9 W (pat) 5/14  - 9. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:280318B9Wpat5.14.0


BUNDESPATENTGERICHT



9 W (pat) 5/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
28. März 2018





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



- 2 -
betreffend das Patent 10 2007 041 278

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 28. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper und
Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Geier

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden zu I wird der Beschluss
der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts,
beschlossen in der Sitzung am 6. November 2013, aufgehoben
und das Patent widerrufen.


G r ü n d e

I

Die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prü-
fung von zwei Einsprüchen das am 31. August 2007 angemeldete Pa-
tent 10 2007 041 278 der Patentinhaberin, der K… Aktiengesellschaft in
W…, dessen Erteilung am 8. April 2010 veröffentlicht wurde, mit der
Bezeichnung

„Verfahren und Vorrichtung zum Übertragen von bildgebenden Transferschichten
in Bogenoffset-Druckmaschinen“,

mit Beschluss, beschlossen in der Sitzung am 6. November 2013, beschränkt
aufrechterhalten. In der Beschlussbegründung vom 10. Dezember 2013 führt die
Patentabteilung aus, dass die beschränkt aufrechterhaltenen Patentansprüche 1
- 3 -
und 4 zulässig seien, insbesondere seien die Merkmale dieser Patentansprüche
ursprünglich offenbart und beschränkten den Schutzbereich des erteilten Patents.
Der in den beschränkt verteidigten Patentansprüchen 1 und 4 beanspruchte
Gegenstand sei gewerblich anwendbar und neu, sowie auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhend, so dass die Patentansprüche Bestand hätten. Gegen diesen
Beschluss wendet sich die Beschwerde der Einsprechenden I.

Zur Begründung der Beschwerde hat die Einsprechende I folgende Entgegenhal-
tungen angeführt:

D1: DE 10 2004 063 189 A1
D2: GB 2 368 313 A
D3: GB 2 254 586 A
D4: DE 94 20 707 U1.

Im Einspruchs- und Prüfungsverfahren wurden neben diesen Druckschriften noch
die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D5: DE 10 2005 062 498 A1
D6: DE 697 13 785 T2
D6a: EP 0 932 501 B1
D7: EP 0 441 596 B1
D8: DE 10 2005 008 940 B4
D9: GB 2 150 886 A.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Gegenstand des geltenden An-
spruchs 1 sei unzulässig erweitert und beruhe gegenüber dem bekannten Stand
der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der beschränkt aufrechter-
haltene Patentanspruch 4 sei unzulässig. Die Patentinhaberin widerspricht dem
Beschwerdevorbringen und meint, der Gegenstand des geltenden Patentan-
spruchs 1 sei patentfähig.
- 4 -
Hinsichtlich der Patentansprüche 4 bis 7 erklärte die Patentinhaberin in der münd-
lichen Verhandlung: Das von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltene
Patent wird nur noch im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 weiterverfolgt (vgl.
Protokoll vom 28. März 2018).

Die Einsprechende zu I und Beschwerdeführerin stellte den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und
Markenamts, beschlossen in der Sitzung vom 6. November 2013,
aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 25. September 2017 ist den Beteiligten ein verfahrensleitender
Hinweis des Senats zugeleitet worden. Es wurde auch auf Probleme hingewiesen,
die sich aus der elektronischen Aktenführung beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt (DPMA) ergeben. An der am 8. November 2012 durchgeführten Anhörung
konnte der Vertreter der Einsprechenden I, hier Beschwerdeführerin, wegen einer
am Abend vor der Anhörung eingetretenen Erkrankung nicht teilnehmen. Deshalb
wurde in der Anhörung über das Patent von der Patentabteilung 27 kein Be-
schluss verkündet, sondern das Einspruchsverfahren schriftlich fortgeführt. Ab-
schließend habe die Patentabteilung 27 dann in ihrer Sitzung vom 6. Novem-
ber 2013 eine beschränkte Aufrechterhaltung beschlossen. Eine unterschriebene
bzw. signierte Urfassung der am 10. Dezember 2013 erstellten Beschlussbegrün-
dung liege in der elektronischen Akte nicht vor. Stattdessen seien – jeweils ge-
trennt – die einzelnen für die Einsprechenden und für die Patentinhaberin be-
stimmten Exemplare der Beschlussbegründung zwischen dem 11. und 12. De-
zember 2013 signiert und anschließend den Beteiligten zugestellt worden. Daher
könnten gegenüber der Beschlussfassung und der Zustellung der Beschlusstexte
- 5 -
im hier vorliegenden patentamtlichen Verfahren ähnliche verfahrensrechtliche Be-
denken bestehen, wie sie in vier Entscheidungen des 35. Senats zur Zurückver-
weisung der Verfahren an das DPMA geführt haben. Bei zugestellten Beschluss-
dokumenten handele es sich nicht um Abschriften des Amtsbeschlusses gemäß
§ 47 Abs. 1 Satz 1 PatG, denn das dafür erforderliche signierte Urdokument be-
finde sich nicht in der elektronischen Amtsakte (vgl. dazu Schulte/Rudloff-Schäffer,
PatG, 10. Aufl. 2017, § 47 Rdn. 11). Allerdings frage es sich, ob nicht trotzdem
wirksame elektronische Beschlussdokumente und ein wirksamer, durch Be-
schwerde anfechtbar gewordener Beschluss der Patentabteilung vorliegen, ob-
wohl dieser nicht verkündet, sondern durch Zustellung wirksam wurde. Denn den
Beteiligten seien bis auf die Zustelladresse wörtlich übereinstimmende und jeweils
vollständig signierte Exemplare gemäß § 5 Abs. 2 EAPatV in der vom 12. Novem-
ber 2013 bis 9. Januar 2014 geltenden Fassung übermittelt worden, also praktisch
jeweils ein Original, wie es bei üblicher papiermäßiger Versendung vorkommen
könne, wenn die am Beschluss beteiligten Personen sowohl das Aktenexemplar
als auch die Exemplare für die Beteiligten handschriftlich unterzeichnet hätten.
Insoweit liege ein Unterschied zu den bisher entschiedenen Fällen des Gerichts
über die Wirksamkeit fehlerhaft signierter Beschlüsse des Patentamts vor.

Inzwischen habe das DPMA die anfängliche Methodik und Technik der elektroni-
schen Aktenführung in einer Weise geändert, die nach Ansicht des hier entschei-
denden Senats den rechtlichen Bedenken Rechnung trage, die in den Entschei-
dungen des 35. Senats der Grund für die Zurückverweisung waren. In dieser Ver-
änderung der elektronischen Aktenführung beim DPMA werde eine wesentliche
neue Tatsache gesehen, die es erlaube, von der fakultativen Möglichkeit zur Zu-
rückverweisung nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG im vorliegenden Beschwerdeverfah-
ren keinen Gebrauch zu machen, sondern das Verfahren in der Hauptsache fort-
zusetzen. Denn jetzt könnten die etwa bestehenden Verfahrensmängel nur noch
als die Folge der anfänglichen, rechtlich bedenklichen und inzwischen zeitlich be-
grenzten Praxis des DPMA eingeordnet werden, die mit der neuen Praxis des
- 6 -
Amtes überwunden wurde (ähnlich Bundespatentgericht, Beschluss vom
12.05.2014, Az.: 20 W (pat) 28/12).

Deshalb neige der Senat im vorliegenden Fall dazu, die Wirksamkeit des Ein-
spruchsbeschlusses der Patentabteilung nicht in Frage zu stellen, zumal aus den
zugestellten Beschlüssen ohne Weiteres ein Urdokument generiert werden könne
und mittlerweile die vorangegangene Signaturpraxis des Amtes umgestellt worden
sei. Diese Umstellung habe den Senat auch in anderen Fällen formunwirksamer
elektronischer Dokumente veranlasst, im Einvernehmen mit den Beteiligten das
Verfahren in der Sache fortzusetzen.

Zu dem Senatshinweis haben sich die Beteiligten nicht geäußert.

Ferner wurde die Beschwerdeführerin mit o g. Schreiben aufgefordert, den Über-
gang der Einsprechendenstellung von der m… AG auf die m…
GmbH zu belegen. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom
11. Oktober 2017 hierzu Unterlagen eingereicht.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet in der beschränkt aufrechterhaltenen Fas-
sung (Änderung gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben):

1. Verfahren zum Übertragen von bildgebenden Transferschichten in Bogenoffset-
Druckmaschinen unter Verwendung einer Transferfolie (6) mit einer auf einen
Bedruckstoff übertragbaren Transferschicht, wobei
- die Transferfolie (6) mit gleich bleibender Fördergeschwindigkeit vF aus einem
Folienreservoir in Form einer Abwickelrolle (51) gefördert,
- mit dieser gleich bleibenden Fördergeschwindigkeit vF einer Sammelvorrichtung
in Form einer Aufnahmerolle (52) zugeführt wird und
- zum Erzeugen von Veredlungsauflagen die Transferschicht auf den Bedruckstoff
übertragen wird, indem
- 7 -
- der Bedruckstoff an den für die Veredlungsauflage vorgesehenen Bereichen mit
einem Kleber beschichtet wird,
- die Übertragung der Transferschicht in den für die Veredlungsauflage vorgesehe-
nen Bereichen durch Kontakt der Transferfolie (6) mit dem Bedruckstoff in einem
zwischen einem mit einem Prägezylinderkanal (11) versehenen Prägezylinder (1)
und einem mit einem Druckzylinderkanal (31a, 31b) versehenen Druckzylinder (3)
gebildeten und dem Kleberauftrag nachgeordneten Druckspalt (9) erfolgt, wobei
- die Transferfolie (6) mittels des Prägezylinders (1) mit einer Prägegeschwindig-
keit vD gefördert wird, wobei
- die Prägegeschwindigkeit vD höher als die Fördergeschwindigkeit vF ist,
- während des Kontaktes der Transferfolie (6) mit dem Bedruckstoff oder mit dem
Druckzylinder der Inhalt eines vor dem Druckzylinder (3) angeordneten ersten, als
Vakuumspeicher ausgebildeten oder als ein mit Druckluft betriebenen Folienspei-
chers (7) abgebaut und
- ein nach dem Druckspalt (9) angeordneter zweiter, als Vakuumspeicher ausge-
bildeter oder als ein mit Druckluft betriebener Folienspeicher (8) mit Transfer-
folie (6) befüllt wird und
- dann, wenn die Förderung der Transferfolie (6) unterbrochen und kein Kontakt
der Transferfolie (6) mit dem Bedruckstoff oder mit dem Druckzylinder (3) gegeben
ist, der erste und der zweite Folienspeicher (7, 8) aktiviert wird, derart, dass
- der erste Folienspeicher (7) befüllt und das Reservoir des zweiten Folienspei-
chers (8) abgebaut wird.

Hinsichtlich des Wortlauts der geltenden Unteransprüche 2 und 3 sowie weiteren
Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.


II

1. Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch
im Übrigen zulässig.
- 8 -
2. Von einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Pa-
tent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG wegen der mit Hinweis vom
Senat dargelegten verfahrensrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Fehlens einer
Urschrift der Beschlussbegründung hat der Senat abgesehen, denn den Beteilig-
ten wurden bis auf die Zustelladresse wörtlich übereinstimmende und jeweils voll-
ständig signierte Exemplare gemäß § 5 Abs. 2 EAPatV in der vom 12. Novem-
ber 2013 bis 9. Januar 2014 geltenden Fassung übermittelt, also praktisch jeweils
ein Original, wie es bei üblicher papiermäßiger Versendung vorkommen kann,
wenn die am Beschluss beteiligten Personen sowohl das Aktenexemplar als auch
die Exemplare für die Beteiligten handschriftlich unterzeichnet haben. Auch kön-
nen die etwa bestehenden Verfahrensmängel nur noch als die Folge der anfäng-
lichen, rechtlich bedenklichen und inzwischen zeitlich begrenzten Praxis des Deut-
schen Patent- und Markenamtes eingeordnet werden, die mit der neuen Praxis
des Amtes überwunden wurde (vgl. BPatG Beschluss vom 12. Mai 2014,
20 W (pat) 28/12).

Eine Zurückverweisung steht nach § 79 Abs. 3 PatG im Ermessen des Gerichts.
Das Gericht kann, muss aber nicht zurückverweisen. Bei der Ermessensentschei-
dung sind Instanzenverlust, Verfahrensverzögerung und ausreichende Prüfung in
der Sache gegeneinander abzuwägen. Bei Entscheidungsreife kommt eine Zu-
rückverweisung nicht in Betracht. Da die Beteiligten sich rügelos in der Sache ein-
gelassen haben, erscheint es auch geboten, dem Interesse der Beteiligten an
einer alsbaldigen Erledigung des Beschwerdeverfahrens nachzukommen.

In der Sache hat die Beschwerde auch Erfolg.

3. Beschwerdeführerin ist die m… GmbH. Einsprechende I war
ursprünglich die m… AG. Zwischenzeitlich ist nach Insolvenz der m…
AG die Einsprechendenstellung auf die m… GmbH in O…
übertragen worden. Es handelt sich um eine Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen
der Übertragung eines technisch abgrenzbaren Unternehmensteils. Damit ist auf
- 9 -
Seiten der Einsprechenden I in zulässiger Weise eine Änderung der Beteiligten-
stellung eingetreten, was in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich nicht
in Zweifel gezogen worden ist.

Die Patentinhaberin hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens ihren Namen von
„K… Aktiengesellschaft“ in „K… AG“ geändert.

4. Wie im angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts zu-
treffend festgestellt wurde, ist der Einspruch zulässig.

5. Als Durchschnittsfachmann legt der Senat einen Hochschulingenieur der Druck-
technik mit mehrjähriger Erfahrung aus dem Bereich der Entwicklung und des
Betriebs von Folien-Druckmaschinen zugrunde.

6. Der Gegenstand des angegriffenen Patentes betrifft ein Verfahren zum Über-
tragen von bildgebenden Transferschichten in Bogenoffset-Druckmaschinen unter
Verwendung einer Transferfolie mit einer auf einen Bedruckstoff übertragbaren
Transferschicht.

Der Erfindung liegt ausweislich der geltenden Beschreibung die Aufgabe zu-
grunde, eine wirtschaftliche Lösung zum Übertragen von bildgebenden Transfer-
schichten in Bogenoffset-Druckmaschinen zu finden, durch die ein zuverlässiges
Stoppen des Laufs der Transferfolie beim Passieren des Druckspaltes durch den
Zylinderkanal möglich wird, ohne dass die kontinuierliche Auf- und Abwicklung
durch die Rollen gestört wird. (Patentschrift Abs. [0012]).

Diese Aufgabe soll dabei durch ein Verfahren mit den Merkmalen des geltenden
Patentanspruchs 1 gelöst werden. Nachfolgend wird eine gegliederte Fassung des
geltenden Patentanspruchs 1 wiedergegeben:

- 10 -
M1. Verfahren zum Übertragen von bildgebenden Transferschichten in Bogen-
offset-Druckmaschinen unter Verwendung einer Transferfolie (6) mit einer
auf einen Bedruckstoff übertragbaren Transferschicht, wobei
M2 - die Transferfolie (6) mit gleich bleibender Fördergeschwindigkeit vF aus
einem Folienreservoir in Form einer Abwickelrolle (51) gefördert,
M3 - mit dieser gleich bleibenden Fördergeschwindigkeit vF einer Sammelvor-
richtung in Form einer Aufnahmerolle (52) zugeführt wird und
M4 - zum Erzeugen von Veredlungsauflagen die Transferschicht auf den Be-
druckstoff übertragen wird, indem
M4.1 - der Bedruckstoff an den für die Veredlungsauflage vorgesehenen Berei-
chen mit einem Kleber beschichtet wird,
M5 - die Übertragung der Transferschicht in den für die Veredlungsauflage vor-
gesehenen Bereichen durch Kontakt der Transferfolie (6) mit dem Bedruck-
stoff in einem zwischen einem mit einem Prägezylinderkanal (11) versehe-
nen Prägezylinder (1) und einem mit einem Druckzylinderkanal (31a, 31b)
versehenen Druckzylinder (3) gebildeten und dem Kleberauftrag nachge-
ordneten Druckspalt (9) erfolgt, wobei
M6 - die Transferfolie (6) mittels des Prägezylinders (1) mit einer Prägege-
schwindigkeit vD gefördert wird, wobei
M7 - die Prägegeschwindigkeit vD höher als die Fördergeschwindigkeit vF ist,
M8 - während des Kontaktes der Transferfolie (6) mit dem Bedruckstoff oder
mit dem Druckzylinder der Inhalt eines vor dem Druckzylinder (3) angeord-
neten ersten, als Vakuumspeicher ausgebildeten oder als ein mit Druckluft
betriebenen Folienspeichers (7) abgebaut und
M8.1 - ein nach dem Druckspalt (9) angeordneter zweiter, als Vakuumspeicher
ausgebildeter oder als ein mit Druckluft betriebener Folienspeicher (8) mit
Transferfolie (6) befüllt wird und
M9 - dann, wenn die Förderung der Transferfolie (6) unterbrochen und kein
Kontakt der Transferfolie (6) mit dem Bedruckstoff oder mit dem Druck-
zylinder (3) gegeben ist, der erste und der zweite Folienspeicher (7, 8) akti-
viert wird, derart, dass
- 11 -
M9.1 - der erste Folienspeicher (7) befüllt und das Reservoir des zweiten Folien-
speichers (8) abgebaut wird.

Das Patent betrifft gemäß Anspruch 1 ein Verfahren zum Übertragen von bildge-
benden Transferschichten in Bogenoffset-Druckmaschinen unter Verwendung
einer Transferfolie (6) mit einer auf einen Bedruckstoff übertragbaren Transfer-
schicht (Merkmal M1). Bogen sind dem Verständnis nach Einzelbogen. Beim
Druck wird ein Bild gebendes Klebermuster auf einen Druckbogen aufgebracht.
Dies kann auf einfache Weise im Offsetdruckverfahren erfolgen. Danach wird eine
Transferfolie mit einer beschichteten Seite unter Druck auf den Druckbogen auf-
gelegt, sodass die bildgebenden Schichten der Transferfolie als entsprechendes
Bildmuster an dem Druckbogen anhaften und dabei von der Transferfolie abgeho-
ben werden, vgl. Abs. [0003]. Die bildmäßige Beschichtung des Druckbogens mit
dem Kleber erfolgt in einem Druckwerk A, vgl. Abs. [0042] (Merkmal M4.1), die
Übertragung der bildgebenden Schichten von der Transferfolie auf den Druckbo-
gen in einem Druckspalt (9) eines Druckwerks B, vgl. Abs. [0045] (Merkmal M4).
Das Druckwerk B enthält einen Druckzylinder (3) und einen Prägezylinder (1), um
den die Transferfolie (6) führbar ist (Merkmal M5).

Nachfolgend ist Fig. 1 des Patents wiedergegeben.
Fig. 1
- 12 -
Die Transferfolie (6) wird mit gleich bleibender Fördergeschwindigkeit vF aus
einem Folienreservoir in Form einer Abwickelrolle (51) gefördert und mit dieser
Fördergeschwindigkeit vF einer Sammelvorrichtung in Form einer Aufnahmerolle
(52) zugeführt (Merkmale M2 und M3). Im Bereich des Druckspaltes (9) wird die
Folie mittels des Prägezylinders mit einer Prägegeschwindigkeit vD gefördert, die
größer als die Fördergeschwindigkeit vF ist (Merkmale M6 und M7). Prägezylinder
und Druckzylinder weisen Kanäle (11, 31a, 31b) auf (Teil des Merkmals M5).

Fig. 5

Wie aus der vorstehend wiedergegebenen Fig. 5 ersichtlich, liegen beim Abrollen
von Prägezylinder 1 und Druckzylinder 3 deren Zylinderkanäle (11, 31a) zeitweise
gegenüber. Dann besteht kein Kontakt der Transferfolie mit dem Bedruckstoff oder
dem Druckzylinder, so dass die Förderung der Transferfolie im Druckspalt (9)
unterbrochen wird. Es sind zwei Folienspeicher vorgesehen, einer (7) vor und
einer (8) nach dem Druckspalt (9). Die Wirkungsweise der Speicher wird in den
Merkmalen M8 bis M9.1 beschrieben. Bedingt durch die höhere Prägegeschwin-
digkeit vD gegenüber der Fördergeschwindigkeit vF wird während des Kontakts der
Transferfolie mit dem Druckzylinder der Inhalt des ersten Folienspeichers (7)
abgebaut und der zweite Folienspeicher (8) mit der Transferfolie gefüllt (Merk-
male 8 und 8.1). Bei Unterbrechung der Förderung der Transferfolie im Druckspalt
(vD = 0) wird der erste Folienspeicher (7) befüllt und das Reservoir des zweiten
- 13 -
Folienspeichers (8) abgebaut (Merkmal 9.1). Die Speicher sind als Vakuumspei-
cher ausgebildet oder werden mit Druckluft betrieben, vgl. Abs. [0040] und [0041].
Gemäß Merkmal 9 werden die beiden Folienspeicher (7, 8) aktiviert, wenn die För-
derung im Druckspalt unterbrochen ist. Durch die Formulierung des Merkmals 9
(„dann, wenn … derart, dass“) ist „aktiviert“ im Merkmal M9 in Verbindung mit dem
Merkmal M9.1 so zu verstehen, dass die dauerhaft unter Unterdruck bzw. Über-
druck stehenden Folienspeicher die Befüllung bzw. Entleerung der Folienspei-
cher (7, 8) automatisch bewirken, unabhängig von einer möglichen zusätzlichen
mechanischen Unterstützung, wie sie in Abs. [0040] beschrieben ist. Dies ergibt
sich auch aus den Ausführungen zu den Fig. 3 und 4 der Patentschrift, die die
Speicherbelegung der Folienspeicher im Einzelnen beschreiben.

7. Der von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltene geltende Patentan-
spruch 1 ist zulässig.

Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im Beschluss der Patentabteilung wird
verwiesen.

8. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist gewerblich anwendbar
und auch neu. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht jedoch nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als nächstkommender Stand der Technik ist die D1 anzusehen, die eine Be-
schichtungseinrichtung für Kaltfolienprägung beschreibt (vgl. Bezeichnung) und in
Fig. 1 eine Bogen verarbeitende Druckmaschine zeigt (Abs. [0025]). Ein zugehöri-
ges Verfahren offenbart Anspruch 10. Damit ist Merkmal M1 verwirklicht. Gemäß
Abs. [0025] der D1 wird ein Druckbogen zunächst mit einem bildgebenden Klebe-
muster versehen (Auftragwerk 1) und danach wird im Folgedruckwerk gemeinsam
mit einem Druckbogen eine Transferfolie 5 durch einen Transferspalt 6 geführt,
wobei die Transferfolie 5 im Transferspalt 6 gegen den Druckbogen gepresst wird
(Beschichtungswerk 2). Das entspricht den Merkmalen 4 und 4.1. Da der Gegen-
- 14 -
druckzylinder 4 mit einem Zylinderkanal versehen ist (Abs. [0039], Satz 2), ist
auch Merkmal 5 verwirklicht.

Die D1 weist eine Folienvorratsrolle 8 und eine Foliensammelrolle 9 auf, vgl. Fig. 1
und Abs. [0029]. Beide Rollen weisen bevorzugt jeweils einen steuerbaren Dreh-
antrieb 7 auf. Besonderheiten des Beschichtungsverfahrens werden in Abs. [0039]
erläutert. Neben einem Anhalten der Transferfolie beim Durchlaufen des Zylinder-
kanals offenbart die D1 auch Tänzerwalzen, die bekanntermaßen für eine gleich-
bleibende Folienspannung sorgen und als Bahnspeicher wirken. Da bei Verwen-
dung von Tänzerwalzen auf gesteuerte Drehantriebe verzichtet werden kann
(Abs. [0039], letzter Satz), ist von einer konstanten Geschwindigkeit der Transfer-
folie auszugehen, die der Fördergeschwindigkeit gemäß den Merkmalen M2 und
M3 entspricht. Die konstante Geschwindigkeit der Transferfolie könnte zwar auf
eine Geschwindigkeit im Transferspalt (Prägegeschwindigkeit) hindeuten, die der
Fördergeschwindigkeit der Transferfolie entspricht. Der sachverständige Leser
versteht Abs. [0039] aber i. V. m. dem Abs. [0011], dass auch bei der Verwendung
von Tänzerwalzen Folie eingespart werden soll und damit die jeweilige Tänzer-
walze als Bahnspeicher wirken muss, d. h. im Bereich des Zylinderkanals des Ge-
gendruckzylinders (4) findet kein Folientransport statt. Dann muss die Geschwin-
digkeit der Transferfolie im Transferspalt (6) aber zwangsläufig größer sein als die
Fördergeschwindigkeit der Transferfolie, die durch den Antrieb der Rollen (8, 9)
vorgegeben ist. Damit ergeben sich aber die Merkmale M6 und M7 zwangsläufig,
zumindest wird der sachverständige Leser diese durch Fachwissen ergänzen.
Sofern aber die Geschwindigkeit im Transferspalt größer ist als die ansonsten
konstante Geschwindigkeit der Transferfolie, ergeben sich durch die mechanisch
vorgespannten Tänzerwalzen die in den Merkmalen 8 bis 9.1 angegebenen Wir-
kungsangaben zwangsläufig auch bei dem in der D1 offenbarten Verfahren, was
sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Verständnis des patentgemäßen
Verfahrens ergibt. Dass die vorgenannten Überlegungen im Griffbereich des
Fachmannes lagen, erschließt sich zudem aus der D3. Denn auch die D3 verweist
auf den Vorteil eines Folienspeichers, da dann die Folienzuführstation kontinuier-
- 15 -
lich mit konstanter Geschwindigkeit laufen kann. Dies vermeidet die Notwendig-
keit, eine große Rolle zu beschleunigen und abzubremsen, vgl. Seite 2, Abs. 2 der
D3.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung den großen Umschlin-
gungswinkel in Fig. 1 der D1 als nachteilig herausgestellt. Allerdings ist der Um-
schlingungswinkel schon kein Merkmal des Patentanspruchs 1. Außerdem sind in
der D1 alternative Ausbildungen in den Fig. 3 und 4 dargestellt, die dem Fach-
mann auch Lösungen mit geringem Umschlingungswinkel offenbaren.

Abweichend ist in der D1 letztlich lediglich die Ausbildung der Folienspeicher, die
patentgemäß als Vakuumspeicher ausgebildet sind oder mit Druckluft betrieben
werden (Teil der Merkmale M8 und M8.1).

Als nachteilig sieht das Patent in der D1 die möglicherweise auftretenden hohen
Bahnspannungen der Transfolie an, die bei Verwendung von Tänzerwalzen auf-
treten können, vgl. Abs. [0009] der Patentschrift. Der Fachmann hatte insofern
aber einen Anlass, hier nach alternativen Lösungen zu suchen.

Die D4 zeigt und beschreibt eine Präge-Rotationsdruckmaschine. Diese soll mit
geringstmöglichen Bahnspannungsschwankungen betrieben werden, Seite 5,
Zeilen 19 bis 20. Wesentliche Elemente der D4 (vgl. Anspruch 1) sind eine Zu-
fuhreinrichtung 25 und eine Zugeinrichtung 12, die dem Prägespalt 5 nachge-
schaltet ist und die eine Antriebsfläche 21 umfasst, die als Schlupfantrieb wirkt,
vgl. Seite 12, Zeile 25 bis Seite 13, Zeile 7. Dem Prägespalt vorgeschaltet ist die
die Folienzufuhr steuernde Folienzufuhreinrichtung 25; über den zugehörigen An-
triebsmotor 26 ist die Folienzufuhreinrichtung 25 – und damit die Prägefolien-
bahn – hinsichtlich Drehzahl und Drehrichtung steuerbar, vgl. Seite 13, Abs. 2
i. V. m. Seite 14, Zeilen 17 bis 20. Ferner sind zwei Unterdruckfolienspeicher 37,
48 vorgesehen; der Speicher 37 ist der Zufuhreinrichtung 25 vorgeschaltet, der
Speicher 48 der Zugeinrichtung 12 nachgeschaltet. Die Vakuumspeicher werden
- 16 -
als vorteilhaft gegenüber Tänzerwalzen beschrieben, da die Führung im Unter-
druckbehälter weitgehend ohne Berührung der Prägefolienbahn mit Führungsele-
menten erfolgen kann, vgl. Seite 8, Zeile 31 bis Seite 9, Zeile 1.

Anstelle der in der D1 vorgesehenen Folienspeicher, die Tänzerwalzen aufweisen,
hatte der Fachmann demgemäß eine Veranlassung, die in der D4 als vorteilhaft
gegenüber Tänzerwalzen beschriebenen Vakuumspeicher einzusetzen. Dies führt
dann unmittelbar zu einem Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des geltenden
Patentanspruchs 1. Ausgehend von der D1 ist der Gegenstand des geltenden
Patentanspruchs 1 i. V. m. der D4 dem Fachmann somit nahegelegt.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht daher nicht auf einer er-
finderischen Tätigkeit. Der geltende Patentanspruch 1 hat daher keinen Bestand.
Dass die zusätzlichen Merkmale, die in den auf den Patentanspruch 1 zurück be-
zogenen geltenden Patentansprüchen 2 und 3 vorgesehen sind, zu einer anderen
Beurteilung der Patentfähigkeit führen könnten, ist weder geltend gemacht noch
sonst ersichtlich, sodass auch insoweit die Patentfähigkeit zu verneinen ist (vgl.
dazu BGH „Sensoranordnung“ in GRUR 2012, S. 149-156).

Bei dieser Sachlage war der Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe
gestützt wird, nämlich dass

- 17 -
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Hilber Paetzold Sandkämper Geier

Ko



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