9. Senat - Abgeltung von Reisezeiten im Außendienst der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bei fester Arbeitszeit
Karar Dilini Çevir:
9. Senat - Abgeltung von Reisezeiten im Außendienst der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bei fester Arbeitszeit
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 9 AZR 686/09 3 Sa 21/08 Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes! Verkündet am 14. Dezember 2010 URTEIL Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionskläger, pp. Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Düwell, die Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer und Dr. Suckow sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Benrath und die ehrenamtliche Richterin Neumann für Recht erkannt: - 2 - 9 AZR 686/09 - 3 - Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. April 2009 - 3 Sa 21/08 - wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Der Kläger begehrt von der Beklagten, Reisezeiten abzugelten. Die Parteien verbindet seit 1973 ein Arbeitsverhältnis. Das durchschnitt-liche monatliche Bruttoentgelt des Klägers betrug zuletzt 2.472,35 Euro. Im Beschäftigungsbereich des Wasser- und Schifffahrtsamts Stuttgart, dem der Kläger zugeordnet ist, besteht weder eine Dienstvereinbarung über Arbeitszeit-konten noch eine Vereinbarung über Gleitzeit. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Ta-rifvorschriften des öffentlichen Dienstes Anwendung. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) enthält ua. folgende Bestimmungen: „§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit … (2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regel-mäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. ... (3) Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Beschäftigte am 24. Dezem-ber und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgelts ... von der Arbeit freigestellt. Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienst-lichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren. … 123- 3 - 9 AZR 686/09 - 4 - … (6) Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wö-chentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. Die innerhalb eines Arbeitszeit-korridors geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten Zeitraums ausgeglichen. (7) Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann in der Zeit von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden. Die innerhalb der täglichen Rahmenzeit geleisteten zusätzlichen Ar-beitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten Zeitraums ausgeglichen. … § 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit (1) Der/Die Beschäftigte erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Die Zeitzuschläge betragen - auch bei Teilzeit-beschäftigten - je Stunde … d) bei Feiertagsarbeit - ohne Freizeitausgleich 135 v. H., - mit Freizeitausgleich 35 v. H., … (2) Für Arbeitsstunden, die keine Überstunden sind und die aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht innerhalb des nach § 6 Abs. 2 Satz 1 oder 2 fest-gelegten Zeitraums mit Freizeit ausgeglichen werden, erhält die/der Beschäftigte je Stunde 100 v. H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe. Protokollerklärung zu Absatz 2: Mit dem Begriff ‚Arbeitsstunden’ sind nicht die Stun-den gemeint, die im Rahmen von Gleitzeitregelungen im Sinne der Protokollerklärung zu § 6 anfallen, es sei denn, sie sind angeordnet worden. …“ - 4 - 9 AZR 686/09 - 5 - Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Besonderer Teil Ver-waltung (BT-V) - vom 13. September 2005 (TVöD-BT-V) regelt ua. Folgendes: „§ 43 Überstunden (1) Überstunden sind grundsätzlich durch ent-sprechende Freizeit auszugleichen. Sofern kein Arbeitszeitkonto ... eingerichtet ist, oder wenn ein solches besteht, die/der Beschäftigte jedoch keine Faktorisierung ... geltend macht, erhält die/der Beschäftigte für Überstunden ..., die nicht bis zum Ende des dritten Kalendermonats - möglichst aber schon bis zum Ende des nächsten Kalendermonats - nach deren Entstehen mit Freizeit ausgeglichen worden sind, je Stunde 100 v. H. des auf die Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe, höchstens jedoch nach der Stufe 4. ... … § 44 Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld (1) Für die Erstattung von Reise- und Umzugskosten sowie Trennungsgeld finden die für die Beamtinnen und Beamten jeweils geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung. (2) Bei Dienstreisen gilt nur die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit. Für jeden Tag einschließlich der Reise-tage wird jedoch mindestens die auf ihn entfallende regelmäßige, durchschnittliche oder dienstplan-mäßige Arbeitszeit berücksichtigt, wenn diese bei Nichtberücksichtigung der Reisezeit nicht erreicht würde. Überschreiten nicht anrechenbare Reise-zeiten insgesamt 15 Stunden im Monat, so werden auf Antrag 25 v. H. dieser überschrittenen Zeiten bei fester Arbeitszeit als Freizeitausgleich gewährt und bei gleitender Arbeitszeit im Rahmen der jeweils geltenden Vorschriften auf die Arbeitszeit an-gerechnet. Der besonderen Situation von Teilzeit-beschäftigten ist Rechnung zu tragen. … 4- 5 - 9 AZR 686/09 - 6 - § 47 Sonderregelungen für die Beschäftigten des Bundes-ministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung Kapitel I Allgemeine Bestimmungen für Beschäftigte der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydro-graphie Zu Abschnitt I Allgemeine Vorschriften Nr. 1 Zu § 1 - Geltungsbereich - (1) Diese Sonderregelungen gelten für die Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die beim Bau, der Unterhaltung und dem Betrieb von wasserbaulichen Einrichtungen und wasserwirtschaft-lichen Anlagen eingesetzt sind einschließlich der Besatzungen von Schiffen und von schwimmenden Geräten, soweit die Schiffe und schwimmenden Geräte in den von der Verwaltung aufzustellenden Schiffslisten aufgeführt sind. Zur Besatzung eines Schiffes oder schwimmenden Gerätes gehören nur diejenigen Beschäftigten, die mit Rücksicht auf Schifffahrt und Betrieb an Bord, gegebenenfalls in mehreren Schichten, tätig sein müssen und in der von der Verwaltung aufzustellenden Bordliste aufgeführt sind. Beschäftigte, die an Bord Arbeiten verrichten, ohne selbst in der Bordliste aufgeführt zu sein, wer-den für die Dauer dieser Tätigkeit wie Besatzungs-mitglieder behandelt. Die Regelungen gelten auch für Beschäftigte der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die auf nicht bundeseigenen Schiffen und schwimmenden Geräten eingesetzt sind. … Kapitel II Besondere Bestimmungen für Beschäftigte der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes Für die in Kapitel I Nr. 1 Abs. 1 aufgeführten Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes finden ergänzend folgende besondere Bestimmungen Anwendung: … - 6 - 9 AZR 686/09 - 7 - Nr. 10 Zu § 44 - Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld - (1) Für Dienstreisen im Außendienst werden die ent-standenen notwendigen Fahrtkosten nach Maßgabe der §§ 4 und 5 BRKG erstattet, sofern sie die Fahrt-kosten zu der Arbeitsstätte, der der/die Beschäftigte dauerhaft personell zugeordnet ist, übersteigen. … … (5) Abweichend von § 44 Abs. 2 Satz 3 werden nicht anrechenbare Reisezeiten bei fester Arbeitszeit zu 50 v. H. als Freizeitausgleich gewährt und bei glei-tender Arbeitszeit im Rahmen der jeweils geltenden Vorschriften als Arbeitszeit angerechnet.“ Die Beklagte setzt den Kläger bei festen Arbeitszeiten als Schiffs- und Geräteführer im Außendienst ein. Der Kläger reist arbeitstäglich zum Dienst-antritt zu wechselnden Einsatzorten an. Nach Dienstende kehrt er - außerhalb der festen Arbeitszeit - von einem der Schiffsliegeplätze zu seinem Wohnsitz zurück. Die Beklagte erfasst die Reisezeiten des Klägers von seinem Wohnsitz bis zu den Schiffsliegeplätzen. Unter hälftiger Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Reisezeiten rechnete die Beklagte für den Zeitraum von Okto-ber 2005 bis April 2006 69,82 Stunden und für den Zeitraum von Mai bis No-vember 2006 53,95 Stunden Reisezeit ab. Mit Schreiben vom 12. November 2006 und 23. Mai 2007 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, insgesamt 123,77 Stunden Reisezeit abzu-gelten. Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die über die durchschnittliche regelmäßige tarifliche Arbeitszeit hinaus ge-leistete Dienstreisezeit abzugelten. Die Befugnis der Beklagten, diese Zeiten durch die Gewährung von Freizeit auszugleichen, sei mit Ablauf des in § 6 Abs. 2 TVöD bestimmten Referenzzeitraums erloschen. Könne er eine Ab-geltung der Reisezeiten nicht verlangen, sei er rechtlos gestellt. 5678- 7 - 9 AZR 686/09 - 8 - Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.809,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, sie schulde mangels einer tarifvertraglichen Abgeltungsregelung lediglich einen Ausgleich der Reisezeiten durch die Gewährung von Freizeit. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeits-gericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage ab-gewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner vom Senat zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidungsgründe A. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger einen Bruttobetrag iHv. 1.809,51 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung ua. darauf gestützt, Dienstreisezeiten seien keine Arbeitszeiten, für die der Arbeit-nehmer Arbeitsvergütung beanspruchen könne. Beschäftigte könnten weder nach dem TVöD noch nach dem TVöD-BT-V die Abgeltung von Reisezeiten im Außendienst der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes be-anspruchen. Diese könnten gemäß § 47 Nr. 10 Abs. 5, § 44 Abs. 2 TVöD-BT-V lediglich Ausgleich durch Gewährung von Freizeit verlangen. II. Diese rechtliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. 91011121314- 8 - 9 AZR 686/09 - 9 - 1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarif-bindung die Tarifvorschriften des öffentlichen Dienstes, insbesondere die Bestimmungen des TVöD und des TVöD-BT-V Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). 2. Die vom Kläger für Oktober 2005 bis November 2006 geltend ge-machten weiteren 123,77 Stunden Reisezeit sind nicht als Arbeitszeit zu ver-güten. Nach § 8 Abs. 2 TVöD erhält ein Beschäftigter für Arbeitsstunden, die keine Überstunden sind, je Stunde 100 vH des auf eine Stunde entfallenden Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe, wenn die Arbeits-stunden aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht innerhalb des in § 6 Abs. 2 TVöD bestimmten Zeitraums mit Freizeit ausgeglichen werden. Die vom Kläger geltend gemachten Reisezeiten sind keine vergütungspflichtigen Arbeits-stunden. Dies ergibt die Auslegung der Tarifvorschrift. a) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Grundsätzen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertrags-parteien zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen nieder-geschlagen hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschlüsse über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch auf die Entstehungs-geschichte und die Tarifpraxis kann zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. Im Zweifel ist die Auslegung vorzugswürdig, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweck-orientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131) und mit dem Gesetzesrecht vereinbar ist (vgl. Senat 21. September 2010 - 9 AZR 510/09 - Rn. 23). b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass Reisezeit nicht unter den Tarifbegriff „Arbeitsstunde“ fällt. 1516171819- 9 - 9 AZR 686/09 - 10 - aa) Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 TVöD ist nicht eindeutig. Semantisch können auch Zeiten, die auf Dienstreisen entfallen, dem Tarifbegriff „Arbeits-stunde“ unterfallen. bb) Es sind tarifsystematische Gründe, die dagegen sprechen, berück-sichtigungsfähige, nicht anrechenbare Reisezeiten iSv. § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V als Arbeitsstunden iSv. § 8 Abs. 2 TVöD zu werten. Der Abschnitt II des TVöD beinhaltet allgemeine Bestimmungen über die Arbeitszeit, ohne Reisezeiten iSv. § 44 Abs. 2 bzw. § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V zu nennen. § 8 TVöD regelt ausweislich seiner Überschrift den Ausgleich von Sonderformen der Arbeit. § 7 TVöD zählt die tariflichen Sonder-formen der Arbeit abschließend auf. Der TVöD kennt neben der Wechsel-schichtarbeit (Abs. 1), der Schichtarbeit (Abs. 2), dem Bereitschaftsdienst (Abs. 3) und der Rufbereitschaft (Abs. 4) die Nachtarbeit (Abs. 5), die Mehr-arbeit (Abs. 6) und Überstunden (Abs. 7 und 8). Nicht anrechenbare Reise-zeiten iSv. § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V sind nicht Teil dieses Katalogs. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 TVöD-BT-V gilt die auf die Zeit der dienst-lichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort entfallende Dienstreise-zeit als Arbeitszeit. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 TVöD-BT-V findet für jeden Arbeitstag, an dem der Beschäftigte eine Dienstreise unternimmt, die auf den Arbeitstag entfallende regelmäßige oder dienstplangemäße Arbeitszeit Berück-sichtigung, wenn ohne Einbeziehung der Reisezeit die regelmäßige oder dienstplangemäße Arbeitszeit für den Tag nicht erreicht würde. Beider Rege-lungen bedürfte es nicht, wenn Reisezeit Arbeitszeit wäre (so zu Recht Brei-er/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand November 2010 § 6 TVöD-V Rn. 13; vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand November 2010 § 44 BT-V Rn. 51; Welkoborsky in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand Oktober 2010 § 44 TVöD-BT-V Rn. 4; KomTVöD/Adam Stand November 2010 § 44 TVöD-BT-Verwaltung Rn. 5; siehe ferner Wahlers PersV 2007, 464, 465). cc) Die Tarifgeschichte bestätigt das von dem Landesarbeitsgericht ge-fundene Auslegungsergebnis. Die Tarifvertragsparteien haben mit § 44 TVöD-BT-V und den ergänzend geschaffenen Sonderregelungen die vormals ua. in 2021222324- 10 - 9 AZR 686/09 - 11 - § 17 Abs. 2 und §§ 42 - 44 BAT enthaltenen Regeln zu Dienstreisen, Umzügen und zum Trennungsgeld zusammengefasst (vgl. GKÖD/Fieberg Stand Dezem-ber 2010 E § 6 Rn. 34; Wahlers PersV 2007, 464, 467). Nach damaligem Rechtsstand galt bei Dienstreisen nur die Zeit der dienstlichen Beanspruchung am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit. Die Reisezeit wurde nur insoweit berücksichtigt, als sie in die regelmäßige Arbeitszeit fiel (vgl. BAG 17. Oktober 1990 - 7 AZR 612/89 - zu II 2 b der Gründe, ZTR 1991, 344). Hätten die Tarif-vertragsparteien an diesem Befund etwas ändern wollen, hätten sie den Tarif-vertragstext des TVöD entsprechend geändert. 3. Entgegen der Revision verpflichtet § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V auch nicht die Beklagte, dem Kläger, der in fester Arbeitszeit beschäftigt war, die angefallenen Reisezeiten abzugelten. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. a) Für den Kläger als Außendienstmitarbeiter iSv. § 47 Nr. 10 Abs. 1 TVöD-BT-V gelten die Sonderreglungen für Beschäftigte in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. b) Nach § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V wird Arbeitnehmern, die mit fester Arbeitszeit in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes beschäftigt sind, abweichend von § 44 Abs. 2 Satz 3 TVöD-BT-V für nicht anrechenbare Reisezeiten Freizeitausgleich im Umfang von 50 vH gewährt. Der Kläger arbei-tete im hier zu beurteilenden Zeitraum mit fester Arbeitszeit. Ihm steht somit Freizeitausgleich zu. c) Auf die Abgeltung des Freizeitausgleichs besteht bei fester Arbeitszeit kein Anspruch. Die Abgeltungsbestimmung des § 8 Abs. 2 TVöD findet auf den Freizeitausgleich nach § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V keine Anwendung. aa) § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V enthält eine in sich geschlossene ver-gütungsrechtliche Regelung. Die Bestimmung des § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V ist eine Sonderregelung zu § 8 TVöD, die einen Rückgriff auf die dem All-2526272829- 11 - 9 AZR 686/09 - 12 - gemeinen Teil des TVöD zugehörige Bestimmung des § 8 Abs. 2 TVöD nicht zulässt. bb) Die im Besonderen Teil Verwaltung aufgeführten Tarifbestimmungen verdrängen die Vorschriften des Allgemeinen Teils im Wege der Spezialität, soweit beide Normbereiche gleiche Lebenssachverhalte regeln. Die Tarifver-tragsparteien haben mit den „Sonderregelungen für die Beschäftigten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung“ Normen ge-schaffen, mit denen sie den tatsächlichen wie rechtlichen Besonderheiten in diesem Tarifbereich Rechnung tragen. Griffe man ungeachtet einer be-stehenden tariflichen Sonderregelung auf die für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geltenden Regelungen des TVöD zurück, unterliefe dies in unzulässiger Weise dem erklärten Regelungswillen der Tarifvertragsparteien. cc) Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen für den Ausgleich von Freizeit unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Dies zeigen die einschlägigen Regelungen des TVöD und des TVöD-BT-V. Während § 6 Abs. 3 Satz 2 TVöD für die Arbeit an Vorfesttagen einen Freizeitausgleich binnen drei Monaten ohne Abgeltungsfolge vorsieht, regelt § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TVöD bei Feier-tagsarbeit einen besonders zu kennzeichnenden Freizeitausgleich, den der Arbeitgeber abzugelten hat, wenn er nicht gewährt wird. Leistet der Arbeit-nehmer, dessen Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich des TVöD-BT-V fällt, Überstunden, hat der Arbeitgeber binnen dreier Monate Ausgleich durch Ge-währung von Freizeit zu leisten, § 43 Abs. 1 Satz 1 TVöD-BT-V. Nur unter den in § 43 Abs. 1 Satz 2 TVöD-BT-V genannten Voraussetzungen ist der von dem Beschäftigten erworbene Freizeitanspruch abzugelten. Dieses differenzierte Regelungsgefüge käme nicht zum Tragen, wenn man - der Revision folgend - jeden Freizeitanspruch den Rechtsfolgen des § 8 Abs. 2 TVöD unterwürfe. dd) Das von dem Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis sichert darüber hinaus den Gleichlauf von tarifvertraglichen und beamtenrecht-lichen Regelungen zum Reiserecht. Das mit dem TVöD geschaffene Tarifrecht orientiert sich an der für Bundesbeamte geltenden Rechtslage. § 44 Abs. 2 Satz 3 TVöD-BT-V erweitert gegenüber dem vormaligen Tarifrecht die Möglich-303132- 12 - 9 AZR 686/09 - 13 - keit zur Berücksichtigung von Reisezeiten für Viel- oder Weitreisende im Wege des Freizeitausgleichs (vgl. § 17 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT; GKÖD/Fieberg E § 6 Rn. 34). Das Beamtenrecht gewährt einen dem Freizeitopfer spiegelbildlichen Ausgleich im Wege der Dienstbefreiung, aber keinen Anspruch auf Abgeltung in Form einer zusätzlichen Vergütung (vgl. zu § 11 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes: OVG Berlin-Brandenburg 4. Dezember 2009 - OVG 6 N 2.08 - juris Rn. 7 f.). d) Das Recht, Abgeltung zu erlangen, ergibt sich nicht aus dem Rechts-staatsprinzip. Entgegen der Revision stellt die Auslegung des Landesarbeits-gerichts den Kläger nicht rechtlos. Weigert sich der öffentliche Arbeitgeber, den infolge von Dienstreisen erworbenen Freizeitanspruch zu erfüllen, kann der Arbeitnehmer sein Recht im Wege der Leistungsklage vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend machen (vgl. BAG 13. Juni 1990 - 7 AZR 206/89 - zu 1 der Gründe). Alternativ kann er - da das Freizeitguthaben werthaft ist - bei dauerhaft schuldhafter Nichtgewährung spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadensersatz in Geld verlangen (vgl. für den Ausgleich von Freizeit BAG 4. Mai 1994 - 4 AZR 445/93 - zu II 3 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt Nr. 1 = EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 5). e) Die von dem Kläger verlangte Abgeltung ist auch nicht deshalb ge-boten, weil die tarifvertragliche Beschränkung auf den Freizeitausgleich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und der Kläger mit anderen Beschäftigten, die eine Abgeltung von Reisezeiten erhalten, gleichgestellt werden muss. aa) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob Tarifvertrags-parteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind oder sie dessen Grundsätze nur mittelbar beachten müssen (für eine lediglich mittelbare Grundrechtsbindung durch die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zB BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26, AP GG Art. 3 Nr. 322). Für den Prü-fungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung bedeutungslos (vgl. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 43, AP BAT-O § 23a Nr. 4). 333435- 13 - 9 AZR 686/09 - 14 - bb) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normgebung tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so we-sentlich sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Be-trachtung hätten berücksichtigt werden müssen (st. Rspr., vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Gren-zen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 181/09 - Rn. 24, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 46 = EzA GG Art. 3 Nr. 110). (1) Die gerichtliche Kontrolle wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewähr-leistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien kommt eine Ein-schätzungsprärogative zu, soweit der tatsächliche Regelungsbedarf und ins-besondere die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Sie haben bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung einen Beurteilungs-spielraum (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben (vgl. für die st. Rspr. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 44, AP BAT-O § 23a Nr. 4). Es genügt regel-mäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, aaO). (2) Der Senat hat zu § 17 Abs. 2 BAT entschieden, dass es keine gleich-heitswidrige Behandlung von Angestellten auf Dienstreisen gegenüber An-gestellten innerhalb von Beschäftigungsbehörden darstellt, die Wegezeiten der 363738- 14 - 9 AZR 686/09 - 15 - reisenden Angestellten zum auswärtigen Geschäftsort nicht vollumfänglich zur Arbeitszeit zu zählen (Senat 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 19 ff., BAGE 119, 41). Er hat dies im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Tarifver-tragsparteien über eine Einschätzungsprärogative verfügen, die es erlaubt, beim Reisezeitausgleich maßgeblich auf den Umstand abzustellen, dass und in welchem Ausmaß Freizeitopfer auszugleichen sind (Senat 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 27, aaO). Diese Erwägungen gelten für die Nachfolge-regelungen des § 44 Abs. 2 und § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V entsprechend. (3) Die unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten mit fester Arbeits-zeit und Beschäftigten, die ihre Arbeitsleistung gemäß einer Gleitzeitverein-barung erbringen, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. (a) Während nicht anrechenbare Reisezeiten bei fester Arbeitszeit zu 50 vH als Freizeitausgleich gewährt werden, werden diese Zeiten bei gleitender Arbeitszeit im Rahmen der jeweils geltenden Vorschriften als Arbeitszeit an-gerechnet, § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V. Die Vorschrift räumt Beschäftigten mit gleitender Arbeitszeit ebenfalls keinen Anspruch auf Abgeltung ein. Reise-zeiten werden vielmehr in das Arbeitszeitkonto eingestellt, § 10 Abs. 3 TVöD. Ein Abgeltungsanspruch besteht erst unter der weiteren Voraussetzung, dass - entgegen dem Regelfall - das Arbeitszeitkonto ein Guthaben aufweist, das jenseits der durch Dienst- respektive Betriebsvereinbarung zu bestimmenden Grenzen liegt. § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V gibt Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse einer Gleitzeitvereinbarung unterfallen, lediglich die Chance auf eine Abgeltung von Reisezeiten, die sich erst bei Hinzutreten weiterer Umstände realisiert. Räumte man Arbeitnehmern mit fester Arbeitszeit einen Abgeltungsanspruch ein, der von keinen weiteren Voraussetzungen abhinge, mündete dies in eine Besserstellung gegenüber den Arbeitnehmern mit gleiten-der Arbeitszeit. (b) Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien mit der Setzung des § 47 Nr. 10 Abs. 5 TVöD-BT-V die Einschätzungsprärogative, die ihnen gemäß Art. 9 Abs. 3 GG zukommt, nicht überschritten. Gleitzeitvereinbarungen bewirken lediglich eine einheitliche Abbildung unterschiedlich begründeter Wertguthaben 394041- 15 - 9 AZR 686/09 in Gestalt von abstrakten, vergütungsrelevanten Recheneinheiten (vgl. BAG 17. März 2010 - 5 AZR 196/09 - Rn. 15, DB 2010, 1130). Eine wertmäßige Verbesserung oder Verschlechterung verbindet sich damit grundsätzlich nicht. Zudem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Tarifvertragsparteien mit der unterschiedlichen Ausgestaltung der Freizeitansprüche einen Anreiz schaf-fen, Arbeitszeiten durch Gleitzeitvereinbarungen zu flexibilisieren. B. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Düwell Krasshöfer Suckow Benrath Neumann 42

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