9. Senat - Altersteilzeit im Blockmodell - Abgeltung und Verfall von Urlaub bei Wechsel in die Freistellungsphase - Auslegung der Tarifverträge der Stahl- und Eisenindustrie
Karar Dilini Çevir:
9. Senat - Altersteilzeit im Blockmodell - Abgeltung und Verfall von Urlaub bei Wechsel in die Freistellungsphase - Auslegung der Tarifverträge der Stahl- und Eisenindustrie
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 9 AZR 234/11 16 Sa 1209/10 Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes! Verkündet am 16. Oktober 2012 URTEIL Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, pp. Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bun-desarbeitsgericht Dr. Brühler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer - 2 - 9 AZR 234/11 - 3 - und Klose sowie den ehrenamtlichen Richter Faltyn und die ehrenamtliche Richterin Merte für Recht erkannt: 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Lan-desarbeitsgerichts Hamm vom 9. Dezember 2010 - 16 Sa 1209/10 - aufgehoben. 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 11. Juni 2010 - 1 Ca 194/10 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. 3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abgeltung von neun Urlaubstagen aus dem Jahr 2007. Der am 15. April 1950 geborene Kläger war ab dem 4. August 1975 bei der Beklagten als Energieanlagenelektroniker beschäftigt. Er ist seit 1996 als schwerbehindert anerkannt. Für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 30. April 2010 begründeten die Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase bis zum 31. Oktober 2007. Der Altersteil-zeitarbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 22. Dezember 2003 lautet aus-zugsweise: „… wird - wie am 22.12.2003 eingehend besprochen - auf Grundlage des Tarifvertrags über Altersteilzeit vom 20.06.2000, der Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung zur Einführung von Altersteilzeit vom 07.03.2000 und der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung der Alters-teilzeit vom 02.01.2002 - wobei die jeweils aktuellen Fassungen der vorgenannten Regelungen zugrunde gelegt werden - folgende Vereinbarung zur Altersteilzeit geschlossen: … 1 2 - 3 - 9 AZR 234/11 - 4 - § 9 Urlaubsanspruch Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den tariflichen und betrieblichen Regelungen. Im Jahr des Wechsels von der Arbeits- in die Freistellungsphase besteht der Urlaubsanspruch anteilig. Während der Arbeitsphase erworbener Urlaub ist grund-sätzlich während der Arbeitsphase zu nehmen, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte. In diesem Fall ist der Resturlaub im ersten Monat der Frei-stellungsphase abzugelten. Während der Freistellung gelten die jeweiligen Urlaubsan-sprüche durch die Freistellung als erfüllt.“ Im Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen- und Stahlindustrie von ua. Nordrhein-Westfalen vom 15. März 1989 in der Fassung vom 20. Juni 2000 (MTV Stahl), der auf das Arbeitsver-hältnis der Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifbindung Anwendung fand, heißt es ua.: „§ 12 Grundsätze der Urlaubsgewährung 1. Jeder Arbeitnehmer hat nach Maßgabe der nachste-henden Bestimmungen in jedem Urlaubsjahr An-spruch auf bezahlten Erholungsurlaub. … 3. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. … 5. Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur zuläs-sig, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche bestehen. … § 13 Allgemeine Urlaubsbestimmungen … 9. Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen 3 - 4 - 9 AZR 234/11 - 5 - werden konnte. Konnte der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden, erlischt der Urlaubsanspruch zwölf Monate nach Ablauf des Übertragungszeitraums nach Abs. 1. § 14 Urlaubsdauer 1. Der Urlaub beträgt 30 Arbeitstage im Kalenderjahr. Aufgrund des Schwerbehindertengesetzes erhalten Schwerbehinderte einen zusätzlichen Urlaub. ...“ § 7 Ziff. 3 des Tarifvertrags über Altersteilzeit in der Eisen- und Stahl-industrie vom 20. Juni 2000 in der Fassung vom 20. Dezember 2004 (TV ATZ) lautet wie folgt: „Während der Arbeitsphase erworbener Urlaub ist grund-sätzlich während der Arbeitsphase zu nehmen, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte. In diesem Fall ist der Resturlaub im ersten Monat der Frei-stellungsphase abzugelten. Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase gelten mit der Freistellung als erfüllt.“ Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 2007 21 Tage Urlaub. Ab Mitte August 2007 war der Kläger über den 31. Oktober 2007 hinaus arbeitsun-fähig krank. In der Entgeltabrechnung waren zunächst neun restliche Urlaubs-tage ausgewiesen. Bei einer persönlichen Vorsprache nach dem 31. Oktober 2007 im Lohnbüro der Beklagten wies der Kläger ohne Erfolg darauf hin, dass ihm noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch zustünde. In der Entgeltabrechnung für den Monat November 2007 war die Anzahl der Urlaubstage auf „Null“ gesetzt. Der Kläger akzeptierte dies nach Rücksprache mit seiner Gewerkschaft zunächst. Mit Schreiben vom 8. August 2009 forderte er dann unter Hinweis auf die Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - Slg. 2009, I-179) die Abgeltung der neun Urlaubstage. Im Antwort- 4 5 - 5 - 9 AZR 234/11 - 6 - schreiben vom 29. September 2009 lehnte die Beklagte dies ab und führte ua. aus: „Das von Ihnen beschriebene Urteil bezieht sich auf den gesetzlichen Mindestanspruch, der sich in Ihrem Fall für das gesamte Jahr 2007 auf 20 Tage Urlaub und 5 Tage Schwerbehindertenurlaub beläuft. Der darüber hinausge-hende übergesetzliche (tarifliche) Urlaubsanspruch von weiteren 10 Tagen ist von der Gesetzesänderung nicht betroffen und somit gemäß § 13 Ziffer 9 MTV am 31.03.2009 verfallen. Unter Berücksichtigung Ihrer anteiligen Beschäftigung vom 01.01. - 31.10.2007 (Arbeitsphase Altersteilzeit) ergeben sich auf Basis der gesetzlichen Urlaubsansprü-che 17 Tage Urlaub und 4 Tage Schwerbehinderten-urlaub. Da Sie bereits 21 Tage in 2007 abgewickelt haben, besteht somit kein weiterer Abgeltungsanspruch.“ Der Kläger meint, ihm stehe ein Anspruch auf Abgeltung von neun Urlaubstagen aus dem Jahr 2007 zu. Für dieses Jahr hätten ihm anteilig 21 gesetzliche Urlaubstage sowie weitere neun Tage tariflicher Mehrurlaub zugestanden. Da die Beklagte keine andere Bestimmung getroffen habe, sei der tarifliche Mehrurlaub zuerst gewährt worden, sodass es sich bei den noch verbleibenden neun Urlaubstagen um gesetzlich garantierten Mindesturlaub handele. Dieser habe nicht verfallen können. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.087,38 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung ver-treten, der allein verbleibende tarifliche Mehrurlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahr 2007 sei aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen spätestens mit Ablauf des 31. März 2009 verfallen. Der Tarifvertrag enthalte eine eigenständi-ge Urlaubsregelung. Bei den gewährten 21 Urlaubstagen habe es sich um den gesetzlichen Urlaubsanspruch gehandelt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsge-richt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit 6 7 8 9 - 6 - 9 AZR 234/11 - 7 - der Revision ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Entscheidungsgründe Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht die bean-spruchte Urlaubsabgeltung nicht zu. I. Ein Anspruch des Klägers auf Abgeltung gesetzlichen Urlaubs folgt nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 3 BUrlG, § 125 Abs. 1 SGB IX. Im Hinblick auf den Wechsel in die Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell zum 1. November 2007 hat der Kläger seiner Klage einen gesetzlichen Urlaubsan-spruch von 21 Tagen zugrunde gelegt. Unstreitig gewährte die Beklagte dem Kläger im Jahr 2007 21 Tage Urlaub. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers hat die Beklagte damit nicht nur (teilweise) den tariflichen, sondern auch den gesetzlichen Urlaubsanspruch erfüllt. 1. Auch wenn eine tarifvertragliche Regelung eine längere Urlaubsdauer als das Bundesurlaubsgesetz vorsieht, bringt der Arbeitgeber mit der Freistel-lung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung grundsätzlich auch ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung beide Ansprü-che zum Erlöschen (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 11, 17). Es handelt sich typischerweise um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungs-urlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruht. § 366 BGB findet weder unmittelbar noch analog Anwendung. 2. Der Urlaubsanspruch aus § 14 Ziff. 1 MTV Stahl, wonach der Erho-lungsurlaub in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage beträgt und der gesetzliche Urlaub für schwerbehinderte Menschen zusätzlich gewährt wird, ist gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub gemäß den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, § 125 Abs. 1 SGB IX kein eigenständiger Anspruch, soweit sich die Ansprüche decken. § 14 Ziff. 1 MTV Stahl differenziert schon seinem Wortlaut nach bei der Festlegung der Höhe des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindest- und dem tariflichen Mehrurlaub. Die Vorschrift bestimmt, 10 11 12 13 - 7 - 9 AZR 234/11 - 8 - dass der Urlaub 30 Arbeitstage im Kalenderjahr beträgt. Dieser Urlaub soll erkennbar nicht zusätzlich zum gesetzlichen Erholungsurlaub gewährt werden, sondern schließt diesen mit ein. Aus § 14 Ziff. 1 Satz 2 MTV Stahl folgt ledig-lich, dass Schwerbehindertenzusatzurlaub nicht bereits in den 30 Urlaubstagen nach Satz 1 enthalten ist, sondern sich der tarifliche Gesamturlaubsanspruch bei Schwerbehinderten auf 35 Arbeitstage erhöht. II. Soweit über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus in Bezug auf den Zeitraum bis zum Ende der Arbeitsphase des Blockmodells weitere Urlaubsansprüche gemäß § 9 des Altersteilzeitarbeitsvertrags iVm. § 14 Ziff. 1 MTV Stahl entstanden waren, steht dem Kläger ebenfalls kein Abgeltungsan-spruch zu. 1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehr-urlaubs nach § 7 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 TV ATZ. Die Bestimmung sieht die Abgel-tung von Resturlaub im ersten Monat der Freistellungsphase nur für die in § 7 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ benannten Fälle vor, dass während der Arbeits-phase erworbener Urlaub entweder erfolglos geltend gemacht worden ist oder aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte. a) Der Kläger hat seinen Urlaub nicht im Sinne des § 7 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ erfolglos geltend gemacht. Nach der Systematik der tariflichen Regelung muss diese Geltendmachung während der Arbeitsphase erfolgen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er über die 21 gewährten Tage hinaus während der Arbeitsphase weiteren Urlaub verlangt hatte. Dass er nach Eintritt in die Freistellungsphase Urlaubsabgeltung beanspruchte, genügte nicht, um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 TV ATZ zu begründen. b) Die Beklagte hat dem Kläger während der Arbeitsphase auch nicht die Inanspruchnahme von Urlaub aus betrieblichen Gründen verweigert. c) Das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass § 7 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 TV ATZ nicht analog auf den Fall anwendbar ist, 14 15 16 17 18 - 8 - 9 AZR 234/11 - 9 - dass ein Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen den Urlaub nicht nehmen konnte. Es liegt insofern eine bewusste Regelungslücke vor, die eine tarifersetzende Lückenfüllung ausschließt (vgl. BAG 24. September 2008 - 4 AZR 642/07 - Rn. 24 mwN, AP TVG § 1 Nr. 57 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 46; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1519). Die Tarifvertragsparteien haben eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist (vgl. § 12 Ziff. 5 MTV Stahl), nur für zwei konkret bezeichnete Fälle vorgesehen. Es ist davon auszugehen, dass diese Aufzählung abschließend sein soll, zumal den Tarifvertragsparteien - wie sich aus § 13 Ziff. 9 MTV Stahl ergibt - bewusst war, dass auch im Hinblick auf Urlaub, der wegen Krankheit nicht genommen werden kann, grundsätzlich ein Regelungsbedürfnis besteht. 2. Der Kläger hatte auch nicht mit Beendigung der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Abgeltung tariflichen Mehrurlaubs. Diese Vorschrift gilt auch für tarifliche Urlaubsansprüche, wenn die Tarifvertragsparteien keine abweichenden Rege-lungen getroffen haben (BAG 15. März 2005 - 9 AZR 143/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 89). Sie erlaubt eine Abgeltung nicht gewährten Urlaubs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 12, NZA 2012, 982). Darunter ist dessen rechtliche Beendigung zu verstehen. Das ergibt sich schon aus dem Begriff „Arbeitsverhältnis”, mit dem die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen-fassend bezeichnet werden und die regelmäßig durch einen Arbeitsvertrag begründet werden. Das Arbeitsverhältnis endet iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG daher erst mit der Beendigung des Arbeitsvertrags. Ist das Arbeitsverhältnis ein Altersteil-zeitarbeitsverhältnis, endet es zum vereinbarten Endtermin und nicht bereits mit dem Übergang von der Arbeits- in die Freistellungsphase (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 196/04 - zu I 2 der Gründe mwN, AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 88; vgl. auch BAG 15. März 2005 - 9 AZR 143/04 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 114, 89; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 83 Rn. 32; aA Hanau/Veit Das neue Recht der Arbeitszeitkonten S. 34). Das Arbeitsverhältnis besteht während der Freistellungsphase fort. Zwar hat der Arbeitnehmer keine Arbeitsverpflichtung, 19 - 9 - 9 AZR 234/11 - 10 - weil er seine Leistung in der Arbeitsphase bereits erbracht hat. Der Arbeitgeber ist aber zur Entgeltleistung verpflichtet, sodass auch kein Ruhen des Arbeits-verhältnisses in der Arbeitsphase eintritt (vgl. BAG 15. März 2005 - 9 AZR 143/04 - zu II 2 a der Gründe, aaO). Auch eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 4 BUrlG ist nicht geboten. Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor (vgl. BAG 15. März 2005 - 9 AZR 143/04 - zu II 2 c der Gründe mwN, aaO). 3. Auch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. April 2010 entstand kein Anspruch auf Abgeltung der neun Tage tariflichen Mehrurlaubs. Zum Zeitpunkt der Beendigung war dieser Urlaubsanspruch untergegangen, sodass er nach § 12 Ziff. 5 MTV Stahl nicht mehr abzugelten war. a) Es kann sowohl offenbleiben, ob während der Arbeitsphase erworbener tariflicher Urlaub nach dem Willen der Tarifvertragsparteien erlöschen soll, wenn nicht die in § 7 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ genannten Ausnahmen erfüllt sind, als auch, ob der Urlaub zwar fortbestehen, jedoch mit der Freistellung in der Freistellungsphase gemäß § 7 Ziff. 3 Abs. 2 TV ATZ als erfüllt gelten sollte. b) Der Urlaubsanspruch ist spätestens mit dem 31. März 2009 nach § 13 Ziff. 9 MTV Stahl erloschen. Nach Abs. 1 der Regelung erlischt der Urlaubsan-spruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass der Urlaub aus betrieblichen Grün-den nicht genommen werden konnte. Nach § 13 Ziff. 9 Abs. 2 MTV Stahl erlischt der Urlaubsanspruch zwölf Monate nach Ablauf des Übertragungszeit-raums nach Abs. 1, wenn der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden konnte. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass das Landesarbeitsge-richt keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und gegebenenfalls wann der Kläger vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder arbeitsfähig geworden ist. aa) Sofern der Kläger seine Arbeitsfähigkeit frühzeitig wiedererlangt haben sollte, wäre der streitgegenständliche Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2007 bereits zum 31. März 2008 untergegangen. Der Kläger hatte den Urlaub weder 20 21 22 23 - 10 - 9 AZR 234/11 - 11 - vor diesem Zeitpunkt iSd. § 13 Ziff. 9 Abs. 1 MTV Stahl erfolglos geltend ge-macht, noch war ihm Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht gewährt worden. bb) Sollte die Arbeitsunfähigkeit des Klägers angedauert haben, ging sein Urlaubsanspruch spätestens am 31. März 2009 unter, auch wenn ihm die Inanspruchnahme des Urlaubs bis dahin unmöglich war. Insofern sind krank-heitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Unerfüllbarkeit des Urlaubs in der Freistel-lungsphase des Blockmodells gleichzustellen (BAG 15. März 2005 - 9 AZR 143/04 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 114, 89). Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen der Auslegung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) festgestellt, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 43, 49, Slg. 2009, I-179). Jedoch können Tarifver-tragsparteien Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 8 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9; BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 21, BAGE 137, 328). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Im Übrigen hat der EuGH zwi-schenzeitlich eine Klarstellung seiner Rechtssprechung dahin gehend vorge-nommen, dass Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie einer einzelstaatlichen Tarifnorm wie § 13 Ziff. 9 Abs. 2 MTV Stahl auch im Hinblick auf den Mindesturlaubsan-spruch von vier Wochen nicht entgegensteht (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 44, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). 24 - 11 - 9 AZR 234/11 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Brühler Krasshöfer Klose Die ehrenamtliche Richterin Merte ist infolge des Endes ihrer Amtszeit mit Ablauf des 31. Okto-ber 2012 an der Unterschriftsleistung verhindert. Brühler Faltyn 25

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