9. Senat - Kürzung der Urlaubsdauer wegen Krankheit
Karar Dilini Çevir:
9. Senat - Kürzung der Urlaubsdauer wegen Krankheit
Bundesarbeitsgericht 9 . Senat Urteil vom 15. Oktober 2013 - 9 AZR 374/12 - I. Arbeitsgericht Kaiserslautern Urteil vom 18. Oktober 2011 - 8 Ca 1111/11 - II. Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz Urteil vom 1. März 2012 - 11 Sa 647/11 - F ür die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichwort: Kürzung der Urlaubsdauer wegen Krankheit Gesetz e : BGB § 249 Abs. 1, § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2 , §§ 305, 307 Abs. 1; B U rlG § 7 Abs. 3 Satz 3 Leitsätze: keine - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 9 AZR 374/12 11 Sa 647/11 Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz Im Namen des Volkes! Verkündet am 15. Oktober 2013 URTEIL Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin, pp. Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 15. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesa r- beitsgericht Dr. Brühler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer und Klose sowie die ehrenamtlichen Richter Kranzusc h und Lücke für Recht e r- kannt: - 2 - 9 AZR 374/12 - 3 - 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des La n- desarbeitsgerichts Rheinland - Pfalz vom 1. März 2012 - 11 Sa 647/11 - wird zurückgewiesen . 2 . Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten dar über , ob die Beklagte im Jahr 2011 arbeitsve r- tragli chen Mehrurlaub wegen krankheitsbedingter Fehltag e des Klägers kürzen durfte. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Mai 2007 - zunächst au f- grund des Arbeitsver trags vom 19. März 2007 - als Polsterer beschäftigt. Nach § 5 des weiteren Arbeits vertrag s vom 29. kalenderjährlichen Erholungsurlaub von 20 Arbeitstagen (= 4 äftigungsverhältnis festg e- le g ten Voraussetzungen einen zusätzlichen freiwilligen Urlaub von 7 Arbeitst a- gen (1,4 Die von den Parteien ebenfalls bereits am 19. März 2007 unterzeichn e- (Rahmenverei nb a- rung) enthält ua. die folgenden Regelungen: VIII. Urlaub 1. Der Mitarbeiter erhält unter Zugrundelegung einer Fünf - Tage - Woche (in Anlehnung an das BU rlG) e i- nen kalenderj ährlichen Erholungsurlaub von 20 Ar - beitstagen (= 4 Wochen). 2. Zusätzlich wird ein freiwilliger betrieblicher Urlaub von 7 Arbeitstagen (= 1,4 Wochen) gewährt. 1 2 3 - 3 - 9 AZR 374/12 - 4 - 4. Der Anspruch auf den über den gesetzlichen U r- laubsanspruch hinausgehenden zusätzlichen Urlaub entfällt a) Für krankheitsbedingte Fehltage gilt folgende Staffel Vom 4. - 7. Krankheitstag 1 Urlaubstag Vom 8. - 11. Krankheitstag 2 Urlaubstage Vom 24. - 27. Krankheitstag 6 Urlaubstage Vom 28. - 31. Krankheitstag 7 Urlaubstage 5. Die für den vorzeitig und zu viel gewährten Urlaub gewähr te Urlaubsvergütung gi l t als Entgeltvorschuss. D iesen kann die Firma zurückford ern und mit Za h- lungsforderungen verrechnen. X. Zusätzliches Urlaubsgeld 1. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt für jeden Tag Erholungsurlaub 20,45. Es ist eine freiwillige Za h- lung; auch eine wiederholte Gewährung begründet keinen Rechtsanspruch. XI. Sonderzahlungen 1. Die Gewährung einer Sonderzahlung wird vom B e- triebsergebnis abhängig gemacht und jährlich neu geprüft. Sie ist eine einmalige freiwillige Zahlung; auch eine wiederholte Gewährung begründet keinen Rechtsanspruch. 3. Für den Fall der Erkrankung wird pro Tag ein Dre i- ßigstel der Sonderzahlung abgezogen. Sofern die Sonderzahlung durch die Kürzung voll aufgezehrt wird, entfällt der Anspruch. - 4 - 9 AZR 374/12 - 5 - Der Kläger war ua. in der Zeit vom 1 . bis zum 11. Februar 2011 , am 20. Mai 2011 und vom 14. bis zum 24. Juni 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlte der Kläger i m Jahr 2011 krankheitsbedingt an insgesamt 27 Arbeitstagen. Die Beklagte kürzte deshalb den Mehrurlaub des Klägers für das Jahr 2011 um insge samt sechs Tage und zahlte ihm auch ein um 122,70 Euro brutto (= 6 Tage x 20,45 Euro /Tag ) geri n- geres Urlaubsgeld . Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, seinem Urlaubskonto vier Urlaubstage gutzuschreiben. Die weiteren zwei Urlaubstage für das Jahr 2011, um die die Beklagte den Mehrurlaubsanspruch gekürzt hat, sind Gegenstand eines anderen Rechtsstreits. Das Kläger ist der Ansicht, dass die Regelungen der Rahmenvereinb a- rung gegen § 305 ff. BGB verstoßen. Sie seien als Allgemeine Geschäftsbedi n- gungen intransparent. Zudem läge eine unangemessene Benachteiligung vor, weil nicht nach den Ursachen der Arbeitsunfähigkeit (zB aufg rund eines A r- be itsunfalls) differenziert würde . Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, seinem Urlaubskonto vier T a- ge Urlaub gutzuschreiben. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Reg e- lung in Abschn. VIII Ziff. 4 der Rahmenvereinbarung für wirksam. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die B eklagte ihren Klagea b- weisungsantrag weiter . 4 5 6 7 8 9 - 5 - 9 AZR 374/12 - 6 - Entscheidungsgründe A. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet . D as Landesa r- beitsgeri cht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Urlaubskonto des Klägers vier Urlaubstage aus dem Jahr 2011 gutzuschreiben und damit nachträglich zu gewähren . I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger verlangt in Form der Leistungsklage, dass die Beklagte seinem Urlaubskonto vier Urlaubstage gutschreibt. Der A r- beitnehmer hat Anspruch darauf, das s sein Urlaubs - und Arbeitszeitkonto richtig geführt wird . Das Klageziel richtet sich darauf, dem Urlaubskonto vier Tage gu t- zuschreiben und damit diese Urlaub stage nachzugewähren (BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 9, BAGE 138, 58) . I I . Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch folgt aus § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3 , § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB . Die Beklagte war nicht berechtigt, den U r- laubsanspruch des Klägers wegen de r Regelung in § 5 des Arbeitsvertrags iVm. Abschn. VII I Ziff. 4 Buchst. a der Rahmenvereinbarung zu kürzen. Die Kürzungsregelung hält einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen G e- schäftsbedingungen gem äß § 305 ff. BGB nicht stand. Sie ist wegen Verstoß es g egen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB un wir k- sam . 1. Die Kürzungsregelung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Sa tz 1 iVm. Satz 2 BGB . Sowohl die Rahmenvereinbarung, die ge mäß § 5 des Arbeitsvertrag s vom 29. April 2008 bei der näheren Ausgesta l- tung des Anspruchs des Klägers auf Mehrurlaub zu berücksichtigen ist, als auch die Be zugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertra g s sind vo n der Beklagten vorformulierte Vertragsbedingung en , die sie nach dem äußeren Ers cheinung s- bild mehrfach verwen det hat und die sie als Verwenderin dem Kläger bei Ve r- tragsschluss stellte. Der Text der Rahmenv ereinbarung , die insgesamt acht Se i- ten umfasst, sowie der Arbeitsvertrag enthalten über die persönli chen Daten 10 11 12 13 - 6 - 9 AZR 374/12 - 7 - des Klägers zu Begin n des jeweiligen Textes hinaus keine individuellen Beso n- derheiten. Individuelle Vereinbarungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, insb e- sondere im Hinblick auf die Kürzungsregelung in Abschn. VIII Ziff. 4 Buchst. a der Rahmenvereinbarung, sind vom Landesarbeitsg ericht nicht festgestellt wo r- den. 2. Die Kürzungsregelung in § 5 des Arbeitsvertrags iVm. Abschn. VIII Ziff. 4 Buchst. a der Rahmenvereinbarung verstößt gegen das Transparenzg e- bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam . a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB sind Verwender von Allg e- meinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehö rt auch, dass Allgemeine G e- schäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BAG 3. April 2007 - 9 AZR 867 /06 - Rn. 29, BAGE 122, 64 ) . Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung b e- stehender Rechte abgehalten wird. In der Gefahr, dass er wegen unklar abg e- fasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i Sv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 96 mwN, BAGE 130, 119 ) . b ) Hieran gemessen ist die Kürzungsregelung intransparent. Sie zeigt dem Arbeitnehmer nicht hinreichend klar auf, in welchem Umfang sein vertraglicher Mehrurlaubsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit gekürzt wird. Hierdurch kann er gehindert werden , seinen (ungekürzten) Mehrurlaubsanspruch geltend zu m a- chen. aa ) D ie Beklagte verwendet in Abschn. VIII Ziff. 4 Buchst. a der Rahme n- vereinba r un g die Begriff e e ohne dass deutlich wird , ob beide Begriffe identisch angewandt werden sollen. Es ist damit nicht erkennbar, ob jeder Krankheitstag zur Kürzung führen kann oder nur die Krankheitstage , a n denen der Arbeitnehmer an sich seine A r- 14 15 16 17 - 7 - 9 AZR 374/12 - 8 - beit s leistung schuldet. Ausgehend davon, dass in ärztlichen Arbeitsunfähi g- keitsbescheinigungen iSv. § 5 Abs. 1 EFZG die voraussichtliche Dauer der A r- beitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzugeben ist, schließt der Beg k- ist. Begrifflich k önnen somit auch Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und Krankheitstage während eines gewährten Urlaubs erfas s t sein . Soweit die Beklagte mit beispielsweise Arbeitstage gemeint haben sollte , an denen eine durch eine ärztliche B escheinigung nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit bestand und grundsätzlich eine Arbeitsleistung geschuldet war , kommt dies nicht einmal ansatzweise im Wortlaut der Klausel zum Au s- druck. bb ) Schließlich ist auch die Kürzungsstaffelung als solche intransparent . So ist unklar, ob für die Berechnung des Kürzungsumfangs sämtliche Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit summiert werden (jährliche Gesa mterkrankungs dauer ) oder ob es ausschließlich auf die Dauer jeder einzelnen Erkran kung a nkommt ( Teilerkrankungsdauer) . Im letztgenannten Fall würde eine Kürzung des Mehrurlaubs unterbleiben, wenn die einzelne Erkrankung eines Arbeitnehmers maximal drei Arb eitstage andauert, da die erste Kürzu ngsstaffel erst bei vier zB drei Mal jeweils drei Arbeitstage arbeitsunfähig erkrankt ist, keine Kürzung seines Mehrurlaubs hinnehmen müsste, während ein anderer Arbeitnehmer, der neun Arbeitstage (Gesamterkrankungsdauer) erkrankt war, eine Kürzung seines Mehrurlaubsanspruchs um zwei Tage hinnehmen müsste. Da zudem angesichts von Abschn. VIII Ziff. 5 der Rahmenvereinbarung etwaig zu viel g e- zahlt es Urlaubsentgelt als Entgeltvorschuss behandelt wird, zeigt die Beklagte als Verwenderin der streitgegenständlichen Klausel den Arbeitnehmern im E r- gebnis nicht hinreichend auf, in welchem Umfang ggf. der Mehrurlaub gekürzt wird und eine etwaige Überzahlun g des Urlaubsentgelt s nachträglich auszugle i- chen ist. 18 - 8 - 9 AZR 374/12 - 9 - c) Da die Kürzung des Mehru rlaubs bereits wegen der Unwirksamkeit der Kür zungsregelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB unberechtigt erfolgte, kommt es auf die vom Landesarbeitsgericht aufgeworfene Frage, ob und inwieweit eine Kürzung von arbeitsvertraglichen Mehrurlaubsansprüchen aufgrund von Arbeitsunfähigkeit am Maßstab des § 4a EFZG zu messen ist, nicht mehr an. 3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs a us Verzug liegen vor. Der Urlaubsanspruch wandelt sich in einen Schadense r- satzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht g e- währt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24 ) . a) D ies er Urlaubsanspruch für 2011 war nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG spätestens mit Ablauf des Übertragungszeit raums am 31. März 2012 verfa llen . b) Zwar ist nicht festgestellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten die Gewährung dieser vier Urlaubstage vor Verfall verlangte. Der Verzug ergibt sich hier schon daraus, dass d ie Beklagte mit der Kürzung im Urlaubsjahr 2011 zu erkennen gab , die gekürzten Urlaubstage nicht gewähren zu wollen. Darin lag ihre ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldnerin des U r- laubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung des Klägers entbehrlich macht ( BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, BAGE 138, 58 ) . Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber aus dem Union s- recht verpflichtet ist, auch ohne Aufforderung des Arbeitnehmers von sich aus den vollen Urlaubsanspruch im Urlaubsjahr zu erfüllen (vgl. LAG Hamm 14. Februar 2013 - 16 Sa 1511/12 - zu C II 4 der Gründe, anhängig beim EuGH unter - C - 118 / 13 - [Bollacke]) . 19 20 21 22 - 9 - 9 AZR 374/12 B . Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Brühler Klose Krasshöfer Kranzusch Martin Lücke 23

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