9 W (pat) 18/12  - 9. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



9 W (pat) 18/12
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
30. August 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 102 46 072




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hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 30. August 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber, der Richter Dipl.-Ing. Sandkämper und
Dr.-Ing. Baumgart sowie der Richterin Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Patentabteilung 27
des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Novem-
ber 2010 aufgehoben und das Patent 102 46 072 widerrufen.


G r ü n d e

I

Die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prü-
fung von zwei Einsprüchen das am 2. Oktober 2002 angemeldete Pa-
tent 102 46 072 der Patentinhaberin, der H… AG in
H…, dessen Erteilung am 12. Februar 2009 veröffentlicht wurde, mit der
Bezeichnung

„Rotationsdruckverfahren für Mehrfarbendruck“,

mit nach Anhörung am 16. November 2010 verkündeten Beschluss beschränkt
aufrechterhalten. Das Patent nimmt die Priorität der deutschen Patentanmel-
dung 101 53 694.1 vom 31. Oktober 2001 in Anspruch. In der Beschlussbegrün-
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dung vom 23. Januar 2012 führt die Patentabteilung aus, dass der in den be-
schränkt verteidigten Patentansprüchen 1 und 2 beanspruchte Gegenstand ge-
werblich anwendbar und neu sei, sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe,
so dass die Patentansprüche Bestand hätten. Gegen diesen Beschluss wendet
sich die Beschwerde einer der Einsprechenden.

Zur Begründung der Beschwerde hat der Einsprechende folgende Entgegenhal-
tungen angeführt:

D1: EP 0 812 682 A2
D2: DE 196 23 224 C1
D6: DE 43 35 350 A1
D10: EP 0 806 294 A2.

Im Einspruchs- und Prüfungsverfahren wurden neben diesen Druckschriften noch
die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D3: DE 196 23 223 A1
D4: US 2 619 901 A
D5: DE 42 18 764 A1
D7: DE 195 27 199 A1
D8: DE 43 35 351 A1
D9: EP 0 262 298 A2.

In der mündlichen Verhandlung am 30. August 2017 wurden die Druckschriften
D1, D2, D7 und D8 berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, der Gegenstand des geltenden An-
spruchs 1 beruhe gegenüber dem bekannten Stand der Technik nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit.

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Der Einsprechende und Beschwerdeführer stellt den Antrag aus dem Schriftsatz
vom 18. Dezember 2014,

den Beschluss der Patentabteilung 27 des DPMA vom 16. Novem-
ber 2010 aufzuheben und das Patent 102 46 072 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellt den Antrag aus dem Schrift-
satz vom 30. Juni 2017,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht dem Beschwerdevorbringen und meint, die Gegenstände der gel-
tenden Patentansprüche seien patentfähig.

Mit Ladung vom 3. März 2017 ist den Beteiligten ein verfahrensleitender Hinweis
des Vorsitzenden des 9. Senats zugeleitet worden. Der im Einspruchsverfahren
am Ende der Anhörung am 16. November 2010 verkündete Beschluss sei mit sei-
ner Begründung mit Datum vom 23. Januar 2012 offensichtlich erst am
6. Februar 2012 der Patentinhaberin und am 29. Februar 2012 dem beschwerde-
führenden Einsprechenden zugestellt worden. Damit seien seit Verkündung des
Beschlusses bis zum Geschäftsstelleneingang mehr als 14 Monate vergangen.
Außerdem wurde auch auf Probleme hingewiesen, die sich aus der elektronischen
Aktenführung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ergeben. Die Be-
teiligten haben sich zu dem Hinweis nicht geäußert.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet in der beschränkt aufrechterhaltenen Fas-
sung:

Rotationsdruckverfahren für Mehrfarbendruck, bei dem mit jedem Umlauf mindes-
tens eines Formzylinders (1-4) in Zusammenarbeit mit mindestens einem Druck-
zylinder (9-12) Druckfarbe bildgemäß auf einen Bedruckstoff übertragen wird, und
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bei dem zum Erreichen einer Differenzgeschwindigkeit zwischen Formzylin-
der (1-4) und Druckzylinder (9-12) diese separat angetrieben werden, wobei in
jedem Umlauf der Differenzwinkel zwischen einem Formzylinder (1-4) und einem
zugeordneten Druckzylinder (9-12) von Null beginnend stetig verlaufend auf einen
Maximalwert eingestellt und wieder auf Null zurückgestellt wird, dadurch ge-
kennzeichnet, dass bei einer Offsetdruckmaschine mit mehreren Druckwerken
zum Drucken von Teilfarbenbildern die Differenzgeschwindigkeiten jeweils mittels
der Ansteuerung von Einzelantrieben (22-25) der Formzylinder (1-4) eingestellt
werden, wobei Übertragungs- (5-8) und Druckzylinder (9-12) synchron angetrie-
ben werden und dass zum Einstellen der Differenzgeschwindigkeitsverläufe in den
Druckwerken Registermesswerte der übereinandergedruckten Teilfarbenbilder
verarbeitet werden.

Hinsichtlich des Wortlauts des geltenden Unteranspruchs 2 wird auf die Akte ver-
wiesen.

Zum Wortlaut der Beschreibung und weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Akte verwiesen.


II

1. Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch
im Übrigen zulässig.

2. Von einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Pa-
tent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG wegen der mit Hinweis vom
Senat dargelegten verfahrensrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Fehlens einer
Urschrift der Beschlussbegründung wurde abgesehen, denn letztlich liegt ein be-
schwerdefähiger Beschluss bereits deshalb vor, weil der Beschluss über die be-
schränkte Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents mit seiner Verkündung am
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Ende der mündlichen Anhörung vor der Patentabteilung (§ 47 Abs. 1 Satz 2 PatG)
– laut dem die an der Entscheidung mitwirkenden Mitglieder der Patentabteilung
ausweisenden, vom Vorsitzenden und Schriftführer unterschriebenen Protokoll –
existent und infolgedessen anfechtbar geworden ist (vgl. BPatG Beschluss vom
19. Februar 2014, 19 W (pat) 16/12; BGHZ 137, 49 – Elektrischer Winkel-
stecker II). Auch können die etwa bestehenden Verfahrensmängel nur noch als
die Folge der anfänglichen, rechtlich bedenklichen und inzwischen zeitlich
begrenzten Praxis des Deutschen Patent- und Markenamtes eingeordnet werden,
die mit der neuen Praxis des Amtes überwunden wurde (vgl. BPatG Beschluss
vom 12. Mai 2014, 20 W (pat) 28/12).

Mag auch die verspätete Erstellung und Zustellung einen Begründungsmangel
darstellen, wird jedoch von einer Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und
Markenamt abgesehen. Eine Zurückverweisung steht nach § 79 Abs. 3 PatG im
Ermessen des Gerichts. Das Gericht kann, muss aber nicht zurückverweisen. Bei
der Ermessensentscheidung sind Instanzenverlust, Verfahrensverzögerung und
ausreichende Prüfung in der Sache gegeneinander abzuwägen. Bei Entschei-
dungsreife kommt eine Zurückverweisung nicht in Betracht. Da die Beteiligten sich
rügelos in der Sache eingelassen haben, erscheint es auch geboten, dem Interes-
se der Beteiligten an einer alsbaldigen Erledigung des Beschwerdeverfahrens
nachzukommen.

In der Sache hat die Beschwerde auch Erfolg.

3. Beschwerdeführer war nach der Insolvenz der m… AG als ehemalige
Einsprechende Dipl.-Kfm. S… als Insolvenzverwalter über das Ver-
mögen der m… AG i.I.

Damit ist auf Seiten der Einsprechenden in zulässiger Weise eine Änderung der
Beteiligtenstellung eingetreten, was in der mündlichen Verhandlung nach Vorlage
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eines aktuellen Handelsregisterauszugs auch ausdrücklich nicht in Zweifel gezo-
gen worden ist.

4. Wie im angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts zu-
treffend festgestellt wurde, ist der Einspruch zulässig.

5. Als Durchschnittsfachmann legt der Senat einen Hochschulingenieur mit
Universitätsabschluss der Drucktechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung im Be-
reich der Entwicklung von Druckmaschinen zugrunde.

6. Der Gegenstand des angegriffenen Patentes betrifft ein Rotationsdruckverfah-
ren für Mehrfarbendruck.

Der Erfindung liegt ausweislich der geltenden Beschreibung die Aufgabe zu-
grunde, ein Rotationsdruckverfahren für Mehrfarbendruck anzugeben, welches
eine Drucklängenkorrektur während eines Druckzyklus ermöglicht (Patentschrift
Abs. [0011]).

Diese Aufgabe soll dabei durch ein Verfahren mit den Merkmalen des geltenden
Patentanspruchs 1 gelöst werden.

Nachfolgend wird eine gegliederte Fassung des erteilten Patentanspruchs 1 wie-
dergegeben:

1.1 Rotationsdruckverfahren für Mehrfarbendruck,
1.2 bei dem mit jedem Umlauf mindestens eines Formzylinders (1-4) in Zusam-
menarbeit mit mindestens einem Druckzylinder (9-12) Druckfarbe bildge-
mäß auf einen Bedruckstoff übertragen wird,
1.3 und bei dem zum Erreichen einer Differenzgeschwindigkeit zwischen Form-
zylinder (1-4) und Druckzylinder (9-12) diese separat angetrieben werden,
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1.4 wobei in jedem Umlauf der Differenzwinkel zwischen einem Formzylin-
der (1-4) und einem zugeordneten Druckzylinder (9-12) von Null beginnend
stetig verlaufend auf einen Maximalwert eingestellt und wieder auf Null zu-
rückgestellt wird,
dadurch gekennzeichnet,
1.5 dass bei einer Offsetdruckmaschine mit mehreren Druckwerken
1.6 zum Drucken von Teilfarbenbildern die Differenzgeschwindigkeiten jeweils
mittels der Ansteuerung von Einzelantrieben (22-25) der Formzylinder (1-4)
eingestellt werden,
1.7 wobei Übertragungs- (5-8) und Druckzylinder (9-12) synchron angetrieben
werden
1.8 und dass zum Einstellen der Differenzgeschwindigkeitsverläufe in den
Druckwerken Registermesswerte der übereinander gedruckten Teilfarben-
bilder verarbeitet werden.

Patentanspruch 1 betrifft ein Rotationsdruckverfahren für Mehrfarbendruck. Bei
diesem Verfahren werden mehrere Teilfarbenbilder übereinander gedruckt, vgl.
Teil des Merkmals 1.8.

Beim Offsetdruck (Teil des Merkmals 1.5) wird die Farbe von der Druckplatte
(Formzylinder 1 bis 4) zunächst auf einen elastischen Zwischenträger, das Gum-
mituch (Übertragungszylinder 5 bis 8), und dann auf den Bedruckstoff (Bogen 37)
übertragen, vgl. Abs. [0002], Satz 1 der Patentschrift. Die Bogen durchlaufen unter
Pressung einen Spalt zwischen den Übertragungszylindern (5 bis 8) und den
Druckzylindern (9 bis 12). Insbesondere beim Nass-Offsetdruck verändern sich
durch die Pressung und durch den Einfluss des Feuchtmittels die Bogenabmes-
sungen. Diese Veränderungen sind von Druckwerk zu Druckwerk verschieden, so
dass beginnend mit einem ersten Druckwerk das Druckbild in Umfangsrichtung
der Druckzylinder kürzer gedruckt wird, was zu Registerfehlern führen kann
(Abs. [0002] der Patentschrift). Das exakte Übereinanderliegen der Druckbilder auf
dem Bedruckstoff wird als Register bezeichnet. Wesentlich für die Qualität des
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Mehrfarbendruckes ist der hochgenaue Übereinanderdruck der einzelnen Farb-
auszüge, d. h. mit möglichst geringer Registerabweichung.

Eine Offsetdruckmaschine mit mehreren Druckwerken (Merkmal 1.5) ist in Fig. 1
der Patentschrift dargestellt und nachfolgend wiedergegeben.

Fig. 1

Gemäß Merkmal 1.3 werden die (die Druckplatten tragenden) Formzylinder (1 bis
4) und die Druckzylinder (9 bis 12) separat angetrieben, um eine Differenzge-
schwindigkeit zwischen Form- und Druckzylinder zu erreichen. Gemäß Merk-
mal 1.6 weisen die Formzylinder Einzelantriebe (22 bis 25) auf und gemäß Merk-
mal 1.7 werden Übertragungszylinder (5 bis 8) und Druckzylinder (9 bis 12) syn-
chron angetrieben. Gemäß Ausführungsbeispiel erfolgt diese Synchronisation
zwar mittels eines Getriebes (Zahnräderzug gemäß Abs. 0014), der geltende Pa-
tentanspruch 1 lässt dieses aber offen, so dass Merkmal 1.7 auch synchronisierte
Einzelantriebe umfasst. Dieses Verständnis hat die Patentinhaberin in der mündli-
chen Verhandlung bestätigt.

Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Formzylinder (1 bis 4) und Druckzylin-
der (9 bis 12) führt in jedem Umlauf zu einem Differenzwinkel zwischen dem die
Druckform tragenden Formzylinder (1 bis 4) und einem zugeordneten Druckzylin-
der (9 bis 12). Dieser Winkel wird zum Ausgleich einer Registerabweichung von
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Null beginnend stetig verlaufend auf einen Maximalwert eingestellt und wieder auf
Null zurückgestellt. Gemäß Ausführungsbeispiel wird der Differenzwinkel zwar
zwischen Formzylinder und Übertragungszylinder eingestellt. Anspruch 1 ist aber
durch die Merkmale 1.5 und 1.7 auf ein Verfahren mit einer Offsetdruckmaschine
beschränkt. Da die Übertragungszylinder (5 bis 8) mit den Druckzylindern (9 bis
12) synchronisiert angetrieben werden (Merkmal 1.7), ist für den sachverständigen
Leser ersichtlich, dass ein Schlupf zwischen dem Formzylinder und dem nachfol-
genden Zylinder, in einem Bogenoffsetdruckwerk gemäß Merkmal 1.5 der Übertra-
gungszylinder, eingestellt werden soll. Der Differenzwinkel zwischen Formzylinder
und Druckzylinder/Übertragungszylinder wird durch eine Änderung der Geschwin-
digkeit und damit der Drehzahl des Formzylinders erreicht, vgl. nachfolgend wie-
dergegebene Fig. 5. Dabei stellt die Bezugsziffer 50 den Geschwindigkeitsverlauf
für den Formzylinder 1 dar, die Bezugsziffer 51 für den Formzylinder 2 und die Be-
zugsziffer 52 für den Formzylinder 3.



Gemäß Merkmal 1.8 werden zum Einstellen der Differenzgeschwindigkeitsverläufe
in den Druckwerken Registermesswerte der übereinander gedruckten Teilfarben-
bilder verarbeitet. Zumindest umfasst sind damit die gemäß Ausführungsbeispiel
aufgedruckten Passmarken und Registermarken, vgl. Abs. [0035]. Ob auch eine
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direkte Messung der Teilfarbenbilder unter das Merkmal 1.8 fällt, wie die Patentin-
haberin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, kann – da nicht entschei-
dungserheblich – dahingestellt bleiben.

6.1 Die geltenden Patentansprüche 1 und 2 sind zulässig.

Gegenteiliges wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht vorgetragen. Auf die
insoweit zutreffenden Ausführungen im Beschluss der Patentabteilung wird ver-
wiesen.

6.2 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist gewerblich anwendbar
und auch neu.

6.3 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit.

Als nächstkommender Stand der Technik ist die D1 anzusehen. Aus der D1 ist ein
Antrieb für eine Druckmaschine, insbesondere für eine Bogenoffsetdruckmaschine
bekannt, vgl. Zusammenfassung. Es handelt sich um eine Druckmaschine mit
mehreren Druckwerken ("zwischen den Druckwerken", vgl. Spalte 1, Zeilen 5 bis
11). Eine Bogenoffsetdruckmaschine überträgt mit jedem Umlauf des Formzylin-
ders in Zusammenarbeit mit mindestens einem Druckzylinder Druckfarbe bildge-
mäß auf einen Bedruckstoff, was der sachverständige Leser ohne weiteres mit-
liest. Für den Fachmann ergibt sich aus der Druckschrift D1 damit auch ein Rotati-
onsdruckverfahren für Mehrfarbendruck mit den Merkmalen 1.1, 1.2 und 1.5.

Die D1 beschreibt außerdem Einzelantriebe für die Zylinder der Druckmaschine,
vgl. Anspruch 1. Die D1 offenbart zudem eine Drucklängenkompensation durch
definierten Schlupf zwischen Formzylinder (dort Plattenzylinder) und Übertra-
gungszylinder (dort Gummituchzylinder), vgl. Spalte 5, Zeilen 18 bis 27. Dies be-
dingt eine Differenzgeschwindigkeit zwischen den beiden einzeln angetriebenen
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Zylindern, so dass auch Merkmal 1.3 beim Betrieb der in der D1 beschriebenen
Maschine verwirklicht ist.

Zur Realisierung einer Differenzgeschwindigkeit zwischen Formzylinder und
Druckzylinder werden diese separat angetrieben (vgl. D1, Spalte 5, Zeile 39-48
und Spalte 6, Zeile 51-57). In jedem Umlauf wird der Differenzwinkel zwischen
einem Formzylinder und einem zugeordneten Druckzylinder von Null beginnend
stetig verlaufend auf einen Maximalwert eingestellt und wieder auf Null zurückge-
stellt (vgl. D1, Spalte 5, Zeile 39 bis Spalte 6, Zeile 5). Bei einer Offsetdruckma-
schine mit mehreren Druckwerken (vgl. D1, Anspruch 1: „Bogenoffsetdruckma-
schine“) werden zum Drucken von Teilfarbenbildern die Differenzgeschwindigkei-
ten jeweils mittels der Ansteuerung von Einzelantrieben der Formzylinder einge-
stellt (vgl. D1, Spalte 6, Zeile 51-57). Damit sind auch Merkmale 1.4 und 1.6 der
D1 entnehmbar.

Die D1 offenbart Einzelantriebe für die jeweiligen Zylinder eines Druckwerks. Bei
einem Schlupf zwischen Form- und Übertragungszylinder (Gummituchzylinder)
muss der Druckzylinder synchron mit dem Gummituchzylinder angetrieben wer-
den, da anderenfalls kein ordnungsgemäßer Druck der Teilfarbenbilder möglich
ist. Die Argumentation der Patentabteilung, dass patentgemäß die bogenführen-
den Zylinder durch einen gemeinsamen Räderzug verbunden und damit synchron
angetrieben werden, bezieht sich auf das Ausführungsbeispiel. Merkmal 1.7 um-
fasst hingegen auch Einzelantriebe, die synchronisiert werden. Auch das Merk-
mal 1.7 ist daher der D1 zu entnehmen.

D1 offenbart eine Korrektureinrichtung, die eine Speicher- oder Recheneinrichtung
umfasst, vgl. Spalte 4, Zeilen 29 bis 35. Die D1 lässt aber offen, welche Sollwerte
der Korrektureinrichtung zum Einstellen der Differenzgeschwindigkeitsverläufe in
den Druckwerken (Teil des Merkmals 1.8) zugeführt werden. Eine Messeinrich-
tung, die Registermesswerte erfasst, ist der D1 damit nicht unmittelbar und ein-
deutig zu entnehmen.
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Der Fachmann hatte insofern aber einen Anlass, nach Lösungen zu suchen, wie
sich geeignete Sollwerte für die Drucklängenkompensation ermitteln lassen, um
für einen Betrieb der Druckmaschine wie vorbekannt dann zur Verfügung zu ste-
hen.

Die D7 (vgl. Spalte 6, letzter Abs. bis Spalte 7, Abs. 1) offenbart eine Flexodruck-
maschine, vgl. Bezeichnung. Gemäß Fig. 4 durchläuft bei einer Mehrzylinder-
Flexodruckmaschine (1a) die Druckgutbahn (3) mehrere Druckstationen hinter-
einander jeweils mit Rasterwalze (RW), Formatzylinder (FZ) und einem Gegen-
druckzylinder (GZ). Bei Mehrzylinder-Flexodruckmaschinen ist die mechanische
Spannung problematisch unter der die Druckgutbahn (3) beim Durchlaufen der
mehreren Druckstationen (RW, FZ, GZ) nacheinander gerät. Dies kann das Farb-
druckergebnis, die Druckgenauigkeit und die Druckqualität ähnlich einer Register-
abweichung beeinträchtigen. Zur Abhilfe sind die Erkennungssensoren (23) zwi-
schen den Druckstationen bzw. Farbwerken angeordnet. Durch diese lässt sich
feststellen, ob von den Farbwerken erzeugte Druckmarken auf der Druckgut-
bahn (3) an den Sensorpositionen zu früh, zeitgerecht oder zu spät auftreten. Die
D7 offenbart damit das Erzeugen und Erfassen von Druckmarken, um Drucklän-
genunterschiede erkennen und korrigieren zu können. Sie führt dazu eine Regis-
termessung aus, denn die Druckmarken entsprechen Registermarken, wie sie pa-
tentgemäß ebenfalls gedruckt werden. Wenn der Fachmann vor die Aufgabe ge-
stellt wird, geeignete Werte bereitstellen zu müssen, vermittelt die D7 die Anre-
gung, hierzu Druckmarken zu erzeugen und deren Lage messtechnisch zu erfas-
sen. Eine Übertragung auf ein Verfahren für Mehrfarbendruck, wie es der D1 zu
entnehmen ist, führt demgemäß zu einem Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen
des geltenden Patentanspruchs 1.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht daher nicht auf einer er-
finderischen Tätigkeit. Der geltende Patentanspruch 1 hat daher keinen Bestand.

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Dass die zusätzlichen Merkmale, die in dem auf den Patentanspruch 1 zurück be-
zogenen geltenden Patentanspruch 2 vorgesehen sind, zu einer anderen Beurtei-
lung der Patentfähigkeit führen könnten, ist weder geltend gemacht noch sonst er-
sichtlich, sodass auch insoweit die Patentfähigkeit zu verneinen ist (vgl. dazu BGH
„Sensoranordnung“ in GRUR 2012, S. 149-156).

Bei dieser Sachlage war der Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe
gestützt wird, nämlich dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Hilber Sandkämper Baumgart Seyfarth

Ko


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