediglich pauschal verwiesen
wird.

- 6 -
Jedenfalls war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache gemäß
§ 79 Abs. 3 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Weiterführung des
Verfahrenskostenhilfeverfahrens zurückzuverweisen.


Hilber Paetzold Dr. Baumgart Dr. Geier

Ko



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