7 W (pat) 22/16  - 7. Senat (Jur.Beschw./Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BUNDESPATENTGERICHT
L e i t s a t z
Aktenzeichen: 7 W (pat) 22/16
Entscheidungsdatum: 24. Februar 2017
Rechtsbeschwerde zugelassen: ja
Normen: PatG § 127 Abs. 1
VwZG § 4 Abs. 2 Satz 2
Zustellungsfiktion
Wird ein Dokument mittels Einschreiben durch Übergabe zugestellt, so gilt es gemäß § 127
Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG auch dann als am dritten Tag nach Aufgabe zur
Post zugestellt, wenn es sich bei diesem Tag um einen Samstag, Sonntag oder Feiertag
handelt.
BUNDESPATENTGERICHT
7 W (pat) 22/16
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2005 053 643.3
wegen Weiterbehandlung
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts am 24. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Rauch,
die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e

I.

Am 10. November 2005 meldete die Patentanmelderin beim Deutschen Patent-
und Markenamt eine Erfindung mit der Bezeichnung „Kühlvorrichtung für elektro-
nische Bauteile mit einer Heatsink in SMD-Technik“ zum Patent an. Die Patent-
anmeldung wird unter dem Aktenzeichen 10 2005 053 643.3 geführt.

Mit Prüfungsbescheid vom 19. Mai 2014 teilte das Patentamt der Patentanmelde-
rin mit, dass eine Patenterteilung mit den vorgelegten Unterlangen nicht in Aus-
sicht gestellt werden könne. Die Patentanmelderin erhielt zur Abgabe einer Stel-
lungnahme mehrfach Fristverlängerungen. Nachdem die der Patentanmelderin zur
Erwiderung auf den Prüfungsbescheid mit Verfügung vom 3. März 2015 gesetzte
weitere Frist von einem Monat erfolglos verstrichen war, wies die Prüfungsstelle
für Klasse H01L des Patentamts die Patentanmeldung aus den im Prüfungsbe-
scheid genannten Gründen mit Beschluss vom 26. Mai 2015 zurück. In der bei-
gefügten Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit zur Weiterbehandlung
gemäß § 123a PatG und auf die Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde
nach § 73 PatG hingewiesen.

Der Beschluss vom 26. Mai 2015 wurde der Patentanmelderin mittels eines am
27. Mai 2015 zur Post gegebenen Übergabe-Einschreibbriefs zugestellt; ausweis-
lich eines bei der Akte befindlichen Auslieferungsbeleges der Deutschen Post AG
ging ihr das Einschreiben am Donnerstag, den 28. Mai 2015, zu.

Am 1. Juli 2015 ging beim Patentamt ein Antrag auf Weiterbehandlung samt
SEPA-Lastschriftmandat zur Zahlung der Weiterbehandlungsgebühr in Höhe von
100,- € ein.

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Diesen Antrag hat die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und
Markenamts durch Beschluss vom 15. Juli 2015 unter Hinweis auf die Vorschrift
des § 123a Abs. 2 Satz 1 PatG als verspätet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, wobei sie in der Be-
schwerdeschrift und in der Beschwerdebegründung als angegriffenen Beschluss
ausdrücklich denjenigen mit Beschlussdatum des 15. Juli 2015 benannt hat. Ihr
Begehren hat sie dabei als Aufhebung des Beschlusses über die Zurückweisung
der Patentanmeldung beschrieben und mit der Einreichung neuer Anmeldeunter-
lagen kombiniert. Dabei ist die Patentanmelderin in ihrer Beschwerdebegründung
vom 11. August 2015 auf Seite 1 von einem Zugang des Zurückweisungsbe-
schlusses vom 26. Mai 2015 am 28. Mai 2015 ausgegangen, während sie ihren
Ausführungen auf Seite 2 der Beschwerdebegründung ohne weitere Erläuterun-
gen einen Zugang dieses Beschlusses am 1. Juni 2015 zu Grunde gelegt hat.

Die Patentanmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 15. Juli 2015 aufzuheben und ihrem
Antrag auf Weiterbehandlung der Patentanmeldung stattzugeben.

Auf Hinweise des Senats vom 17. Oktober 2016 und vom 11. Januar 2017 hat
sich die Patentanmelderin nicht geäußert.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

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II.

Die gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 PatG zulässige Beschwerde der Patentan-
melderin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Patentanmelderin, die den Beschluss
der Prüfungsstelle vom 15. Juli 2015 ausdrücklich als Beschwerdegegenstand be-
zeichnet hat, gegen die Zurückweisung ihres am 1. Juli 2015 gestellten Antrags
auf Weiterbehandlung und nicht, wie die Patentanmelderin in ihrer Beschwerde-
schrift zusätzlich formuliert hat, gegen die Zurückweisung ihrer Patentanmeldung.
Da die Patentanmeldung nach Versäumung einer vom Patentamt gesetzten Frist
zurückgewiesen worden ist, kann die Patentanmelderin, worauf auch in der dem
Beschluss vom 26. Mai 2015 beigefügten Rechtsmittelbelehrung hingewiesen
wird, nach Maßgabe des § 123a PatG die Weiterbehandlung ihrer Anmeldung mit
der Folge beantragen, dass im Erfolgsfalle der Zurückweisungsbeschluss wir-
kungslos wird. Die Stellung des Antrags auf Weiterbehandlung und die Zahlung
der Gebühr für die Weiterbehandlung sind jedoch verspätet erfolgt, wie das Pa-
tentamt im Beschluss vom 15. Juli 2015 zutreffend festgestellt hat.

2. Der Weiterbehandlungsantrag muss gemäß § 123a Abs. 2 Satz 1 PatG in-
nerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung über die
Zurückweisung der Patentanmeldung beim Patentamt eingereicht werden. Inner-
halb dieser Monatsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen, § 123a Abs. 2
Satz 2 PatG, und die tarifliche Gebühr in Höhe von 100 € zu bezahlen, § 6 Abs. 1
Satz 1 PatKostG, Nr. 313 000 des Kostenverzeichnisses, Anhang zu § 2 Abs. 1
PatKostG. Diese Monatsfrist ist nicht eingehalten.

a) Der Beschluss vom 26. Mai 2015 über die Zurückweisung der Patentanmel-
dung wurde mittels eines am 27. Mai 2015 zur Post gegebenen Übergabe-Ein-
schreibbriefs zugestellt. Entsprechend der hier gemäß § 127 Abs. 1 PatG zur An-
wendung kommenden Zugangsfiktion des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt das Doku-
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ment am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, d. h. hier am 30. Mai 2015, als
zugestellt.

b) Dem steht nicht entgegen, dass der Patentanmelderin ausweislich des bei
der Akte befindlichen Auslieferungsbeleges der Deutschen Post AG der Beschluss
tatsächlich bereits am Donnerstag, den 28. Mai 2015 zugegangen ist. Denn die
drei Tage umfassende Zeitspanne der Zugangsfiktion des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG
kann nicht zu Ungunsten des Empfängers abgekürzt werden (st. Rspr., z. B.
BVerwG, Beschluss vom 24. März 2015, 1 B 6/15, m. w. N; Senatsbeschluss vom
22. Januar 2009, 10 W (pat) 57/05, juris Tz. 12; Schulte/Schell, PatG, 9. Aufl.,
§ 127 Rdn. 78; Engelhardt/Schlatmann, VwVG/VwZG, 10. Aufl., VwZG § 4
Rdn. 8).

c) Der Umstand, dass der hier durch die Fiktion des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG
begründete Zustellungstag, der 30. Mai 2015, ein Samstag war, rechtfertigt eben-
falls keine andere Beurteilung. Zwar wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass
die Zustellung entgegen dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG nicht als am
dritten Tag nach Aufgabe zur Post bewirkt anzusehen sei, wenn es sich bei die-
sem Tag um einen Samstag, Sonntag oder Feiertag handele, weshalb als Zustel-
lungstag in diesen Fällen der darauffolgende Werktag anzusehen sei (st. Rspr.
des Bundesfinanzhofs für den gleichlautenden § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO seit BFH,
Urteil vom 14. Oktober 2003, IX R 68/98, NJW 2004, 94; weitere Nachweise bei
Engelhardt/Schlatmann, a. a. O., VwZG § 4 Rdn. 6). Hiervon ausgehend wäre
hier, wenn als Zustellungstag der Montag, 1. Juni 2015, angesehen würde, die am
1. Juli 2015 erfolgte Einreichung des Weiterbehandlungsantrags noch rechtzeitig
gewesen.

Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Bei dem dritten Tag nach der
Aufgabe zur Post handelt es sich nämlich nicht um das Ende einer Frist, auf das
die Regelung des § 193 BGB anwendbar wäre, sondern um einen Zeitpunkt, der
auch auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fallen kann (vgl. OVG Rheinland-
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Pfalz, Urteil vom 30. Oktober 2014, 10 A 11170/13, juris, m. w. N.; BPatGE 40,
270, 272; Schulte/Schell, a. a. O., § 127 Rdn. 77; Sadler, VwVG/VwZG, 8. Aufl.,
VwZG § 4 Rdn. 13).

Auch wenn die Zustellungsfiktion des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG auf einen Samstag,
Sonntag oder Feiertag fällt, führt dies keinesfalls zu einer Schlechterstellung des
Beteiligten. Ihm steht zur Einlegung des Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs - aus-
gehend von dem tatsächlichen Eingang des Beschlusses - jedenfalls die volle im
Gesetz dafür vorgesehene Frist zur Verfügung, u. U. darüber hinaus ein oder zwei
weitere Tage, wenn der anzufechtende Beschluss nicht erst am dritten, sondern
bereits am zweiten oder am ersten Tag nach der Absendung bei ihm eingetroffen
ist (weshalb der Tag der Aufgabe zur Post einem Beteiligten weder auf der über-
mittelten Ausfertigung noch im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung explizit mitge-
teilt werden muss, vgl. BPatG, Beschluss vom 10. Dezember 1998,
9 W (pat) 22/98, BPatGE 40, 270 = GRUR 1999, 569).

d) Die Monatsfrist des § 123a Abs. 2 Satz 1 PatG – gegen deren Versäumung
eine Wiedereinsetzung nach § 123a Abs. 3 PatG nicht gegeben ist – begann da-
her am Samstag, den 30. Mai 2015, und lief am Dienstag, den 30. Juni 2015 ab.
Der Antrag auf Weiterbehandlung, den die Patentanmelderin am 1. Juli 2015 beim
Patentamt eingereicht hat, ist dort dementsprechend nach Fristablauf und somit
verspätet eingegangen. Das Patentamt hat daher die beantragte Weiterbehand-
lung im angefochtenen Beschluss vom 15. Juli 2015 zu Recht verweigert.

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt im Hinblick darauf, dass die
hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob bei Anwendung des § 127 Abs. 1
PatG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG als Zustellungstag auch ein Samstag, Sonn-
tag oder Feiertag angesehen werden kann, bislang – soweit ersichtlich – vom
Bundesgerichtshof noch nicht entschieden worden ist.

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III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben.
Diese kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung
des Rechts beruht.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Rauch Püschel Dr. Schnurr

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