8. Senat - Schadensersatz - tarifliche Ausschlussfrist - § 15 BauRTV
Karar Dilini Çevir:
8. Senat - Schadensersatz - tarifliche Ausschlussfrist - § 15 BauRTV
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 8 AZR 187/10 19 Sa 690/09 Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes! Verkündet am 18. August 2011 URTEIL Förster, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Widerklägerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, pp. Kläger, Widerbeklagter, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter, hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bun-desarbeitsgericht Hauck, die Richter am Bundesarbeitsgericht Böck und Brein-linger sowie die ehrenamtlichen Richter von Schuckmann und Avenarius für Recht erkannt: - 2 - 8 AZR 187/10 - 3 - Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landes-arbeitsgerichts Hamm vom 14. August 2009 - 19 Sa 690/09 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten noch über die Widerklage der Beklagten, mit der diese Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger verfolgt. Die Beklagte ist ein Bauunternehmen. Der Kläger war bei ihr seit 6. August 2007 als Maurer zu einem Stundenlohn von 12,40 Euro brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Kraft Allgemeinverbindlichkeit fand auf das Arbeitsverhältnis der Bundesrahmentarif-vertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 4. Juli 2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 20. August 2007 (BRTV) Anwendung. Dieser Tarifvertrag enthält ua. folgende Bestimmung: „§ 15 Ausschlussfristen 1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsver-hältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht inner-halb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegen-über der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch sechs Monate. 2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungs-123- 3 - 8 AZR 187/10 - 4 - schutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.“ Im April 2008 war der Kläger auf einer Baustelle in Polen eingesetzt. Diese wurde am 30. April 2008 vorläufig geräumt, um über das verlängerte Wochenende (1. Mai) zurück nach Deutschland zu fliegen. Die Beklagte hatte in einem Hotel in Polen einen Raum angemietet, in dem während der Abwesen-heit der Arbeitnehmer deren Werkzeuge und persönliche Gegenstände de-poniert werden konnten. Der Kläger nutzte diese Möglichkeit nicht, sondern packte seine persönlichen Gegenstände vor der Abreise nach Deutschland ein und tauschte bei der Ankunft in D auf dem Flughafen seine polnischen Devisen gegen Euro. Am 2. Mai 2008 rief der Kläger bei der Beklagten an und teilte mit, er habe sich, als er seinem Großvater ins Auto geholfen habe, den Arm angesto-ßen, weshalb er zum Arzt müsse. In der Folgezeit meldete sich der Kläger nicht mehr bei der Beklagten, die den Kläger auch telefonisch nicht erreichen konnte. Mit Schreiben vom 7. Mai 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 26. Mai 2008. Seit dem 27. Mai 2008 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Unternehmen. Am 23. Juni 2008 reichten die Eltern des Klägers eine von ihm gefertigte Stundenaufstellung für April und Mai 2008 bei der Beklagten ein. Außerdem übergaben sie eine am 2. Mai 2008 ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 2. bis 16. Mai 2008 attestierte. Mit Schreiben vom 5. November 2008, gerichtet an ihren Prozessbe-vollmächtigten, bezifferte die Beklagte die errechneten Kosten und Mehrauf-wendungen wegen der nicht erfolgten Arbeitsaufnahme des Klägers im Mai 2008. Mit der am 19. November 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Abrechnung und Auszahlung seiner Lohnansprüche für die Monate April und Mai 2008 begehrt. 4567- 4 - 8 AZR 187/10 - 5 - Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. März 2009, dem Klägervertreter am 12. März 2009 zugestellt, Widerklage erhoben. Mit dieser verlangt sie vom Kläger Erstattung der Mehrkosten iHv. 11.216,80 Euro, die durch sein Fehlen entstanden seien. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Monate April 2008 und Mai 2008 ordnungsgemäß abzurechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettolohn an den Kläger auszu-zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag iHv. 11.216,80 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunk-ten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung der Widerklage hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine Erkrankung im Mai 2008 nur vorgetäuscht. Dies ergebe sich schon daraus, dass er sämtliche persönlichen Gegenstände von Polen nach Deutsch-land mitgenommen und sämtliche polnischen Devisen zurückgetauscht habe. Durch den plötzlichen Ausfall des Klägers sei eine Verzögerung der Baumaß-nahmen von zehn Arbeitstagen eingetreten. Deshalb sei ein zweiter zehntägi-ger Arbeitseinsatz Ende Mai/Anfang Juni 2008 notwendig geworden. Hierfür seien Kosten für vier Flüge iHv. 539,60 Euro, Spesen für zehn Tage iHv. 700,00 Euro sowie Kosten für weitere Hotelübernachtungen iHv. 670,00 Euro, insgesamt 1.909,60 Euro angefallen. Für den Zeitraum des zweiten Arbeitsein-satzes sei ein anderweitiger Umsatz iHv. insgesamt 9.307,20 Euro weggefallen, da die Beklagte durch den zweiten Einsatz in Polen einen anderweitigen Auf-trag verloren habe. Der Kläger hat zur Widerklage die Ansicht vertreten, ein Arbeitgeber müsse das Risiko, dass ein Arbeitnehmer spontan ausfällt, zwangsläufig tragen. Es gehöre zu seinem wirtschaftlichen Unternehmerrisiko, dass ein Arbeitneh-89101112- 5 - 8 AZR 187/10 - 6 - mer wie hier krankheitsbedingt ausfalle. Für eine derartige Situation habe der Arbeitgeber Vorsorge zu treffen bzw. die Konsequenzen zu tragen, wenn er dies versäume. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage ab-gewiesen. Nach Berufungseinlegung durch die Beklagte haben die Parteien den Rechtsstreit, soweit er sich auf die Klageforderung bezog, aufgrund eines in einem Parallelverfahren geschlossenen Vergleichs für erledigt erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewie-sen. Nach Zulassung der Revision durch den Senat verfolgt die Beklagte ihr Prozessziel im Rahmen der Widerklage nur noch hinsichtlich der Hauptforde-rung (ohne Zinsen) weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt. Entscheidungsgründe Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Etwaige Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger sind verfallen. A. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten, mit der sie sich nur noch gegen die Abweisung ihrer Widerklage durch das Arbeitsgericht gewandt hatte, zurückgewiesen. Dazu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Beklagten sei verfallen. Auf das Arbeitsverhältnis finde der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe kraft Allgemeinverbindlichkeit Anwendung. § 15 BRTV-Bau sehe eine zweistufige Ausschlussfrist vor, die auch einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers erfasse. Die Beklagte habe die zweistufige Ausschlussfrist schon auf der ersten Stufe nicht eingehalten. Die Fälligkeit des geltend gemachten Anspruchs sei spätestens am 5. November 2008 eingetreten, eine schriftliche Geltendma-chung sei aber erst mit der Widerklage erfolgt, die dem Klägervertreter am 12. März 2009, dh. außerhalb der zweimonatigen Frist zugestellt worden sei. 13141516- 6 - 8 AZR 187/10 - 7 - Der Verfall der Widerklageforderung sei auch nicht durch § 242 BGB ausge-schlossen. B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtli-chen Überprüfung stand. I. Die zulässige Widerklage ist nicht begründet. Der Beklagten steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch iHv. 11.216,80 Euro nicht zu. 1. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Beklagten wäre, unabhängig von der Rechtsgrundlage auf die er gestützt werden könnte, mangels rechtzeiti-ger Geltendmachung nach § 15 BRTV verfallen und damit erloschen (vgl. BAG 30. März 1973 - 4 AZR 259/72 - BAGE 25, 169 = AP BGB § 390 Nr. 4 = EzA BGB § 390 Nr. 1; 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - AP ZPO § 717 Nr. 9). Ausschlussfristen sind von den Gerichten für Arbeitssachen von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - aaO). Nach § 15 BRTV verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegen-über der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden (1. Stufe). Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird (2. Stufe). a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Allgemeinverbindli-cherklärung der BRTV Anwendung. aa) Der Betrieb der Beklagten ist ein Betrieb des Baugewerbes, der gemäß § 1 Abs. 2 BRTV unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Rahmentarif-vertrags fällt. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig. bb) Aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnor-men des BRTV sowohl den Kläger als auch die Beklagte, unabhängig, ob diese tarifgebunden sind oder nicht, § 5 Abs. 4 TVG. 17181920212223- 7 - 8 AZR 187/10 - 8 - b) Die tarifvertragliche Ausschlussfrist des § 15 BRTV gilt auch für den von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruch, selbst wenn eine vorsätzliche Pflicht- oder Rechts(gut)verletzung durch den Kläger vorliegen sollte. Dies ergibt eine sachgerechte Auslegung der Tarifnorm. aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichti-gen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschich-te des jeweiligen Tarifvertrags berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarif-auslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientier-ten und praktisch brauchbaren Reglung führt (st. Rspr., vgl. BAG 11. November 2010 - 8 AZR 392/09 - mwN, NZA 2011, 763). In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht für tarifvertragliche Ausschlussfristen zudem davon aus, dass diese im Hinblick auf ihre Wirkung grundsätzlich eng auszule-gen sind (vgl. BAG 4. April 2001 - 4 AZR 242/00 - mwN, AP TVG § 4 Aus-schlussfristen Nr. 156 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 141). Allerdings kann dieser Grundsatz erst dann greifen, wenn die Mittel der Auslegung er-schöpft sind und dabei kein eindeutiges Ergebnis zu erzielen war (vgl. Wiede-mann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 800). bb) Nach § 15 Abs. 1 BRTV unterfallen der Ausschlussfrist „alle beiderseiti-gen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Bereits nach dem Wortlaut sollen „alle beiderseitigen“, dh. wechselseitigen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien der Klausel unterliegen. Es ergeben sich aus der Formulierung der Tarifnorm 242526- 8 - 8 AZR 187/10 - 9 - keine Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte Ansprüche gemeint sind und insbesondere solche wegen vorsätzlich begangener, ggf. auch unerlaubter Handlungen ausgenommen sein sollen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterfallen wegen des einheitlichen Lebensvorgangs nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche einer Klausel, die „alle … Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ einer bestimmten Frist zur Geltendmachung unterwirft, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung iSd. §§ 823, 826 BGB (vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit der weiten Formulierung das Ziel, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herbeizufüh-ren. Die Arbeitsvertragsparteien sollen sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf der jeweilige Vertragspartner keine Ansprüche mehr erhebt (vgl. ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 32). Dem entspricht es am ehesten, alle Ansprüche aus einem einheitlichen Lebensvorgang nach einer gewissen Zeit jedem rechtlichen Streit zu entziehen. Anknüpfungspunkt ist für die Tarif-vertragsparteien weniger die Rechtsgrundlage für den Anspruch als vielmehr der Anlass seines jeweiligen Entstehens (vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 807 mwN; BAG 10. August 1967 - 3 AZR 221/66 - BAGE 20, 30 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 37). Ergibt sich somit aus dem Wortlaut eindeu-tig eine einschränkungslose Erfassung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, so bleibt kein Raum für die von der Rechtsprechung geforderte enge Auslegung von Ausschlussfristen (vgl. BAG 21. Januar 2010 - 6 AZR 556/07 - AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 3 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196). c) Die tarifvertragliche Ausschlussfrist in § 15 BRTV ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. aa) Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu über-prüfen, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind, nicht hingegen darauf, ob die jeweilige tarifliche Regelung die gerechteste und zweckmäßigste Lösung darstellt (st. Rspr., vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 132). 2728- 9 - 8 AZR 187/10 - 10 - bb) § 15 BRTV ist nicht nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig bzw. teilnich-tig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien begann am 6. August 2007, so dass auf dieses das BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwen-dung findet. Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vor-satzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Die Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. § 202 BGB stellt eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB dar. So hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist, sofern sie auch vorsätzliche Ver-tragsverstöße und vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen erfassen sollte, als teilnichtig angesehen (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19 = AP BGB § 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3). § 202 Abs. 1 BGB steht jedoch einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasst und nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 Abs. 4 TVG normative Wirkung entfaltet, nicht entgegen. § 202 Abs. 1 BGB spricht von einer Erleichterung der Haftung wegen Vorsatzes „durch Rechtsgeschäft“. Damit wird bereits nach dem Wortlaut der Norm auf einen Tatbestand abgestellt, der sich aus Willenserklärungen ergibt. Die amtliche Überschrift von § 202 BGB spricht zwar in Abweichung vom Wort „Rechtsgeschäft“ von „Vereinbarungen über die Verjährung“, jedoch folgt auch hieraus, dass sich § 202 BGB auf Verjährungsregelungen durch Parteivereinba-rung bezieht und die Vertragsfreiheit der Parteien insoweit einschränkt. Auch die Gesetzesbegründung spricht von der Disposition der Parteien, von Partei-vereinbarung bzw. dem Interesse beider Parteien (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 109 f.). § 202 BGB bezieht sich damit losgelöst von den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets ausschließlich auf die Parteien des materiellrechtli-2930313233- 10 - 8 AZR 187/10 - 11 - chen Anspruchs, um dessen Verjährung es geht (vgl. MünchKommBGB/Grothe 5. Aufl. § 202 BGB Rn. 4; Staudinger/Peters/Jacoby [2009] § 202 BGB Rn. 6; BeckOK Bamberger/Roth/Henrich Stand 1. März 2011 BGB § 202 Rn. 4). Der Gesetzgeber hat daher auch darauf verzichtet, die Grundaussage des § 225 Satz 2 BGB aF, wonach verjährungserleichternde Vereinbarungen grundsätz-lich zulässig waren, in das modernisierte Schuldrecht aufzunehmen, da dies ohnehin Bestandteil der allgemeinen Vertragsfreiheit ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 110). Soweit § 202 BGB nicht einschlägig ist, verjährungs-verändernden Regelungen also nicht entgegensteht, verbleibt es bei der Dis-positivität der Verjährungsregeln. Für individualvertragliche Vereinbarungen zur Verjährungserleichterung besteht nach § 202 Abs. 1 BGB die Einschränkung, dass - unabhängig von der Rechtsnatur des Anspruchs - die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erleichtert werden darf. Als „Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 202 BGB kommen vertragliche Individualvereinbarungen und Vereinbarungen aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Betracht. Eine „Vereinbarung“ im Sinne von § 202 Abs. 1 BGB liegt allerdings nicht vor, wenn auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft Allgemeinverbindlicherklärung zwingend Anwendung findet (§ 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 Abs. 4 TVG) (aA Matthiessen Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen S. 205; Matthiessen/Shea DB 2004, 1366, 1368; Lakkis in jurisPK-BGB 5. Aufl. § 202 Rn. 14; dies. AcP 2003, 763, 768, jeweils ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Wortlaut von § 202 BGB). Gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag kraft beider-seitiger Tarifbindung, so gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags sind Gesetze im materiell-rechtlichen Sinne und erfüllen den Gesetzesbegriff des Art. 2 EGBGB (BAG 14. Juni 1994 - 9 AZR 284/93 - BAGE 77, 81 = AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 21 = EzA BGB § 125 Nr. 11). Für die Tarifgebundenen entspricht die Regelungswirkung daher derjenigen anderer Gesetze. Aufgrund dieser normativen Wirkung des Tarifvertrags, die gerade nicht Ausdruck der privatautonomen Gestaltung der Arbeitsvertragsparteien ist, 3435- 11 - 8 AZR 187/10 - 12 - handelt es sich bei den zwingend und unmittelbar geltenden Rechtsnormen eines Tarifvertrags nicht um ein „Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 202 BGB, sondern um eine gesetzliche Regelung im Sinne von Art. 2 EGBGB. Gleiches gilt, wenn - wie im Streitfalle - die tariflichen Regelungen nach § 5 Abs. 4 TVG aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung Anwendung finden. Ob eine individualvertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien und damit ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 202 BGB jedoch dann vorliegt, wenn ein Tarifvertrag aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel insgesamt Anwendung findet oder wenn allein bezüglich der Ausschlussfristen ein Tarifvertrag Anwendung finden soll, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Eine Inhaltskontrolle des Tarifvertrags nach §§ 305 ff. BGB schließt § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB aus. cc) Die Ausschlussfrist verstößt auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht. Die Gerichte für Arbeitssachen haben Ausschlussfristen in Tarifverträ-gen wie sonstige tarifliche Regelungen nur einer eingeschränkten Kontrolle dahin gehend zu unterziehen, ob die Ausschlussfrist bzw. Regelung mit höher-rangigem Recht vereinbar ist (vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 132). Eine Angemessenheitskontrolle findet damit nicht statt. Dieser einge-schränkte Kontrollmaßstab wird durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB bestätigt (vgl. Weyand in Ausschlussfristen im Tarifrecht Kapitel 2 Rn. 71; Krause RdA 2004, 106, 111). Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass dem § 15 BRTV entsprechende Ausschlussfristen im Baubereich nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere nicht sittenwidrig sind oder gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - aaO; 16. November 1965 - 1 AZR 160/65 - AP TVG § 4 Ausschluss-fristen Nr. 30 = EzA TVG § 4 Nr. 9). 3637383940- 12 - 8 AZR 187/10 - 13 - Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Tarifvertragsparteien in § 15 BRTV eine Regelung getroffen haben, die im Hinblick auf ihre Weite auch Schadensersatzansprüche aufgrund vorsätzlicher Handlungen erfasst und daher von den Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf § 202 Abs. 1 BGB nicht wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart werden könnte. Diese Privilegierung der Tarifvertragsparteien ergibt sich gerade aus der gesetzlichen Regelung des § 202 BGB, die ausschließlich für individualrechtliche Vereinbarungen gilt. § 202 BGB erweist sich damit als tarifdispositives Gesetzesrecht. d) Etwaige Schadensersatzansprüche hätte die Beklagte in der ersten Stufe innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber dem Kläger schriftlich erheben müssen (§ 15 Abs. 1 BRTV). Das war nicht der Fall. aa) Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (vgl. BAG 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - AP BGB § 310 Nr. 5 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 181). Bei Schadensersatzansprüchen tritt Fälligkeit daher ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 488/01 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11). Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadens-ereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erlangt hätte (vgl. BAG 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 -; 16. Mai 1984 - 7 AZR 143/81 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 85 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 58). Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaf-tes Zögern zu verschaffen und er seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann (vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Zur Fälligkeit der Forderung reicht es aus, wenn der Gläubiger die Ansprüche so deutlich bezeichnen kann, dass der Schuldner erkennen kann, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll. Dementsprechend muss zumindest die ungefähre Höhe der Forderung vom Gläubiger benannt werden. Die Fälligkeit eines Schadensersatzanspruchs setzt darüber hinaus voraus, dass ein Scha-414243- 13 - 8 AZR 187/10 - 14 - den überhaupt entstanden ist. Erst mit der Entstehung des Schadens kann auch ein Schadensersatzanspruch entstehen (vgl. BAG 14. Dezember 2006 - 8 AZR 628/05 - mwN, AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2). bb) Mit Schreiben vom 5. November 2008 hat die Beklagte gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten die nach ihrer Auffassung durch das Fehlen des Klägers nach dem ersten Maiwochenende notwendig gewordenen Aufwendun-gen bzw. eingetretenen Schäden im Einzelnen nach Hotelüber-nachtungskosten, Flügen, Spesen etc. beziffert. Aus den dort genannten Ein-zelposten hat sie die Widerklageforderung iHv. 11.216,80 Euro errechnet. Die Beklagte war damit spätestens am 5. November 2008 in der Lage, die von ihr behaupteten Ansprüche zu benennen und zu beziffern. Folglich trat spätestens zu diesem Zeitpunkt Fälligkeit ein. Die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 1 BRTV endete damit am 5. Januar 2009 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die mit Schriftsatz vom 5. März 2009 erhobene, dem Klägervertreter am 12. März 2009 zugestellte Widerklage hat diese Frist nicht gewahrt. Eine frühere schriftliche Geltendmachung, aus welcher der Kläger Grund und ungefähre Höhe des behaupteten Anspruchs hätte entnehmen können, ist nicht festzustellen. Insbe-sondere stellt der bloße Hinweis der Beklagten in der Klageerwiderung vom 23. Dezember 2008, durch die Kündigung des Klägers seien der Beklagten erhebliche Schäden entstanden, die im Zweifel noch weiter beziffert würden, keine ausreichende Geltendmachung im Sinne von § 15 Abs. 1 BRTV dar. Eine solche, nach Grund und ungefährer Höhe spezifizierte Geltendmachung war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil dem Kläger die ungefähre Schadens-höhe bekannt gewesen wäre (vgl. BAG 16. Dezember 1971 - 1 AZR 335/71 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 48 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 8). Dass dies der Fall war, wird von der Beklagten nicht einmal behauptet. e) Eine Berücksichtigung der Ausschlussfrist zugunsten des Klägers ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. aa) Zunächst gilt, dass die fehlende Kenntnis von Existenz und Inhalt einer Ausschlussfrist den Verfall des Anspruchs unberührt lässt (allg. Meinung, vgl. BAG 16. August 1983 - 3 AZR 206/82 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 131 = EzA 444546- 14 - 8 AZR 187/10 - 15 - TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 56). Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führen-de Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist. Der Schuldner muss also den Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist abgehalten haben. Das wird zB angenom-men, wenn der Schuldner durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unter-lassen dem Gläubiger die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Gläubiger könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werde (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02 - BAGE 103, 71 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 169 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 158). bb) Dies war vorliegend nicht der Fall. Zwar meint die Beklagte sinngemäß, der Kläger habe mit dem Klageantrag, gerichtet auf Abrechnung und Auszah-lung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Nettobetrags, zu erkennen gegeben, dass noch Ansprüche - ggf. auch wechselseitige - offen stünden. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Kläger hat nur eigene Entgeltan-sprüche für April und Mai 2008 geltend gemacht und keine Erklärung dahin gehend abgegeben, seinerseits Ansprüche der Beklagten erfüllen zu wollen. Insbesondere hat er die Beklagte nicht an einer Geltendmachung ihrer Ansprü-che gehindert. Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung auf Schadens-ersatzansprüche ihrerseits hingewiesen. Dass sie diese nicht innerhalb der Ausschlussfrist in der notwendigen Art und Weise geltend gemacht hat, ist nicht auf Erklärungen oder ein Verhalten des Klägers zurückzuführen, sondern liegt allein in ihrem Verantwortungsbereich. 47- 15 - 8 AZR 187/10 II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Hauck Böck Breinlinger Schuckmann F. Avenarius 48

Full & Egal Universal Law Academy