9. Senat - Auslegung einer Vorruhestandsvereinbarung - Verhinderung des Bedingungseintritts wider Treu und Glauben
Karar Dilini Çevir:
9. Senat - Auslegung einer Vorruhestandsvereinbarung - Verhinderung des Bedingungseintritts wider Treu und Glauben
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23. September 2014 Neunter Senat - 9 AZR 827/12 - I. Arbeitsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 24. März 2011 - 21 Ca 13/11 - II. Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 17. April 2012 - 13 Sa 1210/11 - Für die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichworte: Auslegung einer Vorruhestandsvereinbarung - Verhinderung des Bedi n- gungseintritts wider Treu und Glauben Bestimmungen: GG Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1; BGB §§ 133, 157, 162 Abs. 1, § 241 Abs. 2, §§ 242, 254, 280 Abs. 1 , §§ 313, 389 ; ZPO § 256 Abs. 1; SGB VI § 236a; SGB IX § 2 Abs. 2, § 73 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 9 AZR 827/12 13 Sa 1210/11 Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 23. September 2014 URTEIL Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin, pp. Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 23. September 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bu n- desarbeitsgericht Dr. Brühler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer - 2 - 9 AZR 827/12 - 3 - und Klose sowie die ehrenamtlichen Richter innen Merte und Pielenz für Recht erkannt: 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hess i- schen Landesarbeitsgericht s vom 17. April 2012 - 13 Sa 1210/11 - wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2013 Vorruhestandsgeld zu zahlen. Die Beklagte i st ein Bankinstitut. Der am 12. Dezember 1950 geborene Kläger war bis zum 30. September 2004 bei der Rechtsvorgängerin der Bekla g- ten als AT - Mitarbeiter und Prokurist gegen eine monatliche Bruttovergütung iHv . zuletzt 6.263,33 Euro beschäftigt. Seit dem 20. März 1992 war er Inhaber eines Schwerbehindertenausweis es . Der Grad d er Behinderung betrug 80. Am 6. September 2004 schloss der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Bekla g- ten eine Vorruhestandsvereinbarung, die die Beendigung d es Arbeitsverhältni s- ses zum 30. September 2004 vorsah. Unter Ziff. 2.1 des Vorruhe standsvertra g s ist ge regelt, dass der Kläger ab dem 1. Oktober 2004 bis zum gesetzlichen Rentenbeginn ein monatliches Vorruhestandsgeld iHv. 4.800 ,00 Euro brutto erhält. Des Weiteren enthält der Vorruhestandsvertrag - soweit für den Recht s- streit von Interesse - folgende Regelungen: 4. Grundlage und Erlöschen der Ansprüche 4.1 Die Ansprüche aus dieser Vorruhes tandsvereinb a- rung erlöschen mit Beginn des Monats, für den Herr B eine gesetzliche Rente wegen Alters, Schwe r b e- hinderung oder Erwerbsminderung beanspruchen kann; das ist nach Rechtslage zur Zeit des A b- schlusses dieses Vertrages am 01.01.2011. Erfo r- 1 2 - 3 - 9 AZR 827/12 - 4 - derli che Antragstellungen obliegen Herrn B . 5. Mitwirkungspflichten 5.1 Herr B ist verpflichtet, Änderungen der ihn b e tre f- fenden Verhältnisse, die auf die Ansprüche auf Vo r- ruhestandsgeld Auswirkungen haben können, der Bank unverzüglich mitzuteilen. Dazu gehört in s b e- sondere die Aufnahme einer Tätigkeit, für die Herr B eine Vergütung für den Einsatz seiner Arbeit s kraft erhält. Während der Dauer der Vorruhestand s ve r- einbarung erhaltene Bezüge sowie eventuelle Lei s- tungen aus den Sozialvers icherungen werden auf das von der Bank zu zahlende Vorruhestand s geld angerechnet. 5.3 Herr B verpflichtet sich, einen Antrag auf Alter s re n te aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder auf vergleichbare Leistungen bei Vorliegen der V o rau s- setzung en zum frühestmöglichen Zeitpunkt (auch bei Abschlägen), auch während der Laufzeit dieser Vereinbarung , Seit Ende 2004 lebt der Kläger in Bolivien. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte dem Kläger mit Schreiben vom 11 . Oktober 2004 Ausk unft über die Folgen eines Umzugs nach Bolivien im Hinblick auf die Sozialversich e- rungsabgaben erteilt. Vorausgegangen war ein Antrag des Klägers auf Erte i- lung einer Bescheinigung für beschränkt einkommenssteuerpflichtige Arbei t- nehmer, den der Kläger am 15 . September 2004 der Personalabteilung der Rechtsvorgängerin der Beklagten übersandt hatte und in dem er seinen We g- zug nach Bolivien angegeben hatte. Mit Bescheid des Versorgungsamts der Freien Hansestadt Bremen vom 15. September 2010 wurde der Antrag des Klägers auf Verlängerung seines Schwerbehindertenausweises bestandskräftig mit der Begründung abgelehnt , für die Verlängerung bedürfe es nach dem Gesetz eines gewöhnlichen Aufen t- halts oder einer Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland. Die vom Klä ger am 9. Februar 2011 beantragte Altersrente wegen Schwerbehinderung bewilligte ihm die Deutsche Rentenversicherung Bund mit derselben Begrü n- 3 4 - 4 - 9 AZR 827/12 - 5 - dung nicht. Das vom Kläger gegen deren Bescheid vom 19. April 2011 ang e- strengte Widerspruchsverfahren ruht. Der K läger hat die Auffassung vertreten , der Anspruch auf Vorruh e- standsgeld sei nicht erloschen, weil er aufgrund seines dauerhaften Aufenthalts in Bolivien keinen Anspruch auf vorzeitige Altersr ente wegen Schwerbehind e- rung habe. Er sei auch nicht verpflichtet, nach Deutschland zurück zu kehren. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe vor Abschluss der Vereinbarung Kenntnis von seiner Auswanderungsabsicht gehabt. Die in der Vorruhestand s- vereinbarung vorgesehene Verpflichtung zur vorzeitigen Inanspruchnahme e i- ner Altersrente wegen Schwerbehinderung sei zudem diskriminierend und d a- her nicht wirksam, weil er bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersre n- te höhere Abschläge hinzunehmen hätte als ein nicht schwerbehinderter Mensch. Auch habe sich sein Gesundheitsz ustand deutlich gebessert. D er Kläger hat beantragt 1. festzustellen, dass die Beklagte aufgrund der Vorr u- hestandsvereinbarung vom 6. September 2004 ve r- pflichtet ist, ihm über den 31. Dezember 2010 hinaus bis zum 31. Dezember 2013 den monatl ichen Brutt o- betrag von 4.800,00 Euro zu zahlen, 2. h ilfsweise festzustellen, dass die Beklagte aufgrund der Vorru hestandsvereinbarung vom 6. September 2004 verpflichtet ist, ihm die finanziellen Nachteile auszugleichen, die er aufgrund der vorzeitigen Ina n- spr uchnahme einer Altersrente wegen Schwerbehi n- derung aufgrund Ziff . 5.3 der Vorruhestandsvereinb a- rung gegenüber einem nicht schwerbehinderten B e- schäftigten in der gleichen Situation erleidet, vollu m- fänglich auszugleichen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffa s- sung, dem Kläger sei das Angebot auf Abschluss des Vorruhestandsvertrags ausschließlich aufgrund seiner persönlichen Situation als schwerbehinderter Mensch sowie seiner Stellung als Betriebsratsmitglied unterbreitet word en. Derartige Vereinbarungen seien bei ihrer Rechtsvorgängerin unüblich gewesen. In den Jahren 1999 bis 2008 sei lediglich mit zwei weiteren Mitarbeitern eine Vorruhestandsvereinbarung abgeschlossen worden, jedoch zu deutlich schlec h- 5 6 7 - 5 - 9 AZR 827/12 - 6 - teren Konditionen für d ie Mitarbeiter . Nach der Vereinbarung mit dem Kläger trage dieser das Risiko, aufgrund eines von ihm verursachten Umstand s keine vorzeitige Altersr ente wegen der Schwerbehinderung beziehen zu können. Ihre Rechtsvorgängerin sollte nach Ziff. 4.1 der Vorruhe standsvereinbarung lediglich das Risiko eine r etwaigen nach Vertragsschluss erfolgten Änderung von Rechtsnormen tragen, die zu einem späteren als dem bei Vertragsschluss e r- warteten Rentenbezug ab dem 1. Januar 2011 führten. Nicht die Rechtslage, sondern di e Tatsachenlage habe sich durch den Wegzug des Klägers verä n- dert. Jedenfalls könne sich der Kläger nach § 162 Abs. 1, § 242 BGB nicht auf den nicht gegebenen Rentenanspruch ab Vollendung seines 60. Lebensjahres berufen, weil er den zum Anspruchsverlust füh renden Umstand selbst herbeig e- führt habe. Aus diesem Grund stehe ihr auch ein Schadensersatzanspruch zu. Mit diesem könne sie aufrechnen. Die Forderung des Klägers sei auch gemäß § 242 BGB wegen des entgegenstehenden Schadensersatzanspruchs einred e- behaftet . Notfalls sei § 254 BGB analog heranzuziehen. Von den Auswand e- rungsplänen des Klägers habe ihre Rechtsvorgän gerin vor Vertrags schluss nichts gewusst. Letztlich sei der Anspruch des Klägers jedenfalls zu kürzen, da durch den drei Jahre späteren Renteneintr itt die Abschläge bei der Rente g e- ringer ausfielen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die B eklagte die Wiederhe r- stellung des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidungsgründe Die zulässige Revision der Beklagten ist un begründet. Das Landesa r- beitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Beklagte aufgrund der Vorru hestandsvereinbar ung vom 6. September 2004 verpflichtet ist, dem Kläger über den 31. Dezember 2010 hinaus bis zum 31. Dezember 2013 m o- natl ich 4.800,00 Euro brutto zu zahlen . 8 9 - 6 - 9 AZR 827/12 - 7 - I. Die Klage ist zulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Festste l- lung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Recht s- verhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. 1. Der Hauptantrag ist auf die Feststellung eines Rechtsver hältnisses g e- richtet. Die Feststellungsklage muss sich nicht auf ein Rechtsverhältnis im Ga n- zen beziehen, sondern kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, etwa auf bestimmte Ansprüche beschränken (BAG 15. April 2014 - 3 AZR 288/12 - Rn. 32 mwN) . Der Anspruch auf Zahlung eines Vorruhestandsgelds iHv. 4.800,00 Euro pro Monat im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2013 ist mithin ein feststellungsfähiges Rechtsve r- hältnis (vgl. auch BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BAGE 129, 72) . 2. Das von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz zu berücksic h- tigende Feststellungsinteresse ist gegeben. a) Der mit dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit begründete Vo r- rang der Leistungsklage steht nicht en tgegen. Die Möglichkeit der Leistungskl a- ge schließt das Feststellungsinteresse nicht schlechthin aus. Die Prozesswir t- schaftlichkeit gestattet Ausnahmen. D ie Rechtsprechung ist vom Vorrang der Leistungsklage abgegangen, soweit erst im Laufe des Rechtsstreit s die Beziff e- rung einer Forderung möglich geworden ist (BAG 18. März 1997 - 9 AZR 84/96 - zu I 1 der Gründe, BAGE 85, 306) . Befindet sich der anspruchsbegrü n- dende Sachverhalt zu dem Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Forten t- wicklung, ist die Feststell ungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der A n- spruch bereits teilweise beziffert werden könnte. Ein Kläger ist nicht gezwu n- gen, zu einer bezifferten Leistungsklage über zugehen, wenn diese erst nac h- träglich im Laufe des Verfahrens möglich wird (Zöller/Grege r ZPO 30 . Aufl. § 256 Rn. 7a) . Eine Feststellungsklage ist allgemein dann zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu e r- reichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur 10 11 12 13 - 7 - 9 AZR 827/12 - 8 - Leistungsk lage sprechen (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BAGE 129, 72) . b) Danach ist die Feststellungsklage zulässig. Zum Zeitpunkt de s Ei n- gangs der Klage beim Arbeitsgericht am 30 . Dezember 201 0 war das Vorruh e- standsgeld für den Klagezeitraum noch nicht fällig. Dass zum Zeitpunkt der R e- visionsentscheidung der streitige Zahlungszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. De - zember 2013 vollständig abgelaufen war , ist für das Feststellungsinteresse u n- erheblich. Maßgebend ist allein, dass das der Vollstreckung ni cht zugängliche Feststellungsurteil geeignet ist, den Konflikt endgültig zu lösen und weitere Pr o- zesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über das Vollend ung des 60. und des 63. Lebensjahres des Klägers, nicht über die Au s- gestaltung der Leistungspflicht selbst (vgl. BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 20, BAGE 129, 72) . II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gemäß Ziff. 2 .1 der Vorruh e- standsvereinbarung für die Monate Januar 2011 bis einschließlich Dezember 2013 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Vorruhestandsgeld iHv. jeweils 4.800,00 Euro brutto. 1. Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld war nicht auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2010 befristet. Dies ergibt die Auslegung von Ziff. 4.1 der Vorruhestandsvereinbarung. a) Die streitgegenständliche Klausel enthält eine sog. nichttypische Erkl ä- rung. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist nicht einschlägig, weil der Kläger auf den Klaus elinhalt Einfluss nehmen konnte. Dieser hat selbst vorgetragen, auf seinen Wunsch hin sei Ziff . 4.1 um die Formulierung o rde n . b) Die Auslegung nichttypischer Erklä rungen ist regelmäßig den Tats a- chengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist lediglich, ob g e- setzliche Auslegungsregeln iSd. §§ 133, 157 BGB, Denkgesetze oder allgeme i- 14 15 16 17 18 - 8 - 9 AZR 827/12 - 9 - ne Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der fü r die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen worden ist. Für die revisionsrechtliche Überprüfung kommt es daher nur darauf an, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung einer nichttypischen Erklärung rechtlich möglich ist, nich t aber, ob sie tatsächlich richtig ist (BAG 20. März 2014 - 8 AZR 269/13 , 8 AZR 560/13 - Rn. 34 mwN) . Ist eine Tatsachenfestste l- lung revisionsrechtlich zu beanstanden, ist der Rechtsstreit zur erneuten Tats a- chenermittlung und Auslegung grundsätzlich an das Berufungsgericht zurüc k- zuverweisen. Das Revisionsgericht darf aber auch nichttypische Verträge selbst auslegen, wenn der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt ist und kein weiteres tatsächliches Vorbringen zu erwarten ist (BAG 18. Oktober 201 1 - 9 AZR 303/10 - Rn. 15 mwN) . So verhält es sich hier. Bis auf den nicht entscheidungsrelevanten Umstand der Kenntnis der Rechtsvorgängerin der Beklagten von den Wegzugsplänen des Klägers bei Vertragsschluss sind keine Tatsachen klärungsbedürftig. Weiter er Vortrag der Parteien ist nicht zu erwa r- ten. c) Die Vorruhestandsvereinbarung enthält kein festes Enddatum. Nach ihrer Ziff. 4.1 erlöschen die Ansprüche aus d er Vereinbarung mit Beginn des Monats, für den Herr B eine gesetzliche Rente wegen Alters, Schwerbehi n d e- rung oder Erwerbsminderung beanspruchen kann; das ist nach Rechtslage zur Zeit des Abschlusses dieses Ver . Diese Regelung kann nicht dahin gehend verstanden werden, dass der Anspruch zwar grun d sätzlich endet, wenn der Kläg er eine Rente beziehen kann, spätestens aber am 31. Dezember 2010. Vielmehr sollte der Leistungsanspruch nach dem klaren Wortlaut der Klausel nur auflösend bedingt sein für den Fall, dass der Kläger eine gesetzliche Rente wegen Alters, Schwerbehinderung od er Erwerbsmind e- rung beanspruchen kann . Der zweite Halbsatz enthält keine eigenständige au f- lösende Bedingung, sondern nur eine Wissenserklärung. Anderenfalls hätte die Regelung dahin lauten müssen, dass die Ansprüche aus der Vorruhestand s- vereinbarung erlöschen mit Beginn des Monats, für den der Kläger eine geset z- liche Rente wegen Alters, Schwerbehinderung oder Erwerbsminderung bea n- spruchen kann , spätestens aber am 1. Januar 2011. Klauseln mit einem festen 19 - 9 - 9 AZR 827/12 - 10 - Enddatum hat die Beklagte ausweislich der von i hr selbst vorgelegten Vorruh e- standsvereinbarungen mit ihrer Mitarbeiterin G und ihrem Mitarbeiter M in a n d e- ren Fällen verwandt. Demgegenüber fehlt in Ziff. 4.1 der Vorruhestand s ve r ei n- barung der Parteien ein festes Enddatum. Dementsprechend sieht Ziff. 2.1 die e 2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Vorruhestandsgelds ist nicht untergegangen, weil d ies er seinen Wohnsitz nach Bolivien verlegt hatte und deshalb ab dem 1. Jan uar 2011 keine Altersr ente wegen Schwerbehind e- rung beziehen konnte . Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger entgegen seinen Behauptungen aufgrund seines körperlichen Zustands über dem 31. Dezember 2010 hinaus die Voraussetzun gen für die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch erfüllte. a) Ein Erlöschen des Anspruch s des Klägers auf Zahlung von Vorruh e- standsgeld g emäß Ziff. 4.1 de r Vorruhestandsvereinbarung mit Ablauf des 31. Dezember 2010 setzt voraus, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2011 eine gesetzliche Rente wegen des Alters, Schwerbehinderung oder Erwerbsmind e- rung beanspruchen konnte. Dies war nicht der Fall. Insbesondere best and kein Anspruch auf vorzeitige Altersr ente für s chwerbehinder te Menschen gemäß § 236a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB VI. Zwar vollendete der am 12. Dezember 1950 geborene Kläger im Dezember 2010 sein 60. Lebensjahr. Weitere V o- raussetzung war nach § 236a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI aber die Anerke n- nung als schwerbehinderter Mensch iSv. § 2 Abs. 2 SGB I X zum Zeitpunkt des möglichen Rentenbeginns. Schwerbehindert sind jedoch ausweislich des ei n- deutigen Wortlauts der Norm nur solche Personen, die ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iSd. § 73 SGB IX r echtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Hieran fehlt es , weil der Kläger seit Ende 2004 in Bolivien leb t. b) Die Auslegung des Landesarbeitsgericht s , wonach der Anspruch auf Vorruhestandsgeld grundsätzlich nur bei tatsächlichem Bestehen eines Re n- te nanspruchs er lischt , ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch dann, wenn zugunsten der Beklagten davon ausgegangen wird , dass ihre 20 21 22 - 10 - 9 AZR 827/12 - 11 - Rechtsvorgängerin bzw. deren Vertreter bei Abschluss der Vorruhestandsve r- einbarung keine Kenntnis von dem Umzug des Klägers nach Bolivien hatten. aa ) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Klausel . Erforderlich ist d a- nach, dass der Kläger eine Rente und nicht, dass er nach einer Rückkehr nach Deutschland eine derartige Rente bb ) Sinn und Zweck der Vereinbarung stützen dieses Verständnis. Der B e- zug von Vorruhestands geld dient typischerweise dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die dadurch entstehen, dass der Anspruchsberechtigte seine E r- werbstätigkeit bei seinem Arbeitgeber vorzeitig beendet. Der Arbeitnehmer soll regelmäßig wirtschaftlich so lange abgesichert werden, bis er das Alter erreicht, in dem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 750 /09 - Rn. 34 , BAGE 137, 136 ) . Eine Abwe i- chung von diesem typischen Regelungszweck ist vorliegend nicht erkennbar. Der Kläger sollte danach als wirtschaftliche Absicherung bis zu m gesetzlichen Rente (Ziff . 2.1 Satz 1 de r Vorruhestandsve reinbarung ) zumindest die vereinbarten 4.800,00 Euro brutto zum Bestreiten des Lebensunterhalts bezi e- he n, wobei anderweitig erhaltene Arbeitsvergütung sowie Sozialleistungen a n- gerechnet werden sollten (Ziff. 5.1 Satz 3) . Eine wirtschaftliche Absicherung be steht jedoch nur bei einer tatsächlichen und nicht schon bei einer theoret i- schen Rentenbezugsberechtigung . cc ) In systematischer Hinsicht verstärkt sich dieser Befund durch die unter Ziff . 5 der Vorruhestandsvereinbarung geregelten des Klägers. Nach Ziff. 5.3 obliegt es dem Kläger ua., t- punkt (auch bei Abschlägen), auch während der Laufzeit dieser Vereinbarung , [einen Antrag auf Altersr Auch in Ziff. 4.1 Satz 2 der Vereinb a- rung wird die Obli egenheit zur Antragstellung genannt. Eine Pflicht bzw. Obli e- genheit zum Wohnsitzwechsel, um die Voraussetzungen eines Rentenbezugs erst herbeizuführen, ist nicht vereinbart . 23 24 25 - 11 - 9 AZR 827/12 - 12 - dd ) Eine ergänzende Vertragsauslegung dahin gehend, dass den Kläger eine derartig e, nicht ausdrücklich genannte Mitwirkungspflicht treffen sollte, kommt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht in Betracht . ( 1 ) Eine solche Auslegung setzt eine planwidrige Unvollständigkeit der ve r- traglichen Regelung voraus. Liegt sie vor, tritt im Weg e der ergänzenden Ve r- tragsauslegung an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderse i- tigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien verei n- bart hätten , wenn ihnen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen. Die in ihm entha l- tenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglic h, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grun d- (BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 2/13 - Rn. 43 mwN) . ( 2 ) Wusste d ie Personalleiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten en t- sprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts beim Abschluss der Vorr u- hestandsvereinbarung, dass der Kläger dauerhaft nach Bolivien auswandern wollte , liegt mangels eines nicht bedachten, unvorhergesehenen Umstand s ke i- n e planwidrige Lücke vor. Unerheblich ist, ob der Personalleiterin un bekannt war, dass die Auswanderung des Klägers zeitlich zu einer Verschiebung des Renteneintrittsalters führ t . Denn insoweit handelt e es sich um einen unbeachtl i- chen Irrtum über die rechtl ichen Folgen eines zum Zeitpunkt des Vertrag s- schluss es bekannten Umstands (vgl. zur Unbeachtlichkeit eines Rechtsfo l- genirrtums im Rahmen der Anfechtung auch : BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 234/95 - zu II 1 der Gründe) . (3 ) Hatte die Personalleiterin der Rec htsvorgängerin der Beklagten beim Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung keine Kenntnis von der Absicht des Klägers, nach Bolivien auszuwandern, führt dies zu keinem anderen Ergeb nis. Der mit der Vorruhestandsvereinbarung verfolgte Zweck , den Kläger bis z um Bezug einer Rente wirtschaftlich abzusichern, als Ausgangspunkt einer Ve r- 26 27 28 29 - 12 - 9 AZR 827/12 - 13 - tragsergänzung spr icht für eine Belastung der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Risiko einer Verlängerung ihrer Zahlungspflicht über den 3 1. Dezember 201 0 hinaus. ee ) Der An spruch auf Vorruhestandsgeld ist auch nicht aufgrund einer St ö- rung der Geschäftsgrundlage entfallen. § 313 Abs. 1 BGB kann - unabhängig vom Vorliegen einer entsprechenden rechtsgestaltenden Erklärung d er Bekla g- te n iSd. § 313 Abs. 3 BGB - bereits aufgrund d er beschriebenen vertraglichen Risikozuweisung nicht zur Anwendung gelangen. Enthält ein Vertrag nach se i- nem Inhalt Regeln für Fehlen, Wegfall oder Änderung bestimmter Umstände, scheidet eine Anpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB aus ( vgl. BAG 28. September 200 6 - 8 AZR 568/05 - Rn. 22 mwN) . Dies ist hier der Fall. c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ein treuwidriges Verhalten des Klägers verneint. Weder der Wegzug aus Deutschland im Jahr 2004 noch die unterbliebene Rückkehr Ende 2010 stell en ein treuwid riges Verhalten des Kl ä- gers iSv. § 162 Abs. 1 oder § 242 BGB dar. a a) Die Regelung in § 162 Abs. 1 BGB ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass niemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf (BAG 12. Dezemb er 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 40, BAGE 125, 147 ) . Nach § 162 Abs. 1 BGB gilt eine Bedingung als eing e- treten, wenn ihr Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil sie gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird. Wann die Beeinflussung des Gesch e- he nsablaufs treuwidrig ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern nur im Einzelfall beurteilen. Maßgeblich ist, welches Verhalten von einem loyalen Ve r- tragspartner erwartet werden konnte. Dies ist mittels einer umfassenden Würd i- gung des Verhaltens der den Bedingungseintritt beeinflussenden Vertragspartei nach Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsgeschäfts, festzustellen (BGH 16. September 2005 - V ZR 244/04 - zu II 1 der Gründe) . Ein Verschu l- den im technischen Sinn ist zwar keine Voraussetzung für eine Treuwidrigkeit, jedoch bei der Gesamtabwägung zu bewerten (Staudinger/Bork ( 2010 ) § 162 Rn. 10) . Maßgebend zu berücksichtigen s ind weiter die vertragliche Risik oz u- 30 31 32 - 13 - 9 AZR 827/12 - 14 - ordnung sowie die Grundrechte als Ausdruck der objektiven Werteordnung (BeckOK BGB/Sutschet Stand 1. August 2014 § 242 Rn. 19, 22 ff.) . bb) Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so hat das Landesarbeitsgericht eine Treuwidrigkeit de s Klägers zu Recht nicht angeno m- men. (1) Eine solche scheidet von vornherein aus, wenn die Personalleiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten beim Abschluss der Vorruhestandsvereinb a- rung von der Absicht des Klägers, nach Bolivien auszuwandern, Kenntnis hatte. In diesem Fall hätte der Kläger in der Ausdrucksweise des Landesarbeitsg e- richts gespielt. (2) Wird zugunsten der Beklagten davon ausgegangen, dass die Absicht des Klägers, nach Bolivien auszuwandern, der Rechtsvorgängerin der Bekla g- ten zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vorruhestandsvereinbarung nicht bekannt war, fehlen Anhaltspunkte, dass der Kläger Ende 2004 nach Bolivien zog, um den Erwerb von Rentenansprüchen und damit das Erlöschen des A n- spruchs auf Vorruhestandsgeld mi t Ablauf des 31. Dezember 2010 zu verhi n- dern. Schon wegen der großen zeitlichen Differenz ist eine derartige Annahme fernliegend. Bei Anknüpfung an die unterbliebene Rückkehr in die Bundesr e- publik Deutschland Ende 2010 gilt dasselbe. Es ist nicht ersichtli ch, dass der Kläger eine bereits geplante Rückkehr nur deshalb unterließ, weil er sich seinen Anspruch auf Vorruhestandsgeld erhalten und die Zahlungspflicht der Bekla g- ten verlängern wollte. Die Beweggründe des Klägers, die zu seiner Auswand e- rung bzw. der unterbliebenen Rückkehr geführt haben, können nach alledem rechtlich nicht missbilligt werden. ( 3 ) D as Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass es dem Kläger frei stand, seinen Wohnsitz nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nach Bolivie n zu verlegen. Insoweit gehört die Ausreisefreiheit zwar nicht zu der durch Art. 11 Abs. 1 GG geschützten innerdeutschen Freizügigkeit, sie ist aber doch als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet und damit eine gru ndrechtlich geschützte Position, worauf das 33 34 35 36 - 14 - 9 AZR 827/12 - 15 - B undesverfassungsgericht bereits in der Elfes - Entscheidung hingewiesen hat (BVerfG 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - zu II 3 der Gründe, BVerfGE 6, 32) . Da die Parteien eine entsprechende vertragliche Vereinbarung nicht getroffen haben , kann dahinstehen, ob vor diesem Hintergrund ein Verbot des Umzugs nach Bolivien überhaupt rechtswirksam hätte vereinbart werden können. d) Die dem Kläger somit zustehenden Ansprüche auf Zahlung von Vorr u- hestandsgeld iHv . 4.800,00 E uro brutto pro Monat im Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2013 sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu kü r- zen. Eine derartige Anspruchskürzung ist i n der Vorruhestandsvereinbarung nicht vorgesehen. Diese regelt in Ziff. 5.3 lediglich, dass der Kläger zur Stellung eines Antrags auf Altersr ente verpflichtet ist und insoweit nach Ziff. 4.3 auch Abschläge bei der Rente hinnehmen muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Kläger dann, wenn sein Antrag auf vorzeitigen Rentenbezug abschlägig beschieden wurde, die hieraus resulti e- renden Vorteile in Bezug auf die Höhe der späteren Rente anrechnen lassen muss. Solche Vorteile sind zwar angesichts der fortdauernd zu entrichtenden Rentenversicherungsbeiträge währe nd des Bezugs von Vorruhestandsgeld (Ziff. 3.3 der Vorruhestandsvereinbarung ) nicht von der Hand zu weisen. Damit hat sich aber lediglich das vertragliche Risiko der Beklagten bzw. ihrer Recht s- vorgängerin realisiert, dass nicht eine vorzeitige Altersr ente wegen Schwerb e- hinderung, sondern erst die vorzeitige Regelaltersrente zu einem Erlöschen des Anspru ch s auf Vorruhestandsgeld führt. Für eine Anrechnung von Vorteilen bleibt danach kein Raum. e) Die Ansprüche sind auch nicht gemäß § 389 BGB durch Aufrechnu ng (teilweise) erloschen oder analog § 254 BGB zu kürzen bzw. gemäß § 24 1 Abs. 2 BGB iVm. § 280 Abs. 1 BGB einredebehaftet, wie die Beklagte meint. aa) Eine Aufrechnung scheitert bereits an dem fehlenden Vortrag einer Au f- rechnungserklärung. Der im Konjun ktiv gehaltene Vortrag in der Revisionsb e- aufrechnen, stellt eine solche Erkl ä- rung nicht dar. 37 38 39 - 15 - 9 AZR 827/12 bb) Eine analoge Anwendung von § 254 BGB kommt in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht. Dies käme einer gesetzlichen Korrektur der vertraglich vereinbarten Risikozuweisung gleich. Diese soll aber nach dem Willen des Gesetzes grundsätzlich unangetastet bleiben (vgl. § 313 Abs. 1 BGB) . cc) Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB (ggf. iVm. § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) scheiden schon mangels Pflichtverletzung aus. Der Kläger war nicht verpflichtet , nach dem Abschluss der Vorruhestandsve r- einbarung in Deutschland zu bleiben oder nach mehrere n Jahre n seinen L e- bensmittelpunkt in Bolivien aufzugeben und Ende 2010 nach Deutschland z u- rückzukehren. III . Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Brühler Krasshöfer Klose Merte Pielenz 40 41 42

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