8 W (pat) 65/12  - 8. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



8 W (pat) 65/12
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
31. Januar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2008 024 514



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hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie die Richter Dr. agr. Huber,
Dr.-Ing. Dorfschmidt und die Richterin Uhlmann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
9. Mai 2012 aufgehoben. Das Patent 10 2008 024 514 wird auf
der Grundlage des im Schriftsatz vom 19. Januar 2017 gestellten
Hilfsantrags II mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten:

Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag II im Schriftsatz vom
19. Januar 2017

Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Das Patent 10 2008 024 514 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „Schmiervorrich-
tung“ ist am 21. Mai 2008 unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom
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23. Mai 2007 angemeldet worden. Mit Beschluss vom 11. Mai 2010 ist das Patent
erteilt und am 7. Oktober 2010 ist die Erteilung veröffentlicht worden.

Gegen das Patent hat die Beschwerdegegnerin mit Wirkung vom
31. Dezember 2010 Einspruch erhoben, mit dem der vollständige Widerruf bean-
tragt wurde. Ihrer Auffassung nach ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des
Streitpatents insbesondere gegenüber einer geltend gemachten offenkundigen
Vorbenutzung (Vertrieb einer Spritzgießmaschine, Anlagen E1 bis E3) nicht neu.
Zudem hat die Einsprechende weitere Unterlagen E4 und E5 eingereicht, gegen-
über denen – jeweils in einer Zusammenschau mit der im Prüfungsverfahren er-
mittelten D1 – der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2012 hat die Patentabteilung 16 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts das Streitpatent widerrufen. Zur Begründung hat sie aus-
geführt, dass die Erfindung gemäß den Patentansprüchen 1 in den damaligen als
Haupt- und drei Hilfsanträgen beanspruchten Fassungen gegenüber dem Stand
der Technik nicht patentfähig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom
3. September 2012. Sie führt in ihrer Beschwerdebegründung an, dass die Ge-
genstände nach Anspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsanträgen jeweils neu seien
und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Vor der mündlichen Ver-
handlung hat die Patentinhaberin mit Eingang vom 23. Januar 2017 neue Haupt-
und Hilfsanträge I bis III mit neuen Anspruchsfassungen eingereicht, die dem
weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden sollen. In der mündlichen Verhand-
lung hat sie einen weiteren Hilfsantrag I a eingereicht. Sie trägt vor, bereits der
Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei nicht nahegelegt, da auch
die Zusammenschau der Druckschriften D1 und D2 die beanspruchte Umlauf-
schmierung für eine Schmierstelle, welche zwischen einem Kniehebel und einem
Bolzen liegt, nicht nahelege.

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Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin stellt den Antrag,

den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 1.16 des Deut-
schen Patent- und Markenamtes vom 9. Mai 2012 aufzuheben
und das Patent 10 2008 024 514 auf der Grundlage des im
Schriftsatz vom 19. Januar 2017 gestellten Hauptantrags auf-
rechtzuerhalten;

hilfsweise stellt sie den Antrag,

das Patent 10 2008 024 514 auf Grundlage des im Schriftsatz vom
19. Januar 2017 gestellten Hilfsantrags I aufrechtzuerhalten;

hilfsweise stellt sie den Antrag,

das Patent 10 2008 024 514 auf Grundlage des in der mündlichen
Verhandlung gestellten Hilfsantrags I a aufrechtzuerhalten;

hilfsweise stellt sie den Antrag,

das Patent 10 2008 024 514 auf Grundlage des im Schriftsatz vom
19. Januar 2017 gestellten Hilfsantrags II aufrechtzuerhalten;

hilfsweise stellt sie den Antrag,

das Patent 10 2008 024 514 auf der Grundlage des im Schriftsatz
vom 19. Januar 2017 gestellten Hilfsantrags III aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Einsprechende ist der Auffassung, dass die Gegenstände der Patentansprü-
che 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen allesamt nicht patentfähig seien, da der
Stand der Technik diese nahelege. Sie reicht mit Bezug auf die neu vorgelegten
Anträge der Patentinhaberin eine weitere Druckschrift (DE 1 044 536 B) ein. Ins-
gesamt ist folgender Stand der Technik in das Verfahren eingeführt:

Aus dem Prüfungsverfahren:

D1: DE 10 2004 042 744 A1
D2: DE 10 2004 026 450 A1

Durch die Einsprechende:

E1: Schemazeichnung einer Spritzgießmaschine der Baureihe „EM“,
mit Aufdruck „erstellt am 30.07.2001“
E2: Foto 1, Teilansicht einer Spritzgießmaschine der Baureihe „EM“,
E3: Foto 2, Teilansicht einer Spritzgießmaschine der Baureihe „EM“
E4: Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 13. Auflage,
1. Band, Springer-Verlag 1974, S. 713 bis 721
E5: Roloff/Matek: Maschinenelemente, 7. Auflage, Vieweg-Verlag
1976, S. 396 bis 405
E6: DE 1 044 536 B

Die Dokumente E1 bis E3 stellen dabei Unterlagen einer geltend gemachten of-
fenkundigen Benutzung vor dem Prioritätstag dar, für die auch Zeugenbeweis an-
geboten wird.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet mit einer vom Senat er-
gänzten Merkmalsgliederung:

- 6 -
1. Schmiervorrichtung für eine Spritzgießmaschine
1.1 mit mindestens einem Behältnis für Schmiermittel,
1.2 einer Zulaufleitung für Schmiermittel zu einer Schmierstelle (11),
1.2.1 welche zwischen einem Kniehebel (9) und einem Bolzen (10)
liegt,
1.3 und einer Ablaufleitung für Schmiermittel von einer Schmierstelle,
1.4 wobei die Schmiervorrichtung wenigstens zwei Schmierstellen ver-
sorgt,
dadurch gekennzeichnet,
1.4.1 dass zu jeder der wenigstens zwei Schmierstellen (11) eine
gesonderte Zulaufleitung (5) verläuft, sodass die Schmierstel-
len (11) parallel mit Schmiermittel (4) versorgbar sind,
1.4.2 und von jeder Schmierstelle (11) eine Ablaufleitung (3) weg-
führt.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I weist gegenüber dem An-
spruch 1 nach Hauptantrag ein weiteres zusätzliches Merkmal 1.4.1.a nach
Merkmal 1.4.1 auf:

……….
1.4.1.a wobei jeder der wenigstens zwei Schmierstellen (11) ein
Dosierelement (14) zugeordnet ist, welches über die Zulauf-
leitung (5) Schmiermittel (4) erhält und der jeweiligen
Schmierstelle (11) Schmiermittel (4) zuweist,
1.4.2 und wobei ….

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I a weist gegenüber dem An-
spruch 1 nach Hilfsantrag I durch zusätzliche Merkmale ergänzte Merkmale 1.4‘
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und 1.4.2‘ auf, so dass der Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält (Änderun-
gen gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag mit Unterstrich, Gliederungs-
zeichen vom Senat hinzugefügt):

1. Schmiervorrichtung einer Spritzgießmaschine
1.1 mit mindestens einem Behältnis für Schmiermittel,
1.2 einer Zulaufleitung für Schmiermittel zu einer Schmierstelle (11),
1.2.1 welche zwischen einem Kniehebel (9) und einem Bolzen (10)
liegt,
1.3 und einer Ablaufleitung für Schmiermittel von einer Schmierstelle,
1.4‘ wobei die Schmiervorrichtung wenigstens zwei Schmierstellen ei-
nes Hebelgelenks (7), welches durch Kniehebel (9) und einen Bol-
zen(10) gebildet wird, versorgt,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.4.1 zu jeder der wenigstens zwei Schmierstellen (11) eine geson-
derte Zulaufleitung (5) verläuft, sodass die Schmierstellen (11)
parallel mit Schmiermittel (4) versorgbar sind,
1.4.1.a wobei jeder der wenigstens zwei Schmierstellen (11) ein
Dosierelement (14) zugeordnet ist, welches über die Zulauf-
leitung (5) Schmiermittel (4) erhält und der jeweiligen
Schmierstelle (11) Schmiermittel (4) zuweist,
1.4.2' und wobei von jeder Schmierstelle (11) eine gesonderte
Ablaufleitung (3) wegführt.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II lautet mit der entsprechend
ergänzten Merkmalsgliederung:

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1. Schmiervorrichtung für eine Spritzgießmaschine
1.1 mit mindestens einem Behältnis für Schmiermittel,
1.2 einer Zulaufleitung für Schmiermittel zu einer Schmierstelle (11),
1.2.1 welche zwischen einem Kniehebel (9) und einem Bolzen (10)
liegt,
1.3 und einer Ablaufleitung für Schmiermittel von einer Schmierstelle,
1.4 wobei die Schmiervorrichtung wenigstens zwei Schmierstellen ver-
sorgt,
1.4.0 und wobei eine Zentralschmierpumpe (8) zum Fördern des
Schmiermittels vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.4.1 zu jeder der wenigstens zwei Schmierstellen (11) eine geson-
derte Zulaufleitung (5) verläuft, sodass die Schmierstellen (11)
parallel mit Schmiermittel (4) versorgbar sind,
1.4.1.a wobei jeder der wenigstens zwei Schmierstellen (11) ein
Dosierelement (14) zugeordnet ist, welches über die Zulauf-
leitung (5) Schmiermittel (4) erhält und der jeweiligen
Schmierstelle (11) Schmiermittel (4) zuweist,
1.4.2 und wobei von jeder Schmierstelle (11) eine Ablaufleitung (3)
wegführt,
1.4.3 wobei die Dosierelemente (14) in Form eines Zylinders mit
integriertem, federbeaufschlagten Kolben ausgeführt sind, der
in der Zulaufleitung (5) vor der jeweiligen Schmierstelle (11)
angeordnet ist, wobei
1.4.4 der Kolben bei einer beginnenden Förderung des Schmiermit-
tels durch die Zentralschmierpumpe (8) in Richtung der
Schmierstelle (11) bewegbar ist und so das zwischen Kolben
- 9 -
und Schmierstelle (11) befindliche Schmiermittel in die
Schmierstelle (11) verteilt und
1.4.5 aufgrund des sich nach vor bewegenden Kolbens der Zylinder
des Dosierelements (14) zwischen Kolben und Zulauflei-
tung (5) mit Schmiermittel befüllbar ist,
1.4.6 der Kolben nach Druckentlastung der Zulaufleitung (5) in seine
Ausgangsstellung zurückkehrt, wobei beim Zurückbewegen
das hinter dem Kolben befindliche Schmiermittel durch Öff-
nungen im Bereich des Kolbens, die nur beim Zurückbewegen
Schmiermittel durchlassen, in den Bereich zwischen Kolben
und Schmierstelle (11) gedrückt wird.

Wegen weiterer Einzelheiten und wegen des Wortlauts der weiteren Patentan-
sprüche der jeweiligen Anträge wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.


II.

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist frist- und formgerecht eingereicht und zu-
lässig (§ 73 Abs. 2 PatG). Sie hat in der Sache insoweit Erfolg, als sie zur be-
schränkten Aufrechterhaltung des Patents führt. Der Gegenstand des Anspruchs 1
nach Hilfsantrag II stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG
dar.

1. Als Fachmann ist vorliegend ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung
Maschinenbau anzusehen, der bereits mehrere Jahre Berufserfahrung aufweist
und im Bereich der Entwicklung und Konstruktion von Spritzgießmaschinen tätig
ist.

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2. Die Erfindung betrifft eine Schmiervorrichtung für eine Spritzgießmaschine,
wobei nach den geltenden Patentansprüchen aller Anträge lediglich die Schmier-
stellen einer Spritzgießmaschine betroffen sind, die zwischen einem Kniehebel
und einem Bolzen liegen. Derartige Kniehebel sind typischerweise Elemente einer
Formschließeinheit einer Spritzgießmaschine [0037]. Nach den Ausführungen des
Streitpatents (Absätze [0002] bis [0004]) seien Schmiersysteme für Spritzgießma-
schinen bekannt, die einerseits Verbrauchsschmieranlagen darstellten, deren
Schmierstoff üblicherweise ohne Rückführung des Schmierstoffs durch „Lecken“ in
die Umgebung der Spritzgießmaschine freigesetzt würden. Andererseits seien
Umlaufschmieranlagen bekannt, die seriell die einzelnen Schmierstellen durch-
laufen würden, und so durch den benötigten Druck sehr viel Energie benötigten
sowie einen hohen Verschleiß der dafür erforderlichen Dichtungen erzeugen wür-
den.

Daraus ergibt sich nach Angaben in der Patentschrift die Aufgabe, ein Schmier-
system für eine Spritzgießmaschine zu schaffen, das keinen Ölfilm bzw. Ölnebel
im Bereich der Spritzgießmaschine produziert, Energie durch Vermeidung eines
permanenten Ölstroms spart und den Verschleiß der Dichtungen des Schmier-
mittelkreislaufs stark reduziert. Weiter soll die Schmiervorrichtung einfacher und
kostengünstiger und somit effizienter als bekannte Druckumlaufschmierungen
sein. Auch sollte gewährleistet sein, dass jede Schmierstelle ausreichend ge-
schmiert ist und dass keine Unterversorgung einer Schmierstelle auftritt. Im Ge-
gensatz zu herkömmlichen Verbrauchsschmierungen soll die Schmiervorrichtung
auch für eine Spritzgießmaschine, welche in Reinräumen angewendet wird, ge-
eignet sein [0008].

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt nach den Angaben in der Streitpatentschrift
durch eine Schmiervorrichtung für eine Spritzgießmaschine entsprechend dem
Patentanspruch 1 gemäß einem der Antragssätze.

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3. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag und des
Hilfsantrags 1 umfassen jeweils den Gegenstand des enger gefassten Patentan-
spruchs 1 nach Hilfsantrag 1a. Nachdem letzterer, wie die nachfolgenden Ausfüh-
rungen zum Hilfsantrag 1a zeigen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht,
sind auch die Patentansprüche 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 nicht rechts-
beständig.

4. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a beruht aus den nachfolgend
dargelegten Gründen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Druckschrift D1 (DE 10 2004 042 744 A1) beschreibt und zeigt eine Schließ-
einheit für eine Spritzgießmaschine mit einer Schmiermittelversorgung (Patentan-
spruch 1). Diese Schmiermittelversorgung ist sowohl für einen Spindeltrieb wie
auch für Gelenke eines Kniehebeltriebs (6) vorgesehen (Patentanspruch 2), die
aus einem Kniehebel und einem Bolzen bestehen (Figur). In der Figur und in der
dazugehörigen Beschreibung [0033] ist dabei offenbart, dass die Schmiervorrich-
tung der Spritzgießmaschine ein Behältnis für Schmiermittel (28) aufweist und
über Zulaufleitungen (Zuführleitungen 32, 32') für mehrere Schmierstellen auch
der Kniehebelgelenke verfügt (Merkmale 1. bis 1.2.1 sowie 1.4).

Aus D1 grundsätzlich bekannt ist eine Ablaufleitung (Rückführleitung 38) für
Schmiermittel von einer (anderen) Schmierstelle (Spindeltrieb 12), wobei hier eine
sowie gegebenenfalls eine zweite (geschlossene) Ablaufleitung in das Schmier-
mittelreservoir (28) erfolgt [0036]. Damit offenbart die D1 grundsätzlich eine Um-
laufschmierung für den Anwendungsfall eines Spindelantriebs einer Spritzgießma-
schine.

Die Schmierstoffversorgung der D1 verfügt gemäß dem Ausführungsbeispiel über
ein Mehrwegeventil (36), über das die Schmierung des Spindeltriebs und/oder der
Gelenke des Kniehebeltriebs entsprechend dem Bedarf erfolgen kann (Patentan-
spruch 3, Absatz [0037]). Die in der Figur gezeigten vier Kniehebelgelenke verfü-
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gen über jeweils gesonderte Zulaufleitungen, die die jeweiligen Schmierstellen der
in einer Seitenansicht dargestellten Kniehebelgelenke parallel mit Schmiermittel
versorgen können (Figur, Merkmal 1.4.1).

Die D1 weist zwar explizit kein jeder Schmierstelle zugeordnetes Dosierelement
aus. Es ist lediglich angegeben, dass das Magnetventil – abhängig von der Zyk-
lenzahl – die Schmiermittelzufuhr für den Spindeltrieb und die Kniehebelgelenke
unterschiedlich dosiert.

Allerdings offenbart die D1 einige konkrete Anhaltspunkte für eine selektive bzw.
individuelle Versorgung und somit Dosierung der Schmierstellen der Kniehebel-
gelenke. So ist bereits zu Beginn der Beschreibung als Ausgangspunkt für Ver-
besserungen mit Bezug auf die in der Beschreibungseinleitung genannte
DE 195 14 346 C1 ausgeführt, dass die Ausgestaltung, wonach dort eine
"…vorgegebene Menge Schmiermittel an die zu schmierenden Stellen transpor-
tiert…" wird, den Nachteil hat, dass "alle Versorgungspunkte geschmiert werden,
ohne dass die Möglichkeit einer Beeinflussung besteht" [0003]. Dass dabei nicht
nur an die diesbezüglichen unterschiedlichen Bedürfnisse von Spindeltrieb und
Gelenken des Kniehebels gedacht ist, beschreibt die D1 in Absatz [0010], wonach
"eine weitere selektive Schmierung…beispielsweise besonders beanspruchter
Gelenke" ermöglicht werden soll. Durch eine "selektive Versorgung der verschie-
denen Schmierstellen mit Schmiermittel" soll der Schmiermittelverbrauch "auf ein
Minimum reduziert werden" [0011].

Dass eine individuelle Dosierung der einzelnen Lager-Schmierstellen erfolgen
könnte, entnimmt der Fachmann gegebenenfalls auch durch die Bezeichnung der
"Schmiermittelzuführeinrichtungen (34)", die ausdrücklich als solche genannt und
in der Figur bei jeder Lagerschmierung eingezeichnet sind. Zuletzt soll gemäß Ab-
satz [0038] ermöglicht werden, "eine effiziente Schmiermittelversorgung aller
schmierbedürftigen Stellen der Schließeinheit…entsprechend ihrem jeweiligen
Bedarf ortsgenau…" zu gewährleisten. Sofern all diese Hinweise nicht bereits eine
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bedarfsgerechte Dosierung der einzelnen Lager-Schmierstellen implizieren, legen
sie dem Fachmann doch eindeutig die individuelle Schmiermitteldosierung der
Hebelgelenke aus der D1 nahe (Merkmal 1.4.1.a).

Hinsichtlich des Merkmals, wonach es sich bei den zumindest zwei Schmierstellen
um Schmierstellen eines (einzigen) Hebelgelenks handelt, das durch Kniehebel
und einen Bolzen gebildet wird, lässt die Darstellung der Schließeinheit in einer
Seitenansicht in der Figur der D1 offen, ob die exemplarisch dargestellten
Schmierstoffzuleitungen der vier Kniehebelgelenke jeweils eine oder zwei (jeweils
separate) Lagerstätten an einem Hebelgelenk aufweisen. Selbstverständlich wer-
den auch die anderen in der Figur dargestellten, nicht am Schmiermittelzulauf an-
geschlossenen Hebelgelenke geschmiert, zweifellos würden ebenso zwei mehr
oder weniger auseinander liegende Lagerstätten eines Hebelgelenkes geschmiert
werden. Ob die Schmiermittelversorgung dabei mittels interner, im Bolzen bzw. im
Hebel liegender Versorgungskanäle oder über separate Zuführleitungen realisiert
würde, entscheidet der Fachmann im Einzelfall jeweils nach konstruktiven und ge-
gebenenfalls weiteren technischen oder wirtschaftlichen Kriterien anhand seines
allgemeinen Fachwissens. Für den Fachmann stellt die Auswahl einer dieser bei-
den prinzipiellen Möglichkeiten daher eine einfache technische Maßnahme dar,
die keinen Beitrag zu einer erfinderischen Tätigkeit liefert.

Bei der aus D1 bekannten Vorrichtung wird das Schmiermittel nicht von den
Schmierstellen der Hebelgelenke abgeführt. Es gelangt daher Schmiermittel in die
Umgebung, so dass die Vorrichtung ersichtlich nicht für die Nutzung in Reinräu-
men geeignet ist. Um eine bessere Umweltverträglichkeit der Vorrichtung und zu-
sätzliche Einsatzmöglichkeiten zu erreichen, hat der Fachmann daher Veranlas-
sung, Änderungen an der Schmierung der Hebelgelenke vorzunehmen.

Hierzu bietet es sich ihm an, eine Umlaufschmierung, wie sie bereits bei der D1 für
den Spindeltrieb der Schließeinheit angewandt wird, auch für die Schmierung der
Hebelgelenke der D1 zu realisieren. Dieses Vorgehen ist dem Fachmann zudem
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durch D2 (DE 10 2004 026 450 A1) nahegelegt, die eine Schließeinheit einer
Spritzgießmaschine mit einem Öffnungs- und Schließmechanismus zwischen ei-
ner beweglichen Aufspannplatte (2) und einer feststehenden Stützplatte (3) zeigt.
Nach Anspruch 1 ist der Öffnungs- und Schließmechanismus als Kurbeltrieb (4)
mit mindestens einer Kurbelscheibe (9) und zwei Pleueln (11', 11‘‘) ausgebildet.
Für jedes dieser beiden Pleuel ist eine eigene Schmierung mit einem Schmiermit-
telzulauf und einem Schmiermittelablauf vorgesehen (Patentanspruch 14), wobei
bereits jeder Ringspalt (16) zwischen Bolzen (10, 24', 24‘‘) und Pleuel (Hebel) ei-
nen eigenen Schmiermittelzu- und -ablauf aufweist (Fig. 8 und dazugehörige Be-
schreibung sowie allgemeine Beschreibung in [0028]). Allerdings sind die beiden
in der Fig. 8 gezeigten Schmierstellen eines Pleuels "hintereinandergeschaltet", so
dass sie keine parallele, gesonderte Zu- und dementsprechend auch keine ge-
sonderte Ablaufleitung des Schmiermittels aufweisen.

Im Ausführungsbeispiel nach Fig. 8 ist ein Schmiermittelbehälter skizziert, aus
dem eine Pumpe (19) mittels eines Elektromotors das Schmiermittel über die Zu-
fuhrkanäle (15) und die Strömungskanäle (12) den Schmierstellen zuführt. Der
Strömungskanal dient dabei einer Schmierstelle als Ablauf-, der zweiten, nächst
folgenden dagegen als Zulaufkanal. Erst nach der zweiten Schmierstelle wird das
Schmiermittel "über den Abflusskanal (18) in den Innenraum des Gehäuses (40)
abgegeben und von Elektromotor-/Pumpenanordnung (19) wieder dem Zulauf (15)
zugeführt“ [0062]. Mit den auch mittels Ringdichtungen (13) gekapselten Schmier-
stellen bildet die Spritzgießmaschine der D2 somit offensichtlich geschlossene
Schmierstoffkreisläufe aus, die im Übrigen auch für Reinraumbedingungen (Rein-
raumtauglichkeit, [0062]) geeignet sind.

Die D2 offenbart somit für die Schmierstellen der Hebelgelenke eine Umlauf-
schmierung, wie sie dem Fachmann prinzipiell bereits aus der D1 für den Spindel-
trieb bekannt war. Sofern der Fachmann – beispielsweise für einen Einsatz der
Spritzgießmaschine in einem Rein- oder Reinstraum – demzufolge auch die weite-
ren Schmierstellen der Spritzgießmaschine der D1 kapseln will, findet er die Lö-
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sung der Umlaufschmierung auch für die Hebelgelenke in der D2 (Merkmal 1.3).
Dass er dabei die für ihn vorteilhaft erscheinende und in der D1 bereits realisierte
parallele und gesonderte Zulaufleitung aller Hebelgelenke beibehält, ist für ihn of-
fensichtlich. Denn er würde sich bei einer Hintereinanderschaltung den erkennba-
ren Nachteil der wesentlich erhöhten Druckbeaufschlagung des Schmiermittels mit
der damit verbundenen erhöhten Belastung eines Teils der Dichtelemente einhan-
deln. Der Fachmann behält deshalb die Lösung der D1 bei, alle Hebelgelenke pa-
rallel und gesondert mit einer Zulaufleitung mit Schmiermittel zu versorgen, und
übernimmt nicht die in der D2 gewählte Lösung der "Hintereinanderschaltung"
zweier oder mehrerer Schmierstellen.

Mit der aus der D1 bekannten parallelen, gesonderten Zuführung von Schmier-
mittel an alle Hebelgelenke – sowie aus fachlichen Erwägungen auch der separa-
ten Zuführung von Schmiermittel an zwei Schmierstellen eines (einzigen) Hebel-
gelenks – sieht der Fachmann dann auch entsprechende gesonderte Ablaufleitun-
gen von jeder Schmierstelle vor (Merkmal 1.4.2‘). Gekapselte Schmierstellen mit
jeweils gesonderten Zulaufleitungen bedingen aus logischen Erwägungen auch
gesonderte Ablaufleitungen an jeder dieser Schmierstellen.

Somit ist der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I a nicht patentfä-
hig. Die bereits aus der D1 prinzipiell bekannte Umlaufschmierung auch auf die
Schmierstellen der Hebelgelenke zu übertragen, hat für den Fachmann durch die
Hinweise aus der D2 nahegelegen. Anregungen zur Verwendung einer Dosierein-
richtung für jede Zulaufleitung sind vielfältig aus der D1 genannt und die separate
Zuführung von Schmiermittel auch an zwei Schmierstellen an einem Hebelgelenk
ist eine handwerkliche Maßnahme, die der Fachmann im Falle beabstandeter
Gleitlager eines Hebelgelenks bei Bedarf ausführt. Der Gegenstand nach An-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätig-
keit.

Damit ist der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I a nicht bestandsfähig.
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5. Der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ist in den ursprüngli-
chen Unterlagen offenbart, eine fehlende ursprüngliche Offenbarung wurde auch
nicht angegriffen. Er ist zweifellos neu und beruht auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit.

Der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II umfasst ebenfalls die
Merkmale 1.3, 1.4.1, 1.4.1.a und das gegenüber dem Merkmal 1.4.2' geringfügig
abgewandelte Merkmal 1.4.2 (ohne die Beschränkung "gesonderte" Ablaufleitung)
des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I a, die nicht aus der Druckschrift D1 bekannt
sind. In Bezug auf das Naheliegen dieser Merkmale in der fachmännischen Zu-
sammenschau der beiden Druckschriften D1 und D2 wird auf die entsprechenden
Ausführungen hierzu unter II. 4. verwiesen. Das ebenfalls aus D1 nicht bekannte
Merkmal, dass die Schmiervorrichtung wenigstens zwei Schmierstellen eines (ein-
zigen) Hebelgelenks versorgt, ist hingegen in der Anspruchsfassung gemäß Hilfs-
antrag II nicht mehr enthalten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag II weist gegenüber dem Ge-
genstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I a andererseits weitere Merk-
male 1.4.0 sowie 1.4.3 bis 1.4.6 auf, die eine Zentralschmierpumpe zum Fördern
des Schmiermittels vorsehen (Merkmal 1.4.0) und die ferner die Dosierelemente
im Einzelnen konkretisieren (Merkmale 1.4.3 bis 1.4.6).

Das Merkmal 1.4.0 ist aus der D1 bereits bekannt; hier dient die Schmiermittel-
pumpe (30) der Schmiermittel-Versorgung sowohl der Gelenke des Kniehebel-
triebs (10) wie auch des Spindeltriebs über das Mehrwegeventil (36). Einzelheiten
hinsichtlich der Dosierelemente gemäß den Merkmalen 1.4.3 bis 1.4.6 sind weder
der D1 noch der D2 zu entnehmen.

Die in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden im Hinblick auf die
Ausgestaltung eines Dosierelements noch eingereichte E6 (DE 1 044 536 B) of-
fenbart einen Dosierverteiler, der zur Abgabe von unter niedrigem und hohem
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Druck stehenden Flüssigkeiten (Schmiermedien), beispielsweise "für Zentralsch-
mierungen oder auch als Zumessverteiler für Apparate u. dgl." vorgesehen ist
(Abs. 1 der Beschreibung). Der im Ausführungsbeispiel beschriebene Dosierver-
teiler ist als Gehäuseblock mit im Wesentlichen zwei zylindrischen Hohlräumen
dargestellt (Fig. 1 und 2), wobei die Zuleitung durch eine zusätzliche Bohrung quer
zu den zylindrischen Achsen verläuft und der Verteiler auf dieser Zuleitung befes-
tigt ist (Fig. 3). Die Förderung des Schmiermediums erfolgt über das Zusammen-
wirken eines Steuer- und eines Dosier- bzw. Zumesskolbens, wobei das
Schmiermittel zweimal wechselseitig von einem Zylinderhohlraum zum anderen
und wieder zurück gefördert wird, bevor es axial aus dem Dosierer ausgestoßen
wird (Funktionsweise letzter Abs. der Beschreibung).

Es ist bereits fraglich, ob der Fachmann hinsichtlich der detailliert ausgestalteten
Dosierelemente überhaupt die E6 heranziehen würde, da diese keinen Bezug zu
einer Anwendung einer Schmierstoffzuleitung von einzelnen Maschinenelementen
oder gar Hebelgelenken aufweist. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben,
da selbst die Hinzuziehung der E6 nicht zum patentgemäßen Gegenstand führt.
Das Dosierelement der E6 weist bereits keine Form eines Zylinders mit darin inte-
griertem, federbeaufschlagtem Kolben auf (Merkmal 1.4.3), ferner ist auch Merk-
mal 1.4.6 nicht offenbart, wonach beim Zurückbewegen des Kolbens das dahinter
befindliche Schmiermittel durch Öffnungen "im Bereich des Kolbens" gedrückt
wird. Das Dosierelement kann in seiner Funktion mit zwei Zylinderräumen und
zwei Kolben (Steuer- und Dosierkolben) nicht in naheliegender Weise auf ein Do-
siersystem mit einem Zylinder ("Zylinderform") sowie (einem) integrierten, feder-
beaufschlagten Kolben reduziert werden. Zudem erfolgt der Durchlass des
Schmiermediums nicht im Bereich des Kolbens – und somit nicht über Öffnungen
im Kolben selbst oder beispielsweise in einem am Kolben befestigen Ventil – son-
dern erfolgt über einen externen Hohlzylinder. Damit sind beide Merkmale (1.4.3
und 1.4.6) aus der Druckschrift E6 weder bekannt noch ergeben sie sich in nahe-
liegender Weise aus ihr.

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Auch die weiteren Dokumente E4 und E5 sowie die geltend gemachte Benutzung
vor dem Prioritätstag (E1 bis E3) – deren Offenkundigkeit insofern dahingestellt
bleiben kann – haben jeweils keine Dosierelemente in Form eines Zylinders mit
integriertem Kolben zum Inhalt, weshalb auch der angebotene Zeugenbeweis
nicht zu erheben war. Aus diesem weiteren Stand der Technik kann der Fach-
mann somit keine Anregungen zur konkreten Ausgestaltung der Dosierelemente
nach Anspruch 1 des Hilfsantrags II entnehmen. Sein Gegenstand beruht somit
auf erfinderischer Tätigkeit.

6. Mit dem bestandsfähigen Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II haben auch die
auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 Bestand, da ihre Gegen-
stände über selbstverständliche Maßnahmen hinausgehen.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
- 19 -
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch eine
beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder einen beim Bundesge-
richtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Zehendner Dr. Huber Dr. Dorfschmidt Uhlmann

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