9. Senat - Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell - Insolvenzsicherung
Karar Dilini Çevir:
9. Senat - Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell - Insolvenzsicherung
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 9 AZR 448/11 8 Sa 72/10 Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes! Verkündet am 15. Januar 2013 URTEIL Rücker, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionskläger, pp. Beklagter, Berufungskläger und Revisionsbeklagter, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bun-desarbeitsgericht Dr. Brühler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer und Klose sowie die ehrenamtlichen Richter Furche und Heilmann für Recht erkannt: - 2 - 9 AZR 448/11 - 3 - 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. März 2011 - 8 Sa 72/10 - wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten darüber, ob das während der Arbeitsphase der Al-tersteilzeit aufgebaute Wertguthaben des Klägers und der darauf entfallende Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gegen Zahlungsunfä-higkeit abzusichern sind und ob es sich bei dem Sicherungsanspruch um eine Masseforderung handelt. Der Kläger schloss am 1. Dezember 2007 mit der R GmbH einen Al-tersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2009 und einer Freistellungsphase vom 1. April 2009 bis zum 30. Juni 2010. Der Bruttoverdienst des Klägers während der Arbeitsphase betrug monatlich 2.150,00 Euro, der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversi-cherungsbeitrag 441,29 Euro. Während der gesamten Freistellungsphase erhielt der Kläger keine Vergütung. Über das Vermögen der R GmbH wurde am 1. Mai 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenz-verwalter bestellt. Am 26. April 2010 zeigte dieser Masseunzulänglichkeit an. Die Anzeige wurde am 29. April 2010 veröffentlicht. Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm gemäß § 8a AltTZG eine geeignete Insolvenzsicherung nachzuweisen. Am 27. Mai 2009 erfuhr er, dass keine Insolvenzsicherung eingerichtet war. Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht im Wege der Leistungsklage Si-cherheitsleistung in Höhe von 40.802,55 Euro verlangt und hilfsweise die Feststellung begehrt, dass ihm diese Forderung als Masseanspruch zusteht. 1 2 3 4 - 3 - 9 AZR 448/11 - 4 - Er hat gemeint, sein Anspruch auf Sicherheitsleistung richte sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Beklagten als Insolvenzver-walter. Der Sicherungsanspruch entstehe erst, wenn der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Sicherung des Wertguthabens nicht nachkomme und der Arbeitnehmer davon Kenntnis erlange. Deshalb sei sein Anspruch eine Masseverbindlichkeit. Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - sinngemäß beantragt festzustellen, dass ihm gegen die Insolvenzmasse ein Anspruch auf Sicherheitsleistung in Höhe von 38.869,35 Euro durch Stellung eines tauglichen Bürgen oder Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1 und Abs. 3 BGB zur Sicherheitsleis-tung geeignet sind, zusteht. Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, § 8a AltTZG finde nach seinem Normzweck auf den Insolvenzverwal-ter keine Anwendung. Jedenfalls handele es sich bei der Forderung des Klä-gers um eine Insolvenzforderung. Das zu sichernde Wertguthaben sei vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erarbeitet worden. Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und die Leistungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Der Kläger begehrt mit der Revi-sion die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidungsgründe Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, bezüglich des während der Arbeitsphase der Altersteilzeit aufgebauten Wertguthabens des Klägers und des darauf entfallenden Arbeitge-beranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag Sicherheit zu leisten. Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungsklage deshalb zu Recht abgewiesen. 5 6 7 8 9 - 4 - 9 AZR 448/11 - 5 - I. Der Anspruch des Klägers folgt nicht aus § 8a Abs. 4 Satz 1 AltTZG. Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitnehmer verlangen, dass Sicherheit in Höhe des bestehenden Wertguthabens geleistet wird, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnah-men nicht gemäß § 8a Abs. 3 Satz 1 AltTZG nachweist oder die nachgewiese-nen Maßnahmen nicht geeignet sind und der Arbeitgeber auf schriftliche Auf-forderung des Arbeitnehmers nicht innerhalb eines Monats eine geeignete Insolvenzsicherung des bestehenden Wertguthabens nachweist. Damit be-schränkt § 8a Abs. 4 Satz 1 AltTZG den Sicherungsanspruch jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Arbeitsleistungen mehr erbringt, auf die Zeit vor der Insolvenzeröffnung. 1. Diese zeitliche Beschränkung des Anspruchs auf Insolvenzsicherung ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 8a Abs. 4 Satz 1 AltTZG. Die Vor-schrift spricht vom „Arbeitgeber“ und seiner Verpflichtung zum Nachweis einer geeigneten „Insolvenzsicherung“. Es trifft zwar zu, dass der Insolvenzverwalter mit der Insolvenzeröffnung aufgrund des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) grundsätzlich in die Arbeitgeberstellung der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden Arbeitsverhältnisse einrückt (vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 110/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 129, 257). Das zwingt aber nicht zu der Annahme, dass er ebenso wie der Arbeitgeber auch gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 AltTZG verpflichtet ist, das Wertguthaben einschließ-lich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungs-beitrag gegen das Risiko „seiner“ Zahlungsunfähigkeit abzusichern. Die Absi-cherung gegen ein Risiko, das sich bereits verwirklicht hat, widerspricht allge-meinem Sprachverständnis. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird eine solche Absicherung praktisch unmöglich. Es besteht kein bloßes Risiko mehr, die Gefahr hat sich vielmehr bereits verwirklicht. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt insofern eine Zäsur dar. 2. Der Normzweck bestätigt das Auslegungsergebnis. 10 11 12 - 5 - 9 AZR 448/11 - 6 - a) Der Gesetzgeber hat dem Arbeitgeber mit den Regelungen in § 8a AltTZG die Verpflichtung auferlegt, Wertguthaben des Arbeitnehmers aus der Arbeitsphase der Altersteilzeit gegen das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz zu sichern. Zugleich hat er dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf den Nachweis einer geeigneten Insolvenzsicherung eingeräumt. Diese Regelungen dienen somit dazu, dass die Entgeltansprüche des Arbeitnehmers für die von ihm im Blockmodell der Altersteilzeit erbrachten Vorleistungen auch im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers gesichert sind. Darin erschöpft sich aber auch zugleich ihr Sinn und Zweck. b) Bei einer unterbliebenen Absicherung oder einer inkongruenten Siche-rung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO fehlt für die vom Kläger postulierte Bes-serstellung von Arbeitnehmern mit Wertguthaben aus der Arbeitsphase der Altersteilzeit gegenüber anderen Insolvenzgläubigern eine gesetzliche Grundla-ge. aa) Der Gesetzgeber der InsO hat davon abgesehen, diese Arbeitnehmer insolvenzrechtlich anders als die übrigen Gläubiger zu behandeln. Er hat die InsO weder um ein entsprechendes Arbeitnehmerprivileg ergänzt, noch auf Arbeitnehmer mit Wertguthaben bezogene Anfechtungsschranken in § 129 ff. InsO normiert. Dass Arbeitnehmer mit dem Unternehmen nicht selten beson-ders verbunden sind und am Wert des Unternehmens möglicherweise anders teilhaben als andere Gläubiger, rechtfertigt es noch nicht, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (§ 1 InsO), dessen Vorverlagerung die Anfech-tungsvorschriften bezwecken, außer Acht zu lassen. Die Erwägung, es entspre-che der gesetzgeberischen Intention, den Arbeitnehmer, der durch die Arbeits-zeitgestaltung Arbeitsentgelt kreditiere, gegenüber anderen Insolvenzgläubigern besserzustellen, trägt nicht. bb) Hätte die R GmbH im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von sich aus gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 AltTZG das Wert-guthaben des Klägers aus der Arbeitsphase der Altersteilzeit gegen das Risiko 13 14 15 16 - 6 - 9 AZR 448/11 - 7 - ihrer Insolvenz gesichert, hätte der Beklagte diese Rechtshandlung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO aufgrund inkongruenter Deckung anfechten können. Eine inkongruente Deckung liegt ua. vor, wenn der Anspruch auf Sicherung nicht ausreichend bestimmt ist (vgl. MünchKommInsO/Kirchhof 2. Aufl. § 131 Rn. 39 mwN; Nerlich/Römermann/Nerlich InsO Stand August 2012 § 131 Rn. 39 mwN). Die Art und Weise der Sicherung ist in § 8a Abs. 1 AltTZG be-wusst weitgehend offengelassen worden (vgl. BT-Drucks. 15/1515 S. 134). Dass der Kläger seiner Obliegenheit, von der R GmbH einen Nachweis der Insolvenzsicherung zu verlangen, nicht nachgekommen ist und die R GmbH ihre Verpflichtung zur Insolvenzsicherung nicht erfüllt hat, führt nicht dazu, dass der Kläger insolvenzrechtlich besserzustellen ist, als er stünde, wenn die R GmbH im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfah-rens noch eine Insolvenzsicherung eingerichtet hätte. Dies wäre mit dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen (par conditio creditorum; vgl. zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz: BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 11, AP InsO § 130 Nr. 2 = EzA InsO § 133 Nr. 1; 19. Mai 2011 - 6 AZR 736/09 - Rn. 12 ff., EzA InsO § 131 Nr. 3), nicht vereinbar. cc) Die nach § 8a Abs. 1 iVm. Abs. 4 AltTZG zu sichernden Entgeltansprü-che aus der Arbeitsphase der Altersteilzeit sind nur Insolvenzforderungen, wenn - wie hier - das Insolvenzverfahren während der Freistellungsphase eröffnet wurde (st. Rspr., vgl. BAG 19. Oktober 2004 - 9 AZR 647/03 - zu II 3 a der Gründe mwN, BAGE 112, 214). Würde dem Arbeitnehmer für diese Entgeltan-sprüche nach der Insolvenzeröffnung eine Sicherheitsleistung zugesprochen, die aus der Insolvenzmasse finanziert werden müsste, würde die insolvenz-rechtliche Einordnung der Ansprüche ohne jede gesetzliche Grundlage faktisch aufgehoben. 17 - 7 - 9 AZR 448/11 II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Brühler Der Richter am Bundes-arbeitsgericht Krasshöfer ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung ver-hindert. Brühler Klose Furche Heilmann 18

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