9 W (pat) 11/18  - 9. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:191218B9Wpat11.18.0


BUNDESPATENTGERICHT



9 W (pat) 11/18
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
19. Dezember 2018





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



- 2 -
betreffend das Patent 10 2010 011 083

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Univ. Hubert sowie der Richter Paetzold, Dr.-lng. Baumgart und
Dipl.-Ing. Körtge

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung
des von der F… GmbH erhobenen Einspruchs das am
12. März 2010 angemeldete und am 16. Juni 2011 veröffentliche Patent mit der
Bezeichnung

„Gleitlagerverbundwerkstoff“

durch Beschluss, verkündet in der Anhörung am 14. April 2016, aufrechterhalten. Die
Patentabteilung hat die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des in der
erteilten Fassung verteidigten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik
neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin und Einsprechende mit
Schriftsatz vom 9. August 2016, eingegangen beim Deutschen Patent- und Marken-
- 3 -
amt am selben Tag, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom
12. April 2017 begründet.

Sie ist der Meinung, dass von der

E8 DE 103 37 030 A1

ausgehend, der Gegenstand des Streitpatents durch die Lehre jeweils der

E4 DE 10 2004 047 423 B3
E5 DE 35 03 859 A1,
E6 DE 103 01 135 A1 und
E7 HARTUNG, Rüdiger; SCHMIDT, Jürgen; BOTH, Sabine: Tribologische
Nickel-Dispersionsschichten mit hexagonalem Bornitrid. In: Galvano-
technik, 12/2008, S. 2931 – 2939,

nahegelegt sei und daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Ferner befinden sich im Verfahren die im Einspruchs- und Prüfungsverfahren sowie
von der Patentinhaberin ursprünglich selbst genannten Druckschriften

E1 DE 197 28 777 A1,
E2 DE 103 37 029 A1,
E3 DE 197 54 221 A1,
E9 DE 36 01 439 C1 und
E10 DE 36 01 439 C1.
- 4 -
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellte den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 14. April 2016 aufzuheben und das Patent zu
widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der erteilte und im Einspruchsverfahren in vollem Umfang aufrechterhaltene und
weiterhin geltende Patentanspruch 1 (Änderung gegenüber der ursprünglich einge-
reichten Fassung ist durch Unterstreichung kenntlich gemacht) lautet:

Gleitlagerverbundwerkstoff (2) mit einer Trägerschicht (4), insbeson-
dere aus Stahl, mit einer darauf aufgebrachten Schicht (6) aus einem
Lagermaterial, insbesondere auf Kupfer-Basis oder Aluminium-Basis,
mit einer elektrisch oder chemisch abgeschiedenen Zwischenschicht
und mit einer auf der Zwischenschicht elektrisch oder chemisch ab-
geschiedenen Laufschicht (10), dadurch gekennzeichnet, dass die
Zwischenschicht eine Nickeldispersionsschicht (8) mit darin disper-
gierten tribologisch wirksamen Bestandteilen (9) ist und dass die
tribologisch wirksamen Bestandteile (9) Graphit, Molybdändisulfid
(MOS2), hexagonales Bornitrid oder PTFE umfassen.

Der erteilte nebengeordnete Patentanspruch 7 lautet:

Gleitlagerelement für motorische oder motorennahe Anwendungen,
insbesondere Gleitlagerschale oder -buchse oder Anlaufscheibe,
hergestellt aus einem Gleitlagerverbundwerkstoff nach einem der
vorstehenden Ansprüche.
- 5 -
Zum Wortlaut der sich auf Patentanspruch 1 rückbeziehenden Unteransprüche 2
bis 6 und zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die statthafte Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt
worden und auch im Übrigen zulässig (§ 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1
Satz 1 PatKostG). In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

1. Gegenstände des Streitpatents

Ein Gegenstand des Streitpatents bzw. der Streitpatentschrift (im Folgenden mit SPS
bezeichnet) betrifft einen Gleitlagerverbundwerkstoff mit einer Trägerschicht, insbe-
sondere aus Stahl, mit einer darauf aufgebrachten Schicht aus einem Lagermaterial,
insbesondere auf Kupfer-Basis oder Aluminium-Basis, mit einer elektrisch, also gal-
vanisch, oder chemisch, also stromlos (autokatalytisch) abgeschiedenen Zwischen-
schicht und mit einer auf der Zwischenschicht wiederum elektrisch oder chemisch
abgeschiedenen Laufschicht.
Gleitlagerverbundwerkstoffe der vorstehend beschriebenen Art mit einer Zwischen-
schicht aus Nickel oder Zinn-Nickel seien beispielsweise aus der E9 bekannt (vgl.
Abs. [0001] und [0002] der SPS).

Dem angegriffenen Patent liegt die Abs. [0004] der SPS entnehmbare Aufgabe zu-
grunde, ausgehend von einem Gleitlagerverbundwerkstoff der eingangs erwähnten
Art, den Gleitlagerverbundwerkstoff im Hinblick auf typischerweise auftretende
Probleme infolge fehlender Anpassungsfähigkeit und fehlender Partikelverträglichkeit
zu verbessern.

Diese Aufgabe werde mit einem Gleitlagerverbundwerkstoff der genannten Art erfin-
dungsgemäß dadurch gelöst, dass die Zwischenschicht eine Nickeldispersions-
- 6 -
schicht mit darin dispergierten tribologisch wirksamen Bestandteilen sei und dass die
tribologisch wirksamen Bestandteile Graphit, Molybdändisulfid (MOS2), hexagonales
Bornitrid oder PTFE umfassten.

Eine wesentliche Verbesserung des Laufverhaltens werde darauf zurückgeführt,
dass die Nickeldispersionsschicht im Betrieb des aus dem Gleitlagerverbundwerk-
stoff hergestellten Gleitlagers bei lokalem Abtrag der Laufschicht den dispergierten
Bestandteil teilweise freisetze, so dass er tribologisch aktiv werde. Insgesamt werde
hierdurch die „Fressneigung wesentlich verbessert“ (vgl. Abs. [0006] der SPS), mit
dem gebotenen Verständnis, dass sich der Gleitlagerverbundwerkstoff durch eine
„geringe Fressneigung“ auszeichnen soll (vgl. Abs. [0016] der SPS).

Gegenstand der Erfindung sind auch aus dem vorstehend beschriebenen Gleitlager-
verbundwerkstoff hergestellte Gleitlagerelemente, insbesondere Gleitlagerschalen,
Gleitlagebuchsen und Anlaufscheiben, für motorische oder motorennahe Anwendun-
gen (vgl. Abs. [0012] der SPS).

2. Fachmann

Als Durchschnittsfachmann sieht der Senat zum Verständnis des Streitgegenstandes
und zur nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik einen Durchschnitts-
fachmann, der als Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau ausgebildet ist
und auf dem Gebiet der Entwicklung und Auslegung von Maschinenelementen, wie
Lagern, seit mehreren Jahren tätig ist und im Bedarfsfall einen Fachmann der Werk-
stoffkunde zu Rate zieht.

3. Auslegung

Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des
Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag,
den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu
- 7 -
bestimmen sind (BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum). Dies gilt auch für das
Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren. Dazu ist zu ermitteln, was sich
aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des
Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte
technische Lehre ergibt, wobei der Fachmann auch die Beschreibung und Zeichnung
heranzuziehen hat (BGH GRUR 2007, 859 – Informationsübermittlungsverfahren).
Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen
Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands
führen (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe
in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene
Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr
objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch
umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht. Darüber hinaus darf allein
aus Ausführungsbeispielen nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs
geschlossen werden (BGH GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe).

3.1 Zur Lösung der vorstehend gestellten Aufgabe definiert der nachstehend zur
Erleichterung von Bezugnahmen in gegliederter Form angegebene Patentanspruch 1
einen

1.0 Gleitlagerverbundwerkstoff (2)

1.1 mit einer Trägerschicht (4), insbesondere aus Stahl,

1.2 mit einer darauf aufgebrachten Schicht (6)

1.2.1 aus einem Lagermaterial, insbesondere auf Kupfer-Basis
oder Aluminium-Basis,

1.3 mit einer elektrisch oder chemisch abgeschiedenen Zwischen-
schicht, wobei
- 8 -
1.3.1 die Zwischenschicht eine Nickeldispersionsschicht (8)
mit

1.3.2 darin dispergierten tribologisch wirksamen Bestandtei-
len (9) ist und wobei

1.3.2.1 die tribologisch wirksamen Bestandteile (9)
Graphit, Molybdändisulfid (MOS2), hexagonales
Bornitrid oder PTFE umfassen, und

1.4 mit einer auf der Zwischenschicht elektrisch oder chemisch
abgeschiedenen Laufschicht (10).

Der unter Ziffer 2 definierte Fachmann entnimmt dem Patentanspruch 1 der SPS da-
her einen Gleitlagerverbundwerkstoff, gemäß Merkmal 1.0, der für beispielsweise
Gleitlagerelemente wie Gleitlagerschalen, Gleitlagerbuchsen und Anlaufscheiben für
motorische oder motorennahe Anwendungen geeignet ist (vgl. Abs. [0012] der SPS).

Der Gleitlagerverbundwerkstoff umfasst eine beispielsweise aus Stahl bestehende
Trägerschicht (Merkmal 1.1) mit einer darauf in einer dem Fachmann überlassenen
Art aufgebrachten Schicht. Diese kann auf Kupfer-, Aluminium- oder einer weiteren
beliebigen Basis hergestellt sein (Merkmal 1.2 und 1.2.1).

Auf diese metallene Trägerschicht ist eine Zwischenschicht elektrisch oder chemisch
abgeschieden, also atomar oder molekular aufgebaut, auf der wiederum eine weitere
als Laufschicht bezeichnete Schicht abgeschieden ist (Merkmale 1.3 und 1.4).

Die Zwischenschicht ist eine Nickeldispersionsschicht (Merkmal 1.3.1) mit darin
dispergierten tribologisch – als Festschmierstoff – wirksamen Bestandteilen (Merk-
mal 1.3.2), die gemäß Merkmal 1.3.3 Graphit, Molybdändisulfid (MOS2), hexagonales
Bornitrid (hBN) oder Polytetrafluorethylen (PTFE) umfassen.
- 9 -
3.2 Patentanspruch 7 hat gegliedert folgenden Wortlaut:

7.0 Gleitlagerelement für motorische oder motorennahe Anwen-
dungen, insbesondere Gleitlagerschale oder -buchse oder
Anlaufscheibe, hergestellt aus einem

7.1 Gleitlagerverbundwerkstoff nach einem der vorstehenden An-
sprüche.

Der Fachmann entnimmt dem Patentanspruch 7 daher ein Gleitlagerelement für
motorische oder motorennahe Anwendungen (Merkmal 7.0) mit einem Gleitlagerver-
bundwerkstoff gemäß den Merkmalen bzw. Merkmalsgruppen 1.1 bis 1.4 nach Pa-
tentanspruch 1.

4. Aufgabe

Nach der Rechtsprechung des BGH dient die Bestimmung des technischen
Problems (der Aufgabe) dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühun-
gen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu
lokalisieren, um bei der anschließenden und hiervon zu trennenden Prüfung der
Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand
der Technik nahegelegt war oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2018, Rn. 10,
X ZR 44/16; GRUR 2015, 356, Rn. 9 – Repaglinid).

Das technische Problem ergibt sich aus dem, was die Erfindung tatsächlich leistet.
Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu entwickeln. Aus der Funktion der
einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches techni-
sche Problem diese Merkmale für sich und ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen. Dabei
kann das als Aufgabe der Erfindung Bezeichnete einen Hinweis für das richtige Ver-
ständnis enthalten. Für die Angaben der Beschreibung der Aufgabe der Erfindung gilt
jedoch wie auch sonst für die Beschreibung der Vorrang des Patentanspruchs ge-
- 10 -
genüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift (vgl. BGH GRUR 2010, 602, Rn. 27
– Gelenkanordnung).

Ausgehend von vorstehender Auslegung des Streitpatents besteht die objektive Auf-
gabe der Erfindung darin, das Laufverhalten im Hinblick auf die typischerweise auf-
tretenden Probleme infolge fehlender Anpassungsfähigkeit und fehlender Partikel-
verträglichkeit (vgl. Abs. [0004] der SPS) des aus dem Gleitlagerverbundwerkstoff
hergestellten, in motorennahen Anwendungen eingesetzten Gleitlagers zu verbes-
sern.

Soweit die Einsprechende die Aufgabe lediglich auf Notlaufeigenschaften des Gleit-
lagers reduziert, resultierend aus Abs. [0006] der SPS, in dem ausgeführt ist, dass
eine wesentliche Verbesserung des Laufverhaltens darauf zurückgeführt wird, dass
bei lokalem Abtrag der Laufschicht die Nickeldispersionsschicht den dispergierten
Bestandteil teilweise freisetzt, der dann tribologisch aktiv wird, kann der Senat dieser
Auffassung nicht folgen. Beim Betrieb eines Gleitlagers wird nicht per se ein lokaler
Abtrag der auf der Zwischenschicht abgeschiedenen Laufschicht vorausgesetzt. Er
kann auftreten, ist aber keines Falls zwingend. Mithin zielt der dort explizit erwähnte
lokale Abtrag auch nur auf einen möglichen Teilaspekt des Laufverhaltens eines
Gleitlagers und somit die Notlaufeigenschaft auch nur auf einen Teilaspekt der ob-
jektiven Aufgabe, das Laufverhalten, u. a. die explizit genannte Fressneigung, eines
Gleitlagerverbundwerkstoffs bzw. des hieraus hergestellten Lagers insgesamt we-
sentlich zu verbessern (vgl. Abs. [0006], letzter Satz der SPS).

5. Patentfähigkeit

Die auf einen Gleitlagerverbundwerkstoff und ein Gleitlagerelement gerichteten er-
teilten Patentansprüche 1 und 7 erweisen sich als patentfähig, denn deren unbe-
stritten ursprünglich offenbarten sowie gewerblich anwendbaren Gegenstände sind
weder vorbekannt noch durch den Stand der Technik nahegelegt. Dies gilt ebenso
- 11 -
für die Weiterbildungen nach den auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentan-
sprüchen 2 bis 6.

5.1 Der Gleitlagerverbundwerkstoff gemäß Patentanspruch 1 ist gegenüber dem
im Verfahren befindlichen Stand der Technik sowohl neu wie auch auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit beruhend.

Im vorinstanzlichen Einspruchsverfahren hat die Patentabteilung 24 des Deutschen
Patent- und Markenamtes die Druckschrift E8 zu Recht als den nächstkommenden
Stand der Technik angesehen, da sich diese ebenfalls mit der Aufgabe auseinander-
setzt, u. a. hinsichtlich Verschleiß, gegenüber dem Stand der Technik verbesserte
Lager bereitzustellen (vgl. Abs. [0031]). Die vorveröffentlichte Druckschrift E8 zeigt
ausweislich Abs. [0001] einen Gleitlagerverbundwerkstoff („…Schichtverbundwerk-
stoff, insbesondere für Gleitlager…“) gemäß Merkmal 1.0, mit den Merkmalen 1.1,
1.2, 1.2.1, 1.3 und 1.4, wonach der Gleitlagerverbundwerkstoff eine Trägerschicht mit
einer darauf aufgebrachten Schicht aus einem Lagermaterial („Lagermetallschicht“)
mit einer elektrisch oder chemisch abgeschiedenen Zwischenschicht und mit einer
auf der Zwischenschicht elektrisch oder chemisch abgeschiedenen Laufschicht (vgl.
zusätzlich Abs. [0017]: „…in einem ersten Schritt [wird] chemisch oder elektro-
chemisch die Zwischenschicht aus Nickel aufgebracht. Danach wird die Gleitschicht
… abgeschieden…“) aufweist.
Der E8 sind jedoch die weiteren zur Merkmalsgruppe 1.3 gehörigen Merkmale 1.3.1,
1.3.2 und 1.3.2.1 nicht zu entnehmen. Bei der Zwischenschicht gemäß Merkmal 1.3
handelt es sich zwar auch um eine das Element Nickel aufweisende Zwischen-
schicht, jedoch liegen in ihr keine tribologisch wirksamen Bestandteile in dispergierter
Form vor.
Die Verbesserung des Laufverhaltens, u. a. hinsichtlich Verschleiß, wird bei diesem
Schichtverbundwerkstoff dadurch erzielt, dass zwischen der Nickelschicht und der
Laufschicht eine weitere Schicht, eine Interdiffusionsschicht aus Zinn und Nickel, die
„zu einer belastbareren und verschleißfesteren Gleitfläche führt.“ (vgl. Abs. [0029]),
ausgebildet ist.
- 12 -
Ferner hat die Patentabteilung in der Beschlussbegründung zutreffend ausgeführt,
dass die Druckschriften E4 bis E7 zwar allesamt Nickeldispersionsschichten behan-
deln, in denen tribologisch wirksame Bestandteile wie Graphit, Molybdänsulfid, hexa-
gonales Bornitrid oder PTFE (vgl. E4: Ansprüche 1, 8, 9; E5: Anspruch 1; E6: An-
sprüche 4, 11, 12; E7: Seite 2931, Abschnitt 1, Seite 2933, Seite 2937, Abschnitt 3.4)
dispergiert sind. Jedoch beschreiben diese allesamt keine Nickeldispersionsschicht
als Zwischenschicht in einem Gleitlagerverbundwerkstoff, sondern ausschließlich
eine Oberflächenschicht, in die die vorgenannten Bestandteile eingebracht sind, so-
dass zumindest die Merkmale 1.3.1 und 1.4 aus ihnen nicht hervorgehen.

Die Druckschriften E1 bis E3 sowie E9 und E10 beschreiben ebenfalls Gleitlagerver-
bundwerkstoffe, die keine Zwischenschicht mit den kennzeichnenden Merkma-
len 1.3.1, 1.3.2 und 1.3.2.1 des Patentanspruchs 1 aufweisen.

Ein Gleitlagerverbundwerkstoff mit einer Nickel-Dispersionszwischenschicht ist, wie
vorstehend dargelegt, diesen Druckschriften nicht zu entnehmen. Es lässt sich auch
kein Anlass oder keine Anregung finden, der bzw. die es dem Fachmann nahelegen
könnte, in eine solche Zwischenschicht tribologisch wirksame Bestandteile einzubrin-
gen.

Die objektive Aufgabe liegt, wie vorstehend dargelegt, nicht darin, wie die Einspre-
chende in der Verhandlung vorgetragen hat, die Fressneigung der Zwischenschicht
zu verbessern, sondern insgesamt das Laufverhalten des Lagers zu verbessern, u. a.
die Gefahr des Fressens zu minimieren.

Die Zwischenschicht aus reinem Nickel ist bei den hier in Rede stehenden Lagern in
motorennahen Anwendungen nicht als Gleitschicht konzipiert, sondern dient dazu,
die Diffusion zwischen der Lagermaterialschicht, die über Notlaufeigenschaften ver-
fügt, und der Laufschicht zu unterbinden, um einer möglichen Veränderung der Zu-
sammensetzung der Schichten entgegenzuwirken. Allein den Ansatz, die Zwischen-
schicht aus reinem Nickel zur Verbesserung des Laufverhaltens des Lagers – und
- 13 -
eben nicht nur im Notlaufbetrieb – abzuwandeln bzw. vollständig auf sie zu verzich-
ten und durch eine Nickeldispersionsschicht mit darin dispergierten tribologisch wirk-
samen Bestandteilen zu ersetzen, sieht der Senat als nicht nahegelegt an. Denn sol-
che reinen Nickelschichten werden sehr dünn ausgeführt, „da sie keine guten
Gleiteigenschaften besitzen und notfalls schnell den Verschleiß in das darunterlie-
gende Lagermaterial zulassen sollen.“ (vgl. Abs. [0013] der E8). Die E8 lehrt aber,
wie vorstehend dargelegt, auch keine Abkehr von der dünnen als Diffusionssperr-
schicht konzipierten Nickelschicht. Sie offenbart lediglich eine weitere Schicht. Die
Erfindung setzt mithin an einem völlig anderen Ort an, nämlich an der Nickelschicht.
Auch ist nach Überzeugung des Senats die von der Einsprechenden in der Ver-
handlung genannte höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH GRUR 2018, 1128
– Gurtstraffer) nicht einschlägig. Denn dort wurde eine Bejahung der Patentfähigkeit
bei einer reinen Alternativlösung (Ersatz eines Kronenradgetriebes bzw. Kegelradge-
triebes durch ein Schneckenradgetriebe) als nicht ausreichend angesehen, deren
Realisierung aus Sicht des Standes der Technik mit Nachteilen oder ihre Realisie-
rung mit Schwierigkeiten verbunden ist. Denn die Erfindung hat einen gänzlich ande-
ren Ansatzpunkt gewählt und ist keine nur mit Schwierigkeiten verbundene Alterna-
tive, auf die der Fachmann im Rahmen einer Auswahlentscheidung zugreifen konnte.

Der Fachmann würde auch bei Kenntnis der Entgegenhaltungen E4 bis E7, die sich
mit der Verbesserung der bekannten schlechten Gleit- oder Reibungseigenschaften
von Oberflächen-Nickelschichten mit Hilfe eingelagerter Festschmierstoffe auseinan-
dersetzen, davon abgehalten, die Nickelschicht des Gleitlagerverbundwerkstoffs der
E8 durch die dort offenbarten Nickeldispersionsschichten zu ersetzen. Denn sie of-
fenbaren allesamt nur das Einbringen tribologisch wirksamer Bestandteile in eine
Oberflächenschicht und geben keinen Hinweis dahingehend, ob und inwieweit eine
durch die dispergierten Anteile veränderte Nickelschicht weiterhin noch die Aufgabe
einer Diffusionssperre übernehmen könnte. Auch der aus der E8 bekannte Gleitla-
gerverbundwerkstoff weist weiterhin eine Diffusionssperrschicht aus Nickel auf, deren
Erhalt im Schichtverbund als wesentlich für den Zusammenhalt der Schichten ange-
sehen wird (vgl. erneut Abs. [0013] der E8: „…Dies würde zur Ablösung der nun aus
- 14 -
Zinn-Nickel und der Zinn-Gleitschicht-Legierung bestehenden Deckschichten füh-
ren…“).
Ebenso liefern diese Entgegenhaltungen keine Informationen darüber, ob die durch
die Einlagerung der nichtmetallischen Bestandteile unreinen Nickelschichten generell
geeignet sind, weitere Schichten auf sie elektrisch oder chemisch abzuscheiden. Von
daher würde der Fachmann Probleme beim Abscheiden der Laufschicht auf diesen
Werkstoff hinsichtlich Prozesssicherheit, Aufwand und Kosten erwarten und somit
davon Abstand nehmen.

Da also weder die Druckschrift E8 noch eine der Druckschriften E4 bis E7 eine als
Nickeldispersionsschicht mit darin dispergierten tribologisch wirksamen Bestandtei-
len, wobei die tribologisch wirksamen Bestandteile Graphit, Molybdändisulfid (MOS2),
hexagonales Bornitrid oder PTFE umfassen, als Zwischenschicht zeigen, oder etwas
erkennen lassen, was dem Fachmann einen entsprechenden Hinweis liefern könnte,
den Gleitlagerverbundwerkstoff im Sinne des Streitpatents entsprechend der Merk-
malsgruppe 1.3.1 zu realisieren, ist festzustellen, dass sich der Gegenstand des
geltenden Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise ergibt, sondern der Fachmann
vielmehr erfinderisch tätig werden musste, um zum Gegenstand des geltenden Pa-
tentanspruchs 1 zu gelangen.

Alle weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften hat die Beschwerdeführerin in
der mündlichen Verhandlung zur Frage der Patentfähigkeit nicht aufgegriffen. Deren
Gegenstände kommen auch nach Überzeugung des Senats dem streitpatentge-
mäßen Gegenstand nach Patentanspruch 1 offensichtlich nicht näher als der zuvor
berücksichtigte Stand der Technik, im Besonderen offenbaren sie sämtlich nicht die
Merkmalsgruppe 1.3.1. Sie können daher ebenfalls keine Anregung zu dem Gegen-
stand nach dem Patentanspruch 1 geben.

Aus alledem folgt, dass der insgesamt in Betracht gezogene Stand der Technik – in
welcher Zusammenschau auch immer – dem Fachmann den Gegenstand des Pa-
tentanspruchs 1 nicht hat nahelegen können.
- 15 -
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher patentfähig.

5.2 Die Beurteilung der Patentfähigkeit des nebengeordneten Patentanspruchs 7
führt zu keinem anderen Ergebnis wie beim Patentanspruch 1. Da auch das Gleitla-
gerelement für motorische oder motorennahe Anwendungen, hergestellt aus einem
Gleitlagerverbundwerkstoff nach einem der vorstehenden Ansprüche durch die
Rückbezüge die die Zwischenschicht konkretisierende Merkmalsgruppe 1.3.1 enthält,
welches weder durch die Druckschrift E8 noch durch jeweils eine der Druckschriften
E4 bis E7 offenbart oder nahegelegt ist, gilt das unter Ziffer 5.1 Ausgeführte gleich-
ermaßen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 7 ist demnach ebenfalls patentfä-
hig.

5.3 Nachdem auch die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprü-
che 2 bis 6 sowie die übrigen Unterlagen die an sie zu stellenden Anforderungen
erfüllen, war die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelas-
sen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe gestützt
wird, nämlich dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Rich-
teramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befan-
genheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
- 16 -
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses
beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bun-
desgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzu-
legen.

Hubert Paetzold Dr. Baumgart Körtge

Ko



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