9. Senat - Verfall des Urlaubsanspruchs bei andauernder Krankheit - Kostenentscheidung - Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung
Karar Dilini Çevir:
9. Senat - Verfall des Urlaubsanspruchs bei andauernder Krankheit - Kostenentscheidung - Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung
Bundesarbeitsgericht 9 . Senat Urteil vom 12. November 2013 - 9 AZR 646/12 - I. Arbeitsgericht Mainz Auswärtige Kammer n Bad Kreuznach Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 Ca 405/11 - II. Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz Urteil vom 22. Juni 2012 - 9 Sa 52/12 - F ür die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichwort e : Kostenentscheidung - Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung Gesetz e : BGB §§ 242, 362 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 , § 1967 Abs. 1, § 2059 Abs. 1; BUrlG §§ 1, 3, 5 Abs. 1 Buchst. c , § 7 Abs. 3 und Abs. 4, § 9; SGB IX § 1 ; ZPO § 559 Abs. 1, § 780 Abs. 1 ; Manteltarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zent ralbanken vom 18. April 1979 in der Fassung vom 5. Juni 2008 (MTV) § 15 Leitsätze: keine - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 9 AZR 646/12 9 Sa 52/12 Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz Im Namen des Volkes! Verkündet am 12. November 2013 URTEIL Brüne , Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte , Berufungs klägerin und Revisionsklägerin, pp. 1. Revisionsbeklagte zu 1. , 2. Revisionsbeklagter zu 2. , 3. Revisionsbeklagte zu 3. , als Erben des am 16. Februar 2013 verstorbenen S , Kläger und Berufungsbeklagter, - 2 - 9 AZR 646/12 - 3 - hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 12. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bu n- desarbeitsgericht Dr. Brühler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer und Dr. Suckow sowie die ehrenamtliche Richterin Neumann und den ehre n- amtlichen Richter Dipper für Recht erkannt: 1. Auf die Revision de r Beklagten wird das Urteil des Landesarbe itsgericht s Rheinland - Pfalz vom 22 . Juni 201 2 - 9 Sa 52 /1 2 - aufgehoben. 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des A r- beitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreu z- nach - vom 27. Oktober 2011 - 5 Ca 405/11 - abgeä n- dert : Die Klage wird abgewiesen. 3 . Die Revisionsbeklagten haben die Kosten des Recht s- streits zu tragen. Den Revisionsbeklagten wird bezü g- lich der Kosten, die bis zum 16. Februar 2013 entsta n- den sind, die Beschränkung der Haftung auf den Nac h- lass des Erblassers vorbehalten. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Revisionsbeklagte n zu 1 . bis 3. begehr en als Erb en des am 16. Februar 2013 verstorbenen S (Erblasser) von der Beklagten, gesetzlichen Mindesturlaub , Zusatzurlaub für schwer behinderte Menschen (Zusatzurlaub) und Mehrurlaub nach dem Manteltarifvertrag für die Volksbanken und Raiffe i- senbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken (Mehrurlaub) aus den Jahren 2006 bis 2011 abzugelten. Die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin beschäftigten den schwe r- behind erten Erblasser, der seine Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbrachte, vom 2. Januar 1989 bis zum 31. März 2011, zuletzt als Marktb e- reic hsleiter gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 8.711 ,00 Euro . Der Mante l- 1 2 - 3 - 9 AZR 646/12 - 4 - tarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genosse n- schaftlichen Zentralbanken vom 18. April 1979 in der Fassung vom 5. Juni 2008 ( MTV ) , der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis A n- wendung fand, lautet auszugsweise wie fol gt : § 15 Erholungsurlaub 1. Der Erholungsurlaub wird für das laufende Kale n- derjahr ge währt. Er beträgt - unabhängig von indiv i- duellen Arbeitszeitschwankungen - 30 Arbeitstage. Als Arbeitstage gelten alle Werktage mit Ausnahme der Sonnabende. 2. Schwerbehinderte haben Anspruch auf einen Z u- satzurlaub von sechs Arbeitstagen im Jahr . ... 8. Das Fernbleiben infolge Krankheit darf nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet werden. Der Erblasser war vom 6. September 2005 bis zum 31. März 2011 durchgehend arbeitsunfähig krank. Unter dem 17. Februar 2011 kamen die B e- klagte und der Erblasser überein, ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. März 2011 zu beenden. In der Folgezeit galt di e Beklagte 54 Arbeitstage Urlaub ab. Der Erblasser hat die Rechtsauffassung vertreten, er habe Anspruch auf die Abgeltung weiterer 135 Arbeitstage Urlaub. Infolge seiner langjährigen Erkrankung seien die Urlaubsansprüche nicht untergegangen. Der MTV unte r- scheide nicht zwischen dem gesetzlichen Mindest - und dem tariflichen Mehru r- laub. § 15 Ziff . 8 MTV enthalte eine für den Arbeitnehmer gegenüber der g e- setzlichen Bestimmung des § 7 Abs. 3 B U rlG günstigere Regelung , der zufolge Fehlzeiten infolge Krankheit ni cht urlaubsschädlich seien. Schließlich handele die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich auf die zeitliche Begrenzung des U r- laubsanspruchs berufe. Der Erblasser hat beantragt, d ie Beklagte zu verurteilen , an ihn 55.999,35 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten 3 4 5 - 4 - 9 AZR 646/12 - 5 - über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2011 zu zahlen . Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung bea n- tragt, Urlaubsansprüche , die über die bereits abgegoltenen hinausgingen, seien vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsg e- richt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Lande s- arbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Be klagte die Abweisung der Klage weiter. Entscheidungsgründe Die Rev i sion der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsg e- richts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Beklagte i st nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet, an die Revisionsbeklagten , die mit dem Tod des Erblasser s gemäß § 1922 Abs. 1 BGB in dessen Rechtsstellung eintraten, einen Bruttob e- trag iHv. 55.999,35 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem B a- sisz inssatz zu zahlen. I. Der Erblasser hatte zu Beginn der Jahre 200 6 bis 2011 jeweils A n- spruch auf 20 Arbeitstage gesetzlichen Mindesturlaub (§ § 1 , 3 BUrlG) , auf fünf Arbeitstage gesetzlichen Zusatzurlaub (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) , auf zehn Arbeitst age tariflichen Mehrurlaub ( vgl. § 15 Ziff. 1 MTV ) und auf ein en Arbeit s- tag tariflichen Zusatzurlaub ( vgl. § 15 Ziff. 2 MTV) . Die Beklagte hatte jedoch gemäß § 7 Abs. 4 B UrlG nur 36 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2010 und neun Arbeitstage Ur laub aus dem Jahr 2011 abzugelten. Da der Erblasser am 31. März 2011 und damit in der ersten Hälfte des Jahres 2011 aus dem A r- beitsverhältnis ausschied, reduzierte sich sein Urlaubsanspruch für dieses Jahr von 36 Arbeitstagen auf neun Tage (§ 5 Abs. 1 Buchst. c B U rlG) . Info lge der 6 7 8 9 - 5 - 9 AZR 646/12 - 6 - Abgeltung von 54 Arbeitstagen Urlaub ist der Urlaubsabgeltungsanspruch durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB) . II. Die Urlaubsansprüche des Erblasser s aus den Jah ren 2006 bis 200 9 verfiel en jeweils am 31. März des zweiten auf das jeweilige U rlaubsjahr folge n- den Jahres. 1. § 7 Abs. 3 BUrlG ist unionsrechtskonform so auszulegen, dass der g e- setzliche Urlaub sanspruch nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Die un ionsrechtskonforme Auslegung hat jedoch nur zur Folge, dass der aufrech t- erhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsa n- spruch hinzutritt und damit erneut dem Fristenre gime des § 7 Abs. 3 BUrlG u n- terfällt. Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, gebietet das Unionsrecht keine weitere Au f- rechterhaltung des Urlaubsanspruchs. Bestehen keine zugunsten des Arbei t- nehmers abweichende n Regelungen, verfällt der Urlaubsanspruch zu diesem Zeitpunkt. Der Senat hat dies in seiner Entscheidung vom 7. August 2012 ( - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff.) eingehend begründet. Ein Vorabentscheidungsve r- fahren vor dem EuGH ist nicht erforderlich (vgl. BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 63/11 - Rn. 9) . 2. Der gesetzli che Zusatzurlaub , der tarifli che Mehrur laub und der tarifl i- che Zusatzurlaub teilen hier das Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs . Der MTV sieht keine vom BUrlG abweichenden, für den Arbeitnehmer gü nstig e- ren Frist - oder Verfallsbestimmungen vor. Dies gilt auch für § 15 Ziff. 8 MTV, dem zufolge ein Fernbleiben infolge Krankheit nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet werden darf. Die Tarifnorm entspricht § 9 BU rlG, wonach die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Ja h- resurlaub nicht angerechnet werden , wenn ein Arbeitnehmer während des U r- laubs erkrankt . Ke ine der beiden Bestimmungen trifft Regelungen zur unbefri s- teten Ansammlung von Url aubsansprüchen. 10 11 12 - 6 - 9 AZR 646/12 - 7 - 3. Ent gegen der Auffassung des Erblassers handelt die Beklagte nicht treuwidrig iSd. § 242 BGB, wenn sie aufgrund des Verfall s der Urlaubsanspr ü- che des Erblassers aus den Jahren 2006 bis 2009 keine weitere Urlaubsabge l- tung zahlt. Wenn die Beklagte im Laufe des Zustimmungsverfahrens vor dem Integrationsamt auf die möglichen wirtschaftlichen Belastungen aufgrund der Erkrankung des Erblassers hingewiesen hat, hat sie damit noch nicht den A n- schein erweckt, sie werde die beanspruchte Urlaubsabge ltung zahlen und damit insgesamt 189 Urlaubstage abgelten, zumal damals die urlaubsrechtlichen Fo l- gen einer lang an dauernden Arbeitsunfähigkeit nicht geklärt waren. I II. Die Revisionsbeklagten haben die Kosten des Rechtsstreits nach Kop f- teilen zu tragen (§ 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO) . Gemäß ihrem Antrag ist ihnen die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass insoweit vorbehalten , als es sich bei den Kosten um Nachlassverbindlichkeiten handelt (§ 780 Abs. 1 ZPO analog) . 1. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet d er Erbe für die Nachlassverbindlic h- ke i ten grundsätzlich unbeschränkt, dh. nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem eigenen Vermögen. Allerdings besteht für den Erben die Mö g- lichkeit, seine Haftung a uf den Nachlass zu beschränken . So kann jeder M ite r- be bis zur Teilung des Nachlasses die Berichtigung der Nachlassverbindlichke i- ten aus dem Vermögen, das er außer seinem Anteil am Nachlass hat, verwe i- gern (§ 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB) . Nach dem Wortlaut des § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe des Schuldner s verurteilte Beklagte die Beschränkung seiner Haftung im Vollstreckungsverfahren nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. 2. Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung g e- nügt es , dass sich der Erbe im Erkenntnisverfa hren darauf beruft . Eines darüber hinausgehenden Sachvortrags oder einer gesonderten Begründung bedarf es nicht . Denn im Erkenntnisverfahren kommt es nicht darauf an, ob die materiell - rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung erfüllt sind . Nimmt das Gericht einen Vorbe halt in den Urteilstenor auf, bleibt die sachliche Klärung des Haftungsumfangs dem besonderen Verfah ren gemäß § 785 ZPO überlassen 13 14 15 16 - 7 - 9 AZR 646/12 - 8 - (vgl. BGH 2. Februa r 2010 - VI ZR 82/09 - Rn. 7 f.) . Entgegen dem rev ision s- rechtlichen Grundsa tz, dass eine auf eine neue Tatsache gestützte Einrede in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung findet (§ 559 Abs. 1 ZPO) , ist die Einrede der beschränkten Erbenhaftung dann zu zulassen , wenn ihre Erhebung in der Tatsacheninstanz nicht möglich gewesen ist , etwa weil der Erbfall erst nach Einlegung der Revision eingetreten ist (vgl. BGH 26. Juni 1970 - V ZR 156/69 - BGHZ 54, 204) . 3. So liegt der Fall hier. Nachdem d er Erblasser während des Revision s- verfahrens am 16. Februar 2013 verstorben ist, sind d ie Revisionsbeklagten in den Rechtsstreit eingetreten und haben beantragt, ihnen die Beschränkung der Erbenhaftung vorzubehalten. Nach dem Wortlaut des § 780 Abs. 1 ZPO liegen die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Vorbehalts zwar nicht vor. Die Revisionsbeklagten , die in die Rechtsstellung des klagenden Erblassers eing e- treten sind, (n) Vorschrift ist im Streitfall allerdings entsprechend anzuwenden. Die Regelung des § 780 ZPO soll sich erstellen, dass der Titel bereits regelt, ob der Erbe sich in der Zwangsvollstreckung auf die Beschränkung seiner Haftung berufen kann (BGH 11. Juli 1991 - IX ZR 180/90 - zu I 2 b bb der Gründe) . Der Erbe haftet nicht nur, wenn er als B eklagte r zu einer Le istung verurteilt wird, sondern auch , wenn er als Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Ergeht gegen den Erben eine Kostengrundentscheidung, so kann er seine Haftung nur in den Fällen auf den Nachlass beschränken, in denen die Kostenentscheidu ng einen entsprechenden Vorbehalt vorsieht (vgl. MüKo ZPO/ Kar s ten Schmidt /Brinkmann 4. Aufl. § 780 Rn. 21) . Fehlt es an einem Vorbehalt , ist der Kläger im Koste n- festsetzungsverfahren mit der Haftungsb eschränkung präkludiert. Denn im Ko s- tenfestsetzungsverfahren, in dem die Kostengrundentscheidung bindend ist (vgl. BGH 13. Januar 2004 - XI ZR 35/01 - ) , kann der Vorbehalt nicht mehr e r- folgen (vgl. OLG Koblenz 28. Juni 1996 - 14 W 355/96 - ; vgl. ferner OLG Mü n- chen 12. Mai 1993 - 11 W 1407/93 - ) . 4. Die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass kann nur im Hinblick auf Nachlassverbindlich keiten iSd. § 1967 BGB eingreifen . Handelt es sich dag e- 17 18 - 8 - 9 AZR 646/12 gen um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, kommt der Vorbehalt einer b e- schränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht (BGH 5. Juli 2013 - V ZR 81/12 - Rn. 6) . Die beschränkte Erbenhaftung kommt dem Erben deshalb nicht für die Kosten eigener Prozessführung zustatten ( vgl. MüKo ZPO/Karsten Schmidt/Brinkmann aaO ) . Da der Erblasser am 16. Februar 2013 verstorben ist, sind die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten als Nachlassverbindlichkeiten von dem Vorbehalt erfasst. Die später entstandenen Kosten fallen den Revisionsbeklagten vorbehaltlos zur Last. Brühler Krasshöfer Suckow Matth. Dipper Neumann

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