8. Senat - Tarifvertrag - Tariflücke - Schließung einer unbewussten Tariflücke
Karar Dilini Çevir:
8. Senat - Tarifvertrag - Tariflücke - Schließung einer unbewussten Tariflücke
Bundesarbeitsgericht 8 . Senat Urteil vom 12. Dezember 2013 - 8 AZR 942/12 - I. Arbeitsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 13. Dezember 2011 - 8 Ca 4994/11 - II. Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 13. Juli 2012 - 10 Sa 199/12 - F Entscheidungsstichwort e : Tarifvertrag - Tariflücke - Schließung einer unbewussten Tariflücke Gesetz: RSchABK für das private Bankgewerbe § 9 Leitsätze: keine - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 8 AZR 942/12 10 Sa 199/12 Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 12. Dezember 2013 URTEIL Förster, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin, pp. Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte, hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 12. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bu n- desarbeitsgericht Hauck, die Richter am Bundesarbeitsgericht Böck und Brei n- - 2 - 8 AZR 942/12 - 3 - linger sowie die ehrenamtlichen Richter Eimer und Wroblewski für Recht e r- kannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hess i- schen Landesarbeitsger ichts vom 13. Juli 2012 - 10 Sa 199/12 - wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus T a- rifvertrag. Die am 18. März 1970 gebo rene Klägerin war seit dem 15. September (richtig wohl: Dezember) 2000 bei der Beklagten in deren Betrieb in F beschä f- tigt. Als Teilzeit - Angestellte verdiente sie zuletzt monatlich brutto 2.059,69 Euro. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schr eiben vom 29. September 2009 fristgemäß zum 30. Juni 2010. Zugleich bot sie der Kläg e- rin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Januar (richtig wohl: J u- li) 2010 in H an , da sie entschieden hatte, ihren Geschäftssitz dorthin zu verl e- gen. Die Klä gerin nahm dieses Änderungsangebot nicht an . Im nachfolgenden Kündigungsrechtsstreit wurde durch rechtskräftiges Urteil des Hessischen La n- desarbeitsgerichts vom 25. März 2011 - 10 Sa 1290/10 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30. Juni 2010 beendet worden ist. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme fanden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für das private Bankgewerbe Anwendung ( § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 4. Dezember 2000) . Zu den anzuwendenden Tarifvertr ä- gen gehörten auch die für das private Bankgewerbe vereinbarten Rationalisi e- rungsschutzabkommen (RSchABK) . Zwischen den Parteien ist in der Revis i- on s instanz nicht mehr streitig, dass die Verlegung des Geschäftssitzes von F 1 2 3 4 - 3 - 8 AZR 942/12 - 4 - nach H eine Rationalisierungsmaßna hme im Sinne der Rationalisierung s- schutzabkommen darstellt, wohl aber, ob das tarifvertragliche Rationalisi e- rungsschutzabkommen in der ab dem 8. Juli 2004 geltenden Fassung - so die Beklagte - oder in der ab dem 10. Juni 2010 - so die Klägerin - geltenden Fa s- sung Anwendung findet. Die spätere Fassung übernimmt zwar in § 9 RSchABK , der die Abfindungen bei Rationalisierungen regelt, die Anspruchsvoraussetzu n- gen der früheren Fassung, sieht aber ab vollendetem 40. Lebensjahr höhere Abfindungen vor. § 9 Ziff. 3 RSchABK idF vom 10. Juni 2010 lautet wie folgt: - auch in Form e i- nes Auflösungsvertrages - zur Beendigung des Arbeit s- verhältnisses, so erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung. Sie beträgt: Betriebszuge - Alter hörigkeit 40 44 48 52 56 Monatsgehälter 10 4,5 5 5,5 6 6,5 14 5,5 6,25 7 7,75 8,5 18 6,5 7,5 8,5 9,5 10,5 22 7,5 8,75 10 11,25 12,5 26 - 10 11,5 13 14,5 Für Arbeitnehmer vor Vollendung des 40. Lebensjahres beträgt die Abfindung: - bei 5 - jähriger Betriebszugehörigkeit 1 Monatsgehalt, - bei 10 - jähriger Betriebszugehörigkeit 2 Monatsgehälter, - bei 15 - jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Monatsgehälter. Für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter ist der Ta g der Beendigung des A r- Der Anspruch auf die Abfindung ruht, wenn der Arbeitnehmer Künd i- gungsschutzklage erhebt (§ 9 Ziff. 5 R SchABK) . 5 6 - 4 - 8 AZR 942/12 - 5 - Die Klägerin meint, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der ab dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden, da ihr Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni 2010 beendet worden sei. Daher habe sie einen Anspruch auf Abfindung iHv. 4,5 Monatsgehältern o der 9.268,61 Euro. Sie erfülle die A n- spruchsvoraussetzungen, da sie im Zeitpunkt ihres Ausscheidens am 30. Juni 2010 ihr 40. Lebensjahr vollendet und im 10. Jahr der Betriebszugehörigkeit zur Beklagten gestanden habe. Bei richtiger Auslegung von § 9 Ziff . 3 RSchABK müsse die Betriebszugehörigkeit keine vollen zehn Jahre betragen. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sollten ältere Arbeitnehmer, beginnend mit vollendetem 40. Lebensjahr, gegenüber jüngeren höhere Ansprüche haben. Daher müsse es genüge n, wenn sie sich bei Ausscheiden im 10. Jahr ihrer B e- triebszugehörigkeit befunden habe. Unter Berücksichtigung des Berufungsurteils beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, an sie eine weitere Abfindung in Höhe von 3,5 Gehältern oder 7.208,92 Euro brutto zu zahlen. Zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung vertritt die Beklagte zum einen die Auffassung, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der Fassung 2004 anzuwenden, da es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Künd i- gung ankomme. Jedenfalls erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine Abfindung in der von ihr verlangten Höhe nicht. Sie sei keine zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen. § 9 Ziff. 3 RSchABK könne nicht so ausgelegt werden, dass bei vollend etem 40. 10 Jahren 10. Jahr der Betriebszugehörigkeit ausreiche. Es bestehe, soweit eine tarifliche Regelungslücke anzunehmen sei, allenfalls ein Abfi n- dungsanspruch iHv. einem Monatsgehalt. Das Arb eitsgericht hat der Klage iHv. 4,5 Monatsgehältern stattgeg e- ben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das ersti n- stanzliche Urteil teilweise abgeändert und eine Abfindung iHv. 2.059,69 Euro brutto, dh. in Höhe eines Monatsgehaltes zug esprochen und im Übrigen die 7 8 9 10 - 5 - 8 AZR 942/12 - 6 - Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, wä h- rend die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt. Entscheidungsg ründe Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Nach § 9 Ziff. 3 des arbeit s- vertraglich in Bezug genommenen Rationalisierungsschutzabkommens steht der Klägerin keine höhere Abfindung zu, als ihr insoweit rechtskräftig vom Ber u- fungsgericht zuerkannt wurd e. A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte schulde der Klägerin eine Abfindung nach § 9 Ziff . 3 Satz 2 iVm. § 3 RSchABK in Höhe eines Bruttomonatsgehalt e s. Das A r- beitsverhältnis sei durch eine R ationalisierungsmaßnahme beendet worden. Es könne dahinstehen, in welcher Fassung das Rationalisierungsschutzabkommen zur Anwendung komme. Die Klägerin erfülle die in beiden Fassungen gleichen Voraussetzungen für eine Abfindung iHv. 4 oder 4,5 Monatsgehält ern nicht. Die für Arbeitnehmer im Alter ab 40 Jahren in § 9 Ziff. 3 RSchABK vorgesehenen höheren Abfindungsbeträge entstünden erst ab einer Betriebszugehörigkeit von mind estens zehn der Betriebszugehörigkeit ausgelegt werden. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sei es auszuschließen, dass ein Arbeitnehmer mit Vol l- endung des 40. oder eines höheren Lebensjahres bereits mit dem ersten Tag seiner Betriebszugehörigkeit die erhöht e Abfindung verlangen könne, sofern ihm rationalisierungsbedingt gekündigt werde. Allerdings enthalte das Rational i- sierungsschutzabkommen eine unbewusste Regelungslücke für Arbeitnehmer wie die Klägerin. Diese könne durch die Gerichte ohne unzulässigen Ein griff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie geschlossen werden, s o- weit sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür erg ä- ben, wie die Tarifvertragspartei en nach ihrem mutmaßlichen Willen die nicht berücksichtigte Fallkon stellation geregelt hätten, wenn sie denn die Lückenha f- 11 12 - 6 - 8 AZR 942/12 - 7 - tigkeit erkannt hätten. In den Rationalisierungsschutzabkommen hätten die T a- rifvertragsparteien zu erkennen gegeben, dass im Falle des rationalisierung s- bedingten Verlustes von Arbeitsplätzen immer Abfi ndungen gezahlt werden sol l ten, wenn bestimmte Mindestzeiten an Betriebszugehörigkeit erreicht wo r- den sind. Daher sei nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die erst deutlich nach Vollendung des 40. Lebensjahres in ein Arbeits verhältnis eintreten , oder sich darin ohne 10 - jährige Betriebszugehöri g- keit befinden, von jeglicher Abfindungszahlung aus nehmen wo llten. Insoweit § 9 Ziff . 3 Satz 2 RSchABK zu zahlen sei. Da die Klägerin im Zeitpunkt der B e- endigung ihres Arbeitsverhältnisses noch keine 10 - jährige, jedoch eine 5 - jährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen habe, stehe ihr ein Monatsgehalt als Abfindungszahlung zu. B. Diese Begründung hält eine r revisionsrechtlichen Überprüfung stand. I. Zu Recht konnte das Landesarbeitsgericht es dahinstehen lassen, we l- che Fassung des Rationalisierungsschutzabkommens Anwendung findet. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, ihr Fall beurteile sich nach dem höhere Abfindungsbeträge vorsehenden Rationalisierungsschutzabko m- men in der Fassung vom 10. Juni 2010, ist die Revision unbegründet. Denn die Klägerin erfüllt die in beiden Rationalisierungsschutzabkommen gleichlautenden Voraussetzungen für eine erhöhte Abfindung nicht. II. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die ersti n- stanzliche Auslegung der Ziff er 9 Ziff. 3 Satz 10. Betriebszugehörigkeit die zulässigen Grenzen d er Auslegung überschritt. Die Ziff er zehn Jahre der B e- triebszugehörigkeit am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 9 Ziff. 3 Satz 4 RSchABK) vollendet sein müssen. 1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages fol gt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßge b- 13 14 15 16 - 7 - 8 AZR 942/12 - 8 - liche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB) . Erlaubt der Tari fwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tarifl i- chen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dies er Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Verbleiben noch Zweifel , können weitere Krit e- rien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrage s, die folgende Tarifgeschichte und ggf. auch die praktische Tarifübung herangezogen werden, dies ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge . Es gibt nämlich weder einen allgemeinen Erfahrungssatz, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien jeweils den mit einer Tarifnorm verfolgten Sinn und Zweck zum Ausdruck bringen, noch gebietet die juristische Methodenlehre hier eine bestimmte Reihenfolge der Au s legungskriterien ( BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 14) . Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünft i- gen, sachgerechten, zweckorientierten , gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 514/10 - Rn. 26, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 228; 11. November 2010 - 8 AZR 392/09 - Rn. 16, AP BGB § 613a Nr. 392; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 3; 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131 = AP TVG § 1 Alter s- teilzeit Nr. 43 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 30; 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - zu B II 1 a aa der Gründe, BAGE 73, 364 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 144 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 28) . 2. 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ist allerdings für sich genommen nicht eindeutig und daher grun d- sätzlich einer Auslegung zugänglich. Bereits die Angabe in einer ta rifvertragl i- chen Tabelle lässt aber systematischen Auslegungsgesichtspunkten besondere Bedeutung zukommen. Gegen die von der Klägerin vertreten e und vom A r- beitsgericht übernommene Auslegung spricht zum einen, dass auch die weit e- 17 - 8 - 8 AZR 942/12 - 9 - ren Steigerungsstufen in der Tabelle von § 9 Ziff. 3 Satz und 26 ohne jeglichen Zusatz aufgeführt werden. Dass es sich bei den Ziffer n- , dem Tag der Bee n- digung des Arbeitsverhältnisses, berechnet werden sol len, ergibt sich aus § 9 Ziff. 3 Satz 3 und Satz 4 RSchABK. Aus Satz 3 ergibt sich zudem, dass es sich jeweils um volle Jahre der Betriebszugehörigkeit handeln soll, weil es dort au s- - t ein - - oder bis zu 22 - jähriger Betriebszugehörigkeit in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK. u- gehörigkeit ist no ch ferner liegend und findet weder in Wortlaut noch Systematik des Tarifvertrag e s eine Stütze. § 9 Ziff. 3 RSchABK stellt erkennbar die B e- triebszugehörigkeit als Regelungskriterium an die erste und das Lebensalter, darauf aufbauend, an die zweite Stelle de r tariflichen Regelungstechnik. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es dieser tariflichen Struktur widerspräche, wenn ein am Tage der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses über 40 - jährige r Arbeitnehmer mit einer nur kur zen B e- o- monatsgehältern beanspruchen könnte. Im Übrigen wird im Tarifvertrag hi n- Altersstufen gesprochen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK. III. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass das R a- tionalisierungsschutzabkommen 2010 ebenso wie die vorhergehende Fassung eine Regelungslücke enthält. Nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift ist eine A b- findu ng für Arbeitnehmer, die zwar das 40. Lebensjahr schon vollendet haben, jedoch nicht auf mind estens zehn Jahre Betriebszugehörigkeit verweisen kö n- nen, nicht vorgesehen . Das Landesarbeitsgericht ist rechtlich ebenso zutreffend von einer unbewussten Regelung slücke ausgegangen , wie es diese der T a- rifstruktur folgend geschlossen hat. 1. Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 18 19 - 9 - 8 AZR 942/12 - 10 - Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomi e verbunden ist. Eine ergänzende Ausl e- gung eines Tarifvertrag e s scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entsche i- dung höherrangigem Recht nicht widerspricht (BAG 23. Ap ril 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 29 ) . Eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifausl e- gung hat zu unterbleiben, wenn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt und es ihnen wegen der verfassu ngsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu fi n- den ( vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 30) . 2. Von einer bewussten Regelungslücke ist nicht auszugehen. Die Tari f- vertragsparteien haben eine Abfindung für Arbeitnehmer unter 40 Jahren, die jedoch schon eine 5 - jährige Betriebszugehörigkeit aufweisen, in Höhe eines Monatsgehaltes vorgesehen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK. Dass sie demgege n- über eine Abfindung für Arbeitneh mer, die älter als 40 Jahre sind, aber ebe n- falls schon eine mind estens 5 - jährige Betriebszugehörigkeit vorweisen können, ausschließen wollten, ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil sie das L e- bensalter ab 40 in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ausdrücklich al s abfindungserh ö- henden Faktor anerkannt haben. Zudem wäre die bewusste Versagung jegl i- cher Abfindung für über 40 - jährige Arbeitnehmer, die noch nicht zehn Jahre Betriebszugehörigkeit zurückgelegt haben, eine Anknüpfung allein an das L e- bensalter, für die ei n legitimes Ziel zur Rechtfertigung im R ationalisierung s- schutzabkommen nicht erkennbar ist, § 10 Satz 1 AGG. 3. Auch die Schließung der unbewussten Tariflücke durch das Berufung s- gericht hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. a) Eine tarifvert ragliche Lücke ist in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge und Systematik des konkreten Vertrages werden (vgl. für den Fall der ergänzenden Vertragsauslegung : BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281; BA G 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, BAGE 134, 283 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48) . Hierfür 20 21 22 - 10 - 8 AZR 942/12 - 11 - ist an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, se in Sinn und Zweck sind Ausga ngspunkt der Vertragsergä n- zung. b) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das La n- desarbeitsgericht im Fall der Klägerin auf eine Abfindung in Höhe eines Brutt o- monatsgehaltes erkannt hat. Für die Höhe der Ab findung haben die Tarifve r- tragsparteien im Rationalisierungsschutzabkommen die Dauer der Betriebsz u- gehörigkeit als grundlegende V oraussetzung gewählt. Bei einer Betriebszug e- hörigkeit, die unter fünf Jahren liegt, soll es keine Abfindung geben. Bei (volle n- d eter) 5 - jähriger Betriebszugehörigkeit ein Monatsgehalt und bei vollendeter 10 - jähriger Betriebszugehörigkeit weitere Gehälter, je nach dem, ob das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht oder vollendet ist. Die Klägerin hat eine über 5 - jährige Betriebszugehöri gkeit, wenn auch noch nicht eine von zehn Jahren vorzuweisen. Sie war am 18. März 2010 40 Jahre alt geworden und ist am 30. Juni 2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Da ihr das höhere L e- bensalter am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses de m erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien nach keine Nachteile einbringen sollte, ist es nach der Struktur und den Wertungen des Tarifvertrages konsequent, ihr ebe n- falls ein Monatsgehalt aufgrund ihrer über 5 - jährigen Betriebszugehörigkeit z u- zusprechen. Dagegen ist anders als nach der Auffassung der Revision weder die auf 4,5 Bruttomonatseinkommen gesteigerte Abfindung zuzusprechen, weil die Klägerin eben noch keine Betriebszugehörigkeit von vollendeten zehn Ja h- ren aufzuweisen hat , 4,5 Monatsgehältern. Dafür bietet das Tarifwerk keine hinreichenden Anhalt s- punkte. In § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK wird für unter 40 - jährige Arbeitnehmer die - jähriger Bet zwei M o- natsgehälter erhöht. Eine solche Betriebszu gehörigkeit liegt im Fall der Klägerin gerade - e- triebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers mit vollendetem 40. Lebe nsjahr ger e- gelt hätten, kann dem Tarifwerk nicht entnommen werden und bliebe eine unz u- lässige, in die Tarifautonomie eingreifende Spekulation der Gerichte. Da an die Stufe der erreichten Betriebszugehörigkeit angeknüpft wird und insofern die 23 - 11 - 8 AZR 942/12 unter und über 40 - Jährigen gleichbehandelt werden, liegt keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vor. Für eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG sind weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen der Klägerin Anhaltspunkte zu entnehmen. C. Die Kost enentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Hauck Hauck (Richter am BAG Böck ist zum 31. Dezember 2013 in den Ruhestand versetzt worden. ) Breinlinger Eimer Wroblewski 24

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