7 W (pat) 1/16  - 7. Senat (Jur.Beschw./Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




7 W (pat) 1/16
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache










betreffend die Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats für
Arzneimittel (Az. 12 2013 000 059.7)


hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts am 6. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Rauch, der Richterin Püschel und der Richterin Dr. Schnurr
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beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Patentabteilung 1.44
des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2015
aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entschei-
dung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.


G r ü n d e

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Grundpatents EP 1 519 731, das auf eine
Anmeldung vom 13. Juni 2003 zurückgeht, eine „Kombination von Azelastin und
Fluticason“ betrifft und beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Akten-
zeichen 603 27 203.7 geführt wird.

Die Antragstellerin beantragte am 5. Juli 2013 die Erteilung eines ergänzenden
Schutzzertifikats für – wie in der Rubrik Nr. 7 des Antragsformulars angegeben -
das zugelassene Erzeugnis „Azelastin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches
Salz davon und ein pharmazeutisch unbedenklicher Ester von Fluticason“. In der
Rubrik Nr. 8 des Antragsformulars „Nummer, Zeitpunkt und Gültigkeit der ersten
Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses in Deutschland“ gab die
Antragstellerin „Nr. 85237.00.00 vom 18. März 2013“ an. Gemäß der weiteren An-
gabe unter Nr. 9 des Anmeldeformulars wurde die erste Genehmigung in der Eu-
ropäischen Union unter der Nummer 2011/07125-REG am 15. Februar 2013 er-
teilt. Zum Nachweis dieser Angaben legte die Antragstellerin - jeweils betreffend
das „Dymista Nasenspray“ - Kopien des deutschen Zulassungsbescheids vom
18. März 2013 sowie - in slowakischer Sprache und in deutscher Übersetzung -
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eine Genehmigungsentscheidung des staatlichen slowakischen Instituts für Arz-
neimittelkontrolle vom 15. Februar 2013 vor.

Mit Beschluss vom 18. September 2015 erteilte das DPMA, Patentabteilung 1.44,
ein ergänzendes Schutzzertifikat für „Azelastin oder ein pharmazeutisch unbe-
denkliches Salz davon und ein pharmazeutisch unbedenklicher Ester von Fluti-
cason“. Als Laufzeit des Zertifikats ist unter Gliederungspunkt „f“ die Zeitspanne
„ab 14. Juni 2023 bis 15. Februar 2028“ bezeichnet.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie be-
gehrt dessen Aufhebung und Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats mit
korrigierter Laufzeit unter Gliederungspunkt „f“ des Beschlusses.

Nach ihrer Auffassung hätte das ergänzende Schutzzertifikat mit einer Laufzeit
erteilt werden müssen, die nicht an das in der ersten Genehmigung für das Inver-
kehrbringen des Erzeugnisses in der Europäischen Union genannte Datum
15. Februar 2013, sondern an das Datum der Mitteilung dieser Genehmigung an
die Antragstellerin anknüpft. Hierfür verweist die Antragstellerin auf die in der
Rechtssache C-471/14 ergangene Entscheidung des Gerichtshofs der Europäi-
schen Union vom 6. Oktober 2015.

Mit der Beschwerdebegründung wurde das vom 15. Februar 2013 datierte Schrei-
ben der slowakischen Genehmigungsbehörde nochmals in Kopie vorgelegt; die-
ses ist - im Unterschied zu der bereits beim Patentamt eingereichten Kopie - mit
einem Eingangsstempel versehen, in den das Datum „6. 3. 2013“ eingetragen ist.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

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II.

Die Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als der angefochtene Be-
schluss aufzuheben und die Sache an das Patentamt zur erneuten Entscheidung
zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin durch die
angefochtene Entscheidung beschwert.

Die für die Zulässigkeit einer Beschwerde erforderliche Beschwer kann formeller
Art sein, etwa derart, dass in der Ausgangsentscheidung von den vom Beschwer-
deführer gestellten Anträgen in nachteiliger Weise abgewichen wird, oder auch
materieller Art, wofür jeglicher dem Beschwerdeführer nachteilige rechtskraftfähige
Inhalt der Entscheidung genügt. Dabei reicht es aus, die Beschwer schlüssig zu
behaupten (BGH GRUR 1967, 194 – Hohlwalze; Busse/Engels, Patentgesetz,
8. Aufl. § 73 Rn. 80). Die Antragstellerin hat dargelegt, dass das Patentamt das
ergänzende Schutzzertifikat mit unzutreffend berechneter, vorzeitig endender
Laufzeit erteilt habe. Damit hat die Antragstellerin eine Beschwer schlüssig be-
hauptet, denn insoweit ist ihre Behauptung - deren Richtigkeit unterstellt - geeig-
net, das mit ihr verbundene Begehren sachlich zu rechtfertigen. Ob ihrem Begeh-
ren insgesamt wie beantragt zu entsprechen ist, wird im Rahmen der erneuten
Sachprüfung zu klären sein.

2. Die Beschwerde ist begründet, weil im angefochtenen Beschluss die Lauf-
zeit des Schutzzertifikats ohne Berücksichtigung der - erst nach dem angefochte-
nen Beschluss - in der Rechtssache C-471/14 ergangenen Entscheidung des Ge-
richtshofs der Europäischen Union vom 6. Oktober 2015 berechnet wurde.

Nach §§ 16a, 49a PatG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über
das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. EU 2009 L 152/1, im Fol-
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genden: Verordnung) wird das Zertifikat ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des
Grundpatents für eine Dauer erteilt, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung
der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung
für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeit-
raums von fünf Jahren.

Bei seiner gemäß § 49a Abs. 2 Satz 1 PatG erforderlichen Angabe der Laufzeit im
Zertifikatsbeschluss hat das Patentamt in seiner Berechnung, den Zeitpunkt der
Genehmigung betreffend, auf das von der Antragstellerin angegebene Ausstel-
lungsdatum, nämlich auf den 15. Februar 2013, abgestellt. Mit Urteil vom
6. Oktober 2015 hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssa-
che C-471/14 allerdings zwischenzeitlich für Recht erkannt, dass Artikel 13 Abs. 1
der Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass der Zeitpunkt der ersten Ge-
nehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union nach Unionsrecht
bestimmt wird und dass dies der Zeitpunkt ist, zu dem der Beschluss über die Ge-
nehmigung für das Inverkehrbringen seinem Adressaten bekannt gegeben wird
(vgl. Busse/Hacker, a. a. O., § 16a, Rn. 145).

Hiervon ausgehend ist das Patentamt mit seiner Entscheidung im Ergebnis hinter
dem zurückgeblieben, was die Anmelderin auf der Grundlage der neuen Recht-
sprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beanspruchen kann.

Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben, ohne dass der Senat in der
Sache entscheidet (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG). Das Patentamt wird unter Berück-
sichtigung der dargelegten Rechtsprechung sowie der von der Antragstellerin
erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegten, mit einem Stempelaufdruck verse-
henen Genehmigungsentscheidung der slowakischen Behörde die Laufzeitbe-
rechnung erneut durchzuführen haben.

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III.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Rauch Püschel Dr. Schnurr

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