9 W (pat) 10/14  - 9. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



9 W (pat) 10/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
18. Januar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2006 037 072


- 2 -
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Sandkämper
und Dr.-Ing. Baumgart

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
27. November 2013 aufgehoben und das Patent 10 2006 037 072
widerrufen.


G r ü n d e

I.

Die Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat nach
Prüfung eines eingelegten Einspruchs das Patent 10 2006 037 072 mit der Be-
zeichnung

„Schienenfahrzeug mit im Dach integrierter Abgasanlage“,

zu dem die Patentschrift DE 10 2006 037 072 B4 herausgegeben worden ist,
durch den am 27. November 2013 nach Anhörung verkündeten Beschluss in vol-
lem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 13. März 2014 beim DPMA eingegan-
gene Beschwerde der Einsprechenden gemäß Schriftsatz vom 27. Februar 2014.
- 3 -
Gegen den Bestand des Patents, dessen Erteilung am 12. Mai 2010 veröffentlicht
wurde, hat die Einsprechende geltend gemacht, dass der Gegenstand des Patents
gemäß dem erteilten Anspruch 1 wie auch in seinen Weiterbildungen nach den
abhängigen Ansprüchen wegen fehlender Neuheit oder mangelnder erfinderischer
Tätigkeit nicht patentfähig sei; hierfür hat sich die Einsprechende auf druckschrift-
lich belegten Stand der Technik bzw. Vorbenutzungen berufen.

Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden bereits hinsichtlich
der Auslegung des Anspruchs 1 und der Offenbarung einzelner Merkmale im
Stand der Technik im Übrigen entgegengetreten.

Einzelne, das Erstelldatum 13. Februar 2014 tragende und elektronisch signierte
Ausfertigungen der Beschlussbegründung wurden der Einsprechenden am
17. Februar 2014 bzw. der Patentinhaberin am 20. Februar 2014 zugestellt; eine
unterschriebene oder signierte Urfassung liegt in der elektronischen Akte des
Deutschen Patent- und Markenamtes nicht vor.

Wegen dahingehender verfahrensrechtlicher Bedenken hat der Senat die Betei-
ligten mit der Terminsladung auf die Möglichkeit einer Zurückverweisung der Sa-
che nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG und die dennoch beabsichtigte Fortführung des
Verfahrens mit dem Ziel einer Sachentscheidung hingewiesen und um Stellung-
nahme gebeten; innerhalb der gesetzten Frist haben die Verfahrensbeteiligten
keine entgegenstehenden Stellungnahmen zur Gerichtsakte gereicht.

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2016 hat die Einsprechende ihre Beschwerde begründet
und hierbei hinsichtlich des Widerrufsgrundes mangelnder Patentfähigkeit noch
weitere Dokumente zum Nachweis des Standes der Technik zum Anmeldezeit-
punkt herangezogen. Zudem hat sich die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ge-
genüber der ursprünglichen Fassung geänderte Zeichnungen ergänzend auf den
Widerrufsgrund unzulässiger Erweiterung berufen.
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Die Patentinhaberin hat sich auf die ihr zugestellten Schriftsätze der Beschwerde-
führerin – zuletzt das per Telefax am 17. Januar 2017 zusammen mit vergrößerten
Teil-Darstellungen bereits vorliegender Zeichnungsdokumente eingegangene
Schreiben der Beschwerdeführerin – bis zur mündlichen Verhandlung (schriftsätz-
lich) nicht geäußert.

In der mündlichen Verhandlung am 18. Januar 2017 hat die Einsprechende und
Beschwerdeführerin den Antrag gestellt,

den Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 27. November 2013 aufzuheben und das Patent
10 2006 037 072 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Brennstoffgetriebenes Schienenfahrzeug (1), mit in einem Maschi-
nenraum angeordnetem Motor (4) und einer Abgasanlage (3) für
den Motor (4), wobei die Abgasanlage (3) in ein Dach (2) des
Schienenfahrzeugs (1) integriert ist, dadurch gekennzeichnet,
dass sich die Abgasanlage (3) entlang eines Längsabschnittes
des Schienenfahrzeugs (1) über dessen gesamte Breite erstreckt
und auf Dach-Längsträgern (5) des Schienenfahrzeugs (1) abge-
stützt ist.

Hieran schließen sich 7 direkt oder indirekt auf den Anspruch 1 rückbezogene
Unteransprüche an.
- 5 -
In der mündlichen Verhandlung wurden folgende, bereits im Rahmen des Ertei-
lungs- und Einspruchsverfahren berücksichtigte bzw. im Beschwerdeverfahren
eingeführte Dokumente im Einzelnen hinsichtlich ihrer Relevanz für den Widerrufs-
grund mangelnder Patentfähigkeit im Einzelnen betrachtet:

D1 DE 1 771 062 U
E3 „Europäische Standardlokomotive, Dieselelektrische Lokomotive für den
Güterverkehr in Europa“, ALSTOM, 2002
E16a dreiseitiger Ausdruck eines Abrufs vom 08.01.2014 der Webseite
www.railcolor.net zu der OSE DE 2000
E16b zweiseitige technische Zeichnung der Lokomotive mit der Sachnummer
3EGK 464 656 A 0100
E16c technische Zeichnung der Lokomotive mit der Sachnummer 3EGK
464 660 A 0100
E16d einseitige technische Zeichnung der Lokomotive mit Sachnummer 3EGK
464 501 A 0100
E16e zwölfseitige Stückliste mit der Erläuterung der Positionen in der techni-
schen Zeichnung gemäß E16b
E17 Artikel „Die Lokomotive DE 2000 für die Griechische Staatsbahn, Eisen-
bahn-Revue 10/1998, S. 412-419.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten einschließlich der elektronisch ge-
führten Teile verwiesen.


II.

1. Die statthafte Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht
eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig (§ 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG,
§ 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). In der Sache hat die Beschwerde auch Erfolg, weil
sich der im Einspruchsverfahren geltend gemachte Widerrufsgrund fehlender Pa-
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tentfähigkeit des Gegenstands nach dem unverändert geltenden Anspruch 1 in der
erteilten Fassung als durchgreifend erweist.

2. Von einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Deutsche
Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG wegen der mit dem La-
dungszusatz vom Senat dargelegten verfahrensrechtlichen Bedenken hinsichtlich
des Fehlens einer Urschrift der Beschlussbegründung hat der Senat abgesehen,
denn letztlich liegt ein beschwerdefähiger Beschluss bereits deshalb vor, weil der
Beschluss über die Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents mit seiner Ver-
kündung am Ende der mündlichen Anhörung vor der Patentabteilung (§ 47 Abs. 1
Satz 2 PatG) – laut dem die an der Entscheidung mitwirkenden Mitglieder der Pa-
tentabteilung ausweisenden, vom Vorsitzenden und Schriftführer unterschriebe-
nen Protokoll – existent und infolgedessen anfechtbar geworden ist (vgl. BPatG
Beschluss vom 19. Februar 2014, 19 W (pat) 16/12; BGHZ 137, 49 – Elektrischer
Winkelstecker II). Auch können die etwa bestehenden Verfahrensmängel nur noch
als die Folge der anfänglichen, rechtlich bedenklichen und inzwischen zeitlich be-
grenzten Praxis des Deutschen Patent- und Markenamtes eingeordnet werden,
die mit der neuen Durchführungsregel des Amtes überwunden wurde (vgl. BPatG
Beschluss vom 12. Mai 2014, 20 W (pat) 28/12).

Eine Zurückverweisung steht nach § 79 Abs. 3 PatG im Ermessen des Gerichts.
Das Gericht kann, muss aber nicht zurückverweisen. Bei der Ermessensentschei-
dung sind Instanzenverlust, Verfahrensverzögerung und ausreichende Prüfung in
der Sache gegeneinander abzuwägen. Bei Entscheidungsreife kommt eine Zu-
rückverweisung nicht in Betracht. Da sich die Beteiligten zudem konkludent rüge-
los in der Sache eingelassen haben, erscheint es auch geboten, dem Interesse
der Beteiligten an einer alsbaldigen Erledigung des Beschwerdeverfahrens nach-
zukommen und das Verfahren vor dem Senat fortzuführen.

3. Wie im angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts
zutreffend festgestellt wurde, ist der auf den Widerrufsgrund fehlender Patentfä-
- 7 -
higkeit i. S. d. §§ 3 und 4 PatG entsprechend § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG gestützte
Einspruch – auch im Übrigen – zulässig; dies wurde auch nicht bestritten.

4. Das angegriffene Patent betrifft ein brennstoffbetriebenes („brennstoffgetrie-
benes“ lt. Absatz 0001 bzw. „mit Diesel als Brennstoff betrieben“ lt. Absatz 0002)
Schienenfahrzeug, bei dem die mit dem Motor in Verbindung stehende Abgasan-
lage in ein Dach des Schienenfahrzeugs „integriert“ ist, wie es „beispielsweise aus
der DE 1 771 062 bekannt“ ist (vorliegend D1), demnach dort eine Abgasanlage in
das Dach „eingesetzt“ ist, vgl. Absatz 0001.

Lt. den Absätzen 0003 und 0004 wird im Hinblick auf den Wartungsbedarf der Ab-
gasanlagen brennstoffbetriebener Schienenfahrzeuge eine der streitpatentgemä-
ßen Erfindung zugrunde liegende Aufgabe in einer dahingehenden Weiterent-
wicklung gesehen, „dass die Abgasanlage für Wartungsarbeiten günstig angeord-
net wird“. Soweit sich die Abgasanlage entlang eines Längsabschnitts des Schie-
nenfahrzeugs „über dessen gesamte Breite“ erstreckt, „steht ein sehr erheblicher
Raum zur Unterbringung der Abgasanlage innerhalb des Daches zur Verfügung,
so dass auch komplex ausgestaltete Anlagen in das Dach einbaubar sind“ (Ab-
satz 0008).

Gemäß Anspruch 1 wird eine Lösung für die genannte Aufgabe, die zudem den
angeführten Vorteil ermöglicht, in einem Schienenfahrzeug mit folgenden Merk-
malen gesehen:

M1 Brennstoffgetriebenes Schienenfahrzeug (1),
M1.1 mit in einem Maschinenraum angeordnetem Motor (4) und
M1.2 mit einer Abgasanlage (3) für den Motor (4),
M1.2.1 wobei die Abgasanlage (3) in ein Dach (2) des Schienen-
fahrzeugs (1) integriert ist,
(Oberbegriff)

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M1.2.2 die Abgasanlage (3) erstreckt sich entlang eines Längs-
abschnittes des Schienenfahrzeugs (1)
M1.2.2.1 über dessen gesamte Breite
M1.2.3 die Abgasanlage ist auf Dach-Längsträgern (5) des
Schienenfahrzeugs (1) abgestützt
(Kennzeichenteil)

5. Im Lichte des Offenbarungsgehalts der Patentschrift bzw. des vom Patent
selbst vorausgesetzten Fachwissens ist als Fachmann vorliegend ein diplomierter
Maschinenbauingenieur angesprochen, mit mehrjähriger Berufserfahrung in der
Konzeption (Entwicklung) und Konstruktion von Schienenfahrzeugen.

6. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten zur Bedeu-
tung einzelner auslegungsbedürftiger Merkmalsangaben – nicht nur hinsichtlich
der Zuordnung des Merkmals M1.2.2.1 zur Abgasanlage, zum Längsabschnitt
oder Schienenfahrzeug, sondern weil der Anspruch weder die möglichen Bestand-
teile der Abgasanlage (Merkmal M1.2) noch die hiervon offensichtliche Art der In-
tegration (Merkmal M1.2.1) näher definiert – sind folgende Ausführungen zur Aus-
legung des im Anspruch 1 umschriebenen Gegenstands veranlasst. Diese hat sich
am technischen Sinngehalt der Merkmale im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zu
orientieren (st. Rspr., BGH GRUR 2011, 129 – Fentanyl-TTS; GRUR 2002,
515 - Schneidmesser I, m. w. N.), wobei der Sinngehalt eines einzelnen Merkmals
im Kontext der Patentschrift und der Funktion zu sehen ist, die es für sich und im
Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs bei der Her-
beiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat. Insofern ist das Verständnis eines
Merkmals also im Lichte der Gesamtoffenbarung der Patentschrift zu bestimmen
(BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum I; GRUR 2015, 868 – Polymer-
schaum II). Ein auf das Ausführungsbeispiel einengendes Verständnis der Merk-
male über die gebotene Auslegung hinaus verbietet sich indes (vgl. dazu BGH,
GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
- 9 -
6.1 Auf die möglichen Bestandteile der „Abgasanlage“ (M1.2) für einen brenn-
stoffbetriebenen und von daher Abgase erzeugenden Motor und über die Art der
„Integration“ selbst solcher Komponenten, die der Fachmann beiläufig – wie einen
Schalldämpfer oder Abgase führende Leitungen, zumal eine Ausbildung als „Ab-
gasnachbehandlungssystem“ mit hierfür typischen Bestandteilen erst Gegenstand
der Weiterbildung nach den Unteransprüchen 5 und 6 ist – als fachübliche Be-
standteile unterstellt, kann auch nicht über die übrigen Merkmale im Anspruch 1
eindeutig geschlossen werden, diese hängen ersichtlich u. a. von der nicht
definierten Art des Motors und des Schienenfahrzeugs ab.

Da die Abgasanlage in das Dach „integriert“ sein soll, kann jedenfalls das Dach
die Abgasanlage nicht selbst ausbilden, selbst einer ähnlich lautenden Aussage im
Absatz 0022 kann der Fachmann nur im Kontext der übrigen Beschreibung einen
Sinngehalt beimessen. So ist in der Patentschrift selbst eine in ein Dach „einge-
setzte“, kastenförmig ausgebildete Abgasanlage als „integriert“ im Sinne der Merk-
male im Oberbegriff angesehen (vgl. Absatz 0001), und die Integration von „kom-
plex ausgestalteten Anlagen“ kann dadurch realisiert sein, dass diese „in das
Dach einbaubar sind“ (vgl. Absatz 0008, Unterstreichung hinzugefügt). Auch über
den tatsächlich von der Abgasanlage im Dach anteilig beanspruchten Raum
schweigt sich das Patent aus, da den Merkmalen M1.2.2, M1.2.2.1 und M1.2.3 le-
diglich zugeschrieben ist, dass hierdurch „ein sehr erheblicher Raum zur Unter-
bringung der Abgasanlage innerhalb des Daches zur Verfügung steht“ (vgl. Ab-
satz 0008). Daher kann diesen Merkmalen auch nicht unterstellt werden, dass
diese zwangsläufig auf eine Herrichtung für eine vollständige Raumausnutzung
durch oder für eine alleinige Nutzung durch Bestandteile einer Abgasanlage abzie-
len.

- 10 -

Figur 2 aus PS

In der Patentschrift ist als erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel am Beispiel
einer Diesellokomotive eine Anordnung mit einem „Dachelement“ als Bestandteil
des Dachs beschrieben und gezeigt, bei der das Dach der Lokomotive in Längs-
richtung nicht durchgehend ausgebildet ist, obwohl ein entsprechender Gesamt-
eindruck bei einer hinsichtlich der Formgebung ihrer Oberseite angepassten, sich
ggf. „über einen erheblichen Anteil an der Gesamtlänge“ erstreckenden, in ein
„Dachelement“ integrierten Abgasanlage erhalten bleibt (Abs. 0022). Mit der Dar-
stellung in der Figur 2 drängt sich dem Fachmann ein Verständnis auf, dass die-
ses „Dachelement“, in das die Abgasanlage „integriert“ sein soll, im montierten Zu-
stand auf den gezeigten, dort am oberen Rand der Seitenwände angeordneten
Dach-Längsträgern abgestützt ist. In genau dieser Ausführungsform mit einem
Dachelement, in das die Abgasanlage „integriert“ ist, kann die Lösung der genann-
ten Aufgabe unterstellt werden, und auch der im Absatz 0008 genannte Vorteil des
größeren zur Verfügung stehenden Raumes wird sich in dieser Realisierung der
patentgemäßen Lehre ergeben, unabhängig von der im Anspruch nicht definierten
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Anordnung und Anbindung der Längsträger an den übrigen Aufbau des Schienen-
fahrzeugs.

In Anbetracht des einzigen Ausführungsbeispiels wird der Fachmann dem Merk-
mal M1.2.2 i. V. mit den übrigen, vorstehend angeführten Offenbarungsstellen
demnach die Bedeutung beimessen, dass sich der Dachabschnitt selbst, in den
die Abgasanlage integriert ist (M1.2.1) und der sich insoweit i. S. d. Merk-
mals M1.2.2 bereits entlang eines Längsabschnitts des Schienenfahrzeugs er-
streckt, gleichsam auch über die gesamte Breite des Schienenfahrzeugs erstreckt
gemäß Merkmal M1.2.2.1, nämlich bis zu den vertikalen Seitenwänden; ein „Dach“
überdeckt nämlich nach allgemeinem Begriffsverständnis – und hinsichtlich dieser
Wortbedeutung so auch durch das Ausführungsbeispiel bestätigt – die Fläche zwi-
schen zwei beabstandeten Seitenwänden nicht nur in Längs-, sondern auch in
Querrichtung, wobei die in Längsrichtung verlaufenden Seitenwände jedenfalls die
maßgebliche, weil noch sinnvoll zur Unterbringung von Einbauten nutzbare Breite
eines Schienenfahrzeugs bestimmen.

Mithin wird der Fachmann dem Merkmal M1.2.3 auch einen Sinngehalt unterle-
gen, demnach sich die Bestandteile der in das Dach „integrierten Abgasanlage“
auch nur mittelbar – nämlich unter Vermittlung des Dachs in Gestalt eines „Dach-
elements“ (vgl. Absatz 0022) – auf den Längsträgern abstützen können, die indes
selbst nicht zwingend an den für die gesamte Breite maßgeblichen Seitenwänden
angeordnet sein müssen. Eine „groß dimensionierte Dachöffnung“ ergibt sich
„durch Herausheben der Abgasanlage 3 aus dem Dach 2“ nur in dieser durch den
Patentanspruch auch nicht mittelbar definierten Anordnung.

Aus vorstehender Betrachtung folgt, dass der Fachmann den Merkmalen der
Gruppe M1.2 in ihrer Kombination beiläufig die Bedeutung eines „Dachelements“
beimessen wird, in das eine Abgasanlage mit ihren Bestandteilen auch „einge-
setzt“ vorliegen kann, ohne dass sich die Abgasanlage selbst über die gesamte
Breite des Schienenfahrzeugs erstrecken muss, mithin der durch die Ausbildung
- 12 -
eines „Dachelements“ zur Verfügung stehende Raum weder vollständig durch ent-
sprechende Komponenten ausgenutzt vorliegen muss noch zur ausschließlichen
Integration funktionstypischer Bestandteile einer Abgasanlage hergerichtet sein
muss. Nur der Raum, in den Bestandteile einer Abgasanlage einbaubar sind,
muss bis zu den Seitenwände über die Breite des Schienenfahrzeugs reichen.

Bei sinnvollem Verständnis der Lehre des Anspruchs 1 ist dessen technisches
Ergebnis ein Schienenfahrzeug mit einem zur Abstützung auf Längsträgern aus-
gelegten, als Einheit montierbaren und über die gesamte Breite reichenden Dach-
element, in das jedenfalls eine Abgasanlage – mit welchen Bestandteilen und wie
auch immer, dies überlässt das Patent dem Fachmann – integriert ist. Eine De-
montagefähigkeit unterstellt, ist bei einem solchermaßen hergerichteten Schienen-
fahrzeug die genannte Aufgabe gelöst, und auch der angeführte Vorteil des
Raumgewinns zur erweiterten Nutzung des Dachbereichs ist realisierbar.

Soweit die Beschwerdegegnerin der Merkmalskombination des Patentanspruchs 1
einen dahingehend einengenden Sinngehalt beimessen will, dass Elemente des
Dachs gleichsam Bestandteile des Abgasanlage sein sollen und das Dachelement
ausschließlich zur Aufnahme von Bestandteilen einer Abgasanlage hergerichtet
sein soll, die den zur Verfügung stehenden Raum des Dachelement in der Länge
und gesamten Breite auch vollständig ausfüllen, wird diese Auslegung durch die
Offenbarung des Patents nicht gestützt, wie vorstehend ausgeführt.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 kann nicht als neu i. S. des § 3 PatG
gegenüber der durch die Dokumente des Konvoluts E16 i. V. m. der Druck-
schrift E17 dokumentierten Vorbenutzung gelten und ist somit nicht patentfähig.

Lt. den Angaben zum mechanischen Aufbau der Lokomotive „DE 2000“ in der
Druckschrift E17 weist der Lokomotivkasten tragende Seitenwände auf, wobei die
hiervon seitlich begrenzten Räume – wie zwei Maschinenräume – durch „4 Dä-
cher“ abgedeckt sind, wobei zwei Dächer zwei Dieselaggregaten zugeordnet sind
- 13 -
und jeweils u. a. einen „Schalldämpfer tragen“, vgl. Seite 412, Abschnitt
„Mechanischer Teil, mittlere Spalte. Bereits dem Zeichnungsblatt E16d, das lt.
Schriftfeld die Anordnung der Maschinenanlage der Lok „DE 2000“ zeigt, jeden-
falls i. V. m. dem Zeichnungsblatt E16b dort in der Schnittansicht B-B ähnlich der
Schnittansicht C-C in Blatt E16d entnimmt der Fachmann unmittelbar die kon-
struktive Realisierung der Integration (Merkmal M1.2.1) eines Schalldämpfers als
Bestandteil einer Abgasanlage (Merkmal M1.2), weil dieser dort in ein Dachele-
ment eingesetzt bzw. eingebaut entsprechend dem gebotenen Verständnis der
Merkmale der Gruppe M1.2 (s. o.) ist.

Bei diesem unzweifelhaft und unbestritten der Öffentlichkeit zugänglichen Aufbau
dieses vorbenutzten Schienenfahrzeugs mit einem in einem Maschinenraum an-
geordneten Motor entsprechend den Merkmalen M1 und M1.1 sind „die Dächer“
mit den integrierten Schalldämpfern insoweit vom mechanischen Aufbau her be-
reits nicht zusammenhängend als ein Dach, sondern in Gestalt von einzelnen
Dachelementen ausgeführt, die sich ausweislich der Darstellung der Draufsicht
links unten in dem Zeichnungsblatt E16b nicht nur „entlang eines Längsabschnit-
tes des Schienenfahrzeugs“ i. S. d. Merkmals M1.2.2 gemäß vorstehend unter-
legtem Sinngehalt erstrecken, sondern auch über „die gesamte Breite des Schie-
nenfahrzeugs“ entlang dieser Erstreckung entsprechend Merkmal M1.2.2.1 bei
Beachtung des gebotenen Verständnisses.
Die Darstellung in der Schnittansicht B-B vermittelt dem Fachmann i. V. m. der
Schnittansicht D-D im Zeichnungsblatt E16c betreffend die „Anordnung der
Dächer“ zudem unmittelbar, dass sich auch die Dachelemente mit der darin inte-
grierten Abgasanlage auf Längsträgern im Sinne des Merkmals M1.2.3 „abstützt“,
weil der Fachmann eine durchgehende Erstreckung des in der Schnittansicht D-
D/E16c gestrichelt dargestellten Kastenprofils mit dem aufgesetzten U-Profil zur
Aufnahme der Schraubenmuttern in Gestalt über die Länge der – weil tragenden –
Seitenwände mitliest. Aufgrund der randseitigen Einleitung der Gewichtskraft des
Dachelements über das U-Profil in das Kastenprofil an der jeweiligen Seitenwand
- 14 -
des Kastenaufbaus handelt es sich somit um „Dach-Längsträger“ i. S. d. Merk-
mals M1.2.3.

Weil es beim Gegenstand des Anspruchs 1 nicht darauf ankommt, welche mögli-
chen Bestandteile einer Abgasanlage integriert sein sollen, und der Anspruch die
Integration weiterer Bestandteile mit ggf. anderer Funktionszugehörigkeit nicht
ausschließt, sondern der Erfindungsgedanke vorliegend in der Ausbildung eines
Dachelements mit der vorgeschriebenen Erstreckung und Abstützung seinen Nie-
derschlag gefunden hat, besteht nicht deshalb ein Unterschied gegenüber dem mit
dem Konvolut E16 dokumentierten Aufbau einer lt. der E17 vorbenutzten Loko-
motive, weil dort in den Dachelementen neben Bestandteilen einer Abgasanlage
u. a. noch Lüfter und Rückkühler integriert sind, vgl. D17 a. a. O.

Somit fehlt dem Gegenstand nach dem erteilten Anspruch 1 die Neuheit gegen-
über der geltend gemachten Vorbenutzung, weil jedenfalls die hier maßgebliche
Kombination von Merkmalen dort bereits gemeinsam verwirklicht ist.

7.1 Selbst eine Zugrundelegung der Auslegung des Patentanspruchs 1 im
Sinne der Patentinhaberin hätte das Ergebnis insoweit nicht gewendet, als ein
Schienenfahrzeug mit den Merkmalen des Anspruchs 1, bei dem in dem Dach-
element ausschließlich Bestandteile einer Abgasanlage integriert vorlägen und
diese den zur Verfügung stehenden Bauraum auch vollständig ausnutzten, je-
denfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit i. S. des § 4 PatG beruhte.

Denn die den Aufbau des Lokkastens mit gleichermaßen tragenden Seitenwänden
beschreibende Druckschrift E3 („arbeitende Kastenseiten“, vgl. Abschnitt 11)
schlägt die Verwendung von „Dachaufsätzen“ vor, die nicht nur „unabhängig von-
einander ausbaubar sind“ ähnlich der vorstehend betrachteten Vorbenutzung ge-
mäß E16/E17, sondern als Module ausgebildet sind, die von daher nur Bestand-
teile mit gemeinsamer Funktionszugehörigkeit integrieren. So soll dort ein „Kühl-
modul“ mit Kühlern und Gebläsen als Dachaufsatz dienen, wie auch die Bremswi-
- 15 -
derstände zusammen mit dem zugehörigen Motorgebläse in einem anderen Dach-
aufsatz zusammengefasst sein sollen (vgl. Abschnitte 5 und 6 in E3). Mithin ist
dem Fachmann ein alternatives Konzept zur Zusammenfassung von Funktions-
trägern in einem Dachelement eines Schienenfahrzeugs bekannt, das dieser im
Rahmen einer einfachen Auswahlentscheidung unter Abwägung der Vor- und
Nachteile je nach praktischem Bedarfsfall – beispielsweise der Größe der zu inte-
grierenden Schalldämpfer – ohne erfinderisches Zutun als Basis für die Integration
einer Abgasanlage in das Dach eines Schienenfahrzeug hernehmen würde.

8. Die Unteransprüche teilen das Schicksal des Hauptanspruchs. Weder
wurde ein eigenständiger erfinderischer Gehalt geltend gemacht, noch ist ersicht-
lich, dass die jeweiligen Weiterbildungen zu einer anderen Beurteilung hätten füh-
ren könnten.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe
gestützt wird, nämlich dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
- 16 -
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Hilber Paetzold Sandkämper Dr. Baumgart

Ko



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