8. Senat - Betriebsübergang - mehrere Betriebsübergänge - Adressat des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB - Schlüssigkeit der Feststellungsklage
Karar Dilini Çevir:
8. Senat - Betriebsübergang - mehrere Betriebsübergänge - Adressat des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB - Schlüssigkeit der Feststellungsklage
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16. Oktober 2014 Achter Senat - 8 AZR 696/13 - I. Arbeitsgericht Leipzig Urteil vom 27. Februar 2013 - 11 Ca 3657/12 - II. Sächsisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 20. Juni 2013 - 6 Sa 246/13 - Für die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichwort e : Betriebsübergang - mehrere Betriebsübergänge - Adressat des Wide spruchs nach § 613a Abs. 6 BGB - Schlüssigkeit der Feststellungsklage Bestimmung en : BGB § 613a Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 Hinweis e des Senats: Führende Entscheidung zu weiteren t eilweise n P arallel sachen; teilweise parallel zu - 8 AZR 369/13 - vom 24. April 2014 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 8 AZR 696/13 6 Sa 246/13 Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 16. Oktober 2014 URTEIL Förster, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger, pp. Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 16. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesa r- beitsgericht Hauck, den Richter am Bundesarbeitsgericht Breinlinger, die Ric h- terin am Bundesarbeitsgericht Dr. Winter sowie die ehrenamtlichen Richter E i- mer und Dr. Pauli für Recht erkannt: - 2 - 8 AZR 696/13 - 3 - Die Revision des Klägers gegen das Urteil des S ächs i- schen Landesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2013 - 6 Sa 246/13 - wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten um die Frage, ob aufgrund eines Widerspruchs des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach mehreren Betriebsübergängen zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Kläger ist seit 1990 bei der Beklagten, einem bundesweit tätigen Telekommunikationsunternehmen, und ihren Rechtsvorgä ngerinnen beschäftigt gewesen. Bei der Beklagten arbeitete der Kläger zuletzt als Servicemitarbeiter in der K (K) L und verdiente 3.060,00 Euro brutto im Monat. Unter dem 26. GmbH die beabsichtigte Veräu ßerung der K L und den damit einhergehenden Betrie b- s übergang auf V zum 1. September 2007. Der Kläger widersprach dem Übe r- gang seines Arbeitsverhältnisses auf V zunächst nicht und arbeitete für diese ab dem 1. September 2007 weiter. Am 1. Dezember 2008 erfolgte ein weiterer Betriebsübergang von der V auf die T L GmbH (T). Beide informierten den Kläger mit Schreiben vom 25. Oktober 2008. Auch diesem weiteren Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die T widersprach der Kläger zunächst nicht. Im Dezember 2009 schloss er mit T einen neuen Arbeitsvertrag, dessen Präambel den Übergang des Arbeit s- verhältnisses auf die T bestätigte und dessen § 1 bestimmte, dass alle best e- henden individuellen Regelungen abgelöst werden und ab 1. Januar 2010 keine tarifvertraglichen Regelungen mehr Anwendung finden. 1 2 3 4 - 3 - 8 AZR 696/13 - 4 - Mit Urteil vom 26. Mai 2011 ( - 8 AZR 18/10 - ) entschied der Senat zu einem wortgleichen Unterrichtungsschreiben der V, ebenfalls vom 26. Juli 2007, aber ein anderes Arbeitsverhältnis betreffend, d ass die Unterrichtung fehlerhaft war. 2011 beschloss T die Stilllegung des Standorts L zum 30. Juni 2012. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger unter dem 9. November 2011 gegenüber der Beklagten dem ersten Übergang seines Arbeit sverhältnisses von der Beklagten auf die V widersprochen. Ende Nove m- ber 2011 erhielt der Kläger von T eine betriebsbedingte Kündigung. Dagegen erhob er Kündigungsschutzklage, die vor dem Arbeitsgericht L erfolglos blieb. Der Beschäftigungsbetrieb des Kläge rs wurde zum 30. Juni 2012 stillgelegt. Die vorliegende Klage, die sich gegen die Beklagte richtet, ging am 8. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht L ein. Ohne dass dies von den Vorinstanzen festgestellt worden wäre, hat der Kläger mit der Klageschrift vorget ragen, auch dem zweiten Übergang seines Arbeitsverhältnisses von V auf T am 9. November 2011 widersprochen zu h a- ben. Durch den drohenden Arbeitsplatzverlust seien seine Erwartungen an die Arbeitsplatzsicherung enttäuscht worden. Der Kläger hat die Auffassu ng vertr e- ten, im November 2011 noch dem ersten Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die V zum 1. September 2007 widersprechen gekonnt zu haben. Die dam a- lige Unterrichtung über den Betriebsübergang sei fehlerhaft gewesen und habe die Monatsfrist zum Wid erspruch nach § 613a Abs. 6 BGB nicht in Gang g e- setzt. Er hat zuletzt beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch den Betriebsübergang auf die V GmbH zum 1. September 2007 beendet wurde, sonder n zu den am 31. August 2007 geltenden Vertragsbedingu n- gen unverändert fortbesteht. 5 6 7 8 - 4 - 8 AZR 696/13 - 5 - Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass der Kläger jedenfalls ein etwa noch bestehendes Recht zum Widerspruch verwirkt habe. Das Zeitmome nt sei in Anbetracht eines über vierjährigen Zei t- raums zwischen der Belehrung und dem Widerspruch des Klägers verwirklicht. Durch den vom Kläger mit T abgeschlossenen neuen Arbeitsvertrag habe er auch das Umstandsmoment verwirklicht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsg e- richt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Entscheidungsgründe Die zulässige Revision des Klägers i st unbegründet. Einen wirksamen Widerspruch gegen den früheren Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die V konnte der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Widerspruchs mit T bestand, nicht einlegen, § 613a Abs. 6 Satz 2 BG B. A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Es könne dahinstehen, ob das Unterrichtungsschreiben zum Betriebsübergang 2007 seitens der V fehlerhaft gewesen sei. Jedenfalls habe der Kläger ein etwa noch besteh endes Recht zum Widerspruch verwirkt. Das Zeitmoment sei nach mehr als vier Jahren verwirklicht. Indem der Kläger mit T einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen und damit das Arbeitsverhältnis auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt habe - das gesamt e Vergütungssy s- tem sei unter Wegfall von Weihnachts - und Urlaubsgeld, vermögenswirksamen Leistungen und Jubiläumszahlungen etc. neu geregelt worden - , durfte aus di e- sem Verhalten die Beklagte den Schluss ziehen, der Kläger habe den Bestand seines Arbeitsve rhältnisses mit T bestätigt und endgültig auf die arbeitsvertra g- liche Bindung zur Beklagten verzichtet. Der Beklagten als Konzernobergesel l- schaft der an den Betriebsübergängen beteiligten V sei aufgrund ihrer Gesel l- 9 10 11 12 - 5 - 8 AZR 696/13 - 6 - schafterstellung das Wissen der V über di e tatsächlichen Geschehnisse zuz u- rechnen. B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis der rev i- sionsrechtlichen Überprüfung stand. Die zulässige Klage ist nicht begründet. I. Das Widerspruchsrecht bezüglich des Übergangs des Arbeitsverh äl t- nisses bei Betriebsübergang ist zwar in der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 1 2. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von U n- ternehmen, Betrieben oder Unter nehmens - oder Betriebsteilen (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) nicht ausdrücklich geregelt, jedoch in der Rechtspr e- chung des EuGH anerkannt (ua. EuGH 16. Dezember 1992 - C - 132/91, C - 138/91 und C - 139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 30 ff. mwN, Slg. 1992, I - 657 7) . Der Inhalt jenes Rechts ist unionsrechtlich nicht ausgestaltet; die Rechtsfolgen e i- nes Widerspruchs für das Arbeitsverhältnis richten sich nach nationalem Recht (ua. EuGH 16. Dezember 1992 - C - 132/91, C - 138/91 und C - 139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 37, aaO) . Für die Voraussetzungen des Widerspruchsrechts ergibt sich nichts anderes. Zudem verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten schon nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwe r- ber fortzusetzen (EuGH 16. Dezember 1992 - C - 132/91, C - 138/91 und C - 139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 35, aaO) . II. Der Widerspruch vom 9. Novemb er 2011 gegen den Übergang des A r- beitsverhältnisses am 1. September 2007 erfolgte nicht nach § 613a Abs. 6 Satz der B eklagten als einer früheren Arbeitgeberin. Ein solches Widerspruchsrecht besteht nach dem Gesetz nicht. Auf die Frage einer Verwirkung kommt es nicht an. 13 14 15 - 6 - 8 AZR 696/13 - 7 - 1. Nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB ist der Widerspruch gegenüber zwei Personen i- gen Arbeitgeber ist danach nicht gegeben (vgl. auch BAG 24. April 2014 - 8 AZR 369/13 - ) er sich de r Kläger im November 2011 nach zwei Betriebsübergängen befand, wäre im Si n- (Brockhaus - Wahrig Deutsches Wörterbuch S. 703 [1980]) t- punkt an bis zum heutige (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. S. 607) (Knaurs Lexikon der sinnverwandten Wörter S. 116) derjenige, der vor dem aktuellen Arbeitgeber den Betrieb innehatte. Seit dem § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB, da sie bei diesem zweiten Betriebsübergang den Betrieb erworben hat. Zur B eklagten steht de r Kläger im Zeitpunkt der Erklärung seines Widerspruchs nicht mehr in einer, auch nicht in einer durch § 613a Abs. 6 BGB vermittelten arbeitsrechtlichen oder sonstigen vertragsrechtlichen Beziehung. Die Beklagte war bei Zugang des Widerspr t- te diese Eigenschaft am 1. Dezember 2008 durch den Betriebsübergang von V auf T , also lange vor dem Widerspruch verloren. V verlor infolge diese s weit e- ren Betriebsübergang s e- vom November 2011 gegenüber der Bekla g- ten als einer früheren Arbeitgeberin ging damit ins Leere. Auch systematische Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass der werden kann (näher BAG 24. April 2014 - 8 AZR 369/13 - Rn. 19 ff.) . 2. Dies entspricht der Gesetzesbegründung (BT - Drs. 14/7760 S. 20) für das Wid erspruchsrecht. Mit der Würde des Menschen, dem Recht auf freie En t- faltung der Persönlichkeit und dem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 1, 2 16 17 18 - 7 - 8 AZR 696/13 - 8 - und 12 GG) wäre es unvereinbar, wenn ein Arbeitnehmer verpflichtet würde, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, d en er nicht frei gewählt hat (BAG 22. April 1993 - 2 AZR 50/92 - ; ebenso zu der Richtlinie 2001/23/EG: EuGH 16. Dezember 1992 - C - 132/91, C - 138/91 und C - 139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 32, Slg. 1992, I - 6577; vgl. auch Art. 1 und Art. 15 der Charta der Grundrec hte der Europäischen Union) . 613a BGB immer um das eine, nicht um mehrere Arbeitsverhältnisse) zwischenzeitlich vom Ersterwerber (bisheriger Arbeitgeber) auf einen Zweiterwerber (neuer I n- haber) übergegangen und dagegen ein Widerspruch nicht erhoben worden, stellt sich die Frage einer Verpflichtung, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der nicht frei gewählt worden ist, nur noch in Bezug auf den Zweiterwerber (neuer Inhaber). Bezogen auf den Widersp ruch vom 9. November 2011 gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses am 1. September 2007 von der Beklagten zur V kann es insofern nur auf eine Arbeitspflicht des Klägers für die V anko m- men. Eine solche bestand jedoch am 9. November 2011 nicht mehr, da da s Arbeitsverhältnis durch den zweiten Betriebsübergang seit dem 1. Dezember 2008 mit der T bestand. III. Das Landesarbeitsgericht hat nur den Widerspruch des Klägers gege n- über der Beklagten vom 9. November 2011 gegen den Übergang seines A r- beitsverhältnisses von der Beklagten auf die V tatbestandlich festgestellt und in den Entscheidungsgründen behandelt. Einen zweiten, gegenüber der V e r klä r- ten Widerspruch, ebenfalls vom 9. November 2011, gegen den Übergang se i- nes Arbeitsverhältnisses von V auf T hat das Landesarbeitsgericht nicht ta t b e- standlich festgestellt. Daran ist der Senat gebunden, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO, zumal der Kläger eine Tatbestandsberichtigung oder - ergänzung nicht bea n- tragt hat. 1. Das Berufungsurteil nimmt zwar unter Verw eis auf § 69 ArbGG wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gelangten Schriftsätze ergänzend Bezug. Mit dem Verweis auf Schriftsätze nebst Anlagen ist davon auszugehen, dass auch deren Inhalt 19 20 21 - 8 - 8 AZR 696/13 - 9 - zum B estandteil der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist ( vgl. BGH 12. März 2003 - XII ZR 18/00 - zu II 2 c aa der Gründe, BGHZ 154, 171; 28. November 2001 - IV ZR 309/00 - zu II 1 b der Gründe, mwN) . Da das Ber u- fungsgericht auf § 69 ArbGG verwiesen hat, k önnen insoweit nur die im Ber u- fungsrechtszug zu den Akten gelangten Schriftsätze gemeint sein. Im Ber u- fungsrechtszug hat der Kläger jedoch, was er auch in der Revisionsbegründung selbst ausdrücklich ausführt, einen Widerspruch gegenüber V nicht vorgetr a- gen , dies geschah vielmehr erstinstanzlich mit der Klageschrift. 2. Das Berufungsgericht hat weiter im Tatbestand ergänzend auf die Ei n- zelheiten der Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Jedoch hat auch das arbeitsgerichtliche Urteil einen Widersp ruch des Klägers, ebenfalls vom 9. November 2011, gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses von V auf T weder tatbestandlich erfasst noch rechtlich gewürdigt. 3. Ein etwaiger Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines A r- beitsverhältnisses von V auf T, datierend auf den 9. November 2011, ist damit nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Mit der Klageschrift hatte der Kläger im Übrigen nur einen solchen Widerspruch als Tatsache vorgetr a- gen. Nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB kann der Arbeit nehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses jedoch nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB schriftlich widersprechen. Tats a- chen, die zu dem Schluss berechtigten, der Kläger habe am 9. November 2011 noch dem weite ren Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die T zum 1. Dezember 2008 widersprechen können, hat der Kläger nicht vortragen la s- sen. 22 23 - 9 - 8 AZR 696/13 C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Hauck Breinlinger Winter Eimer Pauli 24

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