9 W (pat) 6/16  - 9. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:070917B9Wpat6.16.0


BUNDESPATENTGERICHT




9 W (pat) 6/16
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung P …





hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
7. September 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber
sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper und Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Geier

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse B60G des Deutschen Patent- und Marken-
amtes vom 15. März 2016 aufgehoben.

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G r ü n d e

I.

Der Anmelder und Antragsteller hat am 14. März 1991 eine Patentanmeldung mit
der Bezeichnung

„…“

(als Zusatzanmeldung zur Patentanmeldung P …) eingereicht und An-
trag auf Verfahrenskostenhilfe (VKH) gestellt, die – nach Durchführung eines
Beschwerdeverfahrens – durch Beschluss der Patentabteilung 11 vom 3. Fe-
bruar 2000 gewährt worden ist. Mit Beschluss vom 11. August 2014 hat die Prü-
fungsstelle für Klasse B60G die Zusatzanmeldung zurückgewiesen mit der Be-
gründung, dass der Anmelder den zur Weiterführung des Verfahrens erforderli-
chen Antrag nicht gestellt habe. Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit
Schriftsatz vom 29. August 2014, eingegangen am 2. September 2014, Be-
schwerde eingelegt sowie Wiedereinsetzung und hinsichtlich der Beschwerdege-
bühr Verfahrenskostenhilfe beantragt und seine Anträge begründet.
Mit Beschluss vom … hat der Senat (Az. …) dem An-
melder Verfahrenskostenhilfe gewährt und den Beschluss der Prüfungsstelle vom
11. August 2014 aufgehoben.
In Fortführung des Erteilungsverfahrens hat die Prüfungsstelle für Klasse B60G
den Anmelder mit Schreiben vom 11. Februar 2016 aufgefordert, sein Rechts-
schutzinteresse an der Weiterverfolgung seiner Anmeldung darzulegen; denn seit
deren Einreichung am 14. März 1991 seien 25 Jahre vergangen, so dass die
maximal mögliche Patentlaufzeit um fünf Jahre überschritten sei. Hierauf hat der
Anmelder mit Schreiben vom 22. Februar 2016, eingegangen am 24. Fe-
bruar 2016, geantwortet. Mit Beschluss vom 15. März 2016 hat die Prüfungsstelle
die Anmeldung gemäß § 48 Patentgesetz mit der Begründung zurückgewiesen,
die Prüfung des Rechtsschutzinteresses von Amts wegen habe ergeben, dass
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eine offensichtlich nicht schutzwürdige Rechtsverfolgung vorliege; denn Scha-
densersatzansprüche verjährten bereits nach drei Jahren. Der Anmelder habe
auch keine Unterlagen eingereicht, aus der sich die Hemmung der gesetzlichen
Verjährungsfrist solcher Ansprüche ergeben könnten.
Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schreiben vom 31. März 2016, ein-
gegangen am 6. April 2016, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig Antrag auf
Weiterbehandlung gestellt. Mit Schriftsatz vom 19. April 2016 hat die Prüfungs-
stelle die Beschwerde dem Bundespatentgericht vorgelegt mit dem Zusatz, dass
der Beschwerde nicht abgeholfen werde.

Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß unter anderem,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B60G vom
15. März 2016 aufzuheben und das Prüfungsverfahren fortzuset-
zen,
eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

In seiner Beschwerdebegründung hat er vorgetragen, dass er sein Rechtsschutz-
interesse bereits vor der Prüfungsstelle hinreichend begründet habe. Der Gegen-
stand der offengelegten Patentanmeldung werde durch Dritte benutzt, weshalb es
bereits unter anderem zu Verhandlungen über Lizenzverträge, Nutzung und Ent-
schädigungen gekommen sei. Die Auffassung der Prüfungsstelle, seine möglichen
Schadensersatzansprüche bei unterstellter Patenterteilung seien verjährt, treffe
nicht zu. Vielmehr trete eine Verjährung gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 PatG erst ein
Jahr nach Patenterteilung ein.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

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II.

Die vom Antragsteller am 6. April 2016 eingelegte Beschwerde wegen Zurückwei-
sung seiner Zusatzanmeldung ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Zahlung
einer Beschwerdegebühr war wegen der Freistellung gemäß § 2 Abs. 1 PatKostG
i V. m. Nr. 401 200 des dazugehörigen Gebührenverzeichnisses nicht erforderlich.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Begründung des Be-
schlusses, mit der die Anmeldung zurückgewiesen worden ist, hält einer rechtli-
chen Prüfung nicht stand.
Die Prüfungsstelle hat ihre Entscheidung auf ein mangelndes Rechtsschutzinte-
resse des Anmelders gestützt. Da grundsätzlich für jede Patentanmeldung ein
Rechtsschutzinteresse besteht, kann es nur ganz ausnahmsweise verneint wer-
den, auch nicht bei Zeitablauf des Patents (Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl. 2017,
§ 34, Rdn. 23). Vielmehr muss objektiv feststellbar sein, dass offensichtlich ist,
dass keinerlei wie auch immer geartetes Interesse an einer Patenterteilung beste-
hen kann (Schulte/Moufang a. a. O. m. w. N.). Bei einer solchen Feststellung ist
jedoch Zurückhaltung geboten. Die Prüfungsstelle sah sich zu ihrer Einschätzung
deshalb veranlasst, weil über die maximale Patentlaufzeit hinaus weitere fünf
Jahre verstrichen und darum mögliche Schadensersatzansprüche verjährt seien,
da sie gemäß § 195 BGB nach drei Jahren verjährten; unter diesen Umständen
müsse ein Rechtsschutzinteresse verneint werden, denn es liege dann eine offen-
sichtlich nicht schutzwürdige Rechtsverfolgung vor.
Bei dieser Beurteilung hat die Prüfungsstelle bereits übersehen, dass die Verjäh-
rungsregelung des § 195 BGB nach der ausdrücklichen gesetzlichen Präzisierung
in § 33 Abs. 3 S. 1 PatG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Verjährung
frühestens ein Jahr nach der Erteilung des Patents eintritt. Da im vorliegenden Fall
noch kein erteiltes Patent vorliegt, kann keine Verjährung eingetreten sein.
Darüber hinaus erscheint es reichlich vermessen, wenn die Prüfungsstelle ohne
weiteres eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung annimmt,
ohne auf die vom Anmelder geltend gemachten Gesichtspunkte einzugehen.
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Wenn Kontakte zu Drittbenutzern der Erfindung bestehen, liegt es nahe, dass An-
sprüche gegen sie nur auf der Grundlage eines erteilten Patentes geltend
gemacht werden können. Insbesondere bei Zeitablauf des Patentes berührt es
das Rechtsschutzinteresse des Anmelders nicht, wenn er die Geltendmachung
von Entschädigungsansprüchen von der endgültigen Entscheidung über die Pa-
tentfähigkeit abhängig machen will (vgl. Schulte/Moufang a. a. O. m. w. N.).

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte der Senat absehen, da dem
Beschwerdeantrag in der Hauptsache entsprochen worden ist.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe
gestützt wird, nämlich dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,

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5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Hilber Paetzold Sandkämper Dr. Geier


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