8 W (pat) 35/14  - 8. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:161117B8Wpat35.14.0


BUNDESPATENTGERICHT



8 W (pat) 35/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
16. November 2017

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 100 82 502



- 2 -



hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 16. November 2017 durch den Vorsitzenden
Richter Dipl-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner, den Richter Dipl.-Ing ippel, die
Richterin Uhlmann sowie den Richter Dipl.-Ing. Brunn

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 11 vom 26. März 2014 aufgehoben und das Pa-
tent 100 82 502 widerrufen.


G r ü n d e

I.

Auf die am 27. Juli 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte
Patentanmeldung, die die Priorität der französischen Patentanmeldung 99/09739
vom 27. Juli 1999 in Anspruch nimmt, ist das Patent 100 82 502 mit der
Bezeichnung „Hydrodynamischer Momentwandler, insbesondere für
Kraftfahrzeuge“ erteilt und die Erteilung am 15. Dezember 2011 veröffentlicht
worden.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 15. April 2013 form-
und fristgerecht Einspruch erhoben und den Widerruf des Streitpatents in vollem
Umfang beantragt, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht so ausführlich und
vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne, und zudem
nicht patentfähig sei, insbesondere nicht neu gegenüber der D4 (US 2 841 262 A)
- 3 -
bzw. D10 (US 2 694 478 A) oder einer nachgereichten offenkundigen
Vorbenutzung sowie nicht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber einer Vielzahl
von Kombinationen beruhe, beispielsweise der D9 (US 3 184 019 A) in Verbin-
dung mit der D4 bzw. D10 oder gegenüber der nachgereichten D17
(US 2 793 726 A) in Verbindung mit der D4 bzw. dem Wissen des Fachmanns.

Die Patentinhaberin hat der Einsprechenden widersprochen und sich im Übrigen
mit neuen Patentansprüchen verteidigt.

Mit dem in der Anhörung vom 26. März 2014 verkündeten Beschluss hat die
Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit den
mit Schriftsatz vom 26. März 2014 eingereichten Patentansprüchen beschränkt
aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden, die an
ihrer Auffassung festhält, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht so ausführ-
lich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne, und
zudem nicht patentfähig sei.

Die Patentinhaberin ist den Ausführungen der Einsprechenden entgegengetreten
und hat sich im Übrigen mit neuen Patentansprüchen entsprechend dem gelten-
den Hauptantrag sowie entsprechend den Hilfsanträgen 1 bis 7 verteidigt.

Nach Auffassung der Einsprechenden sind die neu eingereichten jeweiligen
Patentansprüche 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 3 schon
deshalb nicht zulässig, weil sie durch Änderung der Worte „mit dem äußeren
Umfang“ in „mit der äußeren Peripherie“ den Schutzbereich des erteilten Patents
in unzulässiger Weise vergrößern oder verschieben.

Darüber hinaus seien auch die neu eingereichten jeweiligen Patentansprüche 1
des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 7 nicht ausführbar oder zumindest
- 4 -
nicht patentfähig, insbesondere nicht neu gegenüber der der D4 bzw. D10 oder
beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber einer Vielzahl von Kombina-
tionen, beispielsweise der D17 in Verbindung mit der D4 bzw. D10 oder der D9 in
Verbindung mit der D4 bzw. dem Wissen des Fachmanns.

Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellt den Antrag,

den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 11 des
Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. März 2014 aufzu-
heben und das Patent 100 82 502 in vollem Umfang zu wider-
rufen.

Mit dem Schriftsatz vom 7. November 2017 hat die förmlich geladene
Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass sie an der anberaumten
mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

Von der Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin liegen schriftlich die Anträge
vor,

das Patent gemäß Hauptantrag vom 13. Juli 2017 im Umfang der
Ansprüche 1 bis 17 und hilfsweise mit Hilfsanträgen 1 bis 3 vom
13. Juli 2017 sowie Hilfsanträgen 4 bis 7 vom 7. November 2017
beschränkt aufrecht zu erhalten.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 13. Juli 2017 lautet mit
einer vom Senat ergänzten Gliederung:

1. Hydrodynamischer Momentwandler, insbesondere für Kraft-
fahrzeuge, umfassend
2. ein Gehäuse (30) mit einer Querwand (3), die drehfest mit
einer treibenden Welle verbindbar ist,
- 5 -
3. ein Turbinenrad (12), das im Innern des Gehäuses (30)
aufgenommen und fest mit einer Nabe (14) verbunden ist, die
drehfest mit einer getriebenen Welle verbindbar ist,
4. eine einstückig mit der Querwand (3) des Gehäuses (30) aus-
geführte erste Auflagefläche (1),
5. eine Überbrückungskupplung, die zwischen dem Turbinen-
rad (12) und der Querwand (3) zum Einsatz kommt, und einen
Kolben (4) umfasst,
6. der Kolben (4) trägt eine zweite Auflagefläche (2), die sich
gegenüber der ersten Auflagefläche (1) erstreckt, um seine
ausrückbare Verbindung mit der Querwand herbeiführen zu
können,
7. der Kolben (4) ist durch axial elastische Zungen (23) mit dem
Gehäuse (30) verbunden,
8. die axial elastischen Zungen (23) sind mit der äußeren Peri-
pherie des Gehäuses (30) verbunden,
9. die axial elastischen Zungen (23) erstrecken sich radial außer-
halb der zweiten Auflagefläche (2),
10. die Zungen (23) sind mit einem ihrer Enden an vorspringen-
den Ansätzen (24) des Kolbens (4) befestigt,
11. die Ansätze (24) stehen vom äußeren Umfang des Kol-
bens (4) aus radial nach außen vor,
12. die Zungen (23) sind mit ihrem anderen Ende an der Quer-
wand (3) befestigt.

Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 vom 13. Juli 2017
enthält gegenüber dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag
zusätzlich das folgende Merkmal 13:
- 6 -
13. die Zungen (23) sind mit Wellungen versehen und führen
einen axialen Versatz aus.

Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 vom 13. Juli 2017
enthält gegenüber dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag
anstelle der Merkmale 10 und 11 die Merkmale 10.A und 11.A:

10.A die Zungen (23) sind mit einem ihrer Enden an radial vor-
springenden Ansätzen (24) des Kolbens (4) befestigt,
11.A und zwar axial auf der Seite, die der Querwand des
Gehäuses entgegengesetzt ist.

Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 3 enthält gegenüber dem
Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 zusätzlich das o. g. Merk-
mal 13.

Die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 4 bis 7 entsprechen wörtlich den
jeweiligen Patentansprüchen 1 gemäß dem Hauptantrag sowie den Hilfs-
anträgen 1 bis 3, wobei jeweils im Merkmal 8 die strittige Textstelle „mit der
äußeren Peripherie“ wieder in die Formulierung entsprechend der erteilten Fas-
sung „mit dem äußeren Umfang“ geändert wurde.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Wortlauts der weiteren unabhängigen
oder abhängigen Patentansprüche der jeweiligen Anträge wird auf den Inhalt der
Akten verwiesen.

- 7 -
II.

1. Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und in der Sache
begründet. Sie führt gemäß §§ 79 Abs. 1, 73 Abs. 1, 61 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1
PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG zur Aufhebung des angefochtenen Beschlus-
ses und zum Widerruf des Patents.

2. Das Streitpatent betrifft einen hydrodynamischen Momentwandler für Kraft-
fahrzeuge.

Nach den Ausführungen in der geltenden Beschreibung des Streitpatents haben
herkömmliche hydrodynamische Momentwandler keine ausreichenden Reibungs-
auflagerflächen am Kolben.

Daher besteht nach den Ausführungen im Schriftsatz vom 13. Juli 2017 die
Aufgabe der Erfindung darin, einen hydrodynamischen Momentwandler der
eingangs genannten Art bereitzustellen, der bei großem Außendurchmesser der
Auflageflächen an der Querwand des Gehäuses und am Kolben sowie bei
geringem axialen Bauraumbedarf am äußeren Umfang des Gehäuses eine gute
Übertragung großer Drehmomente ermöglicht, was auf wirtschaftliche Weise
erfolgen soll.

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt nach den Angaben in der Patentschrift durch
einen hydrodynamischen Momentwandler entsprechend dem Patentanspruch 1
gemäß einem der Antragssätze.

Als Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinen-
bau mit zumindest Fachhochschulausbildung anzusehen, der mehrjährige
Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von hydrodynamischen Wandlern
aufweist.

- 8 -
Einige Merkmale bedürfen einer Auslegung.
Nach den Merkmalen 1 bis 9 betrifft das Streitpatent einen an sich bekannten
hydrodynamischen Momentwandler mit einer Überbrückungskupplung, bei dem
der Kolben der Überbrückungskupplung durch axial elastische Zungen mit der
äußeren Peripherie des Gehäuses bzw. dem äußeren Umfang verbunden ist und
demzufolge axiale Bewegungen durchführen kann.
Die Merkmale 10 bis 13 beschreiben die Ausgestaltung der Zungen und deren
Anordnung am Kolben bzw. am Gehäuse näher.
Nach dem Merkmal 13 sind die Zungen mit Wellungen versehen und führen einen
axialen Versatz aus. Der Wortlaut dieses Merkmals umfasst in seiner gesamten
Breite zumindest zwei Möglichkeiten. Einerseits können die Wellungen in den
elastischen Zungen je nach Betriebszustand und/oder Vorspannung bei
Betätigung des Kolbens entstehen, so dass die Zungen in unterschiedlichen
Betriebszuständen mit unterschiedlichen Wellungen versehen sind und dem-
zufolge einen axialen Versatz bei Betätigung des Kolbens ausführen. Andererseits
können die elastischen Zungen aber auch bereits im unbelasteten Zustand mit
Wellungen versehen sein, so dass sie einen axialen Versatz zwischen jeweiligen
den Befestigungsstellen ausgleichen können.
Bereits der reine Wortlaut des Merkmals kann daher, entgegen der Auffassung der
Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin, nicht einschränkend so verstanden
werden, dass die Wellungen ausschließlich im unbelasteten Zustand der elasti-
schen Zungen vorliegen müssen. Aber auch in der Beschreibung oder den Zeich-
nungen gibt es keine Stütze für eine derartig einschränkende Auslegung
entsprechend der Auffassung der Patentinhaberin. Der Begriff Wellungen wird in
der gesamten Streitpatentschrift nur einmal im Absatz [0021] erwähnt und ist die
Offenbarungsstelle für das Merkmal 13. Die zusätzliche im Absatz [0021] vor-
handene Ergänzung, dass Zungen mit Wellungen unterschiedlicher Höhe
versehen sein können, um einen axialen Versatz auszuführen, lässt vielmehr eher
darauf schließen, dass die Höhe der Wellungen vom axialen Weg des Kolbens
und daher vom jeweiligen Betriebszustand abhängig ist und deshalb nicht die
Höhe der Wellungen im unbelasteten Zustand beschreibt.
- 9 -
3. Der Senat neigt zu der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung,
dass die jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag bzw. den Hilfsan-
trägen 1 bis 3 vom 13. Juli 2017 den Schutzbereich des erteilten Patents in
unzulässiger Weise erweitern dürften, da der in diesen Antragssätzen erstmals
verwendete Begriff „äußere Peripherie“ weiter sein dürfte als der bis dahin in den
Ansprüchen verwendete Begriff „äußerer Umfang“. Die Patentinhaberin hat dem-
gegenüber im Schriftsatz vom 7. November 2017 vorgetragen, dass „Peripherie“
exakt dem technischen Sinngehalt des Begriffs „Umfang“ entspreche und von
einer unzulässigen Schutzbereichserweiterung deshalb nicht auszugehen sei.
Diese Frage kann aber im Ergebnis dahinstehen, weil das Patent schon deshalb
zu widerrufen ist, weil die jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag bzw.
den Hilfsanträgen 1 bis 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Der Senat
geht bei der folgenden Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit
zugunsten der Patentinhaberin von ihrem Vortrag aus, dass der jeweils im
Merkmal 8 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 3 verwendete Begriff
„mit der äußeren Peripherie“ inhaltlich dem ursprünglich verwendeten Begriff „mit
dem äußeren Umfang“ entspricht.

3.1. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf erfinderischer
Tätigkeit.
Die von der Einsprechenden genannte US 3 184 019 A (D9) zeigt bereits in
Figur 1 einen hydrodynamischen Momentwandler, umfassend ein Gehäuse (13)
mit einer Querwand (26), die drehfest mit einer treibenden Welle (M) verbindbar
sind. Ein Turbinenrad (T) ist im Inneren des Gehäuses (13) aufgenommen und
fest mit einer Nabe (15) verbunden, die drehfest mit einer getriebenen Welle in
Form der Hohlwelle (m1) verbindbar ist. Der bekannte hydrodynamische Moment-
wandler hat gemäß Figur 1 eine erste Auflagefläche für den Reibschluss mit einer
mit Rillen (grooves 25) versehenen Reibscheibe (friction disc 22), wobei die erste
Auflagefläche ersichtlich unmittelbar an der Querwand des Gehäuses und deshalb
auch einstückig mit der Querwand des Gehäuses (13) ausgebildet ist. Weiterhin
weist der bekannte hydrodynamische Momentwandler eine Kupplung (clutch) auf,
- 10 -
die zwischen dem Turbinenrad und der Querwand (26) zum Einsatz kommt und
entsprechend den Ausführungen in Spalte 1 sowie Spalte 3, Zeilen 25 bis 36 bei
bestimmten Betriebsbedingungen die Kupplung schließt, um eine direkte mechani-
sche Verbindung zwischen treibender Welle (M) und getriebenen Hohlwelle (m1)
herzustellen, worunter der Fachmann eine Überbrückungskupplung versteht. Die
Überbrückungskupplung (clutch) umfasst einen Kolben (plate 27), der eine zweite
Auflagefläche trägt, die sich gegenüber der ersten Auflagefläche erstreckt, um
seine ausrückbare Verbindung mit der Querwand herbeiführen zu können.
Der Kolben (27) ist nach den Ausführungen in Spalte 2, Zeilen 65 - 68 nicht über
axial elastische Zungen, sondern über eine andere Verbindungsstruktur, nämlich
eine Loch-Zapfenverbindung (tenons and mortices) mit der äußeren Peripherie
bzw. mit dem äußeren Umfang des Gehäuses verbunden, so dass sich die Zapfen
innerhalb von Bohrungen in axialer Richtung bewegen können.
Diese Verbindungsstruktur erstreckt sich gemäß der Darstellung in Figur 1 ersicht-
lich radial außerhalb der zweiten Auflagefläche.
Da die D9 bereits wesentliche Merkmale des Patentanspruchs 1 verwirklicht hat
und zudem auch schon eine Lösung zeigt, bei der der Kolben (27) außerhalb der
zweiten Auflagerfläche mit der äußeren Peripherie bzw. mit dem äußeren Umfang
des Gehäuses verbunden ist, kann auch die D9 als ein möglicher Ausgangspunkt
für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen werden. Dabei ist
es - entgegen der Auffassung der Patentinhaberin – unerheblich, ob die D9
tatsächlich den „nächstkommenden“ Stand der Technik bildet, da nicht stets der
"nächstkommende" Stand der Technik als alleiniger Ausgangspunkt zugrunde ge-
legt werden muss (BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger).

Der Fachmann sieht bei dem aus der Druckschrift D9 bekannten Momentwandler
als nachteilig an, dass bei der Loch-Zapfenverbindung aufgrund der axialen Bewe-
gung zwischen Kolben und Gehäuse die Zapfen in den sie aufnehmenden
Bohrungen in axialer Richtung gleiten müssen. Dies führt zu Reibung zwischen
den Zapfen und Bohrungen und deshalb zu gegenseitigem Verschleiß. Zudem ist
eine derartige Loch-Zapfenverbindung, die einerseits eine spielfreie radiale Dreh-
- 11 -
mitnahme des Kolbens und andererseits eine axiale Relativbewegung der Zapfen
in den Bohrungen zur Betätigung des Kolbens ermöglichen muss, aufwändig her-
zustellen und sehr störungsanfällig.

Der Fachmann kennt aus einer Vielzahl von hydraulischen Momentwandlern die
seit langem bekannten und vielfach bewährten Verbindungen von Kolben und
Gehäuse mittels elastischer Zungen, bei denen diese mit einem ihrer Enden am
Kolben und mit ihrem anderen Ende an der Querwand des Gehäuses verbunden
sind, wozu auf die Lösungen gemäß den Druckschriften D2, D4, D6, D7, D10,
D11, D17 verwiesen wird, die dieses Wissen des Fachmanns dokumentieren.
Diese elastischen Zungen ermöglichen einerseits eine spielfreie radiale Drehmit-
nahme des Kolbens und gleichzeitig eine Relativbewegung des Kolbens in axialer
Richtung, ohne dass Reibung oder Verschleiß auftreten kann.
Insbesondere bei der aus der Druckschrift D4 bekannten Anordnung ist der Kol-
ben (28) entsprechend Merkmal 7 und 8 durch elastische Zungen (29) mit dem
Gehäuse (clutch casing 22) und zwar mit der äußeren Peripherie (im Sinne von
dem äußeren Umfang) des Gehäuses verbunden, wobei sich die axial elastischen
Zungen (29) entsprechend Merkmal 9 radial außerhalb der zweiten Auflagefläche
erstrecken. Wie aus Figur 3 der D4 ersichtlich sind die Zungen (29) mit einem ihrer
Enden an vorspringenden Ansätzen (32) des Kolbens (28) befestigt, wobei die
Ansätze (32) vom äußeren Umfang des Kolbens (28) aus radial nach außen
vorstehen (Merkmale 10 und 11), so dass die Zungen (29), die an den radial
vorspringenden Ansätzen (32) des Kolbens befestigt sind, sich folglich auch radial
außerhalb der zweiten Auflagefläche erstrecken, so dass neben den Merkma-
len 10 und 11 des Hauptantrags auch das Merkmal 10.A der Hilfsanträge 2, 3, 6
und 7 verwirklicht ist. Die elastischen Zungen sind entsprechend Merkmal 12 mit
ihrem anderen Ende an der Querwand (radial wall 36) des Gehäuses (22) be-
festigt.
Sofern der Fachmann feststellt, dass die Zapfenverbindung der Druckschrift D9 zu
verschleiß- oder störungsanfällig ist, wird er ohne weiteres auf die bekannte und
vielfach bewährte Anordnung mittels elastischer Zungen zurückgreifen.
- 12 -
Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass im vorliegenden Fall besonders die
Lösung entsprechend der Druckschrift D4 für den Momentwandler der Druckschrift
D9 geeignet ist, weil dort die Ansätze sowie die elastischen Zungen auch an der
Stelle angeordnet sind, wo durch den Entfall von Zapfen und Bohrungen ausrei-
chend Bauraum für deren Anordnung zur Verfügung steht.
Daher gelangt der Fachmann, ausgehend von der Druckschrift D9 mit den Merk-
malen 1 bis 6 ohne erfinderische Tätigkeit allein mit der ihm in Kenntnis der D4
naheliegenden konstruktiven Ausgestaltung der elastischen Zungen entsprechend
den Merkmalen 7 bis 12 zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt-
antrag.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher keinen Bestand.

3.2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht eben-
falls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist bezüglich der Merkmale 1 bis 12
identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, so dass das mangelnde Vorlie-
gen der erfinderischen Tätigkeit diesbezüglich übereinstimmend zu beurteilen ist.
Auf die entsprechenden Ausführungen zum Hauptantrag wird verwiesen.
Wie vorstehend zur Auslegung der Merkmale des Streitpatents unter Punkt II.2 im
Einzelnen begründet, lässt der Wortlaut des Merkmals 13 insgesamt offen, bei
welchem Betriebszustand die Wellungen in den Zungen vorliegen sollen. Wie aus
der Figur 4 der Druckschrift D4 deutlich ersichtlich ist, sind die Zungen (29) des
bekannten hydraulischen Momentwandlers im dort abgebildeten Betriebszustand
mit Wellungen versehen und führen einen axialen Versatz aus, so dass das Merk-
mal 13 in seiner gesamten Breite dem Fachmann auch schon aus der D4 bekannt
ist.

Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht daher
nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

- 13 -
3.3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht eben-
falls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist bezüglich der Merkmale 1 bis 9
und 12 identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wobei es aus der
Zusammenschau der D9 mit der D4 bereits nahegelegt ist, dass die Zungen ent-
sprechend Merkmal 10.A mit ihrem einen Ende an radial vorspringenden Ansätzen
des Kolbens befestigt sind, so dass das mangelnde Vorliegen der erfinderischen
Tätigkeit diesbezüglich übereinstimmend zu beurteilen ist. Auf die entsprechenden
Ausführungen zum Hauptantrag wird verwiesen.
Der verbleibende Unterschied entsprechend dem Teilmerkmal 11A, wonach die
Zungen axial auf der Seite des Kolbens befestigt sind, die der Querwand des Ge-
häuses entgegengesetzt ist, kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen,
weil es für das Befestigen der Zungen am Kolben nur zwei mögliche Alternativen
gibt, nämlich auf derselben oder der entgegengesetzten Seite bezüglich der Quer-
wand des Gehäuses. Die Auswahl eines bestimmten von nur zwei jeweils auf der
Hand liegenden Lösungswegen kann die erfinderische Tätigkeit nicht ohne weite-
res begründen (BGH, GRUR 2008, 56, 59 - Injizierbarer Mikroschaum). Denn eine
überschaubare Zahl von möglichen Lösungsansätzen, von denen jeder spezifi-
sche Vor- und Nachteile hat und die sich als gleichwertige, ebenso vorzugs-
würdige Alternativen darstellen, gibt in der Regel Veranlassung, jeden dieser
Lösungsansätze in Betracht zu ziehen (BGH, GRUR 2012, 261 - E-Mail via SMS).
Im vorliegenden Fall hängt die Befestigung der Zungen an der einen oder anderen
Seite des Kolbens lediglich von der axialen Lage der Befestigungspunkte am Kol-
ben bzw. Querwand ab und wird vom Fachmann entsprechend ausgewählt.

Die Befestigung der Zungen entsprechend dem Merkmal 11.A ist daher für den
Fachmann aufgrund seines Fachwissens naheliegend, so dass der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit be-
ruht.

- 14 -
3.4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruht eben-
falls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist bezüglich der Merkmale 1 bis 9,
10.A, 11.A und 12 identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, so dass das
mangelnde Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit diesbezüglich übereinstimmend
zu beurteilen ist. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Hilfsantrag 2 wird
verwiesen.
Auch das Merkmal 13 ist dem Fachmann in seiner gesamten Breite bereits aus
der Druckschrift D4 bekannt, wozu auf die vorstehenden Ausführungen zum Hilfs-
antrag 1 verwiesen wird.

3.5. Die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß der Hilfsan-
träge 4 bis 7 vom 7. November 2017 unterscheiden sich nur insoweit von den
Gegenständen des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag sowie der
Hilfsanträge 1 bis 3 vom 13. Juli 2017, als der jeweils im Merkmal 8 verwendete
strittige Begriff „mit der äußeren Peripherie“ durch den in der Patentschrift ver-
wendeten Begriff „mit dem äußeren Umfang“ ersetzt worden ist. Nach dem
eigenen Vortrag der Patentinhaberin sind die Begriffe „Umfang“ und „Peripherie“
inhaltlich jedoch identisch. Da somit die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfs-
anträge 4 bis 7 nicht über das hinaus gehen, was mit den jeweiligen Patent-
ansprüchen 1 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 3 unter Schutz gestellt
werden soll, ist das mangelnde Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit dies-
bezüglich übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen
zum Hauptantrag bzw. zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird verwiesen.

4. Mit den Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 7 fallen
aufgrund der Antragsbindung auch sämtliche abhängigen Patentansprüche der
jeweiligen Anträge, ohne dass es einer Prüfung und Begründung dahin bedarf, ob
einer dieser Patentansprüche etwas Schutzfähiges enthält (BGH, GRUR 1997,
120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

- 15 -
Das Patent ist somit zu widerrufen.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die
Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

- 16 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch eine beim
Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Dr. Zehendner Rippel Uhlmann Brunn

Pr


Full & Egal Universal Law Academy