8 W (pat) 40/14  - 8. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:211117B8Wpat40.14.0

BUNDESPATENTGERICHT



8 W (pat) 40/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
21. November 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2004 040 109.8





hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. November 2017 durch den Vorsitzenden
Richter Dipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie die Richter Dr. agr. Huber,
Dr.-Ing. Dorfschmidt und Heimen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse B29C des Deutschen Patent- und Marken-
- 2 -
amts vom 10. Oktober 2014 aufgehoben und das Patent mit den
folgenden Unterlagen erteilt:

Bezeichnung: Antrieb für eine Indexplatte eines Spritzgießwerk-
zeugs

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Patentansprüche 2 bis 15 gemäß der Offenlegungsschrift,

Beschreibungsseite 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibungsseite 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 3. Mai 2016,
Seiten 3 bis 9 gemäß der Beschreibung vom Anmeldetag,

Figuren 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 7. Februar 2005.


G r ü n d e


I.

Die Patentanmeldung 10 2004 040 109 mit der Bezeichnung „Antrieb für eine In-
dexplatte eines Spritzgießwerkzeugs“ ist am 18. August 2004 angemeldet und am
9. März 2006 offengelegt worden.

Die Prüfungsstelle B29C des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Erstbe-
scheid vom 9. Juni 2011 die Erteilung eines Patents nicht in Aussicht gestellt, da
der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Patentanmelderin hat daraufhin den Ge-
genstand des Anspruchs 1 nochmals aus ihrer Sicht erläutert; sie hat einen leicht
modifizierten neuen Patentanspruch 1 eingereicht und argumentiert, dass der vor-
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liegende Gegenstand sowohl neu als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beru-
hend sei. Sofern die Prüfungsstelle eine Patenterteilung nicht in Aussicht stellen
könne, hat sie um die Durchführung einer Anhörung gebeten.

Die Prüfungsstelle hat in einem weiteren Bescheid vom 1. April 2014 dargelegt,
dass auch der nun vorliegende Gegenstand nicht patentfähig sei. Daraufhin hat
die Anmelderin nochmals um die Erteilung des Patents und hilfsweise erneut um
eine Anhörung nachgesucht, alternativ um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2014 hat die Prüfungsstelle daraufhin die Patent-
anmeldung gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 30. Oktober 2014 eingereichte Be-
schwerde der Anmelderin. Mit der Begründung der Beschwerde vom 3. Mai 2016
reicht sie dabei auch eine neue Beschreibungsseite 2 ein, die in Verbindung mit
den übrigen geltenden Unterlagen dem Prüfungsverfahren zugrunde gelegt wer-
den soll.

Mit einem Hinweis zur Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Senat noch
zwei Druckschriften (D5 und D6) in das Verfahren eingeführt, die ihm bekannt ge-
worden sind. Diese beiden Dokumente könnten dabei gemäß der vorläufigen
Auffassung des Senats die Patentfähigkeit des Gegenstands nach Anspruch 1 in-
frage stellen. Kurz vor der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin u.a. noch
einen Auszug eines Fachbuchs eingereicht (D7), der den Begriff der „Indexplatte“
im Zusammenhang mit verschiedenen Varianten zum Mehrkomponenten- / Mehr-
farbenspritzgießen näher definieren bzw. erläutern soll.

In der mündlichen Verhandlung reicht die Anmelderin einen neuen Hauptantrag
mit einem neuen Patentanspruch 1 ein, der folgenden Wortlaut hat:

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„Antrieb für eine Indexplatte eines Spritzgießwerkzeugs für eine
Mehrkomponenten- oder Mehrfarbenspritzgießmaschine, mit einer
dreh- und linearantreibbaren, an der Indexplatte befestigbaren
Drehwelle, sowie mit einem Drehantrieb zum Drehen der Index-
platte,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Drehwelle wenigstens ein erstes hinteres Teil als An-
triebsteil (21) und wenigstens ein zweites vorderes Teil als Ver-
sorgungsteil (22) aufweist, in dem sich Kanäle (24, 25, 38) für die
Versorgung der Indexplatte (8) mit flüssigen oder gasförmigen
Medien, und/oder für die Durchführung von elektrischen oder fa-
seroptischen Leitungen befinden, wobei das Versorgungsteil (22)
mit seinem dem Antriebsteil (21) abgewandten Ende mit der In-
dexplatte (8) verbindbar ist, und wobei zum Drehen der Index-
platte der Drehantrieb mit dem Antriebsteil (21) der Drehwelle ver-
bunden ist.“

Der weiterhin geltende und u. a. von Patentanspruch 1 abhängig formulierte ne-
bengeordnete Patentanspruch 9 lautet:

„Spritzgießmaschine mit einer Indexplatte und einem Antrieb nach
einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die
Drehwelle, insbesondere das Antriebsteil (21), in einer Auswerfer-
platte (12) der Spritzgießmaschine axial fest, aber drehbar gela-
gert ist.“

Die Anmelderin sieht die vorliegenden Gegenstände der nebengeordneten Pa-
tentansprüche für patentfähig an und beantragt,

- 5 -
den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B29C
des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. Oktober 2014
aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentanspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
Ansprüche 2 bis 15 gemäß der Offenlegungsschrift,

Beschreibungsseite 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibungsseite 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 3. Mai 2016,
Seiten 3 bis 9 gemäß der Offenlegungsschrift,

Figuren 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 7. Februar 2005.

Insgesamt sind folgende Druckschriften im Verfahren:

D1 DE 101 45 461 A1
D2 FR 2 725 152 A1
D3 „Die heiß-kalte Lösung”, Hansjörg Keusgen, Kunststoffe Jg. 91
(2001) 3, S. 92 - 94
D4 „Pneumatische Zwangsentformung“, Hansjörg Keusgen, Kunststoffe
Jg. 90 (2000) 4, S. 72 – 74
D5 US 3 435 483 A
D6 DE 690 11 276 T2
D7 „Handbuch Spritzgießen“, Johannaber/Michaeli, 2002, Carl Hanser
Verlag, Seiten 506 – 514 und Deckblatt und bibliografische Daten

Hinsichtlich der weiteren Ansprüche sowie der weiteren Schriftsätze wird auf die
Offenlegungsschrift und die Akten im Übrigen verwiesen.

- 6 -
II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache
auch begründet, denn der Gegenstand des im Beschwerdeverfahren beschränk-
ten Patentanspruchs 1 stellt – wie auch der Gegenstand des Anspruchs 9 – eine
patentfähige Erfindung nach §§ 1 bis 5 PatG dar. Der Antrag ist dahingehend zu
verstehen, dass die unveränderten Beschreibungsseiten 3 bis 9 aus den Anmel-
deunterlagen gelten sollen.

1. Der geltende Patentanspruch 1 lautet in gegliederter Form:

1. Antrieb für eine Indexplatte eines Spritzgießwerkzeugs für eine Mehrkompo-
nenten- oder Mehrfarbenspritzgießmaschine,
1.1 mit einer dreh- und linearantreibbaren, an der Indexplatte befestigbaren
Drehwelle,
1.2 sowie mit einem Drehantrieb zum Drehen der Indexplatte,
dadurch gekennzeichnet,
1.3 dass die Drehwelle wenigstens ein erstes hinteres Teil als Antriebsteil (21)
1.4 und wenigstens ein zweites vorderes Teil als Versorgungsteil (22) auf-
weist,
1.4.1 in dem sich Kanäle (24, 25, 38) für die Versorgung der Indexplatte (8)
mit flüssigen oder gasförmigen Medien, und/oder für die Durchführung
von elektrischen oder faseroptischen Leitungen befinden,
1.4.2 wobei das Versorgungsteil (22) mit seinem dem Antriebsteil (21) abge-
wandten Ende mit der Indexplatte (8) verbindbar ist, und
1.5 wobei zum Drehen der Indexplatte der Drehantrieb mit dem Antriebs-
teil (21) der Drehwelle verbunden ist.

- 7 -
In Bezug auf die Auslegung des Patentanspruchs 1 ist lediglich anzumerken, dass
die „Drehwelle“ gemäß der Anspruchsformulierung in den Merkmalen 1.3 und 1.4
nicht zweiteilig im Sinne von „aus zwei Bauteilen zusammengesetzt“ anzusehen
ist. Eine lösbare Verbindung über eine Kupplung wird erst im Patentanspruch 4
beansprucht. Im Übrigen sieht dies die Anmelderin in ihrem Schriftsatz ebenso
(Erwiderung vom 11. Januar 2011 unter 2.4). Unter „Indexplatte“ ist eine „drehbare
dritte Platte zwischen zwei Basiswerkzeughälften“ zu verstehen, die als werk-
zeugtechnische Variante beim Mehrkomponenten- oder Mehrfarbenspritzgießen
eingesetzt wird (Definition gemäß D7, S. 511 „Indexplattenverfahren“).

2. Der Gegenstand des nun vorliegenden Patentanspruchs 1 ist in den
ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörig zu entnehmen.

Gemäß Merkmal 1 ist der Antrieb für eine Indexplatte nun nicht mehr für eine
Spritzgießmaschine im Allgemeinen, sondern lediglich für die zuvor besonders
angedachte Lösung einer Mehrkomponenten- oder Mehrfarbenspritzgießmaschine
vorgesehen. Nach dem neu hinzugekommenen Merkmal 1.4.2 ist nun konkreti-
siert, dass das zweite, vordere Teil der Drehwelle, nämlich das Versorgungs-
teil (22), nun mit seinem dem Antriebsteil (21) abgewandten Ende mit der Index-
platte (8) verbindbar ist. Die ursprüngliche „allgemeine“ Formulierung in Merk-
mal 1.4, wonach das zweite Teil der Drehwelle mit der Indexplatte (8) verbindbar
sei, ist dementsprechend nun nicht mehr enthalten.

Das Merkmal 1.4.2 ist wörtlich nicht explizit offenbart, die Darstellungen in den Fi-
guren 1 und 2 offenbaren dem Fachmann jedoch zeichnerisch eindeutig als zur
Erfindung gehörend, dass das als Versorgungsteil (22) der dreh- und linearan-
treibbaren Drehwelle mit seinem dem Antriebsteil (21) abgewandten Ende mit der
Indexplatte verbindbar bzw. verbunden ist. Verbindungsmittel sind zwar nicht in
den Figuren gezeigt, doch ist dieser Sachverhalt einerseits offensichtlich und zu-
dem in der ursprünglichen Anspruchsfassung des Patentanspruchs 1 enthalten
- 8 -
(„…mit der Indexplatte (8) verbindbares Teil…“). Damit ist das Merkmal 1.4.2 für
einen Fachmann in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

3. Der Antrieb für eine Indexplatte nach Anspruch 1 ist neu (§ 3 PatG), denn
keine der im Stand der Technik aufgeführten Druckschriften weist alle Merkmale
dieses Antriebs auf.

Die Druckschrift D6 (DE 690 11 276 T2) offenbart eine „Rotationsmaschine zum
Spritzblasformen“ (Bezeichnung der D6), bei der eine Drehplatte (Drehscheibe 3),
die zwischen einer Grundplatte (2) und einer Formwerkzeughälfte (Spritzgieß-
werkzeug 30) positioniert ist, über eine „Drehwelle“ (Welle, Tragsäule 7) axial- und
drehangetrieben werden kann. Der Axialantrieb erfolgt über einen Hydraulikan-
trieb (8, 8a) unterhalb der Welle, die Drehbewegung wird durch einen nicht ge-
zeigten Drehantrieb über eine Zahnstange (10) und ein Ritzel (11) auf einen
Drehzylinder (12) übertragen, der in ein Vielnutprofil (9) des „hinteren“ (ersten
bzw. unteren) Bereichs der Welle (Tragsäule) eingreift (insbes. Figuren 2 und 3
und dazugehörige Beschreibung).

Der sich zu einem Flanschabschnitt (13) erweiternde sowie der darüber liegende,
als Säulenendstück (7a) bezeichnete Bereich der Welle kann als „oberer“ oder
„vorderer“ und somit zweiter Abschnitt der Welle bzw. Tragsäule (7) bezeichnet
werden. Dieser vordere Teil der Welle ist bestimmungsgemäß über den
Flansch (13) mit der Drehscheibe fest verbunden (Merkmal 1.4) und enthält auch
Kanäle (16) für die Kühlwasserversorgung (Fig. 2, 3 und S. 5, Abs. 4; Merk-
mal 1.4.1).

Aus D6 nicht offenbart ist eine Indexplatte für eine Anwendung bei einer Mehr-
komponenten- oder Mehrfarbenspritzgießmaschine (Merkmal 1) und die Anbin-
dung der Antriebswelle gemäß Merkmal 1.4.2.

- 9 -
Aus der Druckschrift D5 (US 3 435 483 A) ist eine geteilte „Drehwelle“ zum Dreh-
antrieb einer Indexplatte bekannt, wobei die Antriebswelle lösbar aus zwei ge-
trennten Bauteilen (upper shaft 58, lower shaft 59) zusammengesetzt ist (Sp. 1,
Z. 25 – 31, insbesondere Fig. 6). Die lösbare Verbindung beider Wellenteile erfolgt
über eine Kupplung, die sich aus einem Kragen mit Haltestiften zusammensetzt
(collar 60, pins 61, 62). Zielsetzung der D5 ist es – ähnlich der gemäß der Patent-
anmeldung – die Montage und Demontage durch eine zweigeteilte und lösbare
Antriebswelle wesentlich zu erleichtern, was in einer ausführlich gegenüberge-
stellten Auflistung der hierzu notwendigen Verfahrensschritten dargelegt ist (Sp. 6
und 7).

Die Antriebswelle der D5 dient allerdings nur zum Drehantrieb der Indexplatte und
ist somit auch nicht im Sinne des Streitpatents mit der Indexplatte „verbunden“ (fi-
xiert). Die Axialverschiebung dieser erfolgt über einen Hydraulikantrieb mit Zylin-
der und Kolben (7, 8), der sich oberhalb der beweglichen Platte (movable platen 2)
befindet und am Querhaupt fixiert ist. Zudem sind keine Versorgungskanäle in der
Welle beschrieben oder gezeigt, so dass die Merkmale 1.1, 1.4 bis 1.4.2 nicht of-
fenbart sind.

Das Dokument D1 (DE 101 45 461 A1) beschreibt eine Ein- und Mehrkomponen-
ten-Spritzgussmaschine, wobei auf der schließseitigen Aufspannplatte (4) als Teil
der dort befestigten Formhälfte eine Index-Drehplatte (7a) angebracht ist (Zu-
sammenfassung, Absätze [0041] und [0042] und Figuren). Die Indexplatte kann
durch eine „Drehwelle (25)“ gedreht und in axialer Richtung längs der Drehachse
verschoben werden (dto.). Eine mehrteilige Welle ist in D1 nicht offenbart, darüber
hinaus sind auch keine Kanäle in der Welle für flüssige, gasförmige oder elektri-
sche sowie faseroptische Leitungen beschrieben oder gezeigt. Damit sind die
Merkmale 1.3 bis 1.4.2 aus D1 nicht bekannt.

Die Druckschrift D2 (FR 2 725 152 A1) offenbart ebenfalls eine „Dreh-
welle“/Antriebswelle (arbre central cannalé 5) für ein Formwerkzeug zum Mehr-
- 10 -
komponentenspritzgießen. Hierbei wird gemäß einem Ausführungsbeispiel nach
Figur 1 die untere, (axial) bewegliche Werkzeughälfte durch einen nicht näher
dargestellten Drehantrieb der Antriebswelle auch in Drehung versetzt (partie mo-
bile tournante 7 du moule), um zur nächsten Einspritzstation in Stellung gebracht
zu werden (S. 4, Z. 18 ff.). Zumindest bei einer Ausführungs-Variante ist offenbart,
nicht das Werkzeug selbst, sondern eine Art Drehplatte (Rotationsmagazin,
chargeur rotatif 27) axial- und drehangetrieben auszugestalten (S. 5, Z. 30 ff. und
Fig. 2).

Das in Bezug auf die Patentanmeldung relevante Ausführungsbeispiel nach Fi-
gur 2 weist lediglich eine durchgehende, aus einem Teil bestehende Antriebswelle
(arbre central cannalé 5) auf. Zudem beinhaltet die Welle bei dieser Ausführungs-
form kein Versorgungsteil; gemäß den Ausführungen zu Figur 2 (S. 6, Z. 23 ff.) ist
gesagt, dass bei dieser Betriebsweise keine Kühlung über die Antriebswelle er-
folgt, sondern über die feststehende untere Formhälfte.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Rotationsmagazin (27) überhaupt als Index-
platte im Sinne des Streitpatents angesehen werden kann, da der Aufbau der
Platte nicht näher beschrieben ist. Zumindest sind jedoch die Merkmale 1.3 bis
1.4.2 aus D2 nicht bekannt.

Das Dokument D3 („Die heiß-kalte Lösung“) betrifft ein Zweikomponenten-Werk-
zeug, wobei hier insbesondere die thermische Trennung der beiden Komponenten
(Thermoplast und Flüssigsilikon) mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften im
Vordergrund steht (Abstract). Insofern liegt eine Konstruktion vor, die eine Dreh-
durchführung für die Zu- und Abfuhr von Kühlflüssigkeit einer einteiligen Antriebs-
welle zeigt (Bild 2). Die „Drehwelle (22)“ stellt eine integrierte Drehvorrichtung dar,
wobei hier bei geöffnetem Werkzeug „die gesamte Formplatte, zusammen mit
dem Auswerferpaket und der innenliegenden Welle, gedreht“ wird. Insofern offen-
bart D3 bereits keine Indexplatte im Sinne des Streitpatents, wobei zudem die
- 11 -
Formplatte durch die Drehwelle lediglich rotatorisch angetrieben, aber nicht axial
bewegt wird.

Die Druckschrift D4 („Pneumatische Zwangsentformung“) offenbart ein Zweikom-
ponenten-Spritzgießen mit einer Indexplatte (2), die durch eine einteilige „Dreh-
welle (1)“ drehangetrieben wird und potentiell auch axial antreibbar ist (Bild 1).
Über die Antriebswelle (1) kann ein Teil der Formeinsätze mit Temperiermedium
versorgt werden (S. 74, linke Sp.). Die Antriebswelle wird dabei im vorderen, in
das Werkzeug integrierten Bereich der Welle von einem Hydraulikmotor (26) und
drei Zahnrädern (27) angetrieben. Damit sind die Merkmale 1.3, 1.4 und 1.4.2
nicht aus D4 bekannt.

Der Antrieb für eine Indexplatte nach Anspruch 1 ist demzufolge neu.

4. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit (§ 4 PatG), da sie aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt ist.

Ausgehend von der D1, die einen Antrieb für eine Indexplatte für eine Mehrkom-
ponenten- oder Mehrfarbenspritzgießmaschine mit einer aus einem Teil beste-
henden Antriebswelle zeigt, bei der keine Kanäle zur Versorgung der Indexplatte
mit flüssigen oder gasförmigen Medien oder zur Verlegung von sonstigen Leitun-
gen vorhanden sind (s. unter II. 3.) hat der Fachmann Veranlassung, sich um eine
Weiterentwicklung des Antriebs im Hinblick auf einen leichteren Werkzeugwechsel
zu bemühen. Aus der D4 mag ihm zwar nahegelegt sein, eine Antriebswelle auch
mit Versorgungsleitungen auszugestalten, da hier eine Drehdurchführung vorhan-
den ist, um ein Temperiermedium durch die axial und rotatorisch angetriebene
Antriebswelle bis in die Indexplatte zu leiten (Bild 1). Allerdings erfolgt – anders als
bei der Vorrichtung gemäß Streitpatent – die Zuführung des Versorgungsmediums
am von der Indexplatte entfernten Ende der Antriebswelle, wohingegen der An-
triebsteil für die Rotation der Welle „nahe der Indexplatte“ liegt. Insofern führt die
Lösung der D4 den Fachmann gerade weg von der Lösung gemäß den Merkma-
- 12 -
len 1.3 und 1.4, wonach die Welle aus einem „hinteren“ Antriebsteil und einem
„vorderen“ Versorgungsteil zusammengesetzt sein soll. Darüber hinaus ist auch
bereits die „Zweiteilung“ der Antriebswelle an sich in D4 nicht offenbart und kann
somit auch nicht nahegelegt sein. Gleiches gilt prinzipiell auch für die jeweilige
Hinzuziehung der Dokumente D2 und D3 zur D1, die ebenfalls nicht diese „Zwei-
teilung“ der Antriebswelle nahelegen können.

Die D5 zieht der Fachmann hinsichtlich der Weiterentwicklung der D1 nicht heran,
da dort eine Antriebswelle lediglich eine Rotationsbewegung für die Indexplatte
ausführt, während die Axialbewegung durch einen separaten Antrieb erfolgt (verti-
kaler Hydraulikzylinder). Sofern der Fachmann die D5 jedoch aufgrund der dort
formulierten, ähnlichen Aufgabenstellung – in Bezug auf einen einfacheren und
schnelleren Werkzeugwechsel – trotzdem in seine Überlegungen mit einbeziehen
sollte, so kommt er ebenfalls nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1 der Patent-
anmeldung. Denn die Antriebswelle ist nicht geeignet, um dort Versorgungsleitun-
gen vorzusehen, eine Zuführung von Medien oder Leitungen könnte weder über
die Oberfläche der oberen Vielkeilwelle, noch vom unteren Teil der Antriebswelle
über die Kupplungsstelle hinweg erfolgen. Der Fachmann würde hingegen den
gemeinsamen axialen und rotatorischen Antrieb der D1 entkoppeln, und die Ver-
sorgungsleitungen eher über den Axialantrieb der Indexplatte gemäß der Lösung
der D5 vorsehen.

Die D6 zieht der Fachmann nicht in Betracht, da diese Druckschrift keinen Antrieb
für eine Mehrkomponenten- oder Mehrfarbenspritzgießmaschine offenbart, son-
dern eine Rotationsmaschine zum Spritzblasformen – und insofern bereits keine
Indexplatte, sondern eine Drehscheibe beinhaltet. Bei einer Drehscheibe kann die
Antriebswelle – wie bei der D6 – durch die Drehscheibe hindurch stoßen und von
der gegenüber liegenden Seite mit Zuführungen für Medien ausgestaltet sein, was
bei einer Indexplatte bereits prinzipiell nicht möglich ist, da auf dieser Seite die
zweite Formhälfte liegt.

- 13 -
Auch ausgehend von den anderen Druckschriften gelangt der Fachmann nicht
zum Antrieb nach Anspruch 1 der Patentanmeldung. Die Vorrichtung der D6 um-
fasst bereits keinen Antrieb für eine Indexplatte und die D5 beschreibt keine An-
triebswelle zum Axial- und Rotationsantrieb einer Indexplatte, so dass beide Do-
kumente bereits keinen geeigneten Ausgangspunkt für die fachmännischen Be-
trachtungen hinsichtlich des beanspruchten Antriebs darstellen. Die weiteren
Druckschriften offenbaren – ebenso wie die D1 – lediglich eine „einteilige“ Welle
und können eine zweiteilige Antriebswelle mit einem hinteren „Drehwellenteil“ und
einem vorderen „Versorgungsteil“ nicht nahelegen. Die beiden Dokumente D3 und
D4 weisen dabei zwar in der Welle integrierte Versorgungsleitungen auf, die je-
weils in das Werkzeug integrierten Drehantriebe im „vorderen“ Bereich der Welle
führen jedoch jeweils weg von der Lösung gemäß den Merkmalen 1.3 bis 1.4.2.

Somit ist der Antrieb nach Anspruch 1 gemäß der Patentanmeldung für einen
Fachmann aus dem Stand der Technik, auch in Verbindung mit seinem Fachwis-
sen, nicht nahegelegt. Es bedurfte somit einer erfinderischen Tätigkeit, um zum
Antrieb nach Anspruch 1 zu gelangen. Der Patentanspruch 1 ist gewährbar.

5. Der nebengeordnete Patentanspruch 9 umfasst eine Spritzgießmaschine mit
einem Antrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 8 und weist zudem ein weiteres
Merkmal auf, wonach „die Drehwelle, insbesondere das Antriebsteil (21), in einer
Auswerferplatte (12) der Spritzgießmaschine axial fest, aber drehbar gelagert ist“.
Damit ist der Gegenstand nach Anspruch 9 als abhängig formulierter Nebenan-
spruch jedenfalls enger als der Antrieb nach Anspruch 1 und somit zwangsläufig
auch patentfähig.

6. Mit den bestandsfähigen unabhängigen Patentansprüchen 1 und 9 haben
auch die auf diese rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 sowie 10 bis 15 Be-
stand, da ihre Gegenstände über selbstverständliche Maßnahmen hinausgehen.

- 14 -
7. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anfor-
derungen.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. der Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. die Beteiligte im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern sie nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

- 15 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch eine
beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Dr. Zehendner Dr. Huber Dr. Dorfschmidt Heimen

Pr


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