7 W (pat) 20/16  - 7. Senat (Jur.Beschw./Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



7 W (pat) 20/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
10. August 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Patentanmeldung 10 2012 020 439.6

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des
Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom
10. August 2017 durch den Vorsitzenden Richter Rauch sowie den Richter
Eisenrauch und die Richterin Dr. Schnurr

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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Am 18. Oktober 2012 meldete der Anmelder beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt (DPMA) eine Erfindung mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung
zur Erstellung von SuperDeep-Schmelzbohrschächten“ zum Patent an. Die An-
meldung wird dort unter dem Aktenzeichen 10 2012 020 439.6 geführt.

Durch patentamtliches Schreiben vom 6. März 2015 wurde der Anmelder darauf
aufmerksam gemacht, dass die für die Anmeldung fällig gewordene dritte Jahres-
gebühr nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungsfrist entrichtet worden sei und
dass die Anmeldung als zurückgenommen gelten müsse, wenn die Gebühr mit ei-
nem Verspätungszuschlag, insgesamt 120,- €, nicht bis zum 30. April 2015 ge-
zahlt werde. Tatsächlich zahlte der Anmelder die Gebühr erst am 22. Mai 2015
beim Patentamt ein. Daraufhin teilte das Patentamt dem Anmelder mit Schreiben
vom 10. Juli 2015 mit, dass die Anmeldung wegen nicht rechtzeitiger Zahlung als
zurückgenommen gelte und wies auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in
die versäumte Gebührenfrist hin.

Am 16. Juli 2015 ging beim Patentamt per Telefax ein vom 14. Juli 2015 datieren-
der Wiedereinsetzungsantrag des Anmelders mit der Begründung ein, er sei im
vergangenen halben Jahr durch eine hartnäckige Bronchitis geschäftsunfähig ge-
wesen und habe dadurch die rechtzeitige Zahlung anstehender Patentgebühren
versäumt. Die Einzahlung der am 30. April 2015 fällig gewesenen Gebühren habe
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er nach Durchsicht seiner liegengebliebenen Unterlagen am 22. Mai 2015 ver-
spätet nachgeholt.

Durch Zwischenbescheid vom 3. Dezember 2015 kündigte das Patentamt die Zu-
rückweisung dieses für zulässig erachteten Wiedereinsetzungsantrags als unbe-
gründet an. Der Anmelder habe nicht glaubhaft gemacht, dass er tatsächlich aus
gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, die Gebühren rechtzei-
tig zu überweisen bzw. den Betrag durch eine bevollmächtigte Person überweisen
zu lassen. Derzeit sei davon auszugehen, dass das Versäumnis des Anmelders
auf Fahrlässigkeit beruhe.

Auf den Zwischenbescheid erwiderte der Anmelder am 29. Dezember 2015 und
verwies mit der Bitte um Nachsicht darauf, dass er seit über 40 Jahren Patente
anmelde und dabei - soweit er sich erinnern könne - noch niemals Termine ver-
passt habe.

Durch Beschluss der Prüfungsstelle 24 vom 16. März 2016, der dem Anmelder am
18. März 2016 zugestellt wurde, wies das Deutsche Patent- und Markenamt den
Wiedereinsetzungsantrag aus den Gründen des Zwischenbescheids zurück.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er bean-
tragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Prü-
fungsstelle 24 - vom 16. März 2016 aufzuheben und
Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der dritten
Jahresgebühr samt Verspätungszuschlag zu gewähren.

Zur Begründung seiner Beschwerde legt der seit dem 30. November 2015 anwalt-
lich vertretene Anmelder eine von ihm unterzeichnete eidesstattliche Versicherung
vor. Darin erläutert er, dass er im Zeitraum von etwa Februar bis Mitte Mai 2015
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unter einer sehr hartnäckigen Bronchitis gelitten habe, die ihn permanent an das
häusliche Krankenbett gefesselt und davon abgehalten habe, die vorliegende An-
meldung im Auge zu behalten. Der amtlichen Gebührenmitteilung vom
6. März 2015 habe er auf Grund seiner schweren Erkrankung keinerlei Aufmerk-
samkeit schenken können. Zudem sei in dieser Mitteilung das maßgebliche Ende
der Zahlungsfrist sehr unauffällig, um nicht zu sagen: versteckt, enthalten gewe-
sen. Bei Zugang der Mitteilung sei er sogar - wegen der langdauernden akuten
Krankheitsphase - davon ausgegangen, unter einer noch schlimmeren Erkrankung
zu leiden. Er habe sich auf Grund dessen in einer psychischen Ausnahmesituation
befunden, die es ihm nicht erlaubt habe, irgendwelche Entschlüsse in Bezug auf
die Patentanmeldung zu fassen. Erst als er Mitte Mai 2015 wieder einigermaßen
genesen gewesen sei, habe er sich auch mental wieder in der Lage gefühlt, seine
in den Monaten zuvor liegengelassenen Unterlagen durchzusehen, insbesondere
seine Patentaktivitäten wieder aufzunehmen. Am 21. Mai 2015 habe er dann die
dritte Jahresgebühr mit Zuschlag angewiesen.

Zur Glaubhaftmachung seines Vortrags legt der Anmelder zusätzlich ein vom
24. Februar 2017 datierendes ärztliches Attest folgenden Inhalts vor:“ O. g. Patient
befand sich in den letzten Jahren aufgrund einer chronischen Bronchitis häufig in
unserer Behandlung. Anamnestisch gibt Herr F… glaubhaft an, aufgrund einer
akuten Bronchitis 2015 an der Bearbeitung der Patentgebühren gehindert gewe-
sen zu sein“.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten einschließlich eines Hinweises des Se-
nats in der Ladungsverfügung vom 19. Mai 2017 und auf das Protokoll der mündli-
chen Verhandlung vom 10. August 2017 Bezug genommen.

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II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Das Patentamt
hat dem Wiedereinsetzungsantrag des Anmelders zu Recht nicht entsprochen.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist statthaft. Der Anmelder hat die Frist zur
Zahlung der dritten Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag versäumt und dadurch
einen Rechtsnachteil erlitten, § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG. Ausgehend vom Anmel-
detag, dem 18. Oktober 2012, war die dritte Jahresgebühr in Höhe von 70,- €
(GebVerz Nr. 312 030) am 31. Oktober 2014 zur Zahlung fällig, § 3 Abs. 2 Satz 1
PatKostG. Nachdem sie nicht § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG entsprechend zu-
schlagsfrei bis zum Ablauf des zweiten Monats nach Fälligkeit gezahlt wurde,
hätte der Anmelder die Gebühr zuzüglich eines Verspätungszuschlags in Höhe
von 50,- € (GebVerz Nr. 312 032) noch bis zum Ablauf des sechsten Monats nach
Fälligkeit, also bis Donnerstag, den 30. April 2015, entrichten können, § 17 PatG
i. V. m. § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 PatKostG. Tatsächlich hat er die dritte
Jahresgebühr mit Zuschlag erst im Wege einer Überweisung am 22. Mai 2015
(§ 2 PatKostZV) und somit verspätet gezahlt, weshalb die Anmeldung seit dem
1. Mai 2015 als zurückgenommen gilt, § 58 Abs. 3 PatG.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag des Anmelders ist auch im Übrigen zulässig.
Die zweimonatige Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG ist gewahrt. Diese
Frist beginnt mit dem Wegfall eines Hindernisses in dem Zeitpunkt, in dem der
Säumige bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht mehr gehin-
dert war, die versäumte Handlung vorzunehmen, oder in dem das Fortbestehen
des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl.
Schulte/Schell, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn. 26). Auf der Grundlage seiner eigenen
Angaben ist das vom Anmelder behauptete Hindernis zur rechtzeitigen Gebühren-
zahlung - seine nun zurückliegende Erkrankung - spätestens am 21. Mai 2015,
also zu dem Zeitpunkt weggefallen, zu dem der Anmelder die Überweisung getä-
tigt hat und nach eigenen Angaben wieder in der Lage war, sich um seine Pa-
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tentangelegenheiten zu kümmern. Von diesem Zeitpunkt ausgehend ist der Wie-
dereinsetzungsantrag vom 16. Juli 2015 innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist
des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG fristgerecht gestellt und mit Gründen versehen wor-
den. Die versäumte Handlung hat der Anmelder ebenfalls rechtzeitig nachgeholt.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedoch in der Sache unbegründet. Ge-
mäß § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG darf Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn
der Säumige die Frist ohne Verschulden versäumt hat. Der Vortrag des Anmelders
ist jedoch nicht geeignet, ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Zah-
lung der dritten Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag auszuschließen.

„Verschulden“ im Sinne dieser Vorschrift umfasst Vorsatz und jede Form von
Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB, wer die im Ver-
kehr übliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Die Ausführungen des Anmelders im Wiedereinsetzungsantrag zu einer schweren
und hartnäckigen Bronchitis sind nicht geeignet, einen Fahrlässigkeitsvorwurf aus-
zuschließen und glaubhaft zu machen, dass ihm die rechtzeitige Zahlung der Ge-
bühr krankheitsbedingt unmöglich oder unzumutbar war.

Eine Bronchitis führt in aller Regel nicht zur „Geschäftsunfähigkeit“. Dass der An-
melder während eines halben Jahres nach Fälligkeit der Jahresgebühr, also in der
Zeit bis Ende April 2015, krankheitsbedingt weder in der Lage war, eine fristge-
rechte Zahlung selbst vornehmen, noch eine andere Person mit der Einzahlung
der Gebühr an seiner Stelle zu betrauen, hat er nicht glaubhaft gemacht.

Auch der weitere Vortrag in der als Beschwerdebegründung eingereichten eides-
stattlichen Versicherung des Anmelders vom 7. März 2017 nebst ärztlichem Attest
vom 24. Februar 2017 ändert an dieser rechtlichen Bewertung nichts. Zwar kann
dieser Vortrag, der bereits außerhalb der Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1
PatG zur Akte gereicht worden ist, noch Berücksichtigung finden, da er eine bloße
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Ergänzung des früheren Vortrags des Anmelders und damit eine zulässige Ergän-
zung darstellt (vgl. Schulte/Schell, a. a. O., § 123 Rdn. 40). Der zusätzliche Vor-
trag enthält jedoch nichts Stichhaltiges.

Aus dem vorgelegten ärztlichen Attest geht lediglich hervor, dass der Anmelder in
den letzten Jahren wegen einer chronischen Bronchitis häufig in Behandlung war.
Gerade dieser Umstand hätte ihn veranlassen müssen, für diese Krankheitspha-
sen Vorsorge zu treffen. Weil er mit dem wiederholten Auftreten bestimmter
Krankheitszustände rechnen musste, wäre es erforderlich gewesen, rechtzeitig
jemand anderen zur Unterstützung in seinen Patentangelegenheiten hinzuzuzie-
hen. Anlass hierfür hätte im konkreten Fall spätestens die Gebührenmitteilung des
Patentamts vom 6. März 2015 gegeben.

Soweit sich der Anmelder zusätzlich, wie er im März 2017 eidesstattlich versichert
hat, in der Zeit von Anfang Februar 2015 bis Mitte Mai 2015 in einer psychischen
Ausnahmesituation befunden haben sollte, die der Zahlung einer Gebühr entge-
gengestanden haben könnte, ist dazu keine Einschätzung aus ärztlicher Sicht be-
kannt. Die diesbezügliche, im März 2017 in der Rückschau formulierte Selbstwahr-
nehmung des Anmelders, bezogen auf einen zwei Jahre zurückliegenden Zeit-
raum, reicht zur Glaubhaftmachung eines Hindernisses im Sinne des § 123 Abs. 1
PatG nicht aus.

Den Maßstab für die zu fordernde Sorgfalt betreffend ist dabei auf die Sorgfalt ei-
nes üblichen Verfahrensbeteiligten im konkreten Einzelfall abzustellen, wobei an
Privatpersonen nicht dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an einen Anwalt
(vgl. hierzu die Senatsentscheidung vom 27. Juni 2011 – 10 W (pat) 45/08). Wie
er in seiner Eingabe vom 29. Dezember 2015 betont und später zusätzlich eides-
stattlich versichert hat, hat der Anmelder seit vielen Jahren mit Patentanmeldun-
gen zu tun und seine Anmeldungen in der Vergangenheit sowohl mit, als auch
ohne patentanwaltliche Unterstützung eingereicht und weiterverfolgt. Angesichts
dessen ist davon auszugehen, dass er die Bedeutung von patentrechtlichen Ge-
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bührenzahlungsfristen und die Folgen von deren Versäumung sehr genau kannte,
weshalb bei ihm ein im Vergleich zu einem unerfahrenen Einzelanmelder durch-
aus erhöhter Sorgfaltsmaßstab anzuwenden ist.

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen seines patentanwaltlichen Vertre-
ters, der den bisherigen Vortrag in der mündlichen Verhandlung nochmals zu-
sammengefasst und vertieft hat, bietet sein Vortrag also keine hinreichende
Grundlage, um ein Verschulden an der Fristversäumung auszuschließen.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur
gegeben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Rauch Eisenrauch Dr. Schnurr

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